Читать книгу Rosalies Schlüssel - Paula Hering - Страница 11

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Die Tür wurde aufgerissen, noch bevor ich die Hand heben konnte, um zu klingeln. Ein beißender Gestank stieg mir in die Nase. Herr Radtke grinste käsig und zog mich hinein. Ich warf einen sehnsüchtigen Blick zurück zu meiner Wohnung.

„Hier entlang“, säuselte er und öffnete die Wohnzimmertür.

Ich taumelte in ein stickiges Zimmer.

Die Dame des Hauses saß manierlich auf dem Sessel. Sie erhob sich andeutungsweise und bat mich Platz zu nehmen.

„Schön, dass Sie gekommen sind.“

Herr Radtke setzte sich kerzengerade mir gegenüber auf das altmodische Sofa und rieb nervös mit seinen Pantoffeln auf dem Teppich hin und her.

Offenbar eine lästige Angewohnheit. Ein strenger Blick seiner Gattin unterbrach ihn. Nun allerdings war seine Konzentration dahin. Er kramte einen Zettel aus der Hosentasche, las einige Zeilen und war wieder im Bilde.

„Liebes Fräulein Moon-Leiser, oder dürfen wir Leni sagen?“

Ich überhörte seine Frage.

Er räusperte sich verlegen und fuhr fort:

„Man ist uns nicht wohlgesinnt in diesem Hause. Seit Jahren schon haben wir mit übler Nachrede und Verleumdung zu kämpfen. Sicherlich haben Sie davon Kenntnis genommen?“

Ich nickte und bereute sofort, so leichtfertig gewesen zu sein, denn die Reaktion der beiden machte mir deutlich, dass das ein Fehler gewesen war.

Nun nahmen sie mich ins Kreuzverhör.

„Was hat man Ihnen über uns erzählt? Glauben Sie kein Wort von dem, was Ihnen diese Leute sagen. Sie haben nichts anderes im Sinn, als ehrbare Menschen wie uns mit Dreck zu bewerfen“, wetterte er.

Ich war erleichtert, dass es nur um den nachbarschaftlichen Kleinkrieg ging.

„Sie will uns hier raus klagen“, sagte er aufgeregt. „Bei der nächsten Eigentümerversammlung sollen wir eine Abmahnung bekommen.“

Allmählich dämmerte es mir, warum man plötzlich meine Freundschaft suchte.

„Sie werden doch für uns aussagen?“, fragte er mit einem Schweißfilm auf der Oberlippe.

Er neigte zu übermäßigem Schwitzen. Frau Zimmer hatte mir kürzlich einen Brief gezeigt, den er ihr geschrieben hatte. Darin beschrieb er, wie es ihm Nacht für Nacht erging.

Er schwitze im Schlaf so stark, dass er aufstehen müsse, um seinen Schlafanzug zu wechseln. Da die Temperatur im Haus aber nicht, wie allgemein üblich, auf neunzehn Grad abgesenkt würde, sondern auf circa acht Grad, müsse er in seinem verschwitzten Zustand in die Kälte, um sich umzuziehen.

Mein Schlafanzug klebt an meiner Haut, wenn ich das warme Bett verlasse. Es empfängt mich Eiseskälte. Mein Herz rast wie wild.

Ich hatte bis zu dieser Stelle gelesen und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, es handle sich um einen Liebesbrief. Frau Zimmer, die meine Gedanken gelesen haben musste, hatte auch an diesem Morgen mit einem Piccolo-Fläschchen Sekt, „für den Kreislauf“, genüsslich rauchend in ihrem Bett gesessen und mit verdrehten Augen erklärt:

„Er hat einen Schrittmacher.“

Mein Zögern als Ablehnung deutend, fasste Herr Radtke sich an die Brust und stöhnte:

„Die wollen uns fertigmachen!“

„Nun reg dich nicht so auf“, versuchte seine Frau ihn zu beruhigen.

Auch in dieser Unterhaltung wäre man bestens ohne mich ausgekommen.

„Ich muss dann mal wieder rüber“, lautete mein erster Beitrag.

Es waren sieben Minuten vergangen, seitdem ich meine Wohnung verlassen hatte und ich zog es vor zu gehen, bevor Conrad sein Versprechen einlöste.

So einfach war es allerdings nicht. Sie hatten sich so schön in Rage geredet und offenbar damit gerechnet, mich auf ihre Seite zu schwatzen.

„Wir haben doch noch gar nicht angestoßen“, lenkte Frau Radtke ein und stellte eine Flasche Johannisbeer Schaumwein auf den Tisch.

Mir entging nicht, dass sie die Flasche zwar am Tisch öffnete, dann aber mit ihr in die Küche verschwand und mit drei halbvollen Gläsern auf einem Tablett zurückkam. Herr Radtke erhob sich zu einem Trinkspruch. Faselte etwas von guter Nachbarschaft und kippte sein Glas mit einem Zug hinunter. Ich hob mein Glas lächelnd an den Mund, trank aber nicht daraus.

Rosalies Schlüssel

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