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5. Kapitel

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„Natürlich hat es mich getroffen und ich habe immer schwer daran getragen, dass ich wegen meines Handwerksberufes von meiner Schwiegermutter nicht so richtig akzeptiert wurde“, gab Franz Ringer zu verstehen.

„Wie waren Ihre Gefühle, Ihre Schwiegermutter betreffend?“, fragte der Hauptkommissar. „Ich meine, haben Sie Ihre Schwiegermutter tatsächlich gehasst oder hat Sie ihre Inakzeptanz lediglich betroffen gemacht?“

„Ich hätt sie manchmal ansatzlos auf den Mond schießen können“, knurrte Franz Ringer. „Nur mit Rücksicht auf meine Frau habe ich immer alles geschluckt und den Mund gehalten. Mit ihrer Hetzerei gegen mich hat sie es sogar geschafft, Carmen in die ...“

Er brach ab, denn seine Frau sprang wie von einer Tarantel gestochen aus dem Sessel in die Höhe, schluchzte auf und rannte aus dem Zimmer. Krachend flog die Tür hinter ihr zu.

„Ich glaube, ich weiß, was Sie sagen wollten“, erklärte der Hauptkommissar. „Ihre Frau stand gewissermaßen zwischen zwei Feuern, und das hat sie veranlasst, öfter mal zur Flasche zu greifen. Wir wissen, dass Ihre Gattin ein immenses Alkoholproblem hat.“

„Ihre Mutter hat sie in den Suff getrieben, und ich stand dem allen machtlos gegenüber. Einige Male dachte ich schon daran, alles liegen und stehen zu lassen und zu gehen, aber letztendlich fehlt mir immer dazu der Mut. Ich denke dann an unsere Kinder und versuche mich mit allem abzufinden.“

„Haben Sie für Montagmorgen ein Alibi?“

Franz Ringer lachte gallig auf. „Wenn Sie jetzt denken, dass ich meine Schwiegermutter auf dem Gewissen habe, dann irren Sie sich ganz gewaltig. Sie hat mir zwar ziemlich gestunken, und hin und wieder habe ich ihr auch die Pest an den Hals gewünscht, aber umgebracht habe ich sie nicht.“

„Sie hatten ein Motiv“, stellte Oberkommissar Kutzer fest.

„Es gab schätzungsweise eine Reihe von Leuten, die ein Motiv gehabt hätten, meiner Schwiegermutter den Hals umzudrehen“, versetzte Franz Ringer.

„Wo waren Sie Montagmorgen zwischen halb 8 Uhr und halb 9 Uhr?“ Oberkommissar Kutzer stellte diese Frage mit Nachdruck im Tonfall.

„In der Arbeit. Ich fange jeden Tag um 7:00 Uhr an. Sie können das gerne nachprüfen.“

„Kennen Sie Doktor Martin Matheis persönlich?“, erkundigte sich Hauptkommissar Degenhart.

„Ich kenne ihn, gewiss. Er, der Herr Akademiker mit Doktortitel wäre meiner Schwiegermutter als Schwiegersohn schon recht gewesen. Weil er sich damals von Carmen getrennt hat, war meine Schwiegermutter überhaupt nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Aber es gibt kaum jemand, über den meine Schwiegermutter nicht hergezogen ist. Sie selbst hat sich für das Maß der Dinge gehalten. Ihr Selbstbewusstsein war fast schon krankhaft.“

„Wenn Sie Montagmorgen ab 7:00 Uhr in der Arbeit waren, können Sie gar nicht bestätigen, dass Ihre Frau zum Tatzeitpunkt zu Hause war.“

„Nein, kann ich nicht. Aber für Carmen lege ich die Hand ins Feuer. Die war ihrer Mutter geradezu hörig. Meine Frau können Sie als Täter ausschließen.“

„Wenn jemand gewaltsam ums Leben kommt, muss nicht immer ein Mord aus niedrigen Beweggründen dahinterstecken“, belehrte Degenhart den Mann. „Es kann aus den verschiedensten Gründen zu Affekthandlungen kommen, und davor ist wahrscheinlich kein Mensch auf dieser Welt gefeit. Können Sie Ihre Frau herholen?“

„Ich glaube, ich habe sie ziemlich aus der Fassung gebracht“, murmelte Franz Ringer etwas geknickt. „Ich schau mal nach ihr. Einen Moment bitte.“

Nach dem letzten Wort erhob sich Franz Ringer und verließ den Raum. Da er die Türe offen gelassen hatte, konnten die beiden Beamten wenig später murmelnde Stimmen vernehmen. Was jedoch gesprochen wurde, war nicht zu verstehen. Wenig später aber erschien das Ehepaar und sowohl Degenhart als auch Kutzer registrierten, dass Carmen Ringer geweint hatte. Als sie saß, sagte der Hauptkommissar: „Wir haben Ihr Alibi noch nicht geprüft, Frau Ringer. Wo waren Sie am Montagmorgen, als Ihre Mutter starb?“

Die Frau starrte den Beamten an, als hätte er kompletten Unsinn von sich gegeben. Dann schniefte sie vernehmlich und antwortete mit weinerlicher Stimme: „Ich war zu Hause. Wo soll ich sonst gewesen sein?“

„Kann das jemand bestätigen?“

„Mein Sohn. Wir haben gemeinsam versucht, meiner Mutter telefonisch zum Geburtstag zu gratulieren, aber sie nahm nicht ab. Ich habe mir auch keine Gedanken gemacht, denn ich sagte mir, dass sie vielleicht noch irgendetwas zu besorgen hatte für Nachmittag, nachdem sie die ganze Familie zu Kaffee und Kuchen eingeladen hatte.“

„Auch die Frau Ihres Bruders Bruno?“

„Die natürlich nicht. Waltraud gehört nicht dazu und wird nie dazu gehören. Wahrscheinlich war sie es sogar, die ...“

Carmen Ringer brach abrupt ab.

Hauptkommissar Degenhart wusste, was sie sagen wollte, warf seinem Kollegen einen Blick zu und sagte: „Ich denke, wir haben genug gehört. Was meinst du?“

„Denk ich auch.“

„Wir gehen“, erklärte der Hauptkommissar. „Sollte sich herausstellen, dass Sie zum Zeitpunkt des Todes Ihrer Mutter in der Arbeit waren, Herr Ringer, dann sind Sie natürlich aus dem Schneider.“

„Meine Angabe wird Ihrer Nachprüfung standhalten“, versetzte Ringer.

„Wenn du mich fragst, dann tun sich in dieser Familie Abgründe auf“, stieß Oberkommissar Kutzer hervor, als er wieder hinter dem Steuer des Dienstwagens saß und das Fahrzeug in Richtung Polizeiinspektion lenkte. „Und die Getötete wollte all das Negative, mit dem sie sich seit Jahren konfrontiert sah, verdrängen – vielleicht auch kompensieren, indem sie sich mit einem Panzer aus Arroganz und Boshaftigkeit wappnete. Sie versuchte das alles zu verdrängen, suchte die Splitter in den Augen der anderen und übersah dabei die Scherben in den eigenen.“

„Ja, das sehe ich genauso. Leider gibt uns diese Erkenntnis nicht den geringsten Hinweis darauf, wer Anna Scholz vom Leben zum Tod beförderte. So richtig freundlich gesinnt war ihr – außer Carmen Ringer – niemand in der ganzen Familie. Sie waren untereinander zerstritten. Bruno Scholz war so etwas wie das schwarze Schaf der Familie. Seine Mutter machte ihm die schwersten Vorwürfe und Vorhaltungen wegen seiner Straftat und weil er die viel ältere Frau geheiratet hat. Waltraud Scholz und Franz Ringer hassten Anna Scholz. Carmen Ringer hat Waltraud Scholz als falsche Kuh bezeichnet. Wilhelm Scholz hat uns erzählt, dass er seinen Schwager Franz nicht besonders gut leiden kann.“

„Warten wir bis zum Montag, was uns Jakob Trummer zu erzählen hat“, gab der Oberkommissar zu verstehen und bremste ab, weil vor ihm die Bremslichter eines Wagens aufleuchteten. Eine Ampel ein ganzes Stück weiter vorne hatte auf Rot umgeschaltet und die vor den Beamten fahrende Autokolonne kam zum Stehen. „Ich bin aber auch neugierig, was die Vernehmung von Erich Scholz in Nürnberg ergeben hat.“

„Er war scheinbar der Liebling seiner Mutter, weil er als Beamter zumindest annähernd das erreicht hat, was sie sich für ihre Kinder wünschte. Auch sollten wir mal mit Sebastian Ringer sprechen, dem Enkel der Getöteten. Ich vermute nämlich den Täter im engsten Umfeld des Opfers, und dazu gehört auch der junge Mann. Aber an oberster Stelle auf meiner Liste der Verdächtigen steht im Moment Franz Ringer. Der hat jahrelang gute Miene zum bösen Spiel gemacht, und am Montag ist vielleicht eine Sicherung bei ihm durchgebrannt.“

Kutzers Mundwinkel bogen sich skeptisch nach unten. „Wenn er zu dem Zeitpunkt, als bei Anna Scholz der Tod eintrat, an seinem Arbeitsplatz war, kannst du ihn von deiner Liste nehmen.“

„An zweiter Stelle steht bei mir Waltraud Scholz und ihr folgt Bruno Scholz, ihr Gatte. Immerhin hat er die Tote gefunden. Wer sagt uns denn, dass er sie nicht erwürgt hat, ehe er Polizei und Rettungsdienst verständigte. Ich schließe auch nicht aus, dass er zusammen mit seiner Frau die später Getötete aufsuchte, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Es kam zum Streit, der schließlich eskalierte ...“

„Das kann ich mir nicht vorstellen“, erklärte der Oberkommissar, „nachdem Anna Scholz ihrer Schwiegertochter den Zutritt zu ihrer Wohnung von Anfang an verweigert hatte. Oder würdest du zu jemandem gehen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren, von dem du weißt, dass er mit dir nichts zu tun haben möchte und du bei ihm den Fuß nicht über die Schwelle bekommen wirst?“

„Vielleicht starteten sie einen Versöhnungsversuch zum 75. Geburtstag der Frau Scholz“, mutmaßte Hauptkommissar Degenhart.

„Das glaube ich nicht“, knurrte Oberkommissar Kutzer. „Zwischen Anna Scholz und ihrer Schwiegertochter waren die Fronten geklärt, da herrschte Eiszeit. Bruno Scholz stand dazwischen. Vielleicht sollte man ihn an die zweite Stelle auf unserer Verdächtigenliste setzen.“

Kutzer fuhr wieder an, denn die Ampel zeigte grünes Licht. Zwanzig Minuten später betraten die beiden Kommissare die Polizeiinspektion und gleich darauf auch Degenharts Büro. Auf seinem Schreibtisch lagen einige bedruckte Blätter. Der Hauptkommissar nahm sie, warf einen Blick darauf, und sagte: „Die Kollegen in Nürnberg haben das Protokoll hinsichtlich der Vernehmung von Erich Scholz gefaxt.“ Nach dem letzten Wort setzte er sich und heftete seinen Blick auf das oberste Blatt Papier. Er las es durch, nahm sich den zweiten Bogen und schließlich auch den dritten vor, legte das Vernehmungsprotokoll zurück auf den Schreibtisch und richtete den Blick auf Kutzers Gesicht. „Erich Scholz war am Montag in der Früh nachweislich in Nürnberg, ebenso seine Frau und seine drei Kinder. Sie scheiden aus als Täter.“

„Fein“, versetzte Oberkommissar Kutzer, „dann brauchen wir uns auf ihn und seine Familie schon nicht mehr konzentrieren. Ich würde sagen, wir haben eine erste Eingrenzung des Täterkreises. Warten wir noch ab, was die Vernehmung des Kommisskopfes am Montag ergibt, und dann sollten wir damit beginnen, zu selektieren.“

„Okay, dann machen wir für heute – ich meine für diese Woche – Schluss. Du hast recht, wir müssen abwarten, was uns die nächste Woche beschert.“

„Dann bleibt es mir nur noch, dir ein erholsames Wochenende zu wünschen“, sagte Karl Kutzer.

„Ja, erholsam wird es ganz sicher, denn wir haben uns vorgenommen, die beiden nächsten Tage nicht aus dem Tempel zu gehen und alle Fünfe gerade sein zu lassen. Heute Abend gehen meine Frau und ich allerdings zum Griechen.“

„Zu Costa, wie?“

„Ja. Von all den Griechenrestaurants hier in Weiden ist mir Costa das Liebste. Bei dem stimmt alles.“

„Meine Frau und ich gehen lieber gutbürgerlich essen“, erklärte Karl Kutzer. „Zurzeit bevorzugen wir den Ratskeller am Unteren Markt. Bei dem kriegst du einen Zander, der sich Sie schreibt. Ich kann dir nur raten, dort auch mal hinzugehen.“

„Ich werd‘ meiner Frau den Vorschlag machen. Fisch isst sie nämlich für ihr Leben gern. - Dir auch ein schönes Wochenende, Kollege. Wir sehen uns dann am Montag früh in alter Frische.“

Kutzer verließ das Büro, die beiden Kommissare traten das Wochenende an.

Am Morgen des darauffolgenden Montags trat Hauptkommissar Degenhart seinen Dienst zwanzig Minuten früher an als normal, denn er erwartete Jakob Trummer, den pensionierten Offizier der Bundeswehr, dessen Vernehmung er sich nicht ganz einfach vorstellte.

Er hatte sich eine Tageszeitung mitgebracht, schlug die Seite mit den Todesanzeigen auf und sein Blick erfasste die Todesanzeige von Anna Scholz, die ihre Kinder erst veröffentlichen ließen, nachdem der Staatsanwalt den Leichnam freigegeben hatte und ein Termin für die Beerdigung feststand. Der Trauergottesdienst sollte am kommenden Mittwoch um 9:00 Uhr abgehalten werden, anschließend würde auf dem Stadtfriedhof die Verabschiedung stattfinden. Der Leichnam sollte eingeäschert werden und die Urnenbeisetzung zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis stattfinden.

Oberkommissar Kutzer betrat das Büro. „Guten Morgen, alles in Ordnung?“

„Ebenfalls guten Morgen. Der Termin für die Beerdigung von Anna Scholz steht fest. Sie findet am Mittwoch auf dem Stadtfriedhof statt. Ich muss mich berichtigen – sie wird dort nicht beerdigt, sondern geht von dort aus auf den Weg ins Krematorium. Möglicherweise sollten wir der Zeremonie beiwohnen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass auch ihr Mörder anwesend ist.“

„Allerdings wird er sich nicht als dieser zu erkennen geben“, versetzte Kutzer und schaute auf seine Armbanduhr. „Fünf Minuten vor 8. Der Herr Major dürfte jeden Moment antanzen.“

„Wie ich ihn einschätze, kommt er keine Sekunde früher.“

„Wie war‘s beim Griechen?“

„Das Essen war wie immer vorzüglich. Du solltest wirklich mal mit deiner Frau dorthin gehen.“

„Ich werd‘s mir überlegen.“

In dem Moment, als Hauptkommissar Degenhart die Zeitung wieder zusammenlegte, klopfte es an der Tür. Die Blicke der beiden Beamten kreuzten sich, Degenhart nickte, Kutzer ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand Jakob Trummer und schnarrte sogleich: „Da bin ich. Ich hoffe, Sie verschwenden nicht unnötig meine kostbare Zeit.“

„Keine Sorge“, versetzte Kutzer mit Eis in der Stimme, trat zur Seite und vollführte eine einladende Handbewegung. „Treten Sie ein.“

Die linke Braue Trummers zuckte in die Höhe, was seinem Gesicht einen ausgesprochen arroganten Ausdruck verlieh, mit einem Ruck setzte er sich in Bewegung und ging an dem Oberkommissar vorbei in das Büro. „Es ist 8:00 Uhr, ich bin pünktlich, wir können beginnen. Wo darf ich mich hinsetzen?“

Die Art und Weise, mit der Jakob Trummer auftrat, führte bei Degenhart zu einer erhöhten Adrenalinausschüttung, Zorn kochte in ihm hoch und er stieß grimmig hervor: „Bei uns hier ist es Sitte, dass man grüßt, wenn man ein Zimmer betritt. Vielleicht legte man bei der Bundeswehr darauf keinen Wert, bei uns aber ist das anders. Oder muss ich davon ausgehen, dass Ihnen niemals jemand den erforderlichen Anstand beigebracht hat?“

Trummer zeigte Anzeichen von Unsicherheit. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm auf diese Art und Weise begegnete. Als Major war er in der Regel gegrüßt worden, und diesen Anspruch hatte er auch auf sein ziviles Leben übertragen. Nun aber war da jemand, der ihn mit genau jenem Tonfall, den er selbst am Leibe hatte, und in militärisch schroffer Weise zurechtwies. Sein Blick irrte ab, er schluckte und räusperte sich, plötzlich aber strafften sich seine Schultern, er schien zu seiner blinden Selbstsicherheit zurückgefunden zu haben und blaffte:

„Im Gegenteil, ich habe eine ausgesprochen gute Erziehung genossen. Wenn Sie das Gegenteil behaupten wollen, beleidigen Sie meine Eltern.“

Degenhart winkte ab. „Das liegt mir natürlich fern, und wir haben Sie auch nicht vorgeladen, um uns über Formalitäten zu streiten.“ Er wies auf einen der Stühle bei dem kleinen Besuchertisch. „Setzen Sie sich.“

Trummer ging zu dem Tisch hin und ließ sich nieder. Die beiden Beamten setzten sich zu ihm, und der Hauptkommissar sagte: „Reden wir nicht lang drumherum, Herr Trummer. Ich frage Sie jetzt etwas, und erwarte eine klare Antwort: Hatten Sie mit Frau Anna Scholz ein Verhältnis?“

„Nein.“

„Sie sollen aber sehr viel Zeit bei ihr verbracht haben.“

„Wir waren gut befreundet. Dass die Leute sich den Mund zerreißen, war sowohl mir als auch Anna klar, doch wir scherten uns nicht darum. Seh‘ ich aus wie ein Mann, der mit einer dreizehn Jahre älteren Frau – einer Greisin sozusagen – ein Verhältnis anfängt?“

„Wie sieht ein Mann aus, der das macht?“, warf Oberkommissar Kutzer hin.

„Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass es mir nie im Traum eingefallen wäre, mit dieser alten Frau irgendwie intim zu werden. Und falls Sie jetzt noch von mir wissen wollen, ob ich sie umgebracht habe, dann lautet die klare Antwort nein. Warum sollte ich sie umbringen? Außerdem bin ich nie so früh am Morgen zu ihr gegangen.“

„Wie und wann entstand die Freundschaft zwischen Ihnen und Frau Scholz?“

„Ist das für die Aufklärung des Verbrechens relevant?“

Die Frage brachte Oberkommissar Kutzer gleich wieder auf die Palme. Elender Kotzbrocken!, schoss es ihm durch den Kopf, dann knirschte er: „Über die Relevanz von Fragen und Antworten sollten Sie uns entscheiden lassen, guter Mann. Es ist ...“

„Ich bin nicht Ihr guter Mann!“, fiel ihm Jakob Trummer ins Wort und funkelte ihn kriegerisch an.

Hauptkommissar Degenhart hob beschwichtigend die rechte Hand und sagte: „Beruhigen Sie sich, Herr Trummer. Und dann beantworten Sie bitte meine Frage.“

„Ich kannte Frau Scholz seit etwa fünf Jahren, zu dieser Zeit wohnte ich im selben Haus wie sie, allerdings nur zur Miete. Ich habe hin und wieder eine Besorgung für sie erledigt, und so ist unsere Freundschaft entstanden. Vor drei Jahren habe ich mir dann meine jetzige Wohnung gekauft und bin ausgezogen, die Freundschaft haben wir allerdings aufrechterhalten.“

„Haben Sie Frau Scholz finanziell unterstützt?“

Trummer fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, dann zog er die Unterlippe zwischen die Zähne und kauerte darauf herum.

„Warum zögern Sie mit der Antwort?“ Der Blick des Hauptkommissars, mit dem er Jakob Trummer musterte, war durchdringend und schien dem ehemaligen Offizier Unbehagen zu bereiten, denn er zog die Schultern an und vermied es, Degenhart anzuschauen.

„Nun ja ...“, setzte Trummer zu einer Antwort an, brach aber sogleich wieder ab, als sträubte sich alles in ihm, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.

„Sie haben Frau Scholz also Geld gegeben“, zog der Hauptkommissar schließlich den richtigen Schluss, und als Trummer nickte, fragte er: „Wie viel haben Sie ihr gegeben und – warum haben Sie sie unterstützt? Sie waren ihr doch nicht zum Unterhalt verpflichtet.“

„Es waren unterschiedlich hohe Beträge“, antwortete Jakob Trummer. „Anna hat für mich gekocht und ich habe ihr gewissermaßen Kostgeld gezahlt. Das ist der Grund. Daran ist ja wohl auch nichts Verbotenes.“

Der letzte Satz kam schon wieder in seiner gewohnt schnoddrigen und selbstbewussten Art. Herausfordernd schaute er jetzt den Hauptkommissar an.

„Nein, daran ist nichts Verbotenes“, bestätigte Degenhart. „Hat es zwischen Ihnen und Frau Scholz auch mal Streit gegeben?“

Trummer schüttelte den Kopf. „Nie“, verneinte er. „Worüber hätten wir streiten sollen? Ich habe mich nicht in ihre Angelegenheiten eingemischt und sie sich nicht in die meinen.“

„Das Verhältnis der Getöteten zu ihren Kindern scheint nicht schlecht gewesen zu sein“, sagte Hauptkommissar Degenhart. „Wobei sich Bruno wahrscheinlich eine Reihe von Vorwürfen anhören musste, nachdem in seinem Leben nicht alles so gelaufen ist, wie es sich seine Mutter vielleicht gewünscht hatte. Was Brunos Frau angeht, scheint das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter ziemlich getrübt gewesen zu sein. Das gleiche gilt für ihren Schwiegersohn, Herrn Ringer.“

Jakob Trummer spitzte einen Moment die Lippen, schaute sekundenlang auf einen unbestimmten Punkt im Raum, dann antwortete er: „Bruno taugt nicht viel. Er hat einen schlechten Umgang gepflegt und ist sogar kriminell geworden. Die Frau, mit der er jetzt verheiratet ist, stammt aus total verkorksten Verhältnissen, ihr erster Mann war ein arbeitsscheues, kriminelles Subjekt, das - soweit ich weiß – mehr als die Hälfte seines Lebens hinter Gittern saß. Man hat sogar getuschelt, dass Waltraud in einer bekannten Weidener Kneipe angeschafft haben soll. Aber das habe ich nur gehört und ich möchte es auf keinen Fall behaupten. Jedenfalls ist sie bis ins Knochenmark asozial und in der Familie Scholz möchte keiner mit ihr etwas zu tun haben. Dass Franz auf seine Schwiegermutter schlecht zu sprechen gewesen sein soll, ist mir neu.“

„Das ist so“, behauptete Degenhart. „Eine Frage noch, Herr Trummer: Haben Sie für vorigen Montag, für die Zeit zwischen 7 und 9 Uhr ein Alibi?“

„Nein. Ich lebe nämlich alleine, wenn ich Ihnen aber sage, dass ich bis kurz nach 8:00 Uhr im Bett gelegen habe, dann müssen Sie mir das glauben.“

„Im Moment gibt es für mich keinen Grund, dies anzuzweifeln“, erklärte der Hauptkommissar.

Das große Buch der Berg-Krimis Dezember 2019

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