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Kaputte Herzen machen traurig
ОглавлениеEmilia
Jetzt stehe ich wieder mit meiner Mutter vor der Glastür des Krankenhauses, um die Schläge meines Herzen überprüfen zu lassen. Ob mein Herz regelmäßig schlägt, wie oft es schlägt und wie stark oder schwach mein Herz geworden ist. Wegen diesen Dingen bin ich wieder hier. Nun werde ich mit Mama in dieses Gebäude gehen, dann eine Etage hoch, nach dem dritten Flur rechts und dann das vierte Zimmer. Zimmernummer 134. Langsam kenne ich dieses Krankenhaus inn- und auswendig. Manchmal finde ich es traurig, dass ich mich im Krankenhaus genauso gut auskenne wie bei mir zuhause. Ja es stimmt, ich lebe mit meiner Mutter in einer Zwei-Zimmer Wohnung und sich da zu verlaufen ist schwierig. Das war halt im übertragenden Sinn gemeint. Inzwischen sind wir in Zimmer 134, wir mussten gar nicht im Wartezimmer Platz nehmen, sondern wurden direkt durchgelassen. Ich soll mich sofort obenrum frei machen und auf den Doktor warten, sagte die Schwester noch, bevor sie das Zimmer verließ. Kurz darauf öffnet sich die Zimmertür auch schon wieder und der Doktor kommt hinein: „Hallo, alle zusammen. Da wollen wir doch mal gucken wie es dir geht, Herzchen!“, sagt er extrem gut gelaunt, was mir fast schon Angst macht. Er legt meine Akte, mit meinem gesamten Krankheitsverlauf, auf den Schreibtisch und holt das Röntgengerät an die Liege, auf der ich schon Platz genommen habe. Er macht fröhlich pfeifend die Tube mit diesem komischen kalten Gel auf und drückt mir davon etwas auf die Brust. Es fühlt sich kalt an, obwohl ich es erwartet habe, ist es irgendwie überraschend kühl. Er setzt mir das Röntgengerät vorsichtig auf die Brust und guckt interessiert auf den Monitor, wo ich nur schwarz-weiße Flecken sehe. Der Doktor hält an einer Stelle an und guckt sich das Pochen ganz genau an, scheint wohl mein Herz zu sein. Ich meine, deswegen sind wir ja hier. Da wird der Doktor sich das auch angucken. „Hmm, es scheint etwas schwächer zu werden. Ist es auch schon geworden, wie es scheint.“, meint er relativ nachdenklich. Was heißt das denn jetzt für mich?! Und kaum habe ich das gedacht, fragt Mama: „Was heißt das denn jetzt für sie?“. Der Doktor guckt vom Monitor zu ihr hoch und meint locker: „Naja, im Grunde nichts schlimmes. Das Herz ist schwächer und sie wird schneller schlapp sein, aber wirklich was machen können wir da aus medizinischer Sicht nicht. Das könnte nur nach hinten losgehen. Also was ich damit sagen möchte ist, dass die Nebenwirkungen höchst wahrscheinlich stärker sind, als die Wirkung, die wir erreichen würden. Von daher würde ich Ihnen davon abraten.“ Na, das war ja mal eine tolle Erkenntnis, die der Doktor da hat. Alles geht langsam den Bach runter und er zuckt mit den Schultern und kann leider nichts machen. Was für ein Arsch, denkt der eigentlich, es macht es Spaß beim Sportunterricht immer daneben zu sitzen und zugucken zu dürfen?! Vielleicht möchte ich ja auch mal mehr Sport machen und nicht nach fünf Minuten ohne Puste auf der Bank hocken. Ich ziehe mein Oberteil wieder an und verlasse so schnell ich kann das Zimmer. Meine Mutter ruft irgendetwas hinter mir her, doch ich verstehe es nicht oder will es einfach nicht verstehen. Ist mir auch egal. Ich laufe weiter aus dem Krankenhausgebäude raus und atme einmal tief durch, als ich vor den Glastüren völlig erschöpft angekommen bin. Eine halbe Minute später steht auch Mama neben mir und schnauzt mich an: „Was sollte das denn jetzt? Du hättest dich wenigstens von dem Doktor verabschieden können! Er kann nämlich nichts dafür, dass dein Herz schwächer wird!“, „Ja, du hast Recht, dafür kann er nichts. Aber innerlich Schultern zuckend muss er da auch nicht sitzen. Ich habe das Gefühl, dem ist gar nicht klar, dass es um mein Leben geht. Warum muss ich diesen Herzfehler überhaupt haben? Was verdammt nochmal habt ihr damals falsch gemacht?“, schreie ich meine Mutter an, die mich völlig perplex mit offenem Mund anstarrt. Dann dreht sie sich um und geht in Richtung Bahnhaltestelle, ohne ein Wort zu sagen.