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MYTHEN

UND IDOLE

Der Grundstein jeder Weltumsegelung ist in der Regel literarischer Natur. Nahezu jeder Segler hütet die dicken Wälzer der Männer oder Frauen, die ihre Träume bereits real erlebt – oder durchlitten? – und sich entschlossen haben, ihre Erfahrung und ihr Wissen niederzuschreiben, um von ihren Reisen zu berichten – und damit Geld zu verdienen. Männer wie Wilfried Erdmann, Rollo Gebhard und Bobby Schenk halten in deutschen Buchregalen einen Logenplatz, zudem ihr Verlag es flankierend verstanden hat, ihnen diesen Platz zu garantieren, zu polstern bzw. sie nicht zu stören oder gar neue Helden vorzustellen, deren Erfahrungen dann jüngeren Datums sind. Diese Maßnahme ist für die beteiligten Parteien von Vorteil, weil allseits Pfründe gesichert werden, wobei Bobby Schenk mir gegenüber sinngemäß einmal humorvoll offenbarte, dass man einen guten Verleger wohl am besten daran erkennen könne, dass er aus den Totenschädeln seiner Autoren dereinst Champagner schlürft.

Aber es gibt auch eine Reihe ganz anderer Idole, die durch besonders authentische oder humorvolle Segelbeichten die Herzen ihrer Leser im Sturm erobert und fortan eigene Träume befeuert haben: Tania Aebi, Wolfgang Hausner, Hugo Wehner oder Burghard Pieske haben unvergessliche Lesestunden beschert und ihren Teil zu Traumszenarien alltagsgeplagter Menschen beigetragen. Allen Büchern gemein ist, dass sie Träume erzeugt haben, indem sie den Lesern Einblicke in eine andere Welt verschafften und den Wunsch wachsen ließen, einer langjährig gehegten Fiktion dereinst selbst hinterher – oder entgegen? – zu segeln.


Die Aufnahmefähigkeit des Buchmarktes für Idole ist indes durch Faktoren wie den Kaufpreis, die Anzahl segelnder Deutsch sprechender Segler und Träumer sowie die Anzahl von Ereignissen im Laufe eines Jahres wie Geburtstag, Weihnachten etc. begrenzt. Zudem verkaufen Bücher vornehmlich positive Botschaften, weil in deren Kielwasser Segeln in positivem Licht erscheint, also angenehm verbrämt. Wer würde schon zugestehen, dass Segeln auch viele Schattenseiten mit sich bringt oder dass die Strapazen sich nicht lohnen?

Zudem: Die bewusste Verknappung von Segelhelden begünstigt eine Überhöhung der Autoren, wobei Druckwerke bei Neuauflage häufig nur geringfügig aktualisiert werden. Auch liegt es in der menschlichen Natur, dass das Erlebte stets subjektive Farbe erhält, die nicht unbedingt die wahre Gemengelage reflektiert.

So kann es nicht ausbleiben, dass in Seglerköpfen ein Bild entsteht, das mit der Wirklichkeit nicht harmoniert. Hier liegen ganze Hasenfamilien begraben, weshalb man jedem aufmerksamen Leser nur empfehlen kann, sein Bild möglichst umfassend auch anderweitig zu ergänzen, was in der heutigen Welt ja keine Herausforderung mehr ist. Je mehr Wahrheiten in Köpfen mit großen Plänen reflektiert werden, desto besser die Chancen, die Realitäten später besser zu verkraften. Wenn Blauäugigkeit der alleinige Entscheider ist, entscheidet am Ende nur das pure Glück.

Blauwasserseminare sind ein idealer Nährboden, die Distanz zweier Welten zu verringern, weil dort der physische Abstand zwischen Chronist und Auditorium am geringsten ist und Kommunikation auf Augenhöhe erfolgen kann, falls der Dozent nicht auf einer Bühne steht.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Deutschland recht arm an segelnden Heroen ist, was durchaus der Bedeutung des Segelsports im Land entspricht, weil bei uns das runde Leder immer so viel wichtiger ist. Bobby Schenk belegt in seinem Who is who der Weltumsegler1, dass die Liste vollzogener Weltumsegelungen im Laufe der Jahrzehnte rührend klein geblieben ist: 74 Namen finden sich dort. Die Antworten auf dezidierte, stets identische Fragen lassen Rückschlüsse zu, die auszuwerten sind. Interessanterweise zeigt bereits die Überschrift, dass der Vollendung einer Weltumsegelung ein elitärer Charakter eingeräumt zu sein scheint. Ohne hier den Hauch eines Zweifels an den individuellen Leistungen – oder den durchlittenen Qualen – aufkommen zu lassen, so scheint doch dem Vollzug einer Weltumsegelung immer noch etwas Magisches innezuwohnen. Handelt es sich hier um einen Klub der Erlauchten? Oder wird im Nachhinein ein Heldenepos bewusst stilisiert, der nicht unbedingt im Sinne der Befragten ist? Diese Frage sollte sich jeder vor dem eigenen Spiegel beantworten.

Außerhalb Deutschlands jedenfalls sieht diese Welt ein wenig anders aus, was sich denjenigen Seglern sehr schnell erschließt, die der englischen Sprache mächtig sind. Der Buchmarkt in den USA ist vergleichsweise ungemein ergiebig, weil dort die Autoren in viel größerem Masse ihre Bücher und Elogen selbst verlegen und vertreiben. Schlecht für dortige Verlage, besser für Autoren, am besten jedoch für eine Leserschaft, die sich ein umfangreiches Bild verschaffen kann, bevor sie eigene Pläne schmiedet und realisiert.


1 http://www.yacht.de/schenk/who/who00.html

Mythos Weltumsegelung

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