Читать книгу Ius Publicum Europaeum - Paul Craig - Страница 84

a) Zentrales Steuerungsinstrument der parlamentarischen Demokratie

Оглавление

135

Unverändert ist das Gesetz das wichtigste Instrument zur Steuerung der Verwaltung durch das Parlament. Das parlamentarisch beschlossene Gesetz ist insoweit nicht nur ein Instrument zur Bindung und Beschränkung der Exekutive, sondern auch zur Verwirklichung des demokratisch gebildeten Mehrheitswillens durch die Verwaltung (Legalitätsprinzip, Vorrang des Gesetzes).[254] Je enger das Gesetz das Verwaltungshandeln bindet, je bestimmter es ausfällt (Bestimmtheitsgebot), umso intensiver und präziser ist auch die parlamentarische Steuerung der Verwaltung, umso höher das demokratische Legitimationsniveau ihrer Entscheidungen.[255] Dabei ist Verwaltung, die sogenannte gesetzesakzessorische Verwaltung eingeschlossen, natürlich immer auch eigenständige Konkretisierung des Rechts und insoweit mehr als bloßer Gesetzesvollzug. Diese Einsicht ist allen Verwaltungsrechtsordnungen in Europa vertraut.[256]

136

Als zentrales Steuerungsinstrument der Verwaltung in der parlamentarischen Demokratie erhält das Gesetz durch den Vorbehalt des Gesetzes („riserva di legge“) eine noch größere Bedeutung. Ursprünglich auf Eingriffe in Freiheit und Eigentum bezogen,[257] wurde dieses Institut in Deutschland mit der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sogenannten Wesentlichkeitsdoktrin seit den 1970er-Jahren auf alle für das Zusammenleben in der Gesellschaft bedeutsamen Fragen ausgedehnt und entsprechende Maßnahmen an eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung gebunden.[258] Das kann im Einzelfall auf einen Parlamentsvorbehalt hinauslaufen und hat der Einsicht den Weg geebnet, dass sich der Vorbehalt des Gesetzes auch unter dem Blickwinkel des Demokratieprinzips (re-)konstruieren lässt.[259] Eine in gewisser Weise parallele, weil den Anwendungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes ausdehnende Entwicklung lässt sich für Italien und die Rechtsprechung der Corte costituzionale nachweisen.[260]

137

Waren die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und ihre Konkretisierung im Vorrang und im Vorbehalt des Gesetzes ursprünglich ein Produkt des Konstitutionalismus und Kern des Rechtsstaatsprinzips im formalen Sinne schlechthin,[261] so haben sie nach 1945 eine zusätzliche Verankerung im Demokratieprinzip erfahren.[262] Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass auch wesentliche Organisationsentscheidungen wie die Gründung juristischer Personen des öffentlichen Rechts oder die Beleihung Privater einem institutionellen Gesetzesvorbehalt unterliegen.[263]

138

Die Steuerung der Verwaltung durch das Gesetz erfolgt zwar idealtypisch mit Hilfe abstrakt-genereller Regelungen. Der Gesetzgeber kann allerdings auch zur Regelung konkret-individueller Einzelfälle Gesetze erlassen – Maßnahmegesetze (leggi provvedimenti)[264] oder Planungs- und Investitionsmaßnahmegesetze[265] – und auf diese Weise materiell verwaltend tätig werden. Um die damit verbundene Verkürzung des Rechtsschutzes auszugleichen, sind einige Verfassungsgerichte dazu übergegangen, materielle Anforderungen an das Verwaltungshandeln wie das Abwägungsgebot u.ä. auch an derartige Gesetze zu stellen.[266]

Ius Publicum Europaeum

Подняться наверх