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VORWORT

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Jeder Mensch wird das Leben auf seine Weise betrachten. Der eine meint, dass alles Zufall ist, der andere, dass gewissermaßen alles mit allem zusammenhängt und man den Zufall nur als Vehikel für rational unfassbare Ereignisse verwendet.

Das Leben, schrieb der große französische Philosoph Montaigne in seinem freimütigen didaktischen Hauptwerk (»Essays«), sei wie die Harmonie der Welt aus lauter verschiedenen Tönen zusammengesetzt: »süßen und rauhen, hohen und tiefen, leichten und schweren.« Damit verknüpfte er die Frage, was ein Musiker, der nur einige davon liebte, uns Menschen zu sagen hätte.

Ob Zufall oder medialer Spürsinn: In den hier vorgelegten Musikerporträts, die fast alle auf Berichten und Gesprächen beruhen, die über drei Jahrzehnte hinweg in der Wochenzeitung DIE ZEIT erschienen sind, spielt womöglich beides eine nicht unbedeutende Rolle. Noch in Nachhinein gewinnen sie in vielen Äußerungen überraschende Aktualität und Dringlichkeit.

Es handelt sich dabei durchweg um musizierende Menschen, Interpreten und Komponisten, an deren Mitteilungsbedürfnis heutzutage kein Mangel herrscht. Dieses reicht auch weit über Montaignes dürftige Attribute des reinen Wohllauts hinaus und dürfte den Anreiz der subjektiven Auswahl erhöhen. Es kommen Künstler zur Sprache, mit denen man ein Zeitlang mehr durch inneres als äußeres Gespür in Berührung trat. Auch zufällig. Wie bei fast allen Zusammenkünften zu erkennen war, sind Musiker in der Neuzeit kooperativer und aufgeschlossener als zuvor. Ihr hermetisch gehütetes Ghettodasein haben viele längst aufgegeben und die wortkarge Scheu vor der Presse überwunden.

Die unstillbare Informationssucht des globalen Mediengeschäfts zwingt sie, oft erbarmungslos, über sich und die Welt beliebig Auskunft zu geben. Auch unwillig.

Der Journalist erfährt bei manchen Begegnungen oft sogar mehr als er die breite Öffentlichkeit wissen lässt. Von ihm allein hängt es ab, was er in seiner Berichterstattung davon preisgibt. Etwa nicht, dass ein vereinbartes Interview infolge eines plötzlichen Ehekrachs im Künstlerzimmer platzte; dass die Zumutbarkeit ihre Belastungsgrenze überstieg, weil der Maestro, ein Welt-Star, sich im Hotel nur in Hemd, Slip und Sockenhaltern auf ein Gespräch einließ; oder dass ein fürstlicher Konzertmanager samt Orchesterleiter den Kritiker, der anderer Meinung war, mit geballten Fäusten zu einer jubilierenden Konzertbesprechung drängen wollten. Auch sollte man eher die Gnade der Verschwiegenheit walten lassen, wenn bei einem Topkünstler mehrere Ansätze, Besuche und Versuche vergeblich waren, mit ihm einen druckfähigen Dialog zu führen. Eloquenz ist nun mal nicht jedermanns Sache. Über phänomenales Kunstvermögen befindet sie nicht. Denn Sympathie, Nähe oder Distanz werden im Umgang mit großen Persönlichkeiten von anderen Komponenten bestimmt. In ersten Begegnungen entfalten sie sich zuweilen unmittelbar.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass Zuneigung und distanzierter Meinungsaustausch in dieser vielschichtigen und locker gebündelten Auslese einander nicht auszuschließen brauchen.

Alle Lügen hört man sofort

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