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III. Der erste Tag in See

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In langer Dünung rollt uns die Nordsee entgegen; das Wetter ist klar, und der Wind weht steif aus NNW. Ich stehe allein mit meinem ersten Wachoffizier auf dem Turm, in der „Badewanne.“ So haben wir die feste Schutzwand getauft, die sich oben auf der Navigationsplattform in fein geschwungener Linie rings um das Turmluk herumzieht und wie eine Art Fliegergondel aussieht. Vor ihr befindet sich der obere Steuerstand, der aber nur bei gutem Wetter benutzt werden kann.

Heute stehen wir in Ölzeug hinter dem Schutz, denn die See ist gerade bewegt genug, um schon alles zu durchnässen. Das Deck ist ständig überspült, und alle Augenblicke klatscht es an den Turm. In der Hand das Sprachrohr nach der Zentrale, wo der Rudergänger die Befehle durch den Telegraph in die Maschine schnarren lässt, lauert man: Ein dumpfes Bumsen, der Bug taucht ein, schäumend poltert es über das Deck und zischt am Turm hoch; dann gilt es in Gedankenschnelle das Turmluk zuzuwerfen und sich im knisternden Ölzeug hinter die Schutzwand zu ducken . . . diese Turnübung wiederholt sich alle paar Minuten.

Dazwischen steht man, hört den Wind in den Stagen der Masten sausen und blickt in die Runde. Seit einiger Zeit schon ist die deutsche Küste im Südosten hinter uns außer Sicht gekommen, und das begleitende Torpedoboot, das vor uns fährt, ist das letzte Stückchen Heimat.

Bald nähern wir uns der äußersten deutschen Vorpostenkette je vier Bewachungsfahrzeuge fahren an uns in Kiellinie vorbei und hissen das Signal: „Glückliche Reise.“ Unser treuer Begleiter kommt nun näher herangeschossen; seine Mannschaft bringt drei kräftige Hurras auf uns aus, die Offiziere auf der Brücke legen grüßend die Hand an die Mütze, und wir zwei einsamen Männer auf dem Turm grüßen zurück; dann duckt sich das schwarze Boot in eine See, macht eine prächtige Wendung, dreht mit wirbelndem Kielwasser ab, wird kleiner und kleiner und verschwindet bald mit wehender Bauchfahne.

Wir sind uns nun selbst überlassen und fahren ins Ungewisse.

Ich lasse uns nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Von allen Seiten droht uns jetzt Gefahr und ich muss Gewissheit haben, dass das Boot im besten Trimm ist, das ich es mit Maschinen und Tauchvorrichtungen fest in der Hand halte.

Ich gebe das Kommando „Klar machen zum Prüfungstauchen!“

Sofort kommen die Meldungen von Turm und Zentrale zurück, und die Leute eilen auf ihre Tauchstationen. Noch hämmern die Ölmotoren in ihrem wilden Takt; dann lasse ich die Alarmglocke schrillen und springe in den Turm; das Turmluk wird geschlossen, zugleich schweigen die Ölmotoren.

Einen Augenblick empfindet man einen leichten Druck in den Ohren; wir sind abgesperrt nach außen, und es wird still.

Aber es ist keine wirkliche Stille; es ist nur der Wechsel.

Denn das Kommando ertönt: „Tauchklappen auf!“ „Fluten!“

Was nun kommt, ist so seltsam eindrucksvoll, dass man es nicht mehr vergessen kann, wenn man es einmal erlebt hat.

Die Tauchventile werden aufgerissen, und mit einem Zischen weicht die gepresste Luft aus den Tanks. Zugleich erhebt sich ein gigantisches stoßweises Pusten, wie ein urweltliches Schnauben und Blasen, das man fast schmerzhaft in den Ohren drücken fühlt; dann wird das Geräusch gleichmäßiger, aber es kommt jetzt ein hohes Summen und pfeifendes Schwirren hinzu: alle hohen Töne der Maschinerie in der Zentrale vereinen sich und vollführen einen verwirrenden Lärm; es ist wie ein irrsinniger, diabolischer Singsang, der nach dem dunkeln schweren Hämmern der Ölmotoren doch fast wie eine Stille empfunden wird, nur eindringlicher und aufreizender. Das durchdringende Surren in den vielen Ventilen verkündet, dass der Tauchmechanismus im Gange ist. Er summt und singt ganze Tonleitern herunter, und bei diesen langsam abnehmenden und tiefer werdenden Tönen hat man geradezu das körperliche Gefühl von dem Einströmen und Fluten gewaltiger Wassermassen; man glaubt mit dem Boote schwerer zu werden und zu sinken, auch wenn man nicht durch die Turmfenster und im Sehrohr erkennen könnte, wie droben das Vorschiff eintaucht, wie das Geländer schäumend in die Wogen schneidet und das Wasser am Turm immer höher spült, bis draußen alles in das zauberhafte Zwielicht der Tiefe gehüllt ist.

Nur unsere treuen Lampen leuchten, und es ist jetzt wirklich still geworden. Man hört nur den leise bebenden Rhythmus der E.-Maschinen.

Nun kommt das Kommando:

„Auf zwanzig Meter gehen!“

„Beide Maschinen halbe Kraft voraus!“

Auf dem Manometer kann ich unser Tiefergehen verfolgen. Durch das Fluten haben wir unserem Boot einige Tonnen Untertrieb gegeben — haben wir den abgeschlossenen Schiffskörper schwerer gemacht als die von ihm verdrängte Wassermenge — und unser Riesenfisch sinkt also in seinem Element nach unten, fällt gewissermaßen. Zugleich fahren wir aber auch mit den E.-Maschinen, und die vorwärtstreibende Schraubenkraft bringt Druck und Wirkung auf die Tiefenruder und macht aus dem Versinken ein Abwärtsgleiten. Ist nun die befohlene Tiefe erreicht, was ich sofort von dem Tiefenmanometer ablesen kann, so wird ein weiteres Fallen einfach dadurch gehemmt, dass das Boot wieder leichter gemacht wird durch Auspumpen der zu großen Wassermenge in den Tauchtanks. Das wütende Brummen der Lenzpumpe ist denn auch immer das Zeichen, dass wir uns der zu steuernden Tiefe nähern. Dann hört es auf, nur die E.-Motoren summen weiter, und aus der Zentrale kommt die Meldung:

„Zwanzig Meter liegt,

Boot ist eingesteuert!“

Wir fahren in zwanzig Meter Tiefe. Dabei sind wir freilich blind und können uns nur nach dem Tiefenmanometer und dem sorgfältig gehüteten Kleinod des Bootes, dem Kreiselkompass, richten. Nach außen dringt von uns kein Schein mehr; das Sehrohr ist längst eingefahren, und auch die stählernen Sicherheitsklappen an den Turmfenstern sind geschlossen; wir sind völlig zum Fisch geworden.

Nun kommen die Meldungen aus allen acht Räumen: Zentrale, Maschinenraum, Heckraum, Bugraum, Laderäume, Akkumulatorenräume, alles dicht. Wir können mit der „Deutschland“ sicher in der Tiefe fahren.

Nicht immer aber ist solch großes Boot so einfach auf eine bestimmte Tiefe zu steuern. Die Änderungen des spezifischen Gewichts des Wassers infolge von wechselnder Wassertemperatur öder verschiedenem Salzgehalt spielen dabei eine bedeutsame Rolle. Wie ausschlaggebend das sein kann, will ich an dem Unterschied zwischen Ostseewasser und Nordseewasser zeigen. Die spezifischen Gewichte der beiden Meeresteile verhalten sich wie 1,013 zu 1,025; an sich erscheint also der Unterschied verschwindend gering. Bei einem Boot aber von der Größe der „Deutschland“, das zum Tauchen schon eines ganz erheblichen Untertriebes von mehreren Tons bedarf, kommen dabei ganz gewaltige Gewichte heraus: um in dem dichteren Wasser der Nordsee tauchen zu können, müssen wir unser Boot um mindestens siebzehn Tonnen schwerer machen als in der Ostsee, sonst kommen wir nicht hinunter.

Auch bei plötzlich sich ändernder Wassertemperatur in Buchten und Flussmündungen, wo außerdem noch das leichtere Süßwasser hinzukommt, kann es die unangenehmsten Überraschungen geben. Mancher U-Boots-Kommandant hat geglaubt, mit einem bestimmten Untertrieb gerade unter Wasser zu kommen und sein Fahrzeug in einer bestimmten Tiefe halten zu können.

Plötzlich aber geht das Manometer auf größere Tiefe, und das Boot fällt im Wasser wie ein Flugzeug, das in ein Luftloch geraten ist, bis eine Prüfung des spezifischen Gewichts und der Temperatur des Wassers den Grund für sein Verhalten angibt. Man sieht also, erst solche Messungen geben dem U-Boots-Führer die Gewissheit, glatt in die Tiefe zu kommen und wieder auftauchen zu können.

Wir haben inzwischen unser Prüfungstauchen zu meiner Zufriedenheit beendet. Alles ist sicher und funktioniert. Wir haben unseren komplizierten Apparat fest in der Hand.

Ich gebe nun den Befehl zum Auftauchen; die Tiefenruder werden nach „oben“ gelegt und alsbald kann ich ihre und die Wirkung unserer wackeren Lenzpumpe am Manometer verfolgen. Nachdem ich mich versichert habe, dass in weitem Umkreise keine Schraubengeräusche zu hören sind und kein kollisionsgefährlicher Dampfer in der Nähe ist, überwinden wir den gefährlichen „Blinden Moment“.


Der amerikanische Leiter der deutschen Ozean-Reederei bewillkommnet Kapitän König bei seiner Ankunft an der Quarantäne in Baltimore


Gruppe für die erste amerikanische Fotografie.

Ein Teil der Mannschaft der „Deutschland” auf der Fahrt in der Chesapeake Bai.

Es ist das der Zeitraum, in dem das Boot schon so hoch gestiegen ist, dass es gerammt werden könnte; andererseits fährt man noch zu tief unter Wasser, um mit dem Sehrohr über die Oberfläche zu kommen und Umschau halten zu können.

Das dauert eine kurze Weile; ich stehe am Sehrohr und lauere; schon wird das Gesichtsfeld heller, silberne Luftperlen steigen flimmernd auf, ein Rieseln und Blinken geht über das Glas, dann ist es Tag, ein Bild erscheint, klar und leuchtend wogt die Nordsee vor mir mit leerem unendlichen Horizont.

Nun lasse ich ganz auftauchen; durch die Ruderlage schiebt sich das Boot immer mehr an die Oberfläche, und um das Auftauchen zu beschleunigen wird Pressluft auf einen Tauchtank gegeben. Jetzt geht es sehr schnell; der Turm ist schon frei; das Deck hebt sich triefend aus dem Wasser, das Turmluk wird geöffnet, frische Luft strömt ein, und ich gebe das Kommando:

„Ausblasen mit Gebläse!“

Ein wildes Heulen und Surren in der Zentrale antwortet, während das kräftige Turbogebläse das Wasser aus den Tauchtanks presst. Das dauert gar nicht lange; sobald ein Tank leer ist, kommt die durchgeblasene Luft mit glucksendem Geräusch an den Seiten des Bootes hoch, und rasch sind wir wieder in normaler Schwimmlage. Wir fahren noch immer elektrisch. — Nun kommt als letztes das Anwerfen der schweren Dieselmotoren durch die E.-Maschinen. Ich hin schon auf den Turm gestiegen und merke davon nichts außer den Meldungen aus der Zentrale. Wer aber im Maschinenraum steht kann noch ein spannendes Schauspiel

Die Wachmaschinisten stehen auf ihren Posten, ein Kommando kommt durch das Sprachrohr, alles ist gespannt; dann gibt der leitende Ingenieur einen gellenden Pfiff ab, hebt eine Hand, ein paar schnelle Griffe am Schaltbrett im Elektromotorenraum ein paar blendende zentimeterlange Blitze: die ersten Ventilköpfe heben sich zögernd, langsam, wie unwillig, dann schneller, ein wildes Knallen und Zischen, ein unregelmäßiges wütendes Fauchen, dann werden die rasenden Explosionen rhythmisch, und immer schneller nehmen beide Maschinen ihren gleichmäßigen Hammertakt auf.

Das Prüfungstauchen ist beendet, und stampfend zieht „U-Deutschland“ ihres Weges. Der Wind flaut nicht ab, aber es bleibt schönes Wetter, und die Sichtigkeit ist gut. Kein Dampfer kommt in Sicht: Wir können ruhig weiter aufgetaucht fahren. Freilich haben wir daneben noch besondere Gründe, mit der genauesten Vorsicht und Sorgfalt zu navigieren. So geht der Tag zu Ende.

Aber als die Sonne sinkt, geht sie in düster drohendem Gewölk unter, für den nächsten Tag schlechtes Wetter prophezeiend.

Die Fahrt der Deutschland

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