Читать книгу Trevellian und der Mörder mit dem langen Arm: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 7
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ОглавлениеMein Telefon dudelte, ich nahm ab, nannte meinen Namen und die Dienststelle, und hörte dann die wohlvertraute Stimme unseres Chefs, Mr. McKee. Er sagte: »Kommen Sie und Milo zu mir, Jesse. Ich habe vielleicht was für Sie beide.«
Wenn der Assistant Director rief, zögerten wir nicht. Minuten später betraten wir sein Büro. Auf einem der Besucherstühle saß ein Mann, den ich vorher nie gesehen hatte.
»Darf ich vorstellen«, sagte Mr. McKee, »die Special Agents Trevellian und Tucker.« Er wies auf den Mann. »Mister Stanton.«
Ich reichte Stanton die Hand und nannte meinen Namen, ebenso Milo. Dann setzten wir uns.
»Es geht um eine Serie mysteriöser Todesfälle auf Rikers Island«, begann der Chef. »Den Feststellungen zufolge handelt es sich jeweils um Selbstmord. Rick Stanton, Mr. Stantons Bruder, wurde vorgestern erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Es ist der vierte Fall innerhalb kürzester Zeit. Die Getöteten haben zusammen vor etwa einem Monat die Citi Bank überfallen.«
Ich schaute Mr. McKee fragend an. Ein Seitenblick auf Milo verriet mir, dass auch er mit den bisherigen Hinweisen nichts anzufangen wusste.
Doch jetzt ergriff Mr. Stanton das Wort. »Ich habe zwei Tage vor seinem angeblichen Selbstmord meinen Bruder im Gefängnis besucht. Er hatte Angst. Seine Komplizen Ted Malcolm, Stan Howard und George Fisher haben innerhalb von etwa drei Wochen angeblich Selbstmord begangen. Rick glaubte nicht daran. Er war der Meinung, dass sie ermordet worden sind. Wir haben dichtgehalten, meinte er, wir haben anlässlich der Vernehmungen geschwiegen. Und trotzdem beseitigt man uns. Ich werde auspacken. Und dann werden sicherlich Köpfe rollen. Zwei Tage später war Rick tot.«
Ich war nachdenklich geworden. »Vielleicht hat Ihr Bruder aus Angst …«
Stanton unterbrach mich. »Niemals. Rick war nicht der Typ, der Selbstmord begeht. Bei guter Führung wäre er sicher entlassen worden, sobald er zwei Drittel der Zeit, zu der er verurteilt worden wäre, abgesessen hätte. Nein. Auch seine Bereitschaft auszupacken, spricht gegen einen Selbstmord.« Die Stimme Stantons sank herab. »Rick wurde ermordet, zum Schweigen gebracht. Und darum wende ich mich an Sie.«
Mr. McKee ließ noch einmal seine Stimme erklingen. »Es waren sechs Bankräuber«, sagte er. »Einer, Adam Steiner, kam bei der Schießerei mit der Polizei ums Leben. Die anderen fünf wurden verhaftet.«
»Wenn bisher fünf von ihnen ums Leben kamen, dann müsste noch einer am Leben sein.«
»Sehr richtig«, erwiderte Mr. McKee auf Milos Feststellung. »Sein Name ist Rob Lawrey. Sprechen Sie mal mit ihm. Man verdächtigt das Sextett, zu einer Organisation zu gehören, die den Drogenmarkt und die illegale Prostitution kontrolliert und Banken beraubt. Aber die Angeklagten halten still. Der Nachweis, dass sie zu einer Mafia gehören, und dass die Citi Bank nicht die erste Bank war, die sie überfielen, war bisher nicht zu führen. Rick Stanton wollte auspacken. Vielleicht zeigt auch Rob Lawrey Bereitschaft.«
Wir hatten den Fall.
In unserem Büro angekommen meinte Milo: »Wenn es sich nicht um Selbstmorde handelt, Jesse, dann stellen sich zwei Fragen. Wer hat die Morde in Auftrag gegeben, und wer führt sie aus? Es kann nur jemand sein, der sich auf Rikers Island frei bewegen kann.«
»Reden wir mit Lawrey«, schlug ich vor. »Nur er kann uns Hinweise liefern.«
Wir fuhren nach Rikers Island, und man ermöglichte es uns ziemlich unbürokratisch, mit dem Gefangenen zu sprechen. Hunter Moore, der stellvertretende Gefängnisdirektor, nahm an der Einvernahme teil.
»Hat Lacenby Sie informiert?«, fragte Lawrey, nachdem er an dem zerkratzten Tisch Platz genommen hatte.
»Wer ist Lacenby?«, wollte ich wissen.
»Sid Lacenby, mein Anwalt, Kanzlei Lacenby & Wallace.«
»Nein. Ein Mann namens Stanton hat sich an uns gewandt. Der Bruder Rick Stantons.«
»Rick, Ted, Stan und George wurden ermordet!«, stieß Lawrey hervor. »Keiner von ihnen hat Selbstmord verübt. Wir sollen beseitigt werden, damit wir nicht reden können. Wir sind zu einem Risiko geworden.«
»Für wen?«
»Ich kann Ihnen nur einen Namen nennen, G-men. Jack Mason. Von ihm bekamen wir unsere Aufträge. Er war der Mittelsmann zwischen der Organisation und uns.«
»Rick Stanton war bereit, auszupacken«, warf Milo dazwischen. »Wusste er mehr?«
»Ich weiß es nicht. Es ist möglich. Rick war so etwas wie unser Anführer. Er klügelte aus, wie wir jeweils vorgingen …«
Ich unterbrach ihn. »Also war die Citi Bank nicht die einzige Bank, die Sie überfallen haben.«
Lawrey zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine Augen flackerten, er presste die Lippen zusammen, so dass sie nur noch einen dünnen Strich bildeten. Er hatte sich versprochen. Das Unbehagen, das ihn nach seinem Versprecher erfüllte, war deutlich von seinen Zügen abzulesen. Plötzlich schüttelte er den Kopf. »Ich muss nichts sagen, was mich belastet. Drum sage ich gar nichts mehr. Lassen Sie mich in meine Zelle zurückbringen.«
»Stellen Sie persönliche Interessen zurück, Lawrey«, drängte Hunter Moore, »und erzählen Sie uns alles. Auch Sie gehen nicht von Selbstmord bei Ihren ehemaligen Komplizen aus. Sagen Sie uns, was Sie wissen.«
»Ich habe den Namen Mason preis gegeben. Jack Mason. Er wohnt irgendwo in Manhattan. Mehr weiß ich nicht.«
»Haben Sie auch Ihrem Anwalt diesen Namen genannt?«
»Ja. Aber Lacenby meinte, es gäbe keine Möglichkeit, an Mason heranzukommen. Die Behauptung eines einzelnen Straftäters sei zu gering.«
»Womit er wahrscheinlich Recht hat«, murmelte Milo. »Warum rücken Sie erst jetzt mit Ihrem Wissen heraus, Lawrey? Warum haben Sie bisher geschwiegen?«
»Weil ich nicht ahnen konnte, dass man uns trotz unseres Schweigens auszuschalten versucht.«
Aus Lawrey war nichts mehr herauszuholen. Wir erwiesen ihm den Gefallen und ließen ihn in seine Zelle zurückbringen. Milo und ich verabschiedeten uns von Moore und fuhren zurück ins Field Office.
Es war nicht viel, was wir herausgefunden hatten. Ein Name. Jack Mason. Es gab vier Männer mit dem Namen Jack Mason in Manhattan. Ich rief sie der Reihe nach an. Einer war pensionierter Lehrer, der andere arbeitete bei der Stadtverwaltung, der dritte befand sich zwischenzeitlich in einem Alters- und Pflegeheim. Jack Mason Nummer vier war nicht erreichbar. Aber wir fanden zumindest seine Adresse heraus. Manhattan, 21. Straße West, Nummer 241.
Wir fuhren zu der Wohnung. Ein Wohnungsnachbar erklärte uns, dass Mason einen Secondhandshop für Elektrogeräte in der Lower Eastside betrieb. Eine genaue Adresse konnte er uns allerdings nicht mitteilen.
Die Adresse festzustellen war für uns kein Problem. Der Laden befand sich in der Willett Street. Wir suchten ihn auf. Ein junger Mann hielt dort die Stellung. Er erklärte uns, dass er Jack Masons Angestellter war und seinen Boss seit mehr als vierundzwanzig Stunden nicht mehr gesehen hatte.
Wo war Mason?
Wir fuhren noch einmal in die 21. Straße und drangen in die Wohnung ein. Der Hausmeister schloss uns die Tür auf, nachdem wir uns als FBI-Agenten ausgewiesen hatten. Alles deutete auf einen überstürzten Aufbruch hin. Die Schranktüren im Schlafzimmer standen noch offen. Einige Wäschestücke lagen auf dem Bett. Der Hausmeister erklärte uns, dass Mason von seiner Frau getrennt lebte und nach dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hier eingezogen war.
»Wie ist der Name seiner Ehefrau, und wo wohnt sie?«
»Keine Ahnung.« Der Hausmeister zuckte mit den Achseln.
Ich fuhr den Computer hoch. Er war nicht vernetzt. Es gab also keinen elektronischen Briefkasten und somit keine E-Mails, die eventuell den einen oder anderen Aufschluss zugelassen hätten. Es gab auch keine Dateien, die uns weitergeholfen haben würden.
Aber irgendeine Rolle musste Mason spielen.
Lawrey hat uns den Namen nicht von ungefähr genannt.
Unverrichteter Dinge verließen wir die Wohnung.