Читать книгу Robert Plant - Paul Rees - Страница 14

KAPITEL 4
DER GUMMIMANN

Оглавление

Im Sommer 1965 bestimmten Plants Eltern ein letztes Mal über die Zukunft ihres Sohnes. Weil sie es so wollten, schrieb er sich für einen Wirtschaftskurs am Kidderminster College of Further Education ein, um dort die für eine Ausbildung als Buchhalter erforderlichen Grundkenntnisse zu erwerben.

Um die Wochen, bis der Unterricht begann, sinnvoll zu nutzen, nahm er einen Aushilfsjob an als Regaleinräumer bei Stringers, einem Kaufhaus an der Stourbridge High Street. Er machte das Beste daraus und schäkerte die meiste Zeit über mit den Verkäuferinnen. Wenn er nicht arbeitete, bretterte er auf seinem Motorroller in einem Parka mit einer großen Union-Jack-Applikation auf dem Rücken durch die Stadt und brachte sein bei Stringers verdientes Geld unter die Leute.

An der neuen Schule hatte Plant nicht mehr Spaß als an der alten. Er blieb nur kurze Zeit am College – allerdings lange genug, um seinen Mitschülern in lebhafter Erinnerung zu bleiben. Eine ehemalige Mitschülerin schrieb viele Jahre später auf einer städtischen Website: »Ich ging zur selben Zeit aufs Kidderminster College wie Robert Plant. Im Aufenthaltsraum spielte er oft Gitarre. Beeindruckt hat er aber leider kaum jemanden. Die meisten sagten ihm, dass er aufhören solle.«

Bestätigung und Motivation fand Plant wie üblich in der anderen Welt, in der er sich mehr zu Hause fühlte. Er sang nach wie vor bei den Crawling King Snakes, und bei Ma Reagan hatte er inzwischen einen großen Stein im Brett. Er arbeitete für sie als DJ im Old Hill Plaza, wo er in den Pausen zwischen den einzelnen Liveacts Platten auflegte. In der Hauptsache spielte er Stax- und Motown-Singles, hin und wieder landeten bei ihm aber auch Scheiben von den Small Faces, den Rolling Stones und den Beatles auf dem Plattenteller. Doch Plant legte für Ma Reagan nicht nur Platten auf, denn gelegentlich bat sie ihn auch, in die Rolle des Conférenciers zu schlüpfen.

»Ich wurde ihr erklärter Liebling«, erzählte mir Plant. »Wenn ich als Conférencier arbeitete, fuhr ich mit meiner Lambretta zum Old Hill, ging in die Garderobe und zog mir meinen Anzug an. Dann ging ich raus und kündigte Leute wie den jungen Stevie Wonder an. Ich weiß noch, wie er auf die Bühne kam: Mit der einen Hand stützte er sich auf der Schulter seines Bandleaders ab, der setzte ihn dann ans Mikrofon und los ging’s mit ›Fingertips Part 2‹. So war das damals im Old Hill im Black Country!

Es war völlig surreal, so was Grandioses zu hören, diese ganzen göttlichen Musiker zu sehen und selber immer noch am College zu sein. Man war so nah dran an dem ganzen Spektakel ... eine bessere Eintrittskarte konnt’s gar nicht geben. Wie blöd hätte man sein müssen, sich nicht genau umzusehen und zu fragen: ›Kann ich sonst noch was für Sie tun?‹«

Zu tun gab’s jede Menge, doch zunächst anderes als gehofft. Der Vater hatte es eingefädelt, dass Plant zu einem Bewerbungsgespräch bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen eingeladen wurde, wo er tatsächlich auch einen Ausbildungsplatz erhielt. Das Büro, in dem er arbeiten sollte, lag in Stourport, einem malerischen Örtchen am Ufer des Severn etwa 25 Kilometer von Stourbridge entfernt. Plant verdiente dort ganze zwei Pfund pro Woche, was weniger war, als er sonst für einen einzigen Auftritt bekam.

Der neue Job hielt ihn nicht davon ab, fast jeden Abend auf die Piste zu gehen. Entweder hatte er selbst einen Auftritt, oder er wollte sich andere Bands angucken oder einfach nur einen Club besuchen. Zwei Wochen lang schleppte er sich jeden Morgen müde und lustlos ins Büro, dann bat man ihn höflich, seinen Schreibtisch zu räumen. Das war der Moment, als er sich entschloss, die Musik zu seinem Beruf zu machen und mit den Crawling King Snakes das Ganze nun richtig professionell anzugehen. Leben konnte er davon freilich nicht. Um seinen Unterhalt zu bestreiten, musste er einen Aushilfsjob in einer Teppichfabrik annehmen. Sein Vater war nun vollends davon überzeugt, dass er sein Leben vergeudete.

Just zu dieser Zeit lernte Plant John Bonham kennen. Bonham, der von allen nur »Bonzo« genannt wurde, sprach ihn nach einem Auftritt der Crawling King Snakes im Old Hill Plaza an. Er fände die Band gut, erklärte er Plant, ihr Drummer sei allerdings eine Katastrophe. Er selbst könne viel besser spielen. Wenig später saß er bei den Crawling King Snakes hinterm Schlagzeug.

Bonham stammte ebenfalls aus den Midlands. Er war im Sommer 1948 in Redditch zur Welt gekommen. Als er 10 war, kaufte seine Mutter ihm sein erstes Drumset. Bonham war von diesem Instrument fasziniert, seit er gesehen hatte, wie der berühmte Jazzdrummer Gene Krupa 1956 in dem Film Die Benny Goodman Story bei »Sing Sing Sing« auf die Tomtoms eindrosch. Bühnenerfahrung hatte er seit seinem 15. Lebensjahr gesammelt. Unter anderem hatte er mit Bands wie dem Blue Star Trio, den Senators und Terry Webb and the Spiders auf der Bühne gestanden.

Bonham war nur drei Monate älter als Plant, allerdings war er schon verheiratet, als die beiden sich kennenlernten. Mit seiner Frau Pat lebte er in einem Wohnwagen, der hinter dem Haus seiner Eltern stand. Doch nicht nur in dieser Hinsicht wirkte Bonham reifer als seine Altersgenossen. Er war auch musikalisch versierter als jeder andere Musiker, mit dem Plant bis dato aufgetreten war. In den Pubs und Clubs des Black Country galt er bereits als Wunderdrummer, als einzigartiges Kraftpaket.

»Bonzo hatte mal in einer Tanzkapelle gespielt«, erzählte mir Plant. »Alles, was er konnte, verdankte er seiner Erfahrung mit diesen ganzen Big-Band-Arrangements, die da gefragt waren. So jemandem wie ihm war ich noch nie begegnet.«

»John war ein bisschen sonderbar, selbst damals schon«, fügt Plants Schulkamerad Tolley hinzu. »Immer, wenn er einen Raum betrat, lag plötzlich so ein seltsames Aroma in der Luft. Er hat echt eine Menge komisches Zeug geraucht. Aber er war ein exzellenter Drummer und er hatte ein besseres Drumkit als alle anderen.«

Für einen kurzen Moment schienen sich den Crawling King Snakes mit Bonham ganz neue Möglichkeiten zu eröffnen. Da ihr neuer Drummer ihnen viel mehr Drive verlieh, wurden ihnen plötzlich auch Auftritte im Vorprogramm von so prestigeträchtigen Acts wie der Spencer Davis Group, Gene Vincent, den Walker Brothers und anderen angeboten. Plant kam der Welt, nach der er sich sehnte, näher als je zuvor – so nahe, dass er bereits einen ordentlichen Vorgeschmack auf all das bekam, was ihn erwartete, auch in Sachen Ruhm und Glamour.

Zusammen mit Bonham war er in Stourbridges Town Hall dabei, als die Walker Brothers dort auftraten. Beim Anblick des Sängers Scott Walker kreischten die weiblichen Fans, als hätten sie eine göttliche Erscheinung. Und selbst Musiker aus Bands wie den Liverpooler Merseybeats, deren Stern zu jener Zeit bereits zu sinken begonnen hatte, konnten in ihrem blauweißen Kombi in die Stadt einfallen, sich – wie Plant es sah – völlig daneben benehmen und »uns alle heißen Mädels ausspannen«.

»Wir hatten keine Ahnung, wo das hinführen sollte, trotzdem war kein Kraut dagegen gewachsen«, erzählte er mir. »Als 17-Jähriger hatte ich keine Vorstellung davon, was es bedeutet, berühmt zu sein. Es ging mir allein darum, von diesem öden Schreibtisch wegzukommen und diesen Wirtschaftsprüferjob dranzugeben. Und zu meinen Eltern zu gehen, die immer nur das Beste für mich wollten, und ihnen zu erklären, dass ich das tun musste – und dass es meine endgültige Entscheidung war.«

Für Plant ging es inzwischen um mehr als nur darum, den Blues zu singen. Er hatte die Schreie gehört, den Sex förmlich gerochen und miterlebt, wie viel Macht man als Frontmann besitzt. Doch dann stieg Bonham plötzlich bei den Crawling King Snakes aus – wie er es damals schon bei vielen Bands zuvor getan hatte. Way of Life, die Gruppe, bei der er vorher schon mal gespielt hatte, hatten ihn mit der Aussicht auf eine höhere Gage zurückgelockt. Und das Geld brauchte er damals dringend, denn seine Frau Pat war schwanger.

Nach Bonhams Weggang lösten sich die Crawling King Snakes auf. Auf seinen nächsten Gig musste Plant dennoch nicht lange warten. Während er im Old Hill Plaza Platten auflegte, entdeckte er eine Band namens Tennessee Teens. Das Trio coverte Blues- und Motown-Songs und war erst kurz zuvor aus Frankfurt zurückgekehrt, wo sie ein längeres Club-Engagement gehabt hatten. Plant sprach den Gitarristen der Band, John Crutchley, an.

»Er fragte mich, ob er bei uns singen könne«, erinnert sich Crutchley. »So fing alles an. Wir spielten drei-, viermal die Woche im Plaza. Es war immer der letzte von zwei oder drei Auftritten, die wir am Tag hatten. Wenn wir auf die Bühne gingen, kam Robert dazu und sang eine Nummer mit uns – irgendwas bluesiges, Chuck Berry oder Solomon Burkes ›Everybody Needs Somebody to Love‹. Ich weiß nicht mehr, wer als Erster damit anfing, aber irgendwann beschlossen wir, das Ganze als Band aufzuziehen.

Schon damals stach er aus der Masse hervor. Er trug am liebsten Bomberjacken und hatte richtig dichtes blondgelocktes Haar. Wir waren alle Arbeiterkinder, außer ihm: Er stammte aus ganz anderen sozialen Kreisen. Wir mussten samstags immer bei ihm vorbeifahren und ihn abholen. Seine Mutter machte einen ziemlich spröden Eindruck und sein Vater hatte was von einem ehemaligen Offizier. Er machte eigentlich einen ganz netten Eindruck, aber weder er noch seine Frau unterstützten ihren Sohn bei dem, was er tat. Sie haben sich nie einen seiner Auftritte angesehen.«

Jetzt, da er schon wieder mit einer neuen Band unterwegs war, versuchten Plants Eltern ein letztes Mal, ihrem Sohn ins Gewissen zu reden. Das allerdings mündete in einen derart heftigen Streit, dass Plant von zu Hause auszog. 17 war er damals. Er zog bei Roger Beamer ein, dem Bassisten seiner neuen Band, dessen Eltern in Walsall eine kleine Pension betrieben.

Anfang 1966 nannten sich die Tennessee Teens um in Listen. Zudem überlegten sich die einzelnen Bandmitglieder Spitznamen füreinander – besonders kreativ waren diese allerdings nicht. Aus John Crutchley wurde »Crutch«, und Drummer Geoff Thompson wurde seiner Körperfülle wegen »Jumbo« genannt. Wie sie auf »Chalky« für Roger Beamer und »Plonky« für Plant kamen, weiß heute allerdings niemand mehr.

Für eine zu PR-Zwecken schnell zusammengestellte Kurzbiografie nannte Plant Autofahren und Soulplatten-Hören als seine Hobbys. »Mod-Girls« und Klamotten gehörten zu den Dingen, die er am liebsten mochte, »Heuchler« konnte er nicht ausstehen.

Es dauerte nicht lange, bis Plant selbst ein sicheres Gespür für gute Werbung entwickelte. John Ogden, dem Musikredakteur der Regionalzeitung Express & Star erzählte er, er habe einen Tanzwettbewerb gewonnen, bei dem Cathy McGowan, die attraktive Moderatorin der Musiksendung Ready Steady Go! in der Jury gesessen habe. Er habe McGowan eingeladen, sich einen Auftritt seiner Band anzusehen. Sie habe zugesagt und die Jungs ihrerseits eingeladen, in ihre Sendung zu kommen. Diese Einladung hätte Listen allerdings abgelehnt, so Plant weiter, weil sie an dem infrage kommenden Tag bereits für einen Gig gebucht gewesen seien. »Und einen Gig, für den wir gebucht sind, lassen wir nicht platzen«, fügte er selbstbewusst hinzu. Für eine Erwähnung im Lokalblatt reichte die Story allemal aus. Am 3. März 1966, in der Woche, als die Rolling Stones mit »19th Nervous Breakdown« die Charts anführten, ging sie in Druck.

»Sie kamen in die Redaktion und ich ging mit ihnen für ein Gespräch in die Kantine«, so Ogden. »Dass Cathy McGowan ein Auge auf ihn geworfen haben sollte, überraschte mich nicht – sie wäre nicht die Einzige gewesen. Robert sah einfach verdammt gut aus! Er hatte etwas ganz Eigenes an sich, wenngleich das damals noch nicht jeder so deutlich erkannte.«

Abgesehen davon buken Listen zu jener Zeit eher kleine Brötchen. Sie präsentierten sich als Mod-Band, und die meisten ihrer frühen Auftritte fanden in Pubs wie dem Ship and Rainbow und dem Woolpack in Wolverhampton statt. Darüber hinaus spielten sie nach wie vor im Vorprogramm bei vielen von Ma Reagan veranstalteten Konzerten. Plant hatte sich inzwischen zu einem wirklich guten Sänger gemausert. Er hatte seine Stimme jetzt viel besser unter Kontrolle, obwohl sie immer noch schrill und grölend klang. Zudem hatte er genügend Selbstvertrauen entwickelt, um vor aller Augen so zu tanzen, wie er es sich in den Mod-Clubs von den anderen Besuchern abgeguckt hatte.

»Er war einfach großartig«, sagt Crutchley. »Wir begannen unser Set mit ›Hold On I’m Coming‹ von Sam & Dave, und Robert tanzte über die Bühne, als würde er schweben. Wir probten im Haus meiner Eltern, einem ehemaligen Tante-Emma-Laden, und mein Vater fragte immer: ›Kommt der Gummimann heute Abend wieder vorbei?‹

Rob gab uns allen eine Extraportion Selbstvertrauen. Er war ehrgeizig, ohne anderen damit auf den Wecker zu fallen. Dabei war er fraglos entspannter, wenn er nicht auf der Bühne stand. Wenn die Show losging, war es, als legte er einen Schalter um. Er hatte eine unglaubliche Präsenz auf der Bühne, und seine Stimme war eigentlich von Anfang an so, wie man sie kennt. Und natürlich standen auch damals schon die Frauen auf ihn.«

Bill Bonham, der zwar denselben Nachnamen wie John »Bonzo« hatte, aber nicht mit ihm verwandt war, war damals 14 Jahre alt und spielte Keyboard in einer Coverband namens Prim and Proper, die einmal bei derselben Veranstaltung auftrat wie Listen. »Ich weiß noch, wie ich dachte ›Wow‹, als sie mit dem ersten Song loslegten. Von da an hab ich die Luft angehalten und erst wieder ausgeatmet, als sie mit ihrem Set durch waren«, erzählt er. »Für mich war Robert ein Star, es war so, als würde er einen hypnotisieren. Schon damals hatte er eine Menge weibliche Fans. Wir freundeten uns an, aber trotzdem durfte ich ihn keine zwei Sekunden mit meiner Freundin allein lassen, das kannst du mir glauben.«

Im Mai kam Bob Dylan mit seiner neuen Backingband The Hawks nach Birmingham, wo er im Odeon spielte. Auf derselben Tour hatte er auch schon in der Free Trade Hall in Manchester gastiert, wo ein enttäuschter Fan, der Dylans neuen elektrischen Sound als Verrat am Folk-Purismus empfand, den Sänger während des Konzerts lauthals als »Judas!« beschimpft hatte. Dylan gab mit seiner Hinwendung zur elektrisch verstärkten Musik einen entscheidenden Impuls für die gesamte musikalische Entwicklung, und das galt mit ein wenig Verzögerung für England genauso wie für Amerika. Blonde on Blonde, Dylans grandioses Doppelalbum, das in diesem Jahr erschien, verhalf der Rockmusik endgültig zum Durchbruch und sorgte dafür, dass sie als Kunstform anerkannt wurde.

Nach seinem Motorradunfall im Sommer hatte sich Dylan lange Zeit aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, doch was er in Gang gesetzt hatte, ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Beatles schrieben Revolver, Brian Wilson lotete die Grenzbereiche aus und brachte mit den Beach Boys Pet Sounds heraus, und die Byrds schwangen sich mit »Eight Miles High« zu ungeahnten Höhen auf. Jener Song, der letzte Track auf dem Album Fifth Dimension, markiert den Beginn des Psychedelic Rock. Dies war der passende Soundtrack für ein Jahrzehnt des sozialen Umbruchs in den USA, das durch eine neue Perspektive wahrgenommen wurde, an der die damalige Modedroge LSD zweifellos ihren Anteil hatte.

Die neuen Klänge aus den USA beeinflussten Plant nachhaltig. Zum Summer of Love kam es zwar erst ein Jahr später, doch auch in den Midlands, wo die Menschen jedweder Form von Radikalismus mit äußerster Skepsis begegnen, waren die Vorboten der neuen Bewegung bereits präsent. Der Musikmarkt boomte. Immer mehr Hallen, Lokale und Bühnen öffneten ihre Tore für Musikveranstaltungen, und auf den Veranstaltungstippseiten der Lokalblätter wimmelte es von Anzeigen für Pub-, Club- und Dancehall-Gigs.

Am angesagtesten in Birmingham waren der Elbow Room und der Cedar Club. In Letzterem sollen sich die Traditionalisten getroffen haben, die wie eh und je auf Alkohol schwörten, während die Kundschaft in Ersterem vorzugsweise Dope nahm und gerne stundenlang über Jazz philosophierte. Bei solch angeregten Diskussionen im Elbow Room lernten sich auch die Mitglieder von Steve Winwoods Band Traffic kennen, die ein Jahr später gegründet wurde. Aus dem Umfeld des Cedar Clubs ging Anfang 1966 The Move hervor, eine Band, die die Messlatte für andere regionale Acts, wie auch Plants Listen, schlagartig ein gutes Stück höher legte.

Bei The Move spielte die Crème de la Crème der Birminghamer Musikszene. Neben Sänger Carl Wayne waren die Gitarristen Trevor Burton und Roy Wood, Bassist Ace »The Face« Kefford und Drummer Bev Bevan mit von der Partie. Sie alle hatten zuvor schon in diversen Beatbands gespielt. The Move coverten dieselben Songs wie alle Gruppen aus der Region, hatten aber auch Nummern von den Byrds und anderen neuen West-Coast-Bands im Repertoire. Eigene Songs kamen erst später dazu. Allerdings stachen The Move von Anfang durch ihre komplexen Harmonien hervor – und durch ihr Image. Weil ihr Manager Tony Secunda, der vormals als Seemann bei der Handelsmarine sein Geld verdient hatte, es für eine gute Idee gehalten hatten, kauften sie sich Anzüge, in denen sie wie Gangster wirkten und eine recht zwielichtige Figur abgaben. Wegen eines Engagements im Londoner Marquee Club, das Secunda für sie an Land gezogen hatte, feilten sie zudem an einer kreativen Showeinlage, mit der sie ihre Auftritte ein bisschen aufpeppen wollten.

»Eines Abends sagte Tony zu Carl: ›Es wäre doch echt cool nett, wenn ihr auf der Bühne einen Fernseher zertrümmern würdet‹«, erinnert sich Trevor Burton. »Am nächsten Tag besorgte Carl einen Fernseher und eine Axt. Das Ganze wurde ein Riesenskandal. Zudem zündeten wir auch ein paar Rauchbomben. Als wir das das dritte Mal machten, stürmten Feuerwehr und Polizei den Laden. Die Geschichte ging durch alle Zeitungen, was ja genau das war, worauf wir es abgesehen hatten.«

Auf Listen machten diese ungewöhnlichen PR-Aktionen einen enormen Eindruck. Sie fuhren nach Aston in einen Second-Hand-Laden und erstanden – The Move nacheifernd – mehrere Zweireiher. Als dramatische Einlage für ihre Bühnenshow entschieden sie sich für eine gestellte Prügelei zwischen Plant und Crutchley.

»Das zwischen Rob und mir ging immer so zwei, drei Minuten lang«, erzählt Crutchley. »Meistens gingen die Türsteher dazwischen und versuchten, uns als vermeintliche Streithähne zu trennen. Wir hätten ihnen vielleicht sagen sollen, dass das zu unserer Bühnenshow gehört.«

Pannen wie diese ereigneten sich bei ihren Shows anscheinend öfter. Jim Lea, damals Bassist bei den N’Betweens, sah zu jener Zeit regelmäßig Auftritte von Listen. »Das erste Mal sah ich sie in der Civic Hall in Wolverhampton«, erzählt er. »Plant verbreitete eine ungeheure testosterongeladene Stimmung. Er trug karierte Hosen und ein bis zum Hals zugeknöpftes Hemd. Die Haare hatte er sich nach hinten gegelt. Er gab diesen echt übertriebenen Macho. Einmal sprang er auf den Bassverstärker. Er stellte sich da oben hin, jaulte ›Oh Baby, Baby‹ und sprang wieder runter. Dabei verhakte sich der Mikroständer irgendwie unter dem Verstärker, und als er weiter über die Bühne stolzieren wollte, knallte das Ding gegen ihn und er wäre beinahe auf dem Hintern gelandet.

Aber die Mädels hatten so oder so einen Narren an ihm gefressen. In Willenhall, nahe bei Wolverhampton, fand montags im Schwimmbad immer eine Tanzveranstaltung statt. Ich hab genüsslich beobachtet, wie er da in seinem Mantel rumtanzte und sich vor den Weibern aufspielte.«

Die N’Betweens, die zu jener Zeit die angesagteste Band in Wolverhampton waren, suchten gerade einen Sänger. Ihr neuer Gitarrist, Neville »Noddy« Holder, hatte diesen Job zwar vorübergehend übernommen, Lea und den anderen jedoch vorgeschlagen, besser Plant mit ins Boot zu holen. Wie die restlichen Mitglieder von Listen stammte Holder aus Walsall und hatte die Band gelegentlich im Van seines Vaters zu Gigs gefahren.

Lea erinnert sich: »Nod sagte: ›Plonk ist ein guter Sänger, aber vor allem fahren die Frauen auf ihn ab – und davon werden wir alle profitieren.‹ Mir war damals nicht klar, wozu der Scheiß gut sein sollte. Plant war dafür bekannt, mit allen zweitklassigen Bands der Stadt auf die Bühne zu gehen, und wenn er erst mal da oben stand, bekam man ihn so schnell nicht wieder runter. Daher blieb ich stur und hab mich geweigert, ihn bei uns mitmachen zu lassen.«

Seine Bandkollegen überzeugte er mit dem Argument, dass sie pro Kopf mehr verdienten, wenn Holder – wie bisher – auch den Gesangsjob miterledigte und sie nicht durch noch einen mehr teilen müssten. Plant blieb also, wo er war. Hätten sie ihn gebeten, als Sänger bei ihnen einzusteigen, ist fraglich, ob er Listen die Treue gehalten hätte. Im Mai besuchte er ein Who-Konzert in der Town Hall in Kidderminster. Roger Daltrey war aufgrund einer Auseinandersetzung mit der Band, von denen es in Zukunft noch jede Menge geben sollte, an diesem Abend nicht mit dabei. An seiner Stelle sang Pete Townshend. Plant wartete nach dem Gig vor dem Bühnenausgang auf den Who-Gitarristen und bot ihm seine Dienste als Sänger an. Keine Frage: Minderwertigkeitskomplexe hatte Plant jedenfalls nicht.

In Großbritannien war der Sommer 1966 verregnet. Eine neue Labour-Regierung saß im Amt, der Beginn der diesmal in England stattfindenden Fußball-WM wurde mit Spannung erwartet, und Robert Plant lernte eines Abends bei einem Konzert des britischen R&B-Sängers Georgie Fame seine künftige Frau kennen. Maureen Wilson war zwar in West Bromwich zur Welt gekommen, doch ihre Familie stammte aus dem indischen Goa. Die zierliche, attraktive Frau war eine begeisterte Tänzerin, und zwischen ihr und Plant funkte es auf Anhieb.

Eine multikulturelle Beziehung wie ihre wurde damals in den Midlands misstrauisch beäugt. Wie stark die latenten fremdenfeindlichen Tendenzen in der Region waren, war spätestens bei den Wahlen im Oktober 1964, keine zwei Jahre zuvor, offenbar geworden. Der im an West Bromwich angrenzenden Wahlkreis Smethwick bis dato gewählte Labour-Abgeordnete hatte sein Amt an den konservativen Kandidaten Peter Griffiths verloren. Griffiths hatte sich vor den Wahlen vehement gegen die Aufnahme asiatischer Zuwanderer in die Stadt ausgesprochen.

Er hatte bei seiner Kampagne derart viel Gift verspritzt, dass Harold Wilson, der neue Premierminister, der der Labour-Partei angehörte, forderte, ihn als »parlamentarischen Aussätzigen« zu behandeln, sobald er in Westminster seinen Sitz einnahm. Bereits bei den nächsten Wahlen im März 1966 wurde Griffiths wieder abgewählt, doch es dauerte Jahre, bis die offenen Feindseligkeiten, die er mit seiner Kampagne in der Region befeuert hatte, zumindest vordergründig, vergessen waren.

»Robert tat damals alles, was nicht regelkonform war, und das war ziemlich mutig von ihm«, sagte Perry Foster, Plants erster Mentor. »Sei es, dass er den sicheren Hort im Haus seiner gut situierten Eltern verließ oder sich mit einem Mädchen aus Goa abgab. Eins ist klar: Er hat definitiv mehr Mumm als ich.«

Maureen hatte überdies einen positiven Einfluss auf Plant. Er war regelmäßig zu Gast bei ihren Eltern, die an der Trinity Road in West Bromwich lebten, und entdeckte dabei nicht nur seine Vorliebe für indische Currys und Gewürze, sondern lernte auch ganz neue, exotische Klänge kennen.

»In dem Teil von West Brom lebten eine Menge asiatischer Familien«, erzählte er mir. »Überall war man von den wunderbaren Klängen der indischen Musik aus den 50ern umgeben – sie drangen durch die Tür des Nebenhauses und waren auch in dem Reihenhaus zu hören, in dem ich wohnte. Ich war ganz fasziniert davon.«

John Crutchley sagt: »Maureen hat Robert gutgetan, und er hätte es bei ihrer Familie gar nicht besser antreffen können. Sie haben ihn unter ihre Fittiche genommen. Er war oft in dem Haus in der Trinity Road, wo ohnehin ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Ich hatte mich in Maureens jüngere Schwester Shirley verguckt, und zu viert unternahmen wir alles Mögliche. Es war eine tolle Zeit.«

Plants Ehrgeiz war damit allerdings nicht gestillt. Sein Vorbild waren The Move, die sich inzwischen weit über die Midlands hinaus einen Namen gemacht hatten, und so überzeugte er die anderen Bandmitglieder davon, dass auch sie anfangen mussten, sich überregional zu orientieren. Listens Antwort auf Tony Secunda war Mike Dolan, der Inhaber einer Schneiderei in Birmingham. Die Initiative war dabei von Dolan ausgegangen. Er war auf die Band zugekommen und hatte ihnen vorgeschlagen, sie zu managen, weil er nach einer Möglichkeit suchte, zu investieren.

Mit seinem Geld kamen sie zwar nicht weit, aber es gelang ihm zumindest, Listen bei zwei Konzertagenturen unterzubringen: bei der Londoner Malcolm Rose Agency und bei Astra in Wolverhampton. Und so kam es, dass die Band für Auftritte in entfernteren Städten wie Torquay an der englischen Südküste oder Newcastle gebucht wurde. Am 30. Juli 1966, dem Tag, an dem die Engländer die Fußballweltmeisterschaft gewannen, standen Listen im Vorprogramm der Troggs, die mit »Wild Thing« gerade einen Riesenerfolg hatten, auf der Bühne des Boston Gliderdrome in Lincolnshire.

»Wir fuhren mit einem Van, den wir von Mrs. Reagan bekommen hatten«, erinnert sich Crutchley. »Er gehörte ursprünglich einer anderen Band, mit der sie gearbeitet hat, den Redcaps. Aber die hatten sich aufgelöst. Einer von Roberts Freunden aus Kidderminster, ein Typ namens Edward, kutschierte uns durch die Gegend. Er war ein totaler Spinner, ein pummeliger kleiner Kerl, der sich total zugedröhnt hatte.«

Carole Williams arbeitete damals als Sekretärin bei Astra. Sie zahlte den Bands allwöchentlich ihre Gagen aus. »Die Jungs mussten jeden Freitagmorgen hier antanzen, um ihr Geld zu kriegen«, erzählt sie. »Robert wohnte mit Roger Beamer zusammen, und große Frühaufsteher waren sie beide nicht. Eine meiner kleinen freitäglichen Zusatzaufgaben bestand deshalb darin, sie gegen 10 Uhr anzurufen, um sie zu wecken. Sie bekamen 15 Pfund für einen Abend mit zwei 45-Minuten-Auftritten. Das war damals schon ganz ordentlich.

Robert hatte so eine gewisse Aura, er hob sich deutlich von den anderen Jungs in der Band ab. Außerdem sah er einfach umwerfend aus. Einmal traten die Roulettes, die mir sehr gefielen, in Shrewsbury auf, was einige Fahrtstunden von hier entfernt liegt. Robert bot mir an, mich dorthin zu fahren. Das Konzert war an einem Freitag, und er kam nach der Arbeit vorbei und holte mich mit dieser alten schwarzen Kiste ab. Ich glaube, es war ein Ford Popular.

Wir fuhren nach Shrewsbury, sahen uns das Konzert an und hatten einen netten Abend. Erst als wir wieder zurück waren, erzählte er mir, dass er gar keinen Führerschein hat. Für ihn war das nur eine belanglose Formalie, aber ich war im Nachhinein doch ganz froh, dass es nach Shrewsbury eigentlich immer nur geradeaus gegangen war.«

Auch wenn Listen nun auch überregional auftraten, fand ihr prestigeträchtigster Gig zu dieser Zeit im Black Country statt, und zwar am 20. Oktober. Gemeinsam mit den N’Betweens bestritten sie an diesem Abend das Vorprogramm für Eric Claptons neues Blues-Trio Cream. Für Listen nahm die Show allerdings kein durch und durch glückliches Ende.

»Gegen Ende des Auftritts begannen Plant und Crutchley mit ihrem Prügelspielchen«, sagt Jim Lea. »Crutch stürzte dabei von der Bühne, und wenn ich mich recht erinnere, brach er sich den Knöchel. Später erzählte mir Plant, dass die Prügelei gar nicht immer nur vorgespielt gewesen sei. Sie hätten sich häufig gestritten und die Show sei ein willkommener Vorwand gewesen, sich gegenseitig grün und blau zu prügeln.«

Listens letzter großer Coup war die Aufnahme eines Drei-Track-Demotapes, mit dem Dolan bei verschiedenen Londoner Plattenfirmen vorstellig wurde. Der Manager hatte tatsächlich einen Vertrag mit der CBS in der Tasche, als er zurückkehrte. Allerdings fiel ihm und den anderen erst zu spät auf, dass dieser Vertrag nur für Plant galt. Danny Kessler, dem Talentscout der CBS, hatte Plants Stimme gefallen, daher hatte er ihn unter Vertrag genommen – nur ihn.

Als es darum ging, die erste Single aufzunehmen – man hatte sich für »You Better Run«, einen Song der amerikanischen Pop-Rock-Band The Rascals entschieden –, wurde nur Plant gebeten, nach London zu kommen.

»Die CBS sagte, dass Studiomusiker an der Aufnahme mitwirken sollten, um das Ganze kommerzieller aufzuziehen«, so Crutchley. »Wir waren alle ein bisschen eingeschnappt – aber wie das so ist, in einem solchen Moment: Wir wollten unbedingt einen Hit haben, und so ließen wir das mit uns machen.«

Plants kräftige Stimme auf dieser Aufnahme beeindruckt noch heute, auch wenn Kesslers Produktion sie zwischen Streichern, Blechbläsern und Backgroundgesang fast ein wenig untergehen lässt. Eine der auf dem Track zu hörenden Backgroundsängerinnen ist übrigens Elton Johns spätere Duettpartnerin Kiki Dee.

Ein unglücklicher Zufall wollte es, dass die N’Betweens genau zur gleichen Zeit ebenfalls eine Coverversion von »You Better Run« als ihre erste Single herausbrachten. Ihre Interpretation war allerdings viel geradliniger. Zu allem Übel wurden die beiden Singles auch noch am selben Tag im November 1966 veröffentlicht. Um die Verkaufszahlen anzukurbeln, schickte Dolan jeden, den er kannte, in die Plattenläden der näheren Umgebung mit dem Auftrag, die Platte von Listen zu kaufen. Der Song hatte es dank dieser Unterstützung tatsächlich für eine Woche in die Top 50 geschafft, verschwand danach allerdings sofort wieder in der Versenkung.

»Irgendwann um diese Zeit telefonierte ich einmal gleichzeitig mit Robert auf der einen und Noddy Holder auf der anderen Leitung, und beide fragten mich, welche Version des Songs mir besser gefiel«, erzählt Carole Williams. »Ich fand die N’Betweens-Version schon eindeutig besser, und so musste ich mir Robert gegenüber mit einer kleinen Notlüge behelfen.«

»Die ganze Sache verlief dann irgendwie im Sande«, so Crutchley. »Die Vermarktung der Platte hatte eine ganze Stange Geld gekostet. Wir setzten uns zusammen und waren uns nach einer Weile einig, dass die Band keine Zukunft mehr hatte. Hinzu kam, dass wir auch noch ziemlich pleite waren.«

Jetzt, wo er ohne Band und geregeltes Einkommen dastand, zog Plant zu seiner Freundin und deren Eltern. Sie lebten von dem Gehalt, das Maureen als Verkäuferin bei Marks & Spencer verdiente: sieben Pfund pro Woche. Plant, der gerade 18 geworden war, gab seiner Freundin ein Versprechen: Sollte er seinen Traum bis zu seinem 20. Geburtstag nicht verwirklichen können, würde er die Musik an den Nagel hängen und sich einen soliden Job suchen.

Robert Plant

Подняться наверх