Читать книгу Rosalies Schlüssel - Paula Hering - Страница 5

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Eines Tages erhielt ich einen überraschenden Anruf. Ein Dr. Linde teilte mir umständlich mit, dass er mich sprechen müsse und wir vereinbarten ein Treffen in seiner Kanzlei in Hamburg. Es handle sich um einen Nachlass, mehr wollte er mir am Telefon nicht sagen.

Der Anruf meiner Tante wenige Tage später erstaunte mich nicht minder.

„Das Haus ist endlich leer“, begann sie. „Es hat länger gedauert als gedacht. Mutter hatte so viel Zeug angesammelt. Man kann ja nicht alles aufheben. Ich habe nur ihr Porzellan behalten und dann ist da noch der Karton.“

Es entstand eine Pause, in der sie offenbar auf eine Reaktion von mir wartete.

„Auf dem Karton steht dein Name. Hast du davon gewusst?“

„Nein“, hatte ich nicht.

„Es kann Zufall sein, dass dein Name draufsteht. Ich kann jedenfalls nicht finden, was diese Dinge ausgerechnet dich angehen.“

„Was willst du damit machen?“

„Ich?“, fragte sie empört. „Es steht dein Name drauf, das ist der einzige Grund, warum ich ihn nicht mit in den Container geworfen habe.“

„Soll ich ihn abholen?“

„Ich frage mich nur, was du damit anfangen willst?“

„Ich weiß nicht.“

„Schicken kann ich ihn jedenfalls nicht. Er ist zu schwer.“

Der Notar empfing mich in seinen Geschäftsräumen an der Außenalster. Er öffnete selbst die Tür und stellte sich förmlich vor.

„Linde, es ist mir eine Ehre.“

„Leni Moon-Leiser, angenehm“, stotterte ich.

„Es handelt sich um eine Erbschaft, das habe ich Ihnen ja bereits am Telefon mitgeteilt“, begann er.

Dann zog er einen silbernen Zylinder aus der Jackentasche und entfaltete eine winzige Lesebrille.

„Dieses Schriftstück wurde mir von Ihrer Großmutter anvertraut“, dabei schaute er prüfend über den Rand seiner Brille. „Mein herzliches Beileid.“

„Danke!“

„Ihre Großmutter hat Sie, abgesehen von dem Pflichtteil, den jedes ihrer Kinder erhalten hat, als Alleinerbin eingesetzt.“

Ich blieb stumm und wartete, und da er offenbar auf einer Reaktion bestand, zog ich anerkennend die Augenbrauen hoch.

„Sicher wundert es Sie, dass ich mich erst so lange Zeit nach dem Tod Ihrer Großmutter mit Ihnen in Verbindung setze?“

„Wie kommt es, dass Sie sich erst jetzt bei mir melden?“, fragte ich artig.

Herr Linde wirkte nervös und beobachtete jede meiner Regungen.

„Ihre Großmutter selbst hat diese Verzögerung verfügt. Es gibt zwei Testamente, von denen das erste die Erbschaft ihrer Kinder regelt. Erst wenn dieses von allen Parteien anerkannt worden ist, sollte meine Kanzlei eingesetzt werden, um Sie über den Inhalt des zweiten in Kenntnis zu setzen.“

„Dann bitte ich Sie, dem nachzukommen!“, platzte ich heraus und hörte mich schon an wie er.

Beim Anblick seines erschrockenen Gesichts, tat es mir leid, so forsch gewesen zu sein und ich lächelte.

Wenig später bereute ich mein Einlenken, denn er ließ den Schriftsatz auf den Tisch sinken und schob die Brille auf die Nasenspitze.

„Dieser Fall ist auch für mich kein alltäglicher“, begann er im Plauderton, erzählte von dem trockenen Juristenalltag und schien vergessen zu haben, weshalb ich gekommen war.

Als er merkte, dass ich erneut die Geduld mit ihm verlor, räusperte er sich und schob die Brille wieder in Position.

„Um nun zur Sache zu kommen, beginne ich mit den Rahmenbedingungen. Ihre Großmutter hat dem Testament einige Bedingungen vorangestellt. Ich werde Sie Ihnen nun vorlesen. Bitte unterbrechen Sie mich jederzeit, wenn Ihnen etwas unklar ist.“

Wir wussten beide, dass ich das nicht tun würde.

„Hiermit verfüge ich, Anna Helene Moon, geborene Luna, geboren am 25.11.1903 in Prag, dass nachfolgendes Testament frühestens einen Monat nach meinem Tod eröffnet werden darf…“

Er unterbrach sich ungebeten, um Erklärungen abzugeben, derer es nicht bedurft hätte, aber ich hielt meinen Blick starr auf meine Hände gerichtet und ließ alles über mich ergehen.

„Anliegendes Kuvert ist für meine Enkeltochter Leni Moon-Leiser bestimmt. Es ist ihr nach Vollendung ihres einundzwanzigsten Lebensjahres auszuhändigen.“

Sch…!

„Es gehört sich nicht, eine Dame nach ihrem Alter zu fragen. Also bitte, halten Sie mich nicht für unhöflich, wenn ich es dennoch tue. Wie alt sind Sie, Fräulein Leni?“

„Zu jung“, gab ich gepresst zurück. „Mein einundzwanzigster Geburtstag ist in sechs Monaten.“

„Dann tut es mir leid, dass ich Ihnen für heute nicht mehr sagen kann. Ich würde vorschlagen, wir treffen uns nach Ihrem Geburtstag wieder hier. Bis dahin werde ich das Kuvert für Sie verwahren. Ich selber habe keine Kenntnis des Inhalts und ich versichere Ihnen, dass Ihre Sache bei mir in guten Händen ist.“

Rosalies Schlüssel

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