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KAPITEL 5
DIE TOTALE VERZWEIFLUNG
ОглавлениеEinen Funken Hoffnung gab es für Plant noch: sein Vertrag mit der CBS. Er war pleite und stand wieder ganz am Anfang, aber solange er noch einen Fuß in der Tür hatte, wollte er seinen Traum nicht aufgeben. Er musste nur eine Möglichkeit finden, die Tür ganz weit aufzureißen. Und wenn das bedeutete, dafür seine eigenen Interessen erst mal hinten anzustellen und nach der Pfeife von anderen zu tanzen, so war er dazu bereit.
Schnell wurde klar, dass man bei der CBS tatsächlich eine Vorstellung davon hatte, wie der neue Vertragskünstler am Markt positioniert werden konnte – nämlich als Schlagersänger. Die Plattenfirma war überzeugt, dass es ihm mit seiner Stimme und seinem Aussehen leicht fallen würde, alle Frauenherzen im Sturm zu erobern, was als solide Voraussetzung angesehen wurde, um ihn als Star aufzubauen. Das Konkurrenzlabel Decca hatte kürzlich ein ähnliches Experiment gewagt und war damit ziemlich erfolgreich. Man hatte dort sogar gleich zwei jungen Talenten zu einer Karriere als Schlagerstar verholfen. Das war zum einen ein strammer Kerl aus Wales namens Tom Jones und zum anderen ein Clubsänger namens Gerry Dorsey, der auf den Rat seines Labels hin den Künstlernamen Engelbert Humperdinck angenommen hatte. Mit »Release Me«, einer schnulzigen Ballade, die Decca ihm aufs Auge gedrückt hatte, stürmte Humperdinck Anfang 1967 die Charts dies- und jenseits des Atlantiks.
Als ersten Solosong für ihre neue Nachwuchshoffnung hatte man bei der CBS eine italienische Ballade mit dem Titel »La Musica è Finita« ausgewählt, die es in ihrer Heimat bis auf Platz eins der Hitparade geschafft hatte. Für Plant wurde das Lied übersetzt, das nun den Titel »Our Song« trug. Im Studio hatte wieder einmal CBS-Haus- und Hofproduzent Danny Kessler das Sagen. Wie bei »You Better Run« frönte er auch diesmal seiner Vorliebe für schwelgerische Streicher- und Bläserarrangements, wobei man zugeben muss, dass sie zu dem süßlichen »Our Song« weitaus besser passten als zu der Pop-Rock-Nummer »You Better Run«. Was zu diesem Titel allerdings so gar nicht passte, war Plant. Er klingt auf der Aufnahme, als stecke er in einer Zwangsjacke. Seinem Freund Kevyn Gammond erzählte er, dass für die Aufnahme 90 Takes nötig gewesen seien und dass er zum Schluss Rotz und Wasser geheult habe.
Plants erste Single als Solokünstler erschien im März 1967, in demselben Monat, in dem auch Pink Floyds »Arnold Layne« und »Purple Haze« von Jimi Hendrix herauskamen. Die Platte war ein absoluter Flop, nicht mal 800 Exemplare wurden verkauft. Selbst einer von Plants frühen Fürsprechern, der Express & Star-Redakteur John Ogden, kritisierte die Veröffentlichung als »Vergeudung eines tollen Soulsängers«.
»Wenig später erhielt ich einen Anruf von Roberts Mutter«, erzählt Ogden. »Sie wollte wissen, ob ich tatsächlich überzeugt sei, dass ihr Sohn genügend Talent besitze. Ich erklärte ihr, dass ich zwar nichts garantieren könne, er aber zweifellos Chancen habe, in dem Geschäft mitzumischen. Ihre Enttäuschung muss in den nächsten Monaten ziemlich groß gewesen sein, da sich karrieremäßig bei ihm einfach nichts tat.«
Plant war bereit, sich versuchsweise auf diesen radikalen Wandel einzulassen. Er toupierte sich die Haare, kaufte einen dunklen Anzug und erklärte jedem, der ihn darauf ansprach, dass er Schlagerstar werden wolle. Sich selbst redete er ein, dass er einfach nichts unversucht lassen durfte. Er hatte sich sogar extra Visitenkarten drucken lassen, auf denen zu lesen war: »Robert – mit stummem e – Lee, jetzt für Veranstaltungen zu buchen«.
Unterstützung für seine nun angestrebte Schlagerstarkarriere erhielt er überraschenderweise von seinem Vater. Der arbeitete zu jener Zeit an einem Anbau für das Haus eines in der Region bekannten Big-Band-Leaders namens Tony Billingham.
»Roberts Vater sah all diese Musiker bei mir ein- und ausgehen«, erinnert sich Billingham. »Eines Tages erzählte er mir, dass sein Sohn unbedingt Sänger werden wolle, und fragte mich, ob ich ihm einen Job geben könne. Ich versprach ihm, ihn mir mal anzusehen. Die Band, mit der ich auftrat, hieß Tony Billingham Band – es war eine klassische Tanzkapelle.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Auftritte Robert mit uns absolvierte, aber einer davon fand im Kidderminster College statt. Er sang an diesem Abend ein paar Beatles-Songs. Normalerweise trugen wir auf der Bühne Abendgarderobe, doch wenn wir in Colleges spielten, kleideten wir uns etwas legerer. Wir trugen dann schwarze Hemden oder so etwas in der Art. Robert brachte an diesem Abend ganz besonders seine langen Haare zur Geltung, und sein Hemd hatte er bis zum letzten Knopf aufgeknüpft. Für eine Tanzveranstaltung war das schon ein sehr, sehr außergewöhnliches Auftreten.«
Fünf Monate nach dem Fehlstart mit »Our Song« wagte die CBS einen weiteren Versuch mit Plant. Seine zweite Single als Solokünstler hieß »Long Time Coming«. Mit seinen R&B-Wurzeln passte diese Nummer zwar weitaus besser zu Plant und seiner Stimme, doch fuhr man in jeder anderen Hinsicht damit allerdings nach wie vor auf der Schlagerschiene – und zwar mit ebenso wenig Erfolg wie zuvor. Plant hatte sich inzwischen ohnehin schon wieder umorientiert, nämlich in eine dem damaligen Zeitgeist weitaus besser entsprechende Richtung.
Er hatte eine neue Band gegründet, die sich Robert Plant and the Band of Joy nannte. Der Gitarrist Vernon Pereira war ein Verwandter von Plants Freundin Maureen. Die Besetzung der Band of Joy änderte sich permanent, so lange es die Gruppe gab. Was für Konstanz sorgte, war der Sänger und seine neue Inspirationsquelle, die er in dem neuen Musikstil gefunden hatte, der damals von Amerika aus nach England herüberschwappte und den er inzwischen für sich entdeckt hatte. An diesem neuen Sound orientierte er sich nun.
Zahllose Anregungen verdankte Plant John Peel, einem 27-jährigen Radio-DJ und ehemaligen Internatsschüler aus Liverpool, der in wohlsituierten Verhältnissen aufgewachsen war. Peels Vater war Baumwollhändler und hatte seinen Sohn 1961 in die USA geschickt, um dort bei einem seiner Zulieferer zu arbeiten. Peel blieb sechs Jahre in Amerika und sammelte dort auch seine ersten Erfahrungen als Radiomoderator – als unbezahlte Aushilfskraft bei einem Radiosender in Dallas. Außerdem brachte er stapelweise Platten mit Musik von der amerikanischen Westküste mit in die Heimat zurück.
Wieder in England erhielt Peel 1967 einen Job bei dem Piratensender Radio London. Er moderierte dort die Sendung The Perfumed Garden und legte all die Platten auf, die er aus den USA mitgebracht hatte. Das britische Publikum hatte diese Songs noch nie zuvor gehört. Unter den von ihm vorgestellten Bands aus L. A. und San Francisco waren die Doors, Grateful Dead, Captain Beefheart and his Magic Band sowie Quicksilver Messenger Service. Die Wurzeln von all diesen Rockgruppen lagen im Blues, Folk, Country und Jazz, doch unter dem Einfluss der neuen psychedelischen Drogen, die damals en vogue waren, machten sie etwas ganz Neues daraus.
»Bevor John diese Musik auflegte, hatten wir von ihr noch nie etwas gehört«, sagt Peels DJ-Kollege Bob Harris. »Das hat meine Sicht der Dinge völlig verändert, und ich vermute, Robert ging es ähnlich.«
Plant war tatsächlich ungemein fasziniert von den neuen Klängen aus Amerika. Er sog sie ebenso begierig auf wie Jahre zuvor den Blues. Von den neuen psychedelischen Bands aus San Francisco gefielen ihm besonders Jefferson Airplane und Moby Grape. »White Rabbit« und »Somebody to Love« vom Jefferson-Airplane-Album Surrealistic Pillow zählen bis heute zu den größten Acid-Rock-Hymnen, die je geschrieben wurden; die geisterhafte Stimme von Sängerin Grace Slick passt perfekt zum LSD-geschwängerten Sound der Band. Auf dem im Sommer 67 erschienenen Debütalbum von Moby Grape verschmelzen Rock, Blues, Country und Pop.
Auch zwei Bands aus L. A. hatten Plants Aufmerksamkeit erregt. Die erste war Buffalo Springfield, gegründet von den zwei talentierten kanadischen Songwritern Neil Young und Stephen Stills. Der wabernde Folk-Rock der Band setzte Maßstäbe in der damaligen Musikszene ebenso wie der Sound der Byrds. Die zweite L. A.-Band, die Plant faszinierte, war Love. Deren arabeske Psychedelic-Pop-Symphonien stammten aus der Feder des begnadeten Musikers Arthur Lee. Die Band brachte 1967 zwei Alben heraus: Da Capo und Forever Changes. Letzteres gilt bis heute als Klassiker. Trotz der beiden Platten gelang Lee und seiner Band zwar nicht der große Durchbruch, doch inspirierte ihre Musik viele andere Musiker der damaligen Zeit.
»Diese ganze Westküstenmusik hat mich völlig in ihren Bann geschlagen. Danach gab es für mich nichts anderes mehr«, sagte Plant 1970 im Interview mit Richard Williams vom Melody Maker. »Drei Jahre zuvor hat mir die Musik von Sonny Boy Williamson einen Schauer über den Rücken gejagt, jetzt musste ich heulen, wenn ich Arthur Lee hörte.«
John Peel brachte den neuen Sound schon bald mit Liveauftritten fast bis vor Plants Haustür. Jeden Sonntag moderierte er eine Show in Frank’s Ballroom in Kidderminster.
»Es war großartig«, schwärmt Kevyn Gammond, der wie Plant ein großer Fan dieser Konzerte war. »Peel brachte Leute wie Captain Beefheart und Ry Cooder in unsere Gegend, aber auch die frühen T. Rex. Man erzählte sich diese tolle Story über Captain Beefheart und seine Band. Die Jungs sollen in der Garderobe gesessen und sich riesige Joints gedreht haben, während Peel ihnen Tee und Gurkensandwiches anbot. Peel hat uns mit dieser aufregenden Szene in Kontakt gebracht, und Rob war von alledem ganz besonders fasziniert.«
Im Frühjahr 1967 standen Band of Joy in ihrer Ur-Besetzung erstmals auf der Bühne. Unter anderem spielten sie im Elbow Room und im Cedar Club, den beiden angesagtesten Läden in Birmingham. Im Cedar Club traten sie im Vorprogramm des ehemaligen Moody-Blues-Mitglieds Denny Laine und seiner neuen Gruppe Denny Laine’s Electric String Band auf. Auch Band of Joy waren nur eine Coverband, allerdings eine, die sich behutsam dem neuen Acid-Rock-Trend annäherte.
Laurie Hornsby, ein Musikwissenschaftler aus Birmingham, erinnert sich, dass die Gruppe, bei der er damals Gitarre spielte, am 25. April 1967 zusammen mit Band of Joy bei einer Show im Crofton Club auftrat.
»Das war eine alte Rollschuhbahn«, sagt Hornsby. »Ich weiß noch, dass es dort gerammelt voll war. Drogen spielten in der Szene damals noch keine Rolle. Man wollte einfach ausgehen, ein paar Bier trinken und Frauen aufreißen. Der Mod-Look war inzwischen passé. Robert und die Jungs aus seiner Band trugen Afghanenmäntel, Wildlederjacken und solche Sachen.
Sie waren tausendmal besser als wir, daher traten wir mit unserem 45-Minuten-Set vor ihnen auf. Dann kamen sie und standen eine Stunde lang auf der Bühne. Ich hab mir den Auftritt von Band of Joy angesehen, aber ich kann mich nur noch an Robert erinnern. Er hat sich extrem gut verkauft, er wusste genau, wie er die Leute dazu bringt, auf ihn zu schauen.«
»In den Midlands gab es damals nur zwei Meinungen über Robert«, erzählt John Ogden. »Entweder man mochte ihn, oder man konnte ihn nicht ausstehen. Die Frauen liebten ihn, ausnahmslos. Sie schmachteten ihn alle aus dem Zuschauerraum heraus an. Genau deswegen konnten ihn die meisten Typen nicht leiden.«
Die Antipathie, die Plant entgegenschlug, infizierte irgendwann auch »Pop« Brown, den Vater des Band-of-Joy-Organisten Chris Brown und De-facto-Manager der Band. Nach einem ziemlich heftigen Streit zwischen den beiden sorgte Plant dafür, dass er aus der Band gefeuert wurde.
»Robert hatte ganz eigene Vorstellungen, und zwar völlig andere als ›Pop‹ Brown«, meint Ogden. »Robert hatte schon immer seinen eigenen Kopf gehabt und genau gewusst, was er wollte. Und das war eigentlich nichts anderes, als ein Star zu sein.«
Im Juni veröffentlichten die Beatles Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, womit in Großbritannien der Summer of Love begann. Die wichtigsten Zutaten für diesen legendären Höhepunkt der Love-&-Peace-Bewegung guckte man sich von den Trendsettern aus Kalifornien ab: Musik, Mode und bewusstseinserweiternde Drogen. Die Behauptung, in dieser Zeit habe im Musikbusiness eine tiefgreifende kulturelle Veränderung stattgefunden, ist sicher übertrieben. Engelbert, Tom Jones und Frankie Vaughan, ein weiterer Schlagerstar, veröffentlichten vier der zehn erfolgreichsten Singles in diesem Jahr. Die nachhaltige Wirkung der neuen Strömung lässt sich allerdings nicht verleugnen.
Das erkannte auch Plant sehr schnell. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung von Sgt. Pepper’s landeten die Small Faces und Steve Winwoods neue Band Traffic Hits mit Nummern, die genau demselben psychedelischen Trend folgten: »Itchycoo Park« und »Hole in My Shoe«. Der Traffic-Song fuchste Plant besonders. Wieder einmal musste er sich eingestehen, dass ihm der gleichaltrige Winwood in musikalischer Hinsicht um Längen voraus war.
Als »Hole in My Shoe« auf Platz zwei der britischen Charts stand, asphaltierte Plant gerade für die Straßenbaugesellschaft Wimpey die West Bromwich High Street. Für seine dortigen Kollegen war er wegen seiner langen blonden Haare vom ersten Arbeitstag an nur der »Pop Singer«.
Es dauerte nicht lange, bis Plant, dem es nie an Entschlossenheit oder Selbstbewusstsein mangelte, einen weiteren Karriereversuch startete. Er versammelte eine neue Gruppe Musiker um sich und nannte die neu gegründete Formation abermals Robert Plant and the Band of Joy. »Pop« Brown war sehr erbost, dass Plant diesen Namen noch einmal wählte, und so traten eine Zeit lang tatsächlich zwei Bands mit demselben Namen gleichzeitig auf, doch die anderen knickten zuerst ein und änderten ihren in Good Egg – woraufhin sie bald in der Versenkung verschwanden. Ein Jahr später heiratete Plant in die Familie des Good-Egg-Gitarristen Vernon Pereira ein – Pereira war Maureens Cousin –, doch die beiden traten nie wieder zusammen auf. Pereira kam 1976 bei einem Autounfall ums Leben, wobei Plant zu jener Zeit allerdings ganz andere Sorgen hatte.
Auf der Suche nach einem Manager für seine neue Band, wandte Plant sich an einen alten Bekannten: Mike Dolan, der auch schon für Listen gearbeitet hatte. Dolan präsentierte auch sofort eine Vermarktungsidee, wenngleich die nicht unbedingt die beabsichtigte Wirkung zeitigte. Plant stand ein Gerichtstermin wegen eines Verkehrsdelikts bevor, und Dolan redete ihm ein, eben diesen Termin als Werbeplattform für sich und die Band zu nutzen. Er organisierte für den Tag der Verhandlung einen Protestmarsch zur Legalisierung von Marihuana, nahm Kontakt zur Lokalpresse auf und ließ durchsickern, dass sein Schützling mit einer Gruppe von Fans vor dem Gerichtsgebäude für seine Bürgerrechte eintreten wolle.
Plant erschien am Morgen des 10. August 1967 mit gerade einmal sieben Fans – darunter auch Shirley, die jüngere Schwester seiner Freundin Maureen – vor dem Eingang des Wednesbury Court. Das ein wenig verwahrlost wirkende kümmerliche Grüppchen trug Plakate mit Aufschriften wie »Happiness Is Pot Shaped« und »Don’t Plant It ... Smoke It«.
In einem Artikel der Abendausgabe von Express & Star hieß es: »Einige Polizisten spähten neugierig aus dem Fenster der nahegelegenen Wache, ein paar kamen sogar heraus, um den seltsam zusammengewürfelten Haufen, dem sich auch zwei junge Frauen in Miniröcken angeschlossen hatten, zu fotografieren.« Dolan stritt jegliche Inszenierung ab. »Es war eine völlig spontane Aktion dieser Jugendlichen, die Bob als eine Art Anführer betrachten«, erklärte er den Zeitungsreportern.
Im nachfolgenden Prozess wurde Plant vom Vorwurf der Verkehrsgefährdung freigesprochen. Für eine seiner Unterstützerinnen bei dem Protestmarsch, eine Krankenschwester namens Dorette Thompson, endete der Tag weniger glücklich. Sie verlor wegen der Teilnahme an der Aktion ihren Job.
»Dieser ganze Auftritt war typisch für Robert«, sagt John Ogden. »Er musste es nicht tun, aber er ließ nichts unversucht. Vor Gericht erschien er tatsächlich in einem indischen Hochzeitsanzug. Ich musste selbst einmal vor Gericht erscheinen, um ein Leumundszeugnis abzugehen, und wurde von so einem schnodderigen Anwalt ins Kreuzverhör genommen. Der Mann hat mich richtig eingeschüchtert. Kaum zu glauben, dass Plant das durchgestanden hat, als er gerade mal 18 war.«
Plant lebte zu jener Zeit mal hier und mal dort. Immer wieder übernachtete er bei Maureen und ihren Eltern in West Bromwich, ab und an quartierte er sich aber auch bei Freunden ein. Im Sommer 1967 wohnte er unter anderem in einem Haus an der 1 Hill Road in Lye, nicht weit entfernt von seiner alten Heimat in Stourbridge. Einer seiner Mitbewohner dort war Andrew Hewkin, ein angehender Maler, der gerade sein letztes Jahr am Stourbridge College absolvierte.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Haus noch steht. So wie wir darin gehaust haben, musste es sicher generalsaniert werden«, sagt Hewkin. »Es herrschte dort ein ständiges Kommen und Gehen. Kaum einer wusste, wer dort tatsächlich wohnt und wer nicht, weil man jeden Morgen anderen Leuten begegnete. Die Miete, die wir zahlten, war nicht der Rede wert.
Es gab wahnsinnig viele Zimmer, jedes hatte eine andere Farbe und einen anderen Geruch. Und aus jedem dröhnte irgendeine andere Art Musik. Ich kann mich nicht erinnern, viel von Roberts Zimmer gesehen zu haben. Allerdings kann ich mich auch nicht daran erinnern, viel von Robert gesehen zu haben. Das große Wohnheim oben am College hieß West Hill, und das war der Ort, wo es wirklich abging, weshalb Robert auch die meiste Zeit dort war. Er studierte zwar nicht, aber er kannte all die gutaussehenden Mädels, die da rumliefen.«
Das Haus in Lye wurde bald auch zu einem Probenraum für Band of Joy. Im vollgestopften, fensterlosen und drückend heißen Keller des Hauses stellten die Jungs ihr Equipment auf.
»Es war irre laut da unten, und Robert rann der Schweiß nur so runter«, sagt Hewkin. »Ich hab die Jungs auch oft auf der Bühne gesehen. Robert war damals kaum anders als heute, stolzierte mit geschwollener Brust umher und so, damals vielleicht noch ein bisschen extremer als heute. Ich glaube, er hat sich eine Menge von Mick Jagger abgeguckt, der gockelte genauso durch die Gegend, wobei er dabei noch stärker an einen Hahn erinnerte. Ansonsten war er ziemlich bodenständig und eigentlich sogar ganz nett. Dummerweise hatte er diesen Hobbit- und Unterweltspleen. Na ja. Er hatte sich auch mal ein Auto gekauft, einen alten Morris Minor, und ihn im Garten abgestellt, der ohnehin total verwildert war. In der ganzen Zeit, in der er in dem Haus wohnte, ist er kein einziges Mal mit der Kiste gefahren. Die Polizei soll den Wagen später irgendwann abgeschleppt haben.«
Die zweite Inkarnation der Band of Joy war ebenso kurzlebig wie die erste. Das Image, das sie sich zulegten – und zu dem unter anderem Kriegsbemalung im Gesicht gehörte –, war daran nicht ganz unschuldig. Der Bassist Peter Bowen machte in dem Look einen besonders verstörenden Eindruck.
»Wir erschreckten alle zu Tode«, erzählte Plant Richard Williams. »Dieser große, massige Bassist stürmte in einem Kaftan mit angenähten Glöckchen auf die Bühne und sprang geradewegs ins Publikum hinein. Ich konnte nur noch brüllen, zu was anderem war ich nicht mehr in der Lage.«
Gegen Ende des Jahres hatten Bowen und die anderen die Band verlassen. Plant stand wieder einmal ganz alleine da und musste sich irgendetwas einfallen lassen, womit er weitermachen konnte. Er brachte Bonham dazu, es noch einmal mit ihm zu versuchen, und überredete Kevyn Gammond, bei Reggae-Sänger Jimmy Cliff auszusteigen und bei ihm mitzumachen. Dreist wie er war, sah er sich zudem noch bei Good Egg um und machte der Band ihren Bassisten Paul Lockey und – sehr zum Verdruss seines Vaters »Pop« Brown – den Organisten Chris Brown abspenstig.
Mit diesem Line-up gewann die Band of Joy endlich einen eigenständigen Charakter. Bonhams markiger Drumsound verlieh dem Sound der Gruppe eine solides Fundament. Zudem bestach die Band durch ausgedehnte Instrumentaleinlagen. Das Ganze nahm bereits Strukturen der Formation vorweg, die das Leben von Plant und seinem Hooligan-Drummer in nicht allzu ferner Zukunft von Grund auf verändern sollte, obschon sie das selbst zu jener Zeit natürlich noch nicht ahnen konnten. Das typische Midlands-Publikum konnte damit damals ohnehin noch nichts anfangen.
»Ich führte den Ship and Rainbow Pub in Wolverhampton und buchte sie für einen Club-Gig«, erzählt John Ogden. »Ein großer Erfolg war es nicht, denn die meisten Zuschauer waren damals noch Blues-fans, und Robert machte seinerzeit keinen Blues.
Ich weiß noch, dass er ›White Rabbit‹ von Jefferson Airplane sang, was absolut genial war. Wir unterhielten uns nach der Show, und er machte keinen Hehl daraus, dass er von der Reaktion des Publikums enttäuscht war. Er meinte, die Leute sollten besser zuhören und dass er nicht ständig dasselbe machen könne. Aber wenn man damals was anderes machte als Mainstream-Musik und dann auch noch laut war, bekam man hier in der Gegend einfach keine Gigs.«
Mike Dolan besorgte der Band Auftritte außerhalb der Midlands, im Middle Earth und im Marquee in London sowie im Club A’GoGo in Newcastle. Im März tourten sie für ein paar Shows mit Tim Rose, einem amerikanischen Folksänger, den es nach England verschlagen hatte, durchs Land. Diese Gigs konnten für sie allerdings nur Übergangslösungen sein, weil sie damit weniger verdienten als mit den Auftritten, die sie am Anfang ihrer musikalischen Karriere mit ihren ehemaligen Coverbands bestritten hatten. Für den Anfang war ihnen das gemeinsame Ziel, etwas mit der Band zu erreichen, allerdings Ansporn genug.
»Man konnte das, was wir machten, zwar nicht Freak Rock nennen, aber der Geist dieser Strömung steckte da durchaus drin«, so Kevyn Gammond. »Es war aufregend und grenzte sich von den ganzen Zwölftaktgeschichten ab, mit denen wir aufgewachsen waren. Ein einzelner Song konnte 10, 15 Minuten dauern. Das arme Publikum! Es gab auch immer so kleine Machtspielchen zwischen John und Rob, weil Bonzo immer gerne im Rampenlicht stand. Er stellte sein Drumset häufig so auf, dass Rob und ich leicht zur Seite oder in den Hintergrund gedrängt wurden.«
Wie schon für Listen organisierte Dolan für die Band of Joy eine Demosession. Die Gruppe erhielt die Gelegenheit, in den Londoner Regent Street Studios ein Demotape einzuspielen. Sie entschieden sich für Coverversionen vom Buffalo-Springfield-Song »For What It’s Worth« und vom amerikanischen Folksong »Hey Joe«. Zudem nahmen sie für das Tape noch zwei Eigenkompositionen auf: »Memory Lane« und »Adriatic Seaview«. Die beiden Coverversionen verdeutlichten, welches Potenzial in der Band steckte, wenngleich man bei den Aufnahmen nicht viel Wert auf Feinheiten legte, von vornehmer Zurückhaltung ganz zu schweigen. Plant geht von Anfang an in die Offensive. Er sang tiefer, als er es später gewöhnlich tat, und kniete sich so sehr in die Songs hinein, als hätte er damit all seine Selbstzweifel und alle bösen Geister auf einmal vertreiben können.
Die beiden Eigenkompositionen waren allerdings ziemlich schwach, und es gelang nicht, mit dem Demo irgendwo Interesse zu wecken. Auch bei der CBS, die an ihrem ursprünglichen Vertrag mit Plant festhielt, konnte die Band mit dem Tape niemanden vom Hocker reißen. Dolan verhalf der Gruppe zwar noch zu einem Engagement im Londoner Speakeasy, doch danach war Schluss. Bonham wechselte für stattliche 40 Pfund pro Woche zur Begleitband von Tim Rose, und die Band of Joy löste sich auf.
Plant war dieses Szenario mittlerweile gut vertraut – schon oft hatte er es relativ weit gebracht, nur um dann wieder einen herben Rückschlag zu erleiden. Das waren im Moment allerdings nicht seine einzigen Sorgen. Maureen war schwanger. Und bis zu seinem 20. Geburtstag, dem Tag, an dem er seinem Versprechen zufolge seine Musikerkarriere aufgeben wollte, falls er bis dahin erfolglos geblieben sein sollte, waren es nur noch ein paar Monate.
Plant nahm einen weiteren Aushilfsjob an und verlobte sich mit Maureen. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Druck die Eltern auf das junge Paar ausübten, wie sie den beiden ins Gewissen redeten, sie dazu drängen, das Richtige zu tun und sich an den traditionellen Werten zu orientieren, auch wenn sie sich lange Zeit nicht darum geschert hatten. Plant hatte mittlerweile auch eingesehen, wie wichtig es war, Geld zu haben, denn er hatte erfahren, wie hilflos er war, wenn er keines hatte. Er hatte gelernt, verantwortungsvoll damit umzugehen, anstatt es zum Fenster rauszuwerfen. Trotzdem wollte er noch nicht aufgeben. Er war immer noch auf der Suche nach einer Chance – ganz gleich, wie flüchtig sie sein mochte.
Inzwischen hatte Trevor Burton, der Gitarrist von The Move, das Demotape der Band of Joy seinem Manager Tony Secunda gegeben. Nachdem er es sich angehört hatte, lud Secunda Plant ein, nach London zu kommen, um ihm und seinem Geschäftspartner Denny Cordell eine Kostprobe seines Talents zu liefern. Plant bat Kevyn Gammond, ihn dorthin zu begleiten.
»Wir waren pleite, daher trampten wir«, erinnert sich Gammond. »Sie steckten uns in das beschissenste, runtergekommenste Hotel am Platz, das Madison. Am nächsten Tag gingen wir in die Marquee Studios, nur Robert, ich und diese beiden Typen. Sie sagten: ›Okay, dann schreib uns mal 'nen Song.‹ Wir ließen uns irgendwas einfallen und nahmen das als Demo auf – keine Ahnung, was daraus geworden ist.
Auf dem Rückweg wollte uns keiner mitnehmen. Da lernten wir diese Tramperin kennen, unten an der M1. Wir baten sie, kess an ihrem Röckchen rumzuzupfen, während wir uns hinter einer Hecke versteckten. Als dann ein Auto anhielt und sich die Türe öffnete, sprangen wir aus unserem Versteck hervor und hüpften mit rein. Auf diese Weise kamen wir bis nach Birmingham.«
Während ihres Engagements im Speakeasy hatten Band of Joy Alexis Korner kennengelernt. Der damals 40-Jährige war kurz zu ihnen in die Garderobe gekommen, um Hallo zu sagen. Korner war der Sohn eines österreichischen Juden und einer Mutter türkisch-griechischer Abstammung. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war die Familie über die Schweiz, Frankreich und Nordafrika nach England gekommen. In den 50er-Jahren schloss sich Korner, der hervorragend Gitarre und Klavier spielte, der Jazzband von Chris Barber an. 1961 gründete er seine eigene Bluesband, Blues Incorporated. Generationen junger britischer Bluesmusiker erhielten hier ihren letzten Schliff. Ob Charlie Watts, Ginger Baker oder Jack Bruce, sie alle spielten irgendwann mal bei Blues Incorporated, und Größen wie Mick Jagger, Keith Richards, Brian Jones und Rod Stewart jammten mit Korner und seiner Band auf der Bühne des Londoner Marquee Clubs, wo Blues Incorporated regelmäßig auftraten. Auch ein Gitarrist namens Jimmy Page war bei diesen Jamsessions ab und an mit von der Partie.
Als Korner im Cannon Hill Arts Center in Birmingham auftrat, frischte Plant seine Bekanntschaft mit dem Musiker auf seine typisch dreiste Art wieder auf. »Alexis stand da oben und spielte«, erzählte er mir. »Am Klavier saß ein Typ namens Steve Miller, ein großartiger Musiker. Ich hatte eine Mundharmonika dabei und spielte ein paar Takte mit. Dabei beobachtete ich Alexis oben auf der Bühne. Das war schon schon ziemlich frech von mir, aber ich kannte keine Skrupel, wenn ich was wollte.
Als der Song zu Ende war, sah er zu mir runter. Ich fragte: ›Kann ich raufkommen und dich bei einer Nummer auf der Mundharmonika begleiten?‹ Er sagte, ich solle in der Pause zu ihm in die Garderobe kommen. Letztendlich habe ich irgendeinen 8-taktigen Blues mit ihm gespielt. Er war ein sehr netter und charmanter Mensch.«
Korner lud Plant ein, zu ihm nach London zu kommen, wo er ihm in seiner Wohnung in Queensway Quartier anbot. Er ließ ihn auf einem Sofa schlafen, auf dem, wie Korner erzählte, auch Muddy Waters immer nächtigte, wenn er in der Stadt war. Plant absolvierte eine Handvoll Auftritte mit Korner und Steve Miller und schrieb auch ein paar Songs mit den beiden.
Zwei der neuen Nummern, »Operator« und »Stay Away«, nahm das Trio sogar bei einer Studiosession auf. Es waren solide, aber unspektakuläre Bluessongs. Plant sang allerdings, als stünde sein Leben auf dem Spiel, er heulte und brüllte, dass man ihm seine Verzweiflung fraglos abkaufte. Endlich konnte er einmal zeigen, dass er in der Lage war, es mit Stars wie Mick Jagger, Rod Stewart und all den anderen großen Sängern aufzunehmen. Dass Plant mit Korner und Miller ein ganzes Album einspielen könnte, schwebte unausgesprochen im Raum.
Wieder zu Hause sah sich Plant die Band seines alten Kumpels Bill Bonham an und fragte, ob er bei ihnen einsteigen könne. Die Gruppe hatte sich den nicht gerade erfolgversprechenden Namen Obs-Tweedle zugelegt, aber Plant konnte sich als ihr Sänger wenigstens ein paar Pfund zusätzlich verdienen, und da Bonhams Eltern in Walsall einen Pub namens Three Men and a Boat führten, kam er über diesen Weg auch an eine zweite Übernachtungsmöglichkeit, die er nutzen konnte, wenn er einmal nicht bei Maureen und ihren Eltern schlafen konnte.
Als Robert Plant plus Obs-Tweedle gab die Band im Juni und Juli 1968 eine Handvoll Konzerte in Birmingham und Umgebung. Mittwochs und meist auch noch samstags spielten sie im Three Men and a Boat. Darüber hinaus hatten sie Auftritte im Connaught Hotel und im Woolpack Pub in Wolverhampton, allesamt Locations, von denen Plant gehofft hatte, sie lange hinter sich gelassen zu haben. Er probte mit der Band dieselben Songs von Buffalo Springfield und Moby Grape, die er auch mit Band of Joy gespielt hatte – für den hammermäßigen Sound fehlte ihm allerdings John Bonhams virtuoses Schlagzeugspiel.
»Ich stimmte allem zu, was er sagte, fand all seine Ideen gut«, sagt Bill Bonham. »Es war großartig, mit ihm in einer Band zu sein; er arbeitete hart und seine Kritik war immer konstruktiv. Die Leute sagen oft zu mir, Robert sei überheblich oder abweisend, aber so habe ich ihn nie erlebt.«
Am 20. Juli hatten Obs-Tweedle einen Gig im West Midlands College of Education on Walsall. Es war ein Samstag, und Bill Bonham zufolge hatten sie es mit einem typischen Studentenpublikum zu tun. »Sie standen da, guckten zu und versuchten, cool zu wirken.«
Drei der Zuschauer waren an dem Geschehen auf der Bühne aus eigenen Gründen interessierter als die anderen. Einer davon war Jimmy Page, der mittlerweile bei den Yardbirds als Gitarrist mitspielte, der zweite war der Bassist Chris Dreja, Pages Bandkollege. Der dritte im Bunde und die vielleicht auffälligste Erscheinung unter den Zuschauern war der Yardbirds-Manager Peter Grant. Grant war ein riesiger, massiger Kerl. Bevor er als Betreuer von Gene Vincent und Little Richard ins Musikgeschäft eingestiegen war, hatte er sich seine Brötchen als Türsteher verdient und war sogar als Ringer aufgetreten. Nach Walsall waren Page, Dreja und Grant aus einem einzigen Grund gekommen: Um sich Robert Plant anzusehen.
Die Yardbirds lagen zu jener Zeit in den letzten Zügen. Die Gitarrenvirtuosen Eric Clapton und Jeff Beck hatten die Band verlassen, die Hits der Blues-Boom-Ära zündeten nicht mehr richtig. Während ihrer letzten, ziemlich verkorksten Tour hatte Page Grant sein Konzept für eine neue Band vorgestellt, die aus exzellenten Musikern bestehen sollte, die mit dem Blues vertraut, aber auch anderen Stilen gegenüber offen waren. Page wollte der Kopf dieser neuen Formation sein, und Grant sollte seine rechte Hand werden.
Zunächst hatte Page den Who-Drummer Keith Moon sowie dessen Bandkollegen, den Bassisten John Entwistle, verpflichten wollen, aber daraus wurde nichts. Als Sänger hatte er sich Steve Marriott von den Small Faces ausgeguckt, sah davon allerdings ab, als der Faces-Manager Don Arden ihm drohte, ihm sämtliche Finger zu brechen, falls er Marriott abwerben sollte. Als Nächstes versuchte Page Terry Reid für sein neues Projekt zu gewinnen, einen 18-jährigen Bluessänger, der damals als vielversprechender Newcomer gehandelt wurde. Doch Reid, der gerade dabei war, sein erstes Soloalbum aufzunehmen, lehnte dankend ab. Er erinnerte sich aber an eine Konzertveranstaltung, bei der er wenige Monate zuvor aufgetreten war – ebenso wie Band of Joy. Da ihn deren Sänger ziemlich beeindruckt hatte, gab er Page den Tipp, sich Plant einmal näher anzuschauen.
So kam es, dass sich Page und die beiden anderen gemeinsam nach Walsall aufmachten. Da standen sie nun und sahen zu, wie Obs-Tweedle ihr Equipment ausluden und auf die Bühne brachten. Die erste Kontaktaufnahme verhieß nichts Gutes.
»Sie hielten mich für einen Roadie«, erzählte mir Plant. »Was natürlich naheliegend war, weil ich ja so ein Schrank bin. Terry Reid hatte mir erzählt, dass er Jimmy empfohlen hatte, sich mal einen Eindruck von mir zu verschaffen. Ich kannte die Yardbirds natürlich und wusste, dass sie ein paar großartige Platten gemacht hatten. Ich hatte sie auch schon live gesehen, als Eric noch dabei war. Ich hatte also nichts zu verlieren.«
Obs-Tweedle hinterließen an diesem Abend keinen nachhaltigen Eindruck bei Page. Ihr Sänger war allerdings von einem anderen Kaliber. Auf dem Heimweg wunderte sich Page, wie so ein Riesentalent wie Plant so lange unentdeckt geblieben sein konnte, und fürchtete, es könne nur daran liegen, dass er irgendeinen nervigen Spleen oder einen miesen Charakter habe, was er nach dem Konzertbesuch natürlich nicht beurteilen konnte. Er beschloss, über die Sache noch einmal in Ruhe nachzudenken.
Plant musste wie immer schauen, wie er klarkam. Im Sommer 1968 eröffnete mit dem Mothers ein neuer Club in Birmingham, der sich rasch zu einem wichtigen Treffpunkt für die stetig wachsende Hippiegemeinde in der Region entwickelte. Auch Plant entdeckte ihn für sich und hielt dort Hof – ein König, der nach wie vor nach einem Königreich suchte.
Der britische Folksänger Roy Harper erinnert sich an das erste Mal, als er im Mothers auf Plant aufmerksam wurde: »Ich war 26, er war 19. Er wurde von vier Frauen begleitet – oder umschwärmt, so genau kann ich das nicht sagen. Er erregte unwillkürlich meine Aufmerksamkeit. Ich sehe noch deutlich vor mir, wie er umringt von diesen ganzen Hühnern durch den Raum schwebte und ich nur dachte: ›Dieser Typ hat echt was Besonderes an sich.‹«
Als Plant eines Abends ins Three Men and a Boat zurückkehrte, wo er gerade wieder einmal übernachtete, wartete dort ein Telegramm auf ihn. Es war von Grant. »Eilig – Robert Plant. Habe mehrmals versucht, dich anzurufen. Melde dich, wenn du Interesse hast, bei den Yardbirds einzusteigen.«
Einen Monat vor seinem 20. Geburtstag war Plants großer Augenblick endlich gekommen. Er selbst erkannte das in diesem Moment freilich nicht. Er war viel zu sehr daran gewöhnt, dass sich all die Hoffnungen, die er sich nach vermeintlich positiven Wendungen immer wieder gemacht hatte, von selbst wieder zerschlugen. Immerhin waren die Yardbirds damals auch nicht mehr das, was man eine angesagte Band nennen würde.
»Ich traf ihn eines Abends im Queen Mary Ballroom in Dudley und er erzählte mir, dass die Yardbirds ihm ein Angebot gemacht hätten«, sagt Jim Lea von den N’Betweens. »Er hatte Maureen dabei und sagte, er sei nicht sicher, ob er es annehmen solle. Er meinte, dass er lieber mit Alexis Korner Blues spielen würde.
Wir waren damals ziemlich erfolgreich, und ich hatte mir gerade einen Sportwagen gekauft, einen MG Midget. Planty fuhr einen grünen Ford Perfect. Ich stieg in meinen Wagen und er rief mir zu: ›Nettes Auto – ich glaube, ich muss anfangen, Pop zu machen!‹«
Wenig später griff Plant zum Telefon und rief Grant an. Welche Alternativen hatte er schon? Mark Williams von der International Times erzählte er ein Jahr später: »Es war eine pure Verzweiflungstat, Mann. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.«