Читать книгу Robert Plant - Paul Rees - Страница 12

KAPITEL 3
KING MOD

Оглавление

Als er 16 war, fiel es Plant nicht schwer, sich auf die Schule zu konzentrieren und sich leidenschaftlich der Musik zu widmen. Noch im November 1963 erhielt er einen Preis für das beste Abschlusszeugnis seines Jahrgangs. Doch diese Ausgewogenheit war nur schwer aufrecht zu halten, und schon bald drehte sich in erster Linie alles nur noch um sein Hobby.

Wann Plant begann, die Schule zu vernachlässigen, lässt sich ziemlich genau datieren. Es war am 1. Januar 1964 um exakt 18.36 Uhr, denn da feierte die Musiksendung Top of the Pops, die von nun an wöchentlich von der BBC ausgestrahlt wurde, Premiere. Top of the Pops brachte die aktuellen Charthits in die britischen Haushalte und ließ bei den Teenagern damals die Hoffnung aufkeimen, dass in der Welt da draußen noch etwas anderes auf sie wartete als der von den Eltern sattsam bekannte triste Alltagstrott. Plant wusste zwar noch nicht genau, was er von den britischen Beatbands halten sollte, aber auch für ihn muss es ein aufwühlenden Erlebnis gewesen sein, die jungen Rolling Stones zu sehen, wie sie die erste Sendung eröffneten. Vor dem Fernseher mitzuerleben, wie der damals 20-jährige Mick Jagger mit einem ungeheuren Selbstbewusstsein den Lennon / McCartney-Song »I Wanna Be Your Man« sang, als ginge es darum, das Jungsein mit all seinen Höhenflügen und ekstatischen Zuständen zu feiern, dürfte wohl kaum einen Teenager kaltgelassen haben.

Am 28. Februar fuhr Plant mit dem Bus nach Birmingham. Auch das eine Premiere, denn zum ersten Mal hatten ihm seine Eltern erlaubt, alleine in die Stadt zu fahren und ein Konzert zu besuchen. Hauptact der Show in der Town Hall war Sonny Boy Williamson. Als der Auftritt vorbei war, schlich sich Plant hinter die Bühne. Er wollte sich ein bisschen mit der amerikanischen Blueslegende austauschen. Er entdeckte ihn schließlich vor dem Urinal auf der Herrentoilette. Der 1,88 Meter große Mann mit der Melone war selbst hier auf der Toilette eine imposante Erscheinung. Er drehte sich nur kurz zu dem jungen Eindringling um, sah ihn mit einem frostigen Blick an und knurrte: »Verpiss dich!«

Plant trollte sich, jedoch nicht ohne vorher noch einen Blick in Williamsons Garderobe zu werfen und dort eine Mundharmonika mitgehen zu lassen. Von der Begegnung mit dem Bluesstar mag er sich zwar deutlich mehr versprochen haben, doch war der Abend alles andere als eine Enttäuschung, da er sich auch für die jüngeren Acts interessierte, die ebenfalls dort aufgetreten waren. Sie alle hatten vom britischen Bluesboom profitiert, und Plant hatte das Gefühl, mit diesen Musikern durchaus mithalten und es ihnen gleichtun zu können.

Da waren zum Beispiel die Yardbirds, die vor allem dank ihres überragenden Gitarristen Eric Clapton begeisterten, oder Long John Baldry und seine Hoochie Coochie Men, bei denen der selbstsichere 20-jährige Sänger Rod Stewart (der allerdings als »Rod Stuart« angekündigt worden war) als Frontmann agierte, und last but not least die Spencer Davis Group mit dem begnadeten Sänger und Organisten Steve Winwood. Sollte Plant noch Zweifel daran gehabt haben, eine Musikerkarriere anzustreben, so dürfte sie Winwood, der genauso alt war wie er und nur wenige Kilometer entfernt in Handsworth lebte, mit Sicherheit zerstreut haben.

Einen Monat später war Plant wieder in der Town Hall, diesmal zusammen mit seinem Freund John Dudley, mit dem er sich einen Auftritt von Jerry Lee Lewis ansah. Wie damals üblich endete das Konzert bereits um 21.30 Uhr. Für Plant war der Abend damit jedoch noch lange nicht vorbei. Er schleppte Dudley noch ins Golden Eagle, einen Pub in Birmingham, wo es, wie er seinem Freund erklärte, eine spektakuläre neue Bluesband zu sehen gab.

»Wir schafften es irgendwie in den Laden reinzukommen und bahnten uns einen Weg die Treppe rauf in den zweiten Stock«, erinnert sich Dudley. »Es war eine dieser typischen, total vollgequalmten Spelunken. Vier junge Typen standen da oben auf der Bühne: The Spencer Davis Group. Die Jungs haben uns mächtig beeindruckt! Ich kann mich noch heute an ihr Equipment erinnern: Ampeg-Verstärker, Höfner-Gitarren, Premier-Drums. Die ganze Band war klasse, aber Steve Winwood hat alle überstrahlt, er war wirklich ein außergewöhnlicher Musiker. Er hat in dieser frühen Zeit einen unglaublich starken Einfluss auf Rob gehabt.«

Plant hatte sich inzwischen – nicht zuletzt inspiriert vom Skiffle – ein Waschbrett zugelegt. Außerdem bastelte er sich seine eigenen Kazoos. Er war sehr interessiert an den neuesten Modetrends, und als er mitbekam, welche Wirkung Pilzkopf-Frisuren und wilde Mähnen à la Mick Jagger auf die Mädchen hatten, ließ er die Haare wieder wachsen. Außerdem fand er mit dem Seven Stars, einem Pub in Stourbridge, einen Ort, wo er endlich selbst auftreten konnte. Der Pub versuchte sich als neuer Blues- und Folkclub zu etablieren, und Plant zählte schon bald zu den Stammgästen. Sein Waschbrett und seine Mundharmonika hatte er immer dabei, wenn er dorthin ging.

Das Seven Stars, das sich am Vorbild der großen Chicagoer Bluesclubs orientierte, entwickelte sich schnell zu einem Treffpunkt für Bluesfans, die dort gemeinsam tranken, rauchten und Musik machten. Eine zentrale Rolle spielte dabei Perry Foster, der in London mit den Yardbirds auf die Piste gegangen war und Sonny Boy Williamson durch Birmingham kutschiert hatte. Seine Markenzeichen waren ein blauer Anzug und ein Porkpie-Hut, mit denen er ständig herumlief. Foster war ein mittelprächtiger Slide-Gitarrist, der allerdings eine speziell für ihn modifizierte neunsaitige Höfner besaß. Außerdem hatte er mit seiner Delta Blues Band eine ganz passable Blues-Combo zusammengestellt.

Plant und seine unerfahrenen Schulfreunde hielten Foster für einen einflussreichen Mann, für jemanden, den man kennen sollte. Für sie war er ein richtiger Musiker. Und so sprach Plant Foster eines Abends an und fragte, ob er mit ihm und seiner Band mal singen könne.

»Er erzählte mir, er hieße Bob Plant und hielt mir sein Waschbrett unter die Nase«, sagt Foster in Erinnerung an diese erste Begegnung. »Ich war neun Jahre älter als er und er war ein eingebildeter kleiner Scheißer, das kannst du mir glauben. Er musste noch eine ganze Menge lernen. Weil ich älter war, hatte ich auch mehr Ahnung vom Blues. Ich erklärte ihm erst mal, wer wer war und worum es überhaupt ging, und dann zeigte ich ihm, wie man einen Zwölftakter spielt. Wenn man ihm allerdings einmal was erklärt hatte, hatte er es auch gleich kapiert und musste nicht noch mal nachfragen.«

Plant trat fortan mit der Delta Blues Band im Seven Stars und in anderen kleinen Pubs und Clubs in der näheren Umgebung auf. Zusammen mit Foster und Peter Groom, dem Rhythmusgitarristen der Band – den wegen seines unglaublich großen Mundes alle nur »Gobsy« nannten –, trat er bei Folk-Events wie der allwöchentlich im Stourbridge Conservative Club stattfindenden Folk Night auch als Trio auf. Zu ihrem Standardset gehörten Bluesklassiker wie »Ain’t Nothing Like Whiskey« von Lightnin’ Hopkins und ausgewählte Robert-Johnson-Songs.

Die Band verdiente 16 Pfund pro Abend. Die Gage wurde gerecht unter allen fünf Musikern geteilt, jeweils ein Pfund wurde für Benzinkosten zur Seite gelegt. Nicht selten musste sich der 15-jährige Gymnasiast aus dem bierseligen Publikum Zwischenrufe wie »Lass dir mal die Haare schneiden!« und andere Nettigkeiten anhören, was ihn jedoch nicht sonderlich einzuschüchtern schien.

»Nicht alle wollten Blues hören, aber er hatte definitiv das Zeug dazu«, sagt Foster. »Ich sagte den Leuten immer: ›Wenn der Junge mit 25 kein Millionär ist, will ich nicht Perry heißen.‹ Ich hab die Jungs in der Band immer ziemlich zusammengeschissen, wenn sie was falsch machten. Ich war damals wohl eine ziemlich harte Nuss. Robert sagte, ich sei ein schrecklicher Typ gewesen, aber ich kam auf diese etwas rüde Tour ganz gut mit ihm klar.

Er war einer von diesen großen schlaksigen Teenagern, die nur aus Knien und Ellbogen bestehen. Wir fuhren damals mit so einem kleinen MG durch die Gegend und verfrachteten ihn auf die Rückbank. Er erzählte uns, dass es der Wunsch seines Vaters sei, dass er Buchhalter werde. Das Seven Stars war für ihn eigentlich absolut tabu. Seinen Eltern erzählte er immer, dass er irgendwo anders hingehen würde.«

Für Plant tat sich mit dem Seven Stars eine weitere ganz neue Welt mit all ihren Möglichkeiten auf. Er stand dort mit älteren Musikern auf der Bühne, die ihn wie einen von ihnen behandelten, ihm Zigaretten spendierten und Bier trinken ließen, bevor er von Rechts wegen alt genug dazu war. Bei seinen Eltern und Lehrern kam es gar nicht gut an, wenn er so gut wie jeden Morgen mit dunklen Ringen unter den Augen in die Schule kam – und dann auch noch meist zu spät. Aber er konnte und wollte sein neues Leben nicht mehr aufgeben. Er hatte sich bereits für diesen Weg entschieden.

Er verbrachte seine Zeit jetzt auch immer mehr mit einigen der anderen jungen Musiker, die sich im Seven Stars rumtrieben, und jammte mit ihnen. Unter ihnen war auch der 20-jährige Chris Wood, ein ruhiger, introvertierter Typ, der mehrere Instrumente beherrschte, und ein Bassist namens Andy Silvester. Beide spielten in einer Band namens Sounds of Blue, zu der neben dem Bandleader und Sänger David Yeats auch ein talentierter neuer Gitarrist namens Stan Webb und die Pianistin Christine Perfect zählten. Aus Sounds of Blue wurde später Chicken Shack. Wood war zu dieser Zeit allerdings schon Mitglied in Steve Winwoods neuer Band Traffic. Noch ein Weilchen später heiratete Christine Perfect den Bassisten von Fleetwood Mac, John McVie, und schloss sich dessen Gruppe an.

»Im Seven Stars bin ich Robert zum ersten Mal begegnet«, sagt Stan Webb. »Er spielte mit Perry Foster. Gesagt hat er nicht viel, aber ich weiß noch, dass er eine Mod-Frisur und einen Pelzmantel trug. Von Anfang an hatte er eine ganz bestimmte Ausstrahlung. Andere würden das wohl als Arroganz bezeichnen.«

Die Delta Blues Band hatte allerdings nicht lange Bestand. Bei dem wenigen Geld, das sie mit ihren Auftritten verdienten, und den eher mauen Aussichten – alles, was sie hatten, waren ein paar sichere Engagements in kleinen Kneipen – machte sich der Sänger bald aus dem Staub.

Foster: »Eines Tages tauchte er einfach nicht mehr auf. Sein Waschbrett hat er einfach dagelassen.«

Die Musikszene in den Midlands entwickelte sich im Verlauf des Jahres 1964 ständig weiter. In Birmingham etablierte sich, nicht zuletzt angefacht durch die Veröffentlichung der Stones-Coverversion von Buddy Hollys »Not Fade Away« eine starke R&B-Szene. Deren unumstrittener Top-Act war die Spencer Davis Group, wobei durch sie aber auch andere Bands wie die Moody Blues, die im Frühjahr 64 hier gegründet wurden, Auftrieb erhielten.

Gegen Ende des Jahres war die Mod-Szene für das musikalische Geschehen in Birmingham absolut prägend. Mit einem Mal gab es hier zig neue Bands, eine modebewusster als die andere. Sie alle ließen sich durch die Musik der schwarzen amerikanischen Labels wie Stax und Motown inspirieren und hatten fast ausnahmslos Martha and the Vandellas’ »Dancing in the Streets« im Repertoire. Einige Monate zuvor war ein Sampler mit dem Titel Brum Beat erschienen (auf dem einem zweifelhaften Werbeversprechen zufolge »Birmingham’s 14 greatest groups« zu hören sein sollten). Mit dem Titel »She’s a Mod« waren auf der Platte auch die Senators vertreten. Der 16-jährige Drummer der Band hieß John Bonham.

An Plant ging auch diese Entwicklung nicht spurlos vorüber. Er war fest entschlossen, in der neuen Szene mitzumischen, auch wenn er immer noch an seinem geliebten Blues festhielt. Die Namen der Bands, bei denen er als Sänger in den nächsten Monaten auftrat, sprechen für sich: New Memphis Bluesbreakers, Black Snake Moan – benannt nach einem Song von Blind Lemon Jefferson – und die Crawling King Snakes, die sich nach einer Nummer von John Lee Hooker benannt hatten. Das alles waren jedoch nur kurzlebige und schnell vergessene Gruppen.

»Ich sah mir Black Snake Moan in einem Pub in der Nähe von Stourbridge an«, erzählt Plants Schulfreund Gary Tolley. »Wir dachten alle, dass sich das, was Robert machte, nie durchsetzen würde. Wir bewegten uns immer noch im Popuniversum, während Robert sein eigenes Ding durchzog.« Eine Nummer, die Plant zu jener Zeit in sein Repertoire aufnahm, war Robert Johnsons »Travelling Riverside Blues«, das wegen seiner zotigen Lyrics – »You can squeeze my lemon, ’til the juice run down my leg« – auch unter dem Titel »The Lemon Song« bekannt ist. Ein paar Jahre später wurde dieser Song eine Art Markenzeichen von ihm. 1964 deutete allerdings noch nichts darauf hin.

»Ich glaube, das war eine seiner Lieblingsnummern«, meint Tolley. »Ich nehme an, dass er es manchmal nur sang, um sich an den Reaktionen der Zuschauer zu ergötzen, wenn er an die Stelle mit der Zitrone kam. Wir anderen hätten uns so was nie getraut. Er schon. Weil er einfach anders war. Leuten, die daran gewöhnt waren, dass man ihnen als Autoritätspersonen mit Respekt begegnete, war er ein Riesendorn im Auge. Doch nicht nur diese Herrschaften konnten ihn nicht leiden, auch ein paar der übleren Jungs an der Schule konnten ihn nicht ausstehen, weil er offenbar – anders als sie selbst – nicht das geringste Problem hatte, Mädels aufzureißen.«

Dafür hatte Plant mit anderen Schwierigkeiten an der King Edward VI School zu kämpfen. Die Schule hatte schon lange keine Priorität mehr für ihn. Proben und Gigs waren ihm wesentlich wichtiger. Schon vor Längerem war er dadurch aufgefallen, dass er morgens zu spät zum Unterricht kam, inzwischen aber waren das Zuspätkommen und die Standpauken, die er daraufhin von den Präfekten erhielt, für ihn zur Gewohnheit geworden.

»Die Präfekten hatten ein eigenes Zimmer«, erklärt Tolley. »Wenn sie einen nicht leiden konnten, wurde man dorthin zitiert und musste sich auf einen Tisch stellen, während sie unten um einen rum saßen und einen anstarrten. Ich vermute mal, das Ganze sollte demütigend und beschämend wirken, aber Robert fand es einfach nur bescheuert. Alle, die damals in einer Band waren, haben die Schule vernachlässigt. Wir hatten an einem Abend in der Woche Probe und traten meistens schon mittwochs und donnerstags auf, freitags hatten wir immer Auftritte. Wenn man nach Hause kam, hat man auf die Schnelle was gefuttert und im Schweinsgalopp die Hausaufgaben erledigt, denn wenig später wurde man schon wieder abgeholt.«

Am Ende von jedem Halbjahr kamen alle Schüler in der Bibliothek zusammen, und Rektor Chambers rief sie der Reihe nach auf und kommentierte ihre Leistungen. Dem seiner Meinung nach auf Abwegen geratenen Plant legte er mehr als einmal dringend ans Herz, sich am Riemen zu reißen.

Als die Prüfungen bevorstanden und der Druck, nicht zuletzt durch die Erwartungen seines Vaters, immer belastender wurde, wurde Plant kurzzeitig von so etwas wie einem schlechten Gewissen geplagt. Doch diese Phase ging vorüber und mit ihr jede Chance, die schulischen Versäumnisse noch einmal aufzuholen. Statt sich jetzt erst recht ins Zeug zu legen, ließ Plant die Schule für den Rest des Schuljahrs sausen und trieb sich mit seinen Musikerfreunden in Stourbridge rum.

»Wir schwänzten den Unterricht und trafen uns stattdessen im Bahnhofscafé«, erinnert sich Tolley. »Außerdem gab es da noch einen Laden namens Chicken Run in einer Seitenstraße beim Rathaus. Wir gingen gerne dorthin wegen der Schinkenbrötchen, die man dort im Souterrain essen konnte, und weil man sich dabei so erwachsen vorkam. Robert schien damals ständig pleite zu sein. Er schnorrte dauernd Zigaretten bei uns. Und den Kaffee und die Bohnen auf Toast, die wir im Bahnhofscafé von dem Geld kauften, das eigentlich fürs Schulessen vorgesehen war, mussten wir immer mit ihm teilen.«

In diesem Sommer mussten Plant und seine Freunde ihre O-Level-Prüfungen (A. d. Ü.: vergleichbar mit dem deutschen Realschulabschluss) ablegen. Tolley, Dudley und Baggott von den Jurymen bestanden mit Ach und Krach, sodass sie einen Schulabschluss in der Tasche hatten und sich einen Job suchen konnten. Plant fiel lediglich in der Geschichtsprüfung nicht durch. Seine Eltern bestanden darauf, dass er die Prüfungen wiederholen sollte, was bedeutete, dass er ein weiteres Jahr an der Schule bleiben musste.

Musikalisch lief es für Plant erheblich besser. Damals war er als Sänger und Bluesharmonikaspieler bei den Crawling King Snakes, einer Band, die in Kidderminster, einer Stadt, die direkt im Südwesten an Stourbridge grenzte, ihre ersten Gehversuche gemacht hatte. Von wenig prestigeträchtigen kleinen Gigs wie im örtlichen YWCA-Club hatten sie sich bis auf die Gehaltsliste von Ma Reagan vorgearbeitet. Inzwischen absolvierten sie regelmäßig 20-minütige Auftritte im Vorprogramm ihrer Veranstaltungen.

»Als ich endlich die Chance bekam, mich hinters Mikro zu stellen, gab es bereits etliche Beatbands in den Midlands. Ich bin ein bisschen spät auf den Zug aufgesprungen«, erzählte mir Plant. »Aber weil ich mit Leuten auftrat, die eine ganze Ecke älter waren als ich, habe ich in kurzer Zeit eine ganze Menge gelernt. Ich hatte schon ein Jahr lang in Bluesclubs auf der Bühne gestanden, bevor ich überhaupt auf die Idee gekommen bin, in Läden aufzutreten, in denen Frauen tanzen gingen.«

1965 war in vielerlei Hinsicht ein Jahr der Veränderungen. Ein erstes Anzeichen dafür, dass neue, stürmische Zeiten bevorstanden, waren die Watts-Unruhen in den USA. Als dann im Oktober die Truppenstärke der Amerikaner in Vietnam verdoppelt wurde, erlebten die Vereinigten Staaten das Aufkommen einer großen Protestwelle, die sich auf die ganze Nation auswirkte. In Großbritannien wurden im selben Monat die Moormörder Ian Brady und seine Freundin Myra Hindley verhaftet, die zusammen mindestens fünf Kinder und Jugendliche ermordet hatten; die Leichen von drei Opfern wurden im Saddleworth Moor entdeckt.

1965 war auch das Jahr, in dem die Popmusik erwachsen wurde. Die Beatles veröffentlichten Rubber Soul, Bob Dylan läutete seine elektrische Phase ein und veröffentlichte mit »Highway 61 Revisited« seinen ersten Klassiker, die Byrds feierten ihre ersten Erfolge an der amerikanischen Westküste und veröffentlichten ihr Debütalbum, und von London aus dröhnte »My Generation« von The Who in die Welt hinaus. Als sich der Rock aus der Popmusik entwickelte, zeigte sich allmählich, dass die neue Musikform alles andere als eine Eintagsfliege war.

In Stourbridge wurde die Town Hall zu einer Drehscheibe für die neuesten musikalischen Strömungen. Allwöchentlich wurden hier die »Big Beat Sessions« abgehalten, in deren Zuge Bands wie The Who und die Small Faces in die Stadt kamen. Der 16-jährige Plant, der mittlerweile ein eingefleischter Mod geworden war, war ein großer Fan dieser beiden Bands. Auch in seinem näheren Umfeld gab es Gruppen, die sich dem neuen Sound verschrieben hatten. Eine davon, die N’Betweens, stammte aus Wolverhampton. Die Jahre später unter dem Namen Slade weltberühmt gewordene Gruppe war damals für ihre fuzzboxverzerrten Motown-Coverversionen bekannt. Daneben gab es noch eine Band namens Shakedown Sound, die, wie die Crawling King Snakes, aus Kidderminster stammte. Den Crawling King Snakes waren sie allerdings um Längen voraus, zudem waren sie bereits im Vorprogramm von so namhaften Bands wie The Who oder den Lokalmatadoren The Spencer Davis Group aufgetreten.

Jess Roden, der Sänger von Shakedown Sounds, hatte es Plant besonders angetan. Er war nur ein Jahr älter als der spätere Led-Zeppelin-Frontmann, hatte aber, genau wie Steve Winwood, eine wunderbar soulige Stimme. Seine Band trat fast jeden Abend die Woche für Ma Reagan oder andere Veranstalter auf und begeisterte durch mitreißende Versionen von Bluesklassikern wie »Smokestack Lightning« und »Hoochie Coochie Man«. Die Crawling King Snakes und Shakedown Sound verbrachten schon bald viel Zeit miteinander und schauten sich so manchen Song voneinander ab.

»Robert war in meinen Augen ein echter King Mod«, sagt Kevyn Gammond, der damalige Gitarrist von Shakedown Sound. »Er hatte ein gutes Gespür für Modetrends. Er trug immer die neuesten Ben-Sherman-Hemden und hatte die angesagteste Frisur. Ich glaube, die N’Betweens und die Shakedowns haben ihn stark beeinflusst, denn wir waren alle kleine Mods und wir hatten schon mit The Who gespielt.

Rob war total beeindruckt von Jess. Die beiden kamen bei mir zu Hause vorbei und baten mich, mir Songs wie ›I Go Crazy‹ von James Brown anzuhören und die Akkorde für sie rauszuschreiben. So brachte man sich das Spielen damals bei: Indem man die Platten auflegte und gut zuhörte. Mich ließen sie dann in Ruhe arbeiten, während sie sich ein paar Häuser weiter die Straße runter beim Flippern im Flamingo Café amüsierten.«

In Kidderminster begegnete Plant damals zum ersten Mal dem talentierten jungen Gitarristen Robbie Blunt. Die beiden trafen sich öfter nach der Schule, gingen mal zu dem einen, mal zu dem anderen nach Hause, hörten Platten und erarbeiteten sich gemeinsam ein paar Songs.

Das Verhältnis zwischen Plant und seinen Eltern wurde dadurch freilich nicht wirklich verbessert. Dasselbe galt für Plants schulische Leistungen. Mit seinem Mathelehrer, Mr. Colton, verstand sich Plant ganz gut, ansonsten kam er mit seinen Lehrern nicht besonders gut zurecht.

Michael Richards, der ebenso alt war wie Plant und auch auf die King Edward VI School ging, erzählt, dass der spätere Led-Zeppelin-Frontmann an der Schule den Ruf eines Störenfrieds hatte. Er selbst meint allerdings, dass er »wohl einfach nur Unsinn im Kopf« hatte.

»Der Chemielehrer hieß Featherstone«, erzählt Richards weiter, »er war ein netter alter Kerl, der damals eigentlich schon längst hätte pensioniert sein müssen. Ich weiß noch, dass Robert sich andauernd über ihn lustig machte. Aber Robert war auch ungemein beliebt. Er kam mit ziemlich vielen Leuten gut klar. Jeder wollte mit ihm befreundet sein. Man erzählte sich eine Menge Geschichten über ihn. Ich weiß nicht, wie viel davon wirklich der Wahrheit entsprach. Einmal hieß es, seine Eltern seien in Urlaub gefahren und er hätte in dieser Zeit bei jemand anderem übernachtet. Er soll dann bei sich selbst eingebrochen sein und eine Party geschmissen haben.«

In seinem letzten Schuljahr trat Plant der Jazz-AG an der King Edward VI School bei. Er engagierte sich im Organisationskomitee und veranstaltete in dieser Funktion drei Konzerte für die schuleigene Jazzband Cushion Foot Stompers in der Schulaula. Eine Zeit lang spielte er sogar selbst in einer vom Jazz inspirierten Band. Sie hieß The Banned, und als Bassist war Plants Mitschüler Martin Lickert mit dabei. Lickert wurde später der Fahrer von Ringo Starr und ist als solcher zusammen mit seinem Arbeitgeber in Frank Zappas surrealem Film 200 Motels aus dem Jahr 1971 zu sehen.

The Banned schafften es bis ins Vorprogramm zweier Konzertveranstaltungen in der Town Hall von Stourbridge und der Town Hall des benachbarten Dudley. Beide Konzerte fanden im Frühjahr 1965 statt, beim Gig in Dudley war Plant allerdings nicht dabei, weil er am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt war. David Yeats, der Inhaber des Plattenladens Groove, der bei Sounds of Blue gesungen und Plants Auftritte im Seven Stars gesehen hatte, sprang für ihn ein. Am Abend vor dem Gig besuchte er Plant, um noch schnell die wichtigsten Details mit ihm zu besprechen. Der kranke Sänger lag angeschlagen zu Hause im Bett.

»Er ging die Lyrics mit mir durch, die er in einem eigens dafür angelegten Buch gesammelt hatte«, erzählt Yeats. »Der Auftritt ging reibungslos über die Bühne, aber die Musik war so laut, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ich weiß noch, wie ich inmitten dieses unglaublich grandiosen Lärms stand. Das Publikum wirkte glücklich und zufrieden, aber ich frage mich schon, was sie wohl gedacht haben, als statt des jugendlichen Sexgotts ein kleiner komischer Kauz wie ich auf der Bühne stand.«

Wenn die Lage zu Hause einmal besonders angespannt war – was zu dieser Zeit immer häufiger vorkam –, übernachtete Plant im Van der Band. Der Wagen war über und über mit Lippenstift und Nagellack bemalt und schindete reichlich Eindruck.

Im Sommer 1965 wiederholte Plant seine O-Level-Prüfungen. Diesmal mit mehr Erfolg als im Jahr zuvor. Er bestand die Prüfungen in Englisch, englischer Literatur, Geografie und Mathematik. Das erfuhren auch die Leser des Stourbridge Edwardian, der Schülerzeitung der King Edward VI School. In ihr ist auch zu lesen, dass Plant die Schule am 22. Juli verließ, um eine Lehre als Buchhalter zu beginnen. Tatsächlich soll er die Schule schon früher und nicht ganz freiwillig verlassen haben.

»Ich habe gehört, dass er mit einem Kumpel in Birmingham beim Schwänzen erwischt wurde. Ein Lehrer, der seinen freien Tag hatte, sah, wie sie sich rauchend in der Stadt rumtrieben«, erzählt Michael Richards. »Er hatte immer noch seine Schuluniform getragen, deswegen glaubte man verständlicherweise, dass dies in erster Linie ein schlechtes Licht auf die Schule werfen würde. Ich nehme an, dass das der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auf jeden Fall wurde Robert der Schule verwiesen. Das sorgte dort für einen kleinen Aufruhr. Die meisten meinten, diese Entwicklung sei absehbar gewesen, aber es gab auch welche, die der Ansicht waren, dass Robert ziemliches Pech gehabt habe.«

Ob sich die Geschichte nun genau so zugetragen hat oder anders, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären. Gary Tolley bestreitet diese Version, wobei er allerdings bereits ein Jahr zuvor von der Schule abgegangen war. An der King Edward VI School selbst gibt es keinerlei Aufzeichnungen, die diesen Vorfall dokumentieren. Colin Roberts, einer der Schüler, die zusammen mit Plant ihren Abschluss an der Schule gemacht hatten und der später als Lehrer dorthin zurückkehrte, stützt hingegen Richards Aussage.

»Die genauen Umstände, wie es zu dem Verweis kam, kenne ich nicht«, erzählte er mir, »aber er muss irgendwas Schlimmes angestellt haben, denn es sind hier insgesamt nur ganz wenige jemals von der Schule geflogen, also musste man schon echt was ausgefressen haben. Rektor Chambers soll ihn gewarnt haben, dass aus ihm niemals was werden würde. Als ich Anfang der 70er als Lehrer an die Schule zurückkehrte, erzählte mir Chambers selbst, dass Plant irgendwann mal mit einem Rolls-Royce bei ihm zu Hause vorgefahren sei und ihn gefragt habe, ob er sich noch an ihn erinnere.«

Robert Plant

Подняться наверх