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Bundesautobahn 661, nördlich von Frankfurt am Main, am Montag, den 3. November 2008

„Guck doch mal Big Tam an! JoJo, nun guck doch mal! Diese Hände!“ Wiehernd vor Lachen ließ sich Fila-Frank in den Rücksitz ihres gemieteten Mercedes S 320 zurückfallen und nahm noch einen Schluck aus der Wodkaflasche. Fila-Frank war zu breit, um noch verständliche Scherze machen zu können: Was er hatte sagen wollen war, daß das Lenkrad selbst dieser großen Reiselimousine in Big Tams mächtigen, tätowierten Pranken derart winzig aussah, als säße er am Steuer eines Bobby-Cars.

Egal, Fila-Frank war zu high, um sich daran zu stören, daß niemand mit ihm lachte, und zu high, um zu bemerken, daß ihm JoJo vorhin beinahe Eine gezogen hätte, weil er JoJos Wodka wegsoff wie ein durstiges Kamel Wasser. Er wußte nur, er war auf Wolke Acht und mußte schleunigst ein bißchen runterkommen, bevor er einen Herzkasper kriegte. Sein Herz raste, seine Handflächen waren klamm von kaltem Schweiß und er hatte das Gefühl, mit jedem Atemzug etwas zuviel Sauerstoff in die Lungen zu kriegen, so als sei er an ein falsch eingestelltes Beatmungsgerät angeschlossen. Wodka half dagegen, dämpfte den Effekt dieses verfickt genialen Speeds ein bißchen. Das Frankfurter Speed war erstklassig, mindestens doppelt so pur wie alles, was es in London gab. Pink Champagne, eine Premium-Qualität für Börsenmakler und junge Assistenzärzte. Pur, purer als pur, nur noch pur, Purpur. Geniales Zeug, aber fast schon ein bißchen zuviel des Guten.

Diese Scheiß-Krauts konnten nix, außer Autobahnen und Speed, aber Speed konnten sie wirklich. Ohne ihr „Fliegersalz“ hätten die Krauts damals keinen Blitzkrrrrrrrieg führen können. Fürs Kriegführen waren sie mittlerweile zu verschwult, hatten nach dem Krieg von den Besatzungsmächten irgendwas ins Trinkwasser gemischt bekommen, waren darum heutzutage selbst bei der NATO nicht mehr gern gesehen, mit ihren Ballettröckchen und ihrem Lispeln, aber Speed konnten sie immer noch.

JoJo neben ihm nahm auch noch einen Schluck aus der Pulle, und plötzlich war der Wodka leer. Alle-alle. Einfach so. Verfickte Kacke!

„Eh, Big Tam, der Wodka ist alle und ich muß mal tierisch pissen. Halt bei der nächsten Tanke an.“

„Dann piß halt einfach in die leere Flasche, Einstein!“, lachte Big Tam. Doch Tam war ein gutmütiger Typ, zumindest gegenüber seinen eigenen Leuten, meistens, und Fila-Frank wußte, daß Tam ihm den Gefallen tun würde.

In diesem Moment aber mußte Big Tam auch schon bremsen. Vor ihnen war ein Rückstau, eine lange Kolonne von Fahrzeugen, die auf dieser wundervollen Autobahn, des Führers brillanter Schöpfung, gerade einmal fünfzig Stundenkilometer fuhren. Da war irgendein hemdenlupfender Fritz unterwegs, den selbst Lastwagen mit wütendem Hupen überholen mußten und dabei die Überholspur blockierten.

Nach ein paar Minuten schließlich erreichte Big Tam die Übeltäter, ein junges Paar in einem silbernen Einer-BMW. Die Fahrerin hatte langes, rötliches Kraushaar, sah ein bißchen aus wie eine Irin, eigentlich gar nicht mal so übel. Der Beifahrer war eine sonnengebräunte Schmalztolle, ein Guido oder ein Kanake, jedenfalls ein Ölauge. Ja, hatte der denn den Arsch offen, oder was? Ließ diese dumme Fotze ans Lenkrad und saß seelenruhig daneben, während sie den dritten Gang nicht fand? Fila-Frank fuhr die Seitenscheibe herunter und machte die Wichser-Geste, Mick der Grieche im Beifahrersitz vorne tat es ihm nach, zeigte ihnen das umgedrehte V-Zeichen.

Hehe, die Fotze hatte ganz schön dumm aus der Wäsche geguckt.

Rund einen Kilometer weiter wiederholte sich das Spielchen: Schleicher voraus. Unglaublich! Noch ein schwanzlutschender Straßenstricher von einem Fritz wagte es, sich in dieser extremen Notsituation absichtlich zwischen Fila-Frank und die nächste Toilette zu stellen. Das war ein gezielter Affront, eine eindeutig auf Fila-Frank gemünzte, persönliche Provokation.

Fila-Frank drehte fast durch vor Wut, wog die leere Wodkaflasche in der Hand. Diesem verdammten Bastard würde er es zeigen!

Bald erreichte Big Tam auch diesen Missetäter, einen alleinreisenden Mann mit Hemd und Krawatte am Steuer eines anthrazitgrauen Audi A4. Dieser Mongo starrte stur geradeaus, ließ ihre obszönen Gesten einfach an sich abperlen. Als die Wagen gleichauf waren, warf Fila-Frank mit aller Kraft die Wodkaflasche.

Die Flasche zerbarst an der A-Säule des Audis mit einem Knall in tausend Stücke, leider ohne Schaden anzurichten, aber wenigstens hatte sie die Aufmerksamkeit des Fahrers erregt, ihm gezeigt, daß es dort draußen Leute gab, die so eine Fahrweise nicht kritiklos hinnehmen würden.

Der Audifahrer verriß das Lenkrad nach rechts, fing den Wagen gerade noch rechtzeitig wieder, bevor er von der Fahrbahn abkam, und starrte erschrocken zu ihnen herüber, seine Augen weit aufgerissen und sein Mund ein großes, rundes O.

Fila-Frank und Mick der Grieche stutzten, starrten daraufhin ebenso erschrocken zurück: Verdammt, den Typen kannten sie doch! Das war doch der Kurier, Wyss! Dave hatte ihnen ein großes, gestochen scharfes Portraitphoto von dem Kurier gemailt. Der Audifahrer war definitiv der Typ auf dem Photo.

„Tam, gib Gas, gib Gas! Los, Mann, fahr!“, schrie Mick der Grieche.

Folgsam beschleunigte Big Tam, fragte dann erst verdutzt: „Was ist denn los? Warum so ein Aufstand, nur weil eine Flasche vom Himmel gefallen ist? Ist doch nix passiert.“

„Nee, nicht wegen der Flasche. Das in dem Audi da war unser Mann, der Kurier.“

„Echt? Wieso fährt der denn wie eine alte Oma? Da ist doch was faul hier!“

Just in diesem Augenblick tauchte vor ihnen der dritte Schleicher dieses Morgens auf, ein metallicblauer Ford Focus, wieder mit einem jungen Paar darin, einem vollbärtigen Hünen von einem Ziegenschänder am Steuer und einer unscheinbaren Dunkelhaarigen mit Brille als Beifahrerin. Diesen Wagen überholten sie ganz ohne obszöne Gesten, so verdattert waren sie noch von ihrer unerwarteten Begegnung mit Wyss.

JoJo, der einzige Farbige der Gruppe und der einzige, der nicht nur als Konsument mit Drogen zu tun hatte, beantwortete Tams Frage: „Das kann ich dir sagen. Der will checken, ob er verfolgt wird. Ich kenne einen ziemlich großen Dealer in Nottingham, kennst du auch, Darryl Higgs, der macht das auch immer. Bevor er eine größere Lieferung abholt, fährt er eine Runde Schneckentempo auf der Autobahn. Jeder, der ihn währenddessen nicht überholt, ist von der Schmiere.“

„Willst du damit sagen, die rothaarige Schlampe dahinten und der Eierkopf mit dem Bart sind Bullen?“

„Keine Ahnung, was ich damit sagen will. Aber was soll das denn sonst? Wenn das Sicherheitsleute wären, würden sie wohl kaum so großen Abstand zu dem Kurier halten, außer Sicht bleiben. Ein Wachmann, der einen nicht sehen kann, ist ja wohl so nutzlos wie ein Betonfallschirm.“

„Stimmt. Außerdem hat Dave tausend Eide geschworen, daß der Kurier keine Wachleute bei sich hat. Obwohl, wie Bullen sahen die auch nicht aus. Die Brillenschlange in dem Wagen vorne, so sieht doch keine Hunnen-Polizistin aus. Ist dir das mal aufgefallen, daß alle Polizistinnen in diesem Land wie Heidi aussehen, mit blauen Augen und blonden Zöpfen? Mann, ich sage dir, das ist kein Zufall, das ist ein verdammtes genetisches Experiment der Hunnen, ein Massenexperiment mit geklonten Polizistinnen.“

Alle lachten. Dann fragte JoJo: „Okay, Leute, was sollen wir jetzt machen?“

Big Tam antwortete: „Jetzt suchen wir uns eine Tanke, machen dort Rast und schauen später noch mal, ob der Kurier immer noch Begleitung hat. Der fährt uns nicht weg, wir wissen ja, wo er hin will.“

Nachdenklich schlug Mick der Grieche vor: „Wenn diese Typen da nachher nicht verschwunden sind, könnten wir sie auch einfach verscheuchen. Nur so eine Idee.“

Die anderen grölten, JoJo applaudierte voller Hohn, doch Mick hatte nicht ganz unrecht: Der Frankfurter „Waffenmeister“, den Dave irgendwie von Bangkok aus aufgetan hatte, hatte ihnen das komplette Rundum-Wohlfühlpaket geliefert. Neben vier Sturmhauben, einer Auswahl von Tyvek-Lackiereroveralls und Quarzsandhandschuhen in verschiedenen Größen, einem großen Tütchen wirklich ausgezeichneten Speeds als Mutmacher und den Waffen, die sie tatsächlich für den Überfall benötigen würden – Taser, Totschläger, Reizgas, sowie Kabelbindern und einem Schuhbeutel zum Fesseln des Opfers – hatte ihnen der fürsorgliche Waffenmeister auch noch zwei Kalaschnikow-Sturmgewehre in die Sporttaschen gepackt: gebraucht, ziemlich verschrammt, aber ganz offensichtlich scharf und mit voll geladenen Magazinen. Keiner der vier Bushwhackers hatte jemals zuvor ein Sturmgewehr in den Händen gehabt, aber zum Verscheuchen von irgendwelchen ominösen Autobahn-Schleichern wären diese Knarren perfekt.

Sie näherten sich einem Aral-Rasthof. Da der Tank des Mercedes noch fast voll war, fuhr Big Tam auf den Parkplatz. Der Wagen stand noch nicht ganz, da sprang Fila-Frank schon heraus und pißte mitten auf den Parkplatz, mit einem Strahl wie ein Pferd. Endlich erlöst! Während sich die anderen lachend auf den Weg zur Toilette machten, um sich auch mal mit dem Pink Champagne ein bißchen die Nasen zu pudern, trottete Fila-Frank dann zum Supermarkt der Tankstelle, Wodka und Bier nachkaufen.

Urs Wyss kämpfte immer noch darum, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen, als er die ersten Hinweisschilder für den Aral-Rasthof erspähte. Gottlob, ein Rastplatz! Er brauchte dringend eine Pause, er mußte sich auffangen, sich ein bißchen sammeln. In seinem gegenwärtigen Zustand konnte er unmöglich einem der hochmögenden UCS-Kunden unter die Augen treten, schon gar nicht seiner Lieblingskundin, der alten Frau Kourmansky.

Der Angriff mit der Flasche hatte ihn zutiefst erschüttert. Was sollte das? Das mit dem Langsamfahren auf der Autobahn war doch nur eine Vorsichtsmaßnahme, reine Routine, er machte das immer so, immer vor dem ersten Kundentermin. Natürlich gefiel das den Leuten nicht, verständlicherweise, auch für ihn selbst war das ein Chrampf. Er nahm es auch niemandem übel, wenn man ihm dabei den Vogel zeigte – aber eine Flasche zu werfen, das ging doch wirklich zu weit. Oder? Doch! Da hätte ja sonstwas bei passieren können! Was waren das bloß für seltsame Leute gewesen? Richtige Rabauken, aber in einem Mercedes unterwegs, dessen Kennzeichen mit DN-H begann, also einem Hertz-Mietwagen, und sehr proper angezogen. Sportiv, aber proper. Normalerweise waren solche Leute nicht so angriffig. Aber die? Die waren verrückt, regelrecht gemeingefährlich waren die ja! Genau wie der Tschumpl in dem metallicblauen Kleinwagen, der da gerade im Renntempo überholte. Ja, waren denn heute nur Irre auf den Straßen unterwegs? Hatte das Asyl heute Ausgang?

Als er die Einfahrt zum Rasthof nahm, überlegte Urs einen Moment lang, ob er wegen des Flaschenwurfs die Polizei verständigen sollte. „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“, das war doch eindeutig ein Fall für die Gendarmerie. Und warum eigentlich nicht? Seine Papiere waren in Ordnung. Der Name darin, Urs Weber, war zwar nicht sein eigener, aber die Papiere waren absolut echt. Die relevanten Schweizer Behörden würden das jedermann auf Anfrage gern bestätigen.

Urs reiste natürlich „steril“, weder in seiner Brieftasche noch in seinem sonstigen Gepäck befand sich ein Hinweis auf seine wahre Identität, außer einem Photo seiner geliebten Noi, aber die exotische Schönheit auf dem Photo könnte schließlich sonstwer sein.

Außerdem gab es so tief im Landesinneren Deutschlands keine Bargeld-Kontrollen mehr. Da war er sich ganz sicher, denn der deutsche Zoll war vertrauensselig genug, Ort und Zeitpunkt seiner Geldschmuggel-Kontrollen stets mit den Schweizer Kollegen abzustimmen. Diese wiederum informierten darüber umgehend das Travel Security Advisory Büro der UCS, seiner Auftraggeberin. Auch in diesem Jahr würden wieder rund drei Prozent des gesamten Steueraufkommens der Schweiz allein von der Großbank UCS bestritten werden – und sämtliche Schweizer Behörden wußten genau, auf welcher Seite ihres Brotes die Butter war.

Nach einem kurzen Blick auf die Uhr in der Instrumententafel des Audis verwarf Urs diesen Gedanken jedoch wieder. Wenn er seinen Termin in Bad Homburg pünktlich und korrekt wahrnehmen wollte – erst einmal ein paar Runden durch die Nachbarschaft drehen und die Lage sondieren, dann seinen Wagen irgendwo unauffällig parken und die letzten paar hundert Meter zum Treffpunkt zu Fuß gehen –, blieb ihm keine Zeit mehr, um sich jetzt noch mit der Polizei auseinanderzusetzen.

Urs wollte gerade auf dem Rastplatz parken, als er den dort abgestellten Mercedes seiner Angreifer erkannte. In dem Wagen war niemand, gottlob. Was tun? Sollte er einfach weiterfahren, vielleicht ersatzweise in Bad Homburg noch irgendwo schnell einen Happen essen gehen? Oder sollte er die Burschen zur Rede stellen, ihnen mal gehörig den Marsch blasen? Schließlich entschied er sich für eine Art Zwischenlösung, nämlich im abgelegensten Winkel des Parkplatzes zu halten, mit verriegelten Türen im Wagen sitzen zu bleiben und den Motor laufen zu lassen, für den Fall eines Falles. Das war zwar feige, aber in gewisser Weise wurde er schließlich dafür bezahlt, feige zu sein.

Yossy, der zweite Killer des Aleph-Elements, war mit seinem gemieteten Ford Focus nahe genug vor Wyss hergefahren, um im Rückspiegel sehen zu können, daß Wyss fast von der Straße abgekommen wäre, nachdem er von einem schwarzen Mercedes überholt worden war. Was dort vorgefallen war, hatte Yossy nicht erkennen können, doch irgend etwas mußte passiert sein; es hatte irgendeine Interaktion zwischen den beiden Fahrzeugen gegeben. Kurz darauf überholte ihn der betreffende Mercedes, wenig später dann auch Wyss, der nach dem Vorfall seine „Schüttelroutine“ abgebrochen hatte und nun wieder mit angepaßter Geschwindigkeit fuhr.

Dina, Yossys Beifahrerin, hatte sofort Avi und Sylvia im hinteren Verfolgerfahrzeug per Handy über den Vorfall informiert und sie aufgefordert, aufzuschließen. Die beiden Verfolgerfahrzeuge würden sich nun regelmäßig an der Führungsposition abwechseln müssen, damit Wyss nicht immer dasselbe Fahrzeug im Rückspiegel sähe. Seitdem fuhren Avi und Sylvia keine zweihundert Meter hinter ihm und Dina.

Yossy hatte sich selbstverständlich das Kennzeichen und eine Beschreibung des Mercedes und seiner Insassen eingeprägt und kurz darauf mit Erleichterung verfolgt, wie der Mercedes den Blinker setzte und die Abfahrt auf den Rastplatz nahm. Sehr gut, eine Unbekannte weniger in der Gleichung!

Sekunden später sah Yossy mit wachsendem Entsetzen, wie Wyss ebenfalls die Abfahrt auf den Rastplatz nahm. Was ging hier vor? Sollte das ein klandestiner „Treff“ zwischen Wyss und den Mercedesfahrern werden? Waren das in dem Mercedes die Iraner?

Yossy trat das Gaspedal fast durch den Fahrzeugboden hindurch, so daß der schwachbrüstige Motor des Ford Focus gequält aufheulte wie ein Staubsauger. Er überholte zwei Autos vor ihm rechts, zwängte sich dann in letzter Sekunde noch vor Wyss auf die Abfahrt zum Rastplatz, nahm die Kurve der Abfahrt mit quietschenden Reifen im Drift und schoß auf den Parkplatz des Rasthofs, immer noch viel zu schnell. Die vielen, vielen Stunden, in denen er während seiner Ausbildung Autos und Motorräder im absoluten Grenzbereich hatte bewegen müssen, zahlten sich nun aus: Er stieg voll in die Eisen, verzögerte auf rund fünfzig Stundenkilometer, ging dann von der Fußbremse, zog die Handbremse, schlug das Lenkrad hart nach links ein und parkte den Ford mit einer eleganten 270-Grad-Schleuderwende perfekt rückwärts in einer Parkbucht ein, nur einen Steinwurf von dem Mercedes entfernt.

Auffälliger hätte er den Rastplatz kaum anfahren können, aber das gelungene Bremsmanöver trieb ihm trotzdem für einen kurzen Moment ein Grinsen ins Gesicht. Sylvias verblüffter Blick, während sie gerade ganz unspektakulär ihren BMW parallel zu seinem Ford einparkte, ließ ihn einmal mehr grinsen. Das hätte die Kleine wohl nicht gedacht, daß solche Tricks nicht nur auf den Landebahnen stillgelegter Flugplätze irgendwo im Negev funktionierten, sondern auch im wirklichen Leben, was?

Die beiden Zweier-Teams blieben für einen Moment in ihren Wagen sitzen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Wyss’ Leihwagen – dieses aalglatte Kerlchen hatte seinen eigenen VW Passat, den das Team zuvor mit einem Peilsender versehen hatte, daheim in der Garage gelassen, war vielmehr mit dem Zug von Zürich nach Basel Badischer Bahnhof gefahren und hatte dort, auf der deutschen Seite der Grenze, einen unauffälligen Audi A4 mit deutschen Kennzeichen gemietet – stand am anderen Ende des Parkplatzes, mit Wyss darin. Anscheinend wartete er auf irgendwen, aber wohl nicht auf die Leute in dem Mercedes.

Die Gestalten aus dem Mercedes hatten sich aufgeteilt. Drei Mann waren in die Herrentoilette des Rastplatzes verschwunden. Ein grauhaariger Riese, Mitte Vierzig, biedere Scheitelfrisur, aber gut und gern zwei Meter groß und mit der Statur eines professionellen Wrestlers, schien der Anführer zu sein. Er trug einen kamelhaarfarbenen Pringle-Golfpullover mit Zopfmuster, eine elegante dunkelblaue Bundfaltenhose und weiße Lacoste-Sneakers mit Klettverschluß. Begleitet wurde er von zwei Männern Ende Zwanzig, einem athletisch gebauten Farbigen mit kahlgeschorenem Schädel, circa einen Meter fünfundachtzig groß, sowie einem südländischen Typ, ebenfalls sportliche Statur, kurzes, leicht gewelltes, dunkles Haar, Dreitagebart, circa einen Meter zweiundachtzig groß. Der Farbige war gekleidet, als befände er sich gerade auf dem Weg zu seinem Landsitz: grüne Barbour-Wachsjacke über einem Polohemd mit Burberry-Muster, hellbraune Breitcordhose und grüne Jagdstiefel. Der südländische Typus trug einen dunkelblauen Stone-Island-Anorak mit Fellkapuze, weiße Designerjeans und nagelneue, sehr auffällige Reebok-Basketballstiefel.

Wie typische Operateure des Ministeriums für Nachrichtenwesen und Sicherheit VEVAK der Islamischen Republik Iran sahen diese Lichtgestalten jedenfalls nicht aus, ganz besonders nicht der Vierte im Bunde: ebenfalls Ende Zwanzig, nur knapp unter einen Meter fünfundsiebzig groß, Statur drahtig bis hager, kinnlanges, glattes mittelbraunes Haar, Burberry-Baseballkappe, darunter ein spitzes, hohlwangiges, tiefäugiges, langnäsiges Frettchengesicht.

Diese Zierde der Menschheit hatte gerade völlig ungeniert auf den Parkplatz uriniert, zog sich nun die Hose seines lila Trainingsanzugs aus Ballonseide wieder hoch – auf der Rückseite der Trainingsjacke prangte ein wahrhaft gigantisches Fila-Logo und das Ensemble wurde komplettiert durch ebenfalls lilafarbene Fila-Turnschuhe – und machte sich allein auf den Weg in Richtung Tankstellen-Supermarkt. Dabei blickte er sich sichernd um, wie ein Frettchen auf der Jagd.

Als Fila-Frank die beiden Autos des Mossad-Teams erspähte, blieb er wie angewurzelt stehen, einen Ausdruck ungläubigen Erstaunens auf seinem Gesicht, der sich rasch in eine Fratze puren Hasses verwandelte: Unglaublich! Diese perversen Schweine hatten es tatsächlich auf ihn persönlich abgesehen, verfolgten ihn jetzt sogar beim Pissen! Das waren bestimmt Rastplatzsex-Freaks, Dogger, die sich gegenseitig daran erkannten, daß sie auf der Autobahn den Verkehr aufhielten, und die dann zum gemeinsamen Spannen auf den nächsten Rastplatz fuhren! Saßen hier wie in einem Autokino, mit ihren Butt-Plugs und ihren Nippelklemmen, und geilten sich zu Viert am Anblick seines Schwanzes auf!

Der Typ im lila Trainingsanzug zeigte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger mal auf Yossy, mal auf Avi, ging dabei leicht in die Knie, als wolle er auch noch einen Haufen auf dem Parkplatz hinterlassen, und brüllte aus Leibeskräften: „Oi, you! Get the fook out yer fookin cars! Out, now! I’ll fookin ’ave you cunts! Come on, then, ya tossers! Come ooooon!“

Als sie nicht augenblicklich reagierten, riß er einen großen stählernen Mülleimer aus seiner hölzernen Ummantelung, hob ihn beidhändig über seinen Kopf und schmiß ihn in ihre Richtung. Der Mülleimer traf die Motorhaube von Avis BMW mit einem dröhnenden „Klong“, hinterließ eine halbmondförmige Delle darin, rollte dann scheppernd auf dem Parkplatz aus.

Der Angreifer blickte sich einen Moment lang vergebens nach weiteren Wurfgeschossen um, machte dann auf dem Absatz kehrt und rannte in Richtung der Herrentoilette, wohl um Verstärkung zu holen.

Yossy und Avi warfen sich gegenseitig einen Blick zu. Jetzt ging es nicht mehr, jetzt mußten sie etwas unternehmen. Yossy nahm sein Spyderco-Klappmesser aus der Brusttasche seines Hemds, reichte es Dina und sagte ruhig: „Steche alle Reifen des Mercedes platt, dann setz dich ans Steuer, mach den Motor an und warte auf mich. Ich bin in höchstens zwei Minuten wieder da, ab jetzt. Falls Wyss unterdessen losfahren sollte, verfolgst du ihn alleine. Ich komme dann mit den anderen nach.“

Urs Wyss verzweifelte allmählich an der Menschheit. Jetzt schmissen die hier auch noch mit Güselchübel, unerhört! Was war denn bloß auf einmal in die Leute gefahren?

Eingespieltes Team, das sie waren, öffneten die vier Kidon die Türen ihrer Fahrzeuge absolut synchron. Während Dina auf den Mercedes zuging, im Gehen das Klappmesser öffnete, schlenderten Yossy, Avi und Sylvia geruhsam in Richtung der Herrentoiletten. „Auf dem Sportplatz dürft ihr laufen, aber im Operationsgebiet müßt ihr gehen. Wer läuft, ist immer verdächtig, aber wer gemächlich geht, muß sich wirklich anstrengen, um verdächtig zu wirken.“ Das war so ziemlich die erste Verhaltensregel, die man ihnen in der Akademie eingetrichtert hatte, und sie war ihnen längst in Fleisch und Blut übergegangen.

Wie immer wenn es ernst wurde, summte Yossy leise und rhythmisch vor sich hin. Noch nicht einmal sein Partner Avi wußte, was er da summte. Wahrscheinlich war das für den Seelenfrieden aller Beteiligten auch besser so, denn in solchen Situationen rezitierte Yossy stets das Lied des Mose aus dem Devarim, dem Fünften Buch der Tora: „Mein ist die Rache und die Vergeltung, zu der Zeit, da ihr Fuß wanken wird; denn die Zeit ihres Verderbens ist nahe, und ihr Verhängnis eilt herzu.“

Kaum hatten sie die Tür der Herrentoilette erreicht, als ihnen der Clown im lila Trainingsanzug geradezu in die Arme gerannt kam. Avi, der voranging, schlug ihn quasi im Vorbeigehen mit einer klassischen Krav-Maga-Kombination bewußtlos: rechte Gerade zum Hals, gefolgt von einem horizontalen rechten Ellbogenstoß zum Gesicht, gefolgt von einem linken Haken zur Schläfe, das Ganze abgerundet mit einem rechten Kniestoß in die Hoden. Dann stieß Avi die Schwingtüren zur Herrentoilette auf und ging hinein, gefolgt von Yossy, mit Sylvia als Schlußlicht. Die drei übrigen Gestalten aus dem Mercedes standen direkt vorn am Waschtisch, mit den Gesichtern zur Tür. Der Riese in dem Golfpullover schien sich gerade mit dem Zeigefinger das Zahnfleisch zu massieren und grinste dabei breit, so wirkte es zumindest.

Als Avi gerade angreifen wollte, hörte er, wie hinter ihm die Schwingtüren der Toilette mit Wucht aufgestoßen wurden. Unmittelbar darauf ertönte ein ausgesprochen häßliches Klatschen. Sylvia taumelte an ihm vorbei, verlor nach ein paar Schritten das Gleichgewicht, fiel vornüber und rutschte bäuchlings den glatten Fliesenboden entlang, dicht gefolgt von dem Clown im lila Trainingsanzug, der es nach seinem Niederschlag unerklärlicherweise geschafft hatte, sofort wieder auf die Füße zu kommen, fast wie in einem Zombiefilm.

Der Clown trat ein paarmal gegen Sylvias Kopf wie gegen einen Fußball, während Sylvia blindlings wegzukrauchen versuchte. Dann griff er mit beiden Händen in ihr langes Haar, zerrte ihren Kopf auf Hüfthöhe und stieß ihr Gesicht wieder und wieder auf die Kante eines Urinals, während Sylvia mit einer Hand seine Hoden zu quetschen versuchte und mit der anderen ihr Gesicht schützte. Die Geräuschkulisse dabei konnte einem den Magen umdrehen, Sylvias Stöhnen und das rhythmische Ächzen des Angreifers: „Eh, eh, eh, you like it like that, bitch, don’t yer, bitch? You like it rough, don’t yer, bitch, eh, eh, eh.“

Avi und Yossy konnten ihr nicht helfen, denn just in diesem Augenblick griffen der südländische Typ und der Farbige gleichzeitig an. Mit dem südländischen Typ, der in typischer Boxerhaltung kämpfte, hatte Yossy relativ leichtes Spiel. Der Bursche schaffte es zwar noch, einen geraden Stampftritt in Yossys Magengrube zu landen, doch dann nutzte Yossy seinen Größen- und Reichweitenvorteil, griff sich die Kapuze des Anoraks und zog sie über den Kopf seines Gegners hinweg nach vorn-unten, so daß dieser kaum noch etwas sehen konnte und vornübergebeugt vor ihm stand, im labilen Gleichgewicht. Yossy gab seinem Gegner ein paar Kniestöße ins Gesicht, ließ dann mit der Rechten die Kapuze los, streckte seinen rechten Arm in die Höhe und versetzte seinem Gegner mit voller Wucht einen Ellenbogenstoß abwärts auf die Nackenwirbelsäule, mit einer Bewegung, als zöge er die Notbremse eines Zuges. Erledigt. Dieser Typ würde so bald nicht mehr aufstehen.

Aber Yossy wäre nicht Yossy, wenn er es dabei hätte bewenden lassen. Er packte den Bewußtlosen mit der Linken am Hals, zog ihn hoch, ergriff mit der Rechten dessen Gürtel, hob ihn waagerecht in die Höhe, nahm zwei, drei Schritte Anlauf und warf ihn mit einem Kraftschrei quer durch die ganze Toilette auf Sylvias Gegner, den Clown im Trainingsanzug. Treffer, versenkt! Aus dieser Ringecke waren nun vorerst keine weiteren Scherereien mehr zu erwarten.

Avi hingegen hatte echte Mühe gegen den Farbigen. Gleich nach seinen ersten paar Handtechniken, die der Farbige mühelos abgewehrt hatte, mit ungeheuer komplizierten Blocks, bei denen sich seine Hände geschmeidig in kleinen Kreisen und Achten bewegten, hatte Avi gespürt, daß er es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun hatte. Was war das, welchen Stil kämpfte dieser Typ? Die Bewegungsabläufe ähnelten Wing Chun, aber Wing Chun war die Einfachheit selbst, hatte längst nicht solche komplizierten Handstellungen, Kranichfäuste und dergleichen. Das mußte klassisches Kung Fu sein.

Nun, auch Krav Maga hatte gute Abwehrtechniken, auch Avi wurde nicht getroffen, aber gegen diesen Burschen kam er einfach nicht zum Zug, konnte keinen Treffer landen. Bestimmt zwanzig Sekunden lang standen Avi und der Farbige sich schon auf Reichweite gegenüber, flogen ihre Hände rasend schnell hin und her, klatschte Fleisch auf Fleisch, aber keiner der beiden hatte bislang einen Treffer landen können. Ihre Schläge, Stöße und Tritte verpufften jeweils wirkungslos am Gegenüber. Eine Pattsituation. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Avi schallend aufgelacht. Nie hätte er geglaubt, daß er außerhalb seines Dojos einmal in eine solche Situation geraten könnte, und dort kämpften schließlich die Besten der Besten.

Was tun? Einfach so lange auf den Burschen einprügeln, bis ihm die Puste ausging und er die Hände nicht mehr oben halten konnte? Ihn greifen, zu Fall bringen und zum Bodenkampf übergehen?

Der Farbige hatte eine viel bessere Idee: Er lächelte, murmelte verständnisvoll „Not easy, is it?“, spuckte Avi mitten ins Gesicht und nutzte Avis reflexhaftes Wegzucken aus, um ihm mit der linken Fußspitze hart gegen den Kopf zu treten. Avi taumelte nach links, schon benommen, und der Farbige setzte nach mit einem meisterhaft gesprungenen rechten Roundhouse-Kick. Seine Ferse traf Avi voll aufs Ohr. Avi hörte nur noch ein irrsinnig lautes, hohes Pfeifen in seinem Kopf, wie eine Luftschutzsirene, während der weißgekachelte Fußboden plötzlich auf ihn zuraste und ihn k. o. schlug.

Avi wachte danach noch einmal kurz auf, geweckt von einem entmenschten Grunzen. Er blickte den nunmehr blutbesudelten Kachelboden entlang. Direkt vor sich sah er, wie der Clown im lila Trainingsanzug Sylvias Kopf an ihren Haaren in Position hielt, derweil der Farbige ihr wieder und wieder ins Gesicht trat, so akkurat und gleichförmig wie der Kolben einer Dampfmaschine. Aber wer grunzte denn hier so?

Avi blickte sich um. Unmittelbar links neben ihm, keinen Meter von ihm entfernt, wälzten sich Yossy und der grauhaarige Riese auf dem Boden, eng umklammert wie ungestüme Liebende, mal der Eine oben, mal der Andere. Yossy hatte dem Riesen im Golfpullover die Nase bereits fast vollständig abgebissen. Auch Yossys Gesicht war von Bissen schwer gezeichnet; die Gesichter der beiden waren bis über die Augenbrauen rot von Blut. Gerade eben hatte der Grauhaarige wieder einmal die Oberhand gewonnen. Er schob seinen Kopf etwas nach oben, so daß sein Mund über Yossys linker Augenhöhle lag, sog, sog fester, sog noch fester, dann endlich glitt der Augapfel mit einem ekelhaften Schmatzgeräusch in seinen Mund. Er biß den Sehnerv ab und spuckte den Augapfel aus. Der Augapfel kullerte auf Avi zu wie ein Tischtennisball. Avi verlor erneut das Bewußtsein.

Dina blickte auf ihre Armbanduhr. Es waren schon über fünf Minuten vergangen, seit Yossy mit den anderen zur Herrentoilette gegangen war, aber wenn Yossy „zwei Minuten, ab jetzt“ sagte, dann meinte er: zwei Minuten, ab jetzt. Irgendwas war da schiefgelaufen. Yossys Instruktionen hin oder her, sie mußte nun herausfinden, was da los war. Leider, leider war das gesamte Team unbewaffnet nach Deutschland gereist, schließlich war die ganze Sache ursprünglich als reine Observation gedacht gewesen. Unter den gegebenen Umständen war sie jedoch heilfroh, dieses rasiermesserscharfe, schwarz eloxierte Klappmesser in den Händen zu halten.

Auf dem Weg zur Herrentoilette kamen ihr drei der vier Typen aus dem Mercedes entgegen: der grauhaarige Riese, der eine ganze Handvoll blutiger Papierhandtücher gegen sein Gesicht preßte, der Farbige und der kleine Typ im Trainingsanzug. Die Typen beachteten sie überhaupt nicht, würdigten sie keines Blickes. Nanu, wieso liefen die denn hier noch herum? Und wo waren ihre Leute?

Dann öffnete sie die Tür der Herrentoilette: Oh mein Gott, hier war ja alles voller Blut, der ganze Boden und auch die Wände, und hier roch es wie in einem Schlachthaus! Yossy lag rücklings da, sein ganzer Oberkörper blutüberströmt. Eine seiner Augenhöhlen war leer, enthielt statt eines Augapfels nur noch langsam gerinnendes Blut, aber wenigstens stöhnte er noch. Okay, immerhin, er lebte noch. Sylvia lag in Seitenlage unterhalb der Pissoirs, ihr verschwollenes Gesicht ein einziger großer, grün-gelb-violetter Bluterguß, und wimmerte unablässig vor sich hin. Prima, Wimmern war gut, denn Tote wimmern nicht. Dito Avi: Avi schien von allen Mitgliedern ihres Teams am wenigsten abbekommen zu haben, hatte augenscheinlich nur ein paar blaue Flecken, war jedoch schwer benommen und faselte irgend etwas von Tigern, Heuschrecken, Kranichen und weißen Augenbrauen. Na bitte, der sollte sich mal nicht so haben.

Und dann war da noch einer der Typen aus dem Mercedes, ein südländischer Typ in einem Eskimo-Anorak. Der seltsame Winkel, in dem sein Kopf und Hals zu seinen Schultern lagen, verhieß nichts Gutes. Seine Haut war wachsgelb und er gab keinen Laut von sich, rührte sich überhaupt nicht mehr. Dina bückte sich zu ihm herab, ertastete vorsichtig seine Halsschlagader: nichts, gar nichts. Exitus.

Koos emek! Um diesen Riesenhaufen Scheiße schnell und diskret fortschaffen zu lassen, würde einer ihrer Vorgänger bei der Kidon-Einheit, der jetzige Verteidigungsminister Ehud Barak, seinen ganzen Einfluß geltend machen müssen. Aber in dieser Gegend sollte das hoffentlich kein Problem darstellen: Frankfurt war immer noch das Zentrum des deutschen Judentums. Dort gab es reichlich Sayanim, dem Mossad bei Bedarf zuarbeitende freiwillige Helfer, Juden aus allen Berufsgruppen. Mit etwas Glück wäre auch ein Bestattungsunternehmer darunter.

Die Frankfurter Sayanim würden sich schon um diese Scheiße kümmern, sie spurlos aus der Welt schaffen, mitsamt dem toten Eskimo.

Dina hörte Schritte auf den Treppen zur Herrentoilette. Wie eine Furie sprang sie auf, raste zur Tür, hielt den neuen Gast, allem Anschein nach ein LKW-Fahrer, noch vor der Türe auf und drückte ihm die Klinge des Klappmessers so fest an die Kehle, daß ein paar kleine Tröpfchen Blut seinen Hals herabrannen. „Sorry, geschlossene Gesellschaft! Verpiß dich!“, zischte sie.

Klaus Horsch, so hieß der betroffene LKW-Fahrer, hob die Hände über den Kopf und trat bedächtig zurück, fügte sich ohne Widerworte seinem Schicksal. So etwas hatte er fast schon erwartet. Natürlich, heute war ein Montag. So etwas passierte immer montags. Heute waren anscheinend wieder mal nur Irre unterwegs.

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