Читать книгу Die alte Krone - Paul Keller - Страница 8
ОглавлениеAls der Abend kam, sagte die kranke Frau:
„Nehmt mich aus dem Bett. Holt das Sterbestroh und legt mich darauf!“
Alle wehrten ab.
„Ich muss sterben,“ sagte die Frau, „und es möchte niemand mehr in den Betten schlafen, in denen ich gestorben bin. Legt mich auf das Stroh!“
Sie verlangte den alten wendischen Brauch, der das Bettzeug nicht unbrauchbar werden lassen will, weshalb der Kranke vor seinem Verscheiden neben das Bett auf Stroh gelegt wird.
„Es ist schade um die Betten!“ sagte die sparsame Frau. „Ihr müsstet sie verbrennen!“
Hanzo neigte sich über sie und sagte:
„Weisst du nicht, wer du bist?“
Da flog ein stolzes Lächeln über das Antlitz der Kranken, und sie sagte wieder:
„Hanzo, es war eine Gnade!“
Dann sprach sie stolz zum alten Kito und zu Hanka:
„Ich sterbe im Bett, weil mein Mann der Kral1) ist.“
Sie nahm ihn an der Hand und flüsterte:
„Ich werde noch so lange leben, bis Juro kommt. Ich muss noch mit ihm reden wegen Hanka und vom Kral.“
Er nickte und sass am Bette und hielt ihre Hand.
Und so warteten die beiden auf ihre Söhne und auf den Tod.
Aber zwischen alles schwere Leid und alle Erwartung mischte sich immer der Königsgedanke. Der Königsgedanke war im ganzen Haus, — bei der Frau als die stolzeste Erinnerung ihres entfliehenden Lebens, bei dem Manne und bei allen Wenden in Haus und Hof.
Es war die Gewissheit, hier geschehe etwas anderes, grösseres, als wenn sonst eine wendische Frau starb.
Die Frau des Kral starb, die heimliche Königin der Wenden schied aus dem Leben.
Dieser Gedanke ging durchs Dorf: der alte Briefträger trug ihn über die Heide; ein Händler fing die Kunde auf und trug sie weiter; am Ackerpflug, am Webstuhl wurde er besprochen, und bald sagten sich die Schiffer und Fischer drunten im Niederland an der Spree wie auch die Schafhirten im Oberlande heimlich und scheu:
„Die Frau des Kral stirbt!“
Als dieser Abend weiter vorschritt und der Nachtwind ans Fenster klopfte, schrie die Frau auf:
„Oh — der Nachtjäger!“
Die Mägde stürzten mit neuem Tee herbei, mit Wohlverleih und Schwarzwurzel, die da gut sind für die Wunden, und sie brachten Bitterklee gegen das Fieber.
Im Wundfieber sprach die Frau vom König der Wenden. Wirr waren ihre Worte: vom verblühten Flieder sprach sie, von der ledernen Brücke, von toten Kindern und vom Spinnen und Weben — abgerissene, harte Worte vom Untergang, und dann lachte sie dazwischen, rief nach Juro und Samo, gab Befehle für die Milchwirtschaft und kam wieder auf den Kral und sprach von einer silbernen Schaufel, von einer weissen Wolke und einem weissen Fisch ...