Читать книгу Trevellian oder der Terror hat einen Namen: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 9
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ОглавлениеDas ausgebrannte Autowrack stand noch im Hof, als wir am nächsten Morgen bei HaNoWe-Electronics ankamen. Die Lady hinter der Rezeption war auffallend bleich. Wir fuhren mit dem Lift in die dritte Etage und betraten wenig später das Büro von Hazens Sekretärin. Auch diese junge Frau vermittelte einen ziemlich verstörten Eindruck. Aber das war nicht verwunderlich nach allem, was sich am gestrigen Tag in dem Unternehmen abgespielt hatte. Die furchtbaren Ereignisse gingen bei den Angestellten an die Substanz. Die Angst vor weiteren Anschlägen hatte sich in dem Gebäude eingenistet und hielt die Menschen fest im Klammergriff. Drei tote Männer waren eine erschreckende Bilanz.
Wir verbanden den Sprengstoffanschlag vom Vormittag mit dem Mord an Burt Landers. Eine Überprüfung bei UPS hatte ergeben, dass der Service am vergangenen Tag keine Zustellung für HaNoWe-Electronics zu verzeichnen hatte. Die Täter selbst hatten das Päckchen mit dem tödlichen Inhalt zugestellt.
Vorzustellen brauchten wir uns nicht mehr. Die Sekretärin öffnete die Verbindungstür zu Hazens Büro und sagte: »Die beiden Special Agents vom FBI sind eingetroffen, Sir. Kann ich sie reinschicken?«
Hazens dunkle Stimme antwortete etwas, dann machte die Sekretärin eine einladende Handbewegung und stieß die Tür vollends auf. »Bitte, treten Sie ein.«
Hazen sah bleich und übernächtigt aus. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. Er erhob sich, kam um seinen wuchtigen Schreibtisch herum und gab jedem von uns die Hand. Sein Händedruck war irgendwie kraftlos. Er wies auf den Besuchertisch. »Nehmen Sie bitte Platz, Gentlemen.« Er setzte sich zu uns und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. Seine Hand zitterte. Es war eine fahrige Geste, die verriet, wie sehr ihn die Ereignisse mitnahmen. »Ich – ich bin vollkommen von der Rolle«, murmelte er. »Wer mag es auf unser Unternehmen abgesehen haben?«
»Soweit wir informiert sind, war Burt Landers Personalchef in dem Unternehmen«, sagte ich.
»Ja. Er leitete die Personalverwaltung. Landers oblag das gesamte Personalmanagement.«
»Dann hatte er sicher nicht nur Freunde.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich nehme an, dass er ausgesprochenen Einfluss auf Personalentscheidungen jedweder Art hatte und dass er hin und wieder mal jemandem empfindlich auf die Zehen treten musste.«
»Er war ein kompetenter Mann, dem wir ziemlich freie Hand ließen. Ja, er hatte großen Einfluss. Ob es nun um Beförderungen, Umsetzungen, Einstellungen oder Entlassungen ging – im Endeffekt entschied er. Nolan, Webster und ich hatten zwar ein Mitspracherecht, und von diesem machten wir auch Gebrauch, gerade wenn es um die Besetzung von Führungspositionen in unserem Unternehmen ging, aber an Landers‘ Entscheidungen gab es kaum etwas zu rütteln.«
»Können Sie uns eine Übersicht der im – sagen wir – letzten halben Jahr entlassenen Mitarbeiter beschaffen?«
»Sie denken, dass den Anschlägen ein Racheakt zugrunde liegt?«
»Wir können es zumindest nicht ausschließen.«
Plötzlich erhob sich John Hazen und nahm eine unruhige Wanderung auf. Er beachtete uns nicht mehr – es war, als hätte sich sein Blick nach innen verkehrt. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihn etwas belastete. Sein Verhalten befremdete mich. Ich fixierte ihn scharf und durchdringend. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass von Hazen gleich etwas kommen würde. Die erwartungsvolle Anspannung in mir verstärkte sich.
Unvermittelt hielt Hazen an. Er blinzelte, räusperte sich, dann sagte er rau: »Ich habe Ihnen gestern etwas verschwiegen, Special Agents.«
Ich hatte mich also nicht getäuscht. »Reden Sie«, forderte ich.
»Es gab eine Drohung.« Hazen starrte auf einen unbestimmten Punkt, machte eine Pause, es war, als musste er seine nächsten Worte erst im Kopf formulieren, dann fuhr er fort: »Ein Unbekannter ist vor knapp einem Monat an Nolan, Webster und mich herangetreten. Er hat den Verkauf unserer Gesellschaftsanteile gefordert und uns vier Wochen Bedenkzeit eingeräumt. Für den Fall einer negativen Entscheidung hatte uns der Unbekannte weitreichende Konsequenzen angedroht. Vorgestern rief er wieder an.«
»Und Sie haben abgelehnt.«
»Natürlich. Nachdem wir mit der Forderung konfrontiert worden waren, haben Nolan, Webster und ich uns zusammengesetzt. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass ein derartiges Ansinnen kaum ernst zu nehmen sei.«
»Warum haben Sie nicht gleich die Polizei eingeschaltet?«, fragte Milo.
»Der Anrufer drohte mit weiteren Konsequenzen, wenn wir die Ermittlungsbehörden bezüglich seiner Forderung informieren. Nachdem gestern Vormittag die Bombe hochging, war ich nahe daran, Sie in Kenntnis zu setzen. Nolan, Webster und ich kamen jedoch zu dem Ergebnis, der Polizei nichts von der Erpressung zu erzählen. Wir fürchteten weitere Konsequenzen. Nach der Sache mit Landers aber …«
Hazen verstummte und schaute von mir zu Milo und schließlich wieder zu mir. Ihm war es unbehaglich zumute. Das war deutlich.
Ich sagte: »Es war nicht besonders klug, die Polizei herauszuhalten.«
»Zu diesem Schluss bin ich in der Zwischenzeit auch gekommen«, presste Hazen hervor und schaute zerknirscht drein. »Aber hinterher ist man immer klüger. Wer hätte denn gedacht, dass der Anrufer seine Drohung in die Tat umsetzt. Wir waren der Meinung, es mit einem Verrückten zu tun zu haben, der ein wenig für Furore sorgen wollte.«
»Dass es dem nicht so ist, hat sich auf erschreckende Weise gezeigt. – War Landers verheiratet?«
»Ja. Er hat zwei Söhne. Einer studiert Medizin, der andere Informatik. Sie waren sein ganzer Stolz.«
»Wo wohnt die Familie?«
Hazen ging zum Schreibtisch, nahm den Telefonhörer vom Apparat und wählte eine Kurzwahlnummer. Dann sagte er: »Stellen Sie Burt Landers‘ Anschrift fest, Cindy. Außerdem bitte ich Sie, in der Personalverwaltung die Namen der in den vergangenen sechs Monaten entlassenen Mitarbeiter festzustellen. – Danke.«
Der Geschäftsführer legte auf.
Ich sagte: »Irgendwie passt der Mord an Landers nicht ins Bild. Nachdem Sie und die anderen beiden Gesellschafter das Ansinnen des anonymen Anrufers ablehnten, schickte er eine Bombe in den Betrieb. Damit machte er Ihnen klar, wie ernst es ihm mit seiner Forderung gemeint war. Aber der Mord an Landers ergibt in diesem Zusammenhang irgendwie keinen Sinn.«
Sowohl Milo als auch Hazen musterten mich fragend.
Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist meine Meinung. Ob ich damit richtig liege, weiß ich nicht. Normal wäre es gewesen, dass der Erpresser nach dem Anschlag gestern Vormittag noch einmal Verbindung mit Ihnen aufgenommen hätte.«
»Hat er nicht«, murmelte Hazen und jedes Wort schien tonnenschwer zu wiegen in seinem Mund.
Die Tür zum Sekretariat ging auf und die junge Frau betrat das Zimmer. Sie hielt einen Notizzettel in der Hand. »Ich habe Mister Landers‘ Anschrift aufgeschrieben«, sagte sie. »Die Liste der Entlassenen nimmt noch kurze Zeit in Anspruch.«
Ich gab John Hazen eine von meinen Visitenkarten und bat ihn, uns unverzüglich davon zu unterrichten, falls der Erpresser Verbindung mit ihm aufnehmen sollte.
Wenig später waren wir auf dem Weg zu Burt Landers‘ Wohnung.
»Wer kann Interesse an einem Unternehmen wie HaNoWe-Electronics haben?«, fragte Milo.
»Jemand, der im Elektronikgeschäft ganz groß mitmischen will«, sagte ich. »Vielleicht auch ein Konkurrenzunternehmen.«
Milo wiegte den Kopf. »Das ist natürlich ein Aspekt«, bemerkte er schließlich. »Es war dumm von Hazen und seinen Kompagnons, die Polizei außen vor zu lassen, nachdem sie den Erpresseranruf erhielten. Vielleicht wären die Anschläge zu verhindern gewesen.«
»Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dem Anschlag von gestern Vormittag und dem Attentat auf Landers verschiedene Motive zugrunde liegen. Mit dem ersten Bombenanschlag hat der Erpresser den drei Gesellschaftern von HaNoWe-Electronics einen Denkzettel verpasst. Er hat damit bewiesen, dass es ihm verdammt ernst ist mit seiner Forderung. Quintessenz müsste eigentlich sein, dass er sein Anliegen wiederholt, um erst im Falle einer weiteren Ablehnung erneut zuzuschlagen.«
»Ich kann mich deinen Argumenten nicht verschließen«, erklärte Milo. »Ich kann ihnen aber auch nichts abgewinnen. Ich sehe nach wie vor einen Zusammenhang zwischen beiden Anschlägen. Wobei du nicht unrecht haben magst, wenn du annimmst, dass die Motive unterschiedlich sind.«
»Ein Täter, zwei Motive«, sagte ich.
»So meine ich das.«