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Bremen, Dienstag 10. Februar 2009, 03.00 Uhr
ОглавлениеUm drei Uhr am Morgen bekam Rotberg den Anruf aus dem Labor – die gefundenen Teile wurden zweifelsfrei als Bombe bestätigt. Kurze Zeit drauf kam aus der Kriminaltechnik die Information, dass dort zwischenzeitlich versucht worden war, das Telefonat mit der Stimme des Täters auszuwerten. Auf Hintergrundgeräusche und auf einen möglichen Akzent. Die Stimme wurde mit Stimmmustern aus der Datenbank verglichen. Es gab kein Ergebnis. Der Techniker bestätigte Rotberg, dass der Anrufer seine Stimme mit einer Art elektronischem Modulator verzerrt hatte. Es könne zwar versucht werden diese Modulation gegenzufiltern, es war aber leider unklar, mit welcher Software vorher verzerrt wurde.
Auf eine Sache legte sich der Kriminaltechniker aber fest: „Es ist ein Mann, der irgendwo in Norddeutschland im Großraum Bremen / Hannover aufgewachsen ist.“
„Ein Dialekt?“, fragte Rotberg.
„Ich bin kein Experte für Dialekte“, antwortete der Techniker, „der Anrufer sagte während des Gesprächs Tach statt Tag – so sprechen hier die meisten Leute. Außerdem neigen wir Bremer dazu, anstelle eines offen gesprochenen ‚A U’ nicht ‚aau’ zu sprechen – stattdessen klingt es hier mehr wie ‚O U’ also ‚oou’. Der Bremer sagt oft nicht Auto sondern Outo
„Das höre ich mir nochmals auf dem Band an“, sagte Rotberg, „Sie sind anscheinend doch ein Experte.“
„Nein“, antwortete der Kollege, „mir ist das nie aufgefallen. Meine Frau stammt aus dem Rheinland, die hat mich auf meine Aussprache aufmerksam gemacht, als ich sie mit ihrem Dialekt auf den Arm nahm. Ich versuche einen Sprachexperten hinzuzuziehen.“
Rotberg bedankte sich. Er war in Bremen geboren und aufgewachsen. Auch er sagte Fluchzeuch statt Flugzeug. Das mit dem A U und dem O U war ihm bisher allerdings nicht bewusst. Er sprach leise einige Worte vor sich hin, die AU enthielten. Er neigte auch ein wenig zum OU. Er hatte immer gedacht, dass er keinen Dialekt habe. Offensichtlich gab es aber in Bremen auch so etwas, abgesehen vom Plattdeutsch.
„Was murmelst du da vor dich hin?“, fragte Sabrina Hamm, die gerade sein Büro betrat.
„Ich habe gerade erfahren, dass es hier in der Region auch so etwas wie einen Dialekt gibt und probiert, wie sich das anhört.“
Er berichtete Sabina Hamm von den Gesprächen mit den beiden Kriminalexperten. Gemeinsam hörten sie sich den Telefonmitschnitt nochmals an. Jetzt hörten Sie es auch. Der Täter musste hier aufgewachsen sein. Außerdem muss er die nötige Technik für Stimmmodulation besitzen und sie bedienen können.
„Na ja, wenn es so eine Technik zu kaufen gibt, wird auch eine Bedienungsanleitung dabei liegen“, meine sie.
„Das ist ein guter Hinweis“, sagte Rotberg, „Ich rufe den Techniker noch mal an.“
Der wusste sofort Bescheid: „Das ist nicht Besonderes. Vocoder heißen solche Geräte. Viele Tonstudios nutzen heute diese Stimmmodulation. Je besser die Geräte sind, desto mehr Möglichkeiten hat man. Die preiswerteren Geräte erzeugen diese technisch klingenden Stimmen, die sie sicher schon in HipHop-Stücken gehört haben. Sie haben keine große Varianz. Teurere Apparate besitzen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.“
„Das heißt, unser Anrufer hat ein teureres Gerät im Einsatz?“, fragte Rotberg.
„Vermutlich.“
„Sind die komplizierter zu bedienen?“, wollte Rotberg wissen.
„Man muss sich dafür interessieren, dann geht es.“
„Können Sie mir eine Liste solcher in Frage kommender Teile anfertigen? Dann können wir uns ja umhören, wer so etwas gekauft hat.“
„Ja klar, mache ich“, antwortete der Techniker.
„Na also“, sagte Rotberg zu Sabrina Hamm, „schon ergeben sich Anhaltspunkte. Du wirst sehen, in zwei Wochen haben wir das Schwein.“
Rotberg ließ sich selten zu solchen Aussagen über einen Täter hinreißen. Sabrina Hamm merkte daran, wie sehr ihn dieses Verbrechen belasten musste.
„Darf ich etwas anderes sagen“, fragte sie. „Deswegen bin ich eigentlich zu dir gekommen.“
„Ach so, klar leg’ los.“
„Bis auf sechs Kindertagesstätten sind jetzt alle Einrichtungs-Leiterinnen informiert. Alle haben zugesagt, pünktlich in den zuständigen Wachen zu sein. Fast alle bringen unsere Aktion mit den Nachrichten in Zusammenhang. Wir hoffen, dass die alle dichthalten.“
„Was tun wir, wenn das erledigt ist und die Aktion draußen läuft?“, wollte Sabrina Hamm wissen.
„Du fährst dann nach Hause und legst dich ein paar Stunden aufs Ohr“, antwortete Rotberg.
„Und du?“
„Ich lege mich hier zwei Stunden auf eine Bank – ich bin hundemüde“, sagte er.
„Wenn du hier bleibst, bleibe ich auch – ich kriege ohnehin kein Auge zu“, meinte sie.
„Gut“, sagte er, „dann warten wir auf die Nachricht, dass alles läuft und holen uns eine Mütze Schlaf.“