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Hinter den Fassaden: Sogar Justitia tut sich schwer

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Verheiratete Frau im „besten Alter“ findet Freund und Liebhaber, offenbart sich ihrem Mann, ist hin- und hergerissen zwischen beiden, fühlt sich zum Liebhaber hingezogen, aber von ihm auch drangsaliert, geht deshalb zur Polizei, zeigt ihn an, wegen sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung, Beleidigung.

Was ein Aktenzeichen ergibt und eine Verhandlung vor dem Schöffengericht - eine Geschichte, die das Leben schrieb und die mit anderen Facetten gar nicht so selten vorkommt.

„Sie haben hier die Chance erhalten, einen Blick hinter sonst verschlossene Türen und Fenster in Neumünsteraner Wohnungen zu werfen“, sagte Verteidiger Ralf S., auch an die Zuhörer im Neumünsteraner Amtsgericht gewandt. Hinter den Fassaden läuft offenbar so manches Mal zutiefst Menschliches, gar Tragisches, ab - das zu fassen selbst Justitia schwer fällt.

Sie habe ihren Freund verlassen wollen, erzählt die Frau, Mutter zweier Kinder. Nur, um ihm das zu sagen sei sie noch einmal nachts in seine Wohnung gekommen - dort, sagt sie, habe sie der Angeklagte geschlagen, sie nicht gehen gelassen, sie sexuell missbraucht.

Ihr Mann spricht von „Entfremdung“, an der seine berufsbedingte Abwesenheit schuld gewesen sei – „als ich nach Hause kam, erzählte mir meine Frau, sie wolle zu ihrem Freund ziehen“. Man habe darüber gesprochen, später habe er sie sogar zu ihren nächtlichen Treffen hingefahren („Es war schwer für mich, das zu ertragen“); als sie ihm erzählt habe, dass sich der Liebhaber „immer öfter komisch“ verhalte, hätten sie Anrufe vereinbart - in der Nacht, um die es ging, habe sie ihm aber versichert, es sei „alles in Ordnung“ - per Telefon, aus der Wohnung des Angeklagten.

Der - ledig, sportlich, einigermaßen gut aussehend - sagt, sie habe jederzeit gehen können – „der Schlüssel steckte doch von innen“. Sein Bruder erzählt von Gesprächen zu Dritt - sie habe eine Therapie machen, mit seinem Bruder zusammenziehen wollen, dann sei sie „wieder umgekippt“. Von einer Einstweiligen Verfügung war schließlich zu hören, nach der dem Angeklagten untersagt worden sei, weiter Kontakt mit ihr zu suchen. Der Bruder: „Sie rief dann an, sie wollte das ja alles gar nicht, sie sei gedrängt worden.“

Die Staatsanwältin sieht ihre Anklage bestätigt, die Darstellung der Geschädigten sei glaubhaft, als „angemessen“ sieht sie zweieinhalb Jahre Haft an. Der Verteidiger spricht von einer „Ausgangssituation, an der schon viele Menschen gescheitert sind“; sein Mandant sei in ein Beziehungsgefüge, „dieses Gefühlswirrwarr“, hineingezogen worden - vor allem sei zu fragen: „Wem von beiden Seiten ist zu glauben?“

Richter Hans-R. P. sagt nachher, auch für die beiden Schöffen: „Wir haben uns bei der Schuldfeststellung schwer getan.“ Im „Kernbereich“, davon sei man aber überzeugt, habe die Geschädigte die Wahrheit gesagt. - Unterm Strich ergaben die stundenlangen Aussagen zwei Jahre Haft, drei Jahre lang zur Bewährung ausgesetzt. So recht zufrieden sah niemand aus, als die Verhandlung zu Ende war.

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