Читать книгу Das große Buch der Berg-Krimis Dezember 2019 - Peter Haberl - Страница 21

3. Kapitel

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Sie nahmen im Esszimmer Platz. Auf dem Tisch standen eine Flasche Sekt und ein halb gefülltes Glas. „Verstehen Sie das nicht falsch“, sagte Carmen Ringer mit unsicherer Stimme, „normalerweise trinke ich nicht. Aber der Tod meiner Mutter – dieser sinnlose, gewaltsame Tod, ausgerechnet an ihrem 75. Geburtstag – lässt mich nicht mehr los. Ich gehe mit dem Gedanken daran abends ins Bett und stehe am Morgen wieder mit ihm auf. Ich – ich versuche meine Empfindungen zu betäuben. Doch es will mir nicht gelingen.“

„Ich glaube nicht, dass Alkohol das richtige Mittel ist, um Emotionen – egal welcher Art – unter Kontrolle zu bringen“, gab Hauptkommissar Degenhart zu bedenken. „Was sagt Ihr Mann dazu?“

„Ich sagte es doch bereits: Normalerweise trinke ich nicht. Mein Mann hat sehr viel Verständnis für meine derzeitige Gefühlslage und lässt den Dingen ihren Lauf.“

„Er ist in der Arbeit, wie?“, erkundigte sich Oberkommissar Kutzer.

„Ja.“

„Gehen Sie auch einer Arbeit nach?“

„Manchmal übe ich einen Aushilfsjob bei einem Friseur aus. Ich habe den Beruf mal erlernt, war aber, nachdem ich unser erstes Kind bekam, nicht mehr als Friseuse – abgesehen von den Aushilfsjobs – tätig.“

„Ihre Mutter kam auf gewaltsame Weise ums Leben. Darüber hat man Sie ja in der Zwischenzeit informiert. Hatte Ihre Mutter Feinde? Ich meine, gab es jemand, der ihr nicht freundlich gesinnt war?“

„Meine Mutter! Feinde? Nein – o nein! Sie war bei allen Menschen, die sie konnten, angesehen und beliebt. Warum sollte sie Feinde haben? Sie hat keinem Menschen etwas getan, sie war eine herzensgute Frau.“

„Sie sind die erste, die uns Ihre Mutter so beschreibt“, versetzte Degenhart unbeeindruckt. „Ihre Nachbarn haben sie als missgünstig und neidisch beschrieben, Ihre Schwägerin sogar als ordinär und unverschämt.“

Carmen Ringers Gesicht veränderte sich zu einer Maske der Wut, sie griff nach dem Sektglas, trank es mit einem Zug leer, setzte es hart auf den Tisch zurück und fauchte: „Sie reden sicherlich von Waltraud, dieser falschen Kuh! Natürlich!“ Carmen Ringer schlug sich mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn. „Waltraud war meiner Mutter alles andere als freundlich gesinnt, der traue ich sogar den Mord zu. Die ist doch asozial bis in die Knochen, und ich bin davon überzeugt, dass sie damals, als mein Bruder zusammen mit ihrem Mann und ihrem Bruder den Raubüberfall ausführte, ihre schmutzigen Hände im Spiel hatte.“

Die Brauen Degenhart schoben sich zusammen, er sagte: „Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung? Ich muss Ihnen ja sicherlich nicht sagen, dass es gefährlich sein kann, solche Behauptungen aufzustellen.“

„Gegen sie wurde doch damals ermittelt. Man vermutete, dass sie Schmiere gestanden hat, während mein Bruder und seine beiden Kumpane in das Haus des Mannes eindrangen. Allerdings wurde sie von keinem der drei belastet und so hat der Staatsanwalt die Ermittlungen gegen sie eingestellt.“

„Es war nicht nur Ihre Schwägerin, die Ihrer Mutter kein besonders gutes Zeugnis ausgestellt hat. Auch die Nachbarn Ihrer Mutter äußerten sich nicht gerade freundlich über sie.“

„Das sind alles Proleten, die meine Mutter aus Neid schlecht machen.“

„Worauf sollten diese Leute Ihrer Mutter neidisch sein?“, klinkte sich wieder Oberkommissar Kutzer ins Gespräch ein.

„Nun ja, meine Mutter besaß eine schuldenfreie Eigentumswohnung, ein neues Auto und sie fuhr einmal im Jahr zwei Wochen lang ans Mittelmeer. Das können sich viele ihrer Nachbarn nicht leisten, und darum hat keiner von ihnen meiner Mutter das schöne Leben gegönnt. Diese Bande ist nur aus Missgunst und Neid zusammengesetzt.“

„Woher hatte Ihre Mutter das Geld für ein derart sorgenfreies Leben?“, mischte sich wieder Degenhart ein. „Sie war Hilfsarbeiterinnen in der Porzellanindustrie, ihre Rente wird also nicht allzu hoch gewesen sein, und was die Witwenrente anbetrifft, so dürfte diese auch nur ziemlich gering ausgefallen sein, ist Ihr Vater doch ziemlich jung gestorben, und auch er war nicht gerade ein Großverdiener.“

Das Gesicht von Carmen Ringer hatte sich wieder etwas entkrampft, allerdings schien der letzte Schluck Sekt ihren Zustand gehörig verschlechtert zu haben, denn ihr Kinn sank immer wieder auf die Brust, als wäre der Kopf plötzlich zu schwer geworden und der Hals zu schwach, um ihn erhoben zu halten.

„Meine Mutter war halt ihr Leben lang sparsam“, lallte sie und bekam plötzlich Schluckauf. „Im Übrigen frage ich mich, was die finanziellen Verhältnisse meiner Mutter mit ihrer Ermordung zu tun haben.“

Carmen Ringer gab sich Mühe, ihrem Blick ein hohes Maß an Trotz zu verleihen, doch es gelang ihr nicht, dem Blick des Hauptkommissars länger als zwei – drei Sekunden standzuhalten. Und wieder musste sie hicksen.

„Ihre Schwägerin und Ihr Bruder meinen, dass Ihre Mutter möglicherweise Geld von Herrn Jakob Trummer erhielt.“

Carmen Ringer kicherte. „Das mit dem Trummer ist so eine Sache“, stieß sie dann hervor. „Er ist dreizehn Jahre jünger als meine Mutter und kein Mitglied der Familie kann sich vorstellen, dass er irgendein sexuelles Interesse an ihr hatte. Meine Mutter war stark übergewichtig und gehbehindert. Soviel ich weiß, hat der Trummer auch nie in der Wohnung meiner Mutter übernachtet. Weiß der Teufel, warum er sich so an meine Mutter gehängt hat.“

„Kann es sein, dass er Ihre Mutter finanziell unterstützte?“, fragte Kutzer.

„Ich weiß es nicht.“ Carmen Ringer hickste.

„Wie war das Verhältnis Ihres Mannes zu seiner Schwiegermutter?“

„Gut, wie soll es sonst gewesen sein? Meine Mutter hat Franz sehr gemocht.“

„Das mag sein“, versetzte Degenhart, „allerdings hat man uns erzählt, dass er als gelernter Schlosser nicht dem Niveau entsprach, das sich Ihre Mutter von ihrem Schwiegersohn erwartete.“

„Von wem stammt diese gemeine Lüge?“, giftete die angetrunkene Frau. „Wahrscheinlich auch von Waltraud. Die soll bloß vorsichtig sein! Sonst lernt sie mich mal kennen!“

„Diese Aussage stammt von Ihrem Bruder Bruno. Er hat uns auch erzählt, dass Ihre Mutter ziemlich rüde über einen früheren Freund von Ihnen, nämlich Doktor Martin Matheis, hergezogen ist. Grund dafür war, dass Herr Matheis damals die Freundschaft mit Ihnen beendete und sich damit die Feindschaft Ihrer Mutter zuzog.“

Carmen Ringer verzog den Mund, was wohl ihre Geringschätzung zum Ausdruck bringen sollte, was aber im Endeffekt nur ein klägliches Verrutschen ihrer Gesichtszüge war. Dann stieß sie hervor: „Meine Mutter hat den Martin nie leiden können. Und als die Sache zwischen uns damals auseinanderging, war sie alles andere als böse. Dass der Martin keinen Charakter hat, hat sie damals nämlich sehr schnell erkannt.“

„Gibt es einen Grund Ihrerseits, Herrn Doktor Matheis Charakterlosigkeit zu unterstellen?“

„Na ja, er soll aufs Geld sein wie der Teufel auf die arme Seele, der soll sogar seinen eigenen Vater, der bei ihm im Haus gelebt hat und ein Pflegefall war, bis zu dessen Tod ausgenommen haben wie eine Weihnachtsgans.“

„Sie sagen, er soll ... Konkret wissen Sie also nichts.“

„Ich kann Ihnen nur sagen, was meine ...“ Carmen Ringer brach ab, räusperte sich, schluckte würgend und wich dem Blick des Hauptkommissars betreten aus.

„Sie geben genau das wider, was Ihnen Ihre Mutter vorgesagt hat, wie?“, knurrte Degenhart.

„Er hat meiner Mutter gedroht!“, keifte Carmen Ringer und schaute den Hauptkommissar bedeutungsvoll an.

„Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es mal raucht, wenn Ihre Mutter nicht aufhört, ihn vor Gott und der Welt schlecht zu machen. Solche – hm, Drohungen werden allein in Weiden wohl am Tag tausendmal ausgesprochen. Ein Indiz dafür, dass Doktor Matheis in die Wohnung Ihrer Mutter eingedrungen ist und sie getötet hat sehe ich in dieser Aussage nicht. Auch wenn Sie das vielleicht jetzt gerne hören wollen.“

„Unterstellen Sie mir nur nichts!“, schnappte Carmen Ringer, legte den Kopf in den Nacken und griff sich mit der rechten Hand an die Stirn. „Mir ist nicht gut, ich glaub, ich muss mich hinlegen. Wenn ich Sie also bitten dürfte, mich alleine zu lassen. - Mein Gott, ist mir plötzlich übel.“ Mit dem letzten Wort stemmte sie sich am Tisch in die Höhe, wankte bedenklich und ließ ein leises, aber langgezogenes Stöhnen vernehmen.

Sie war keine gute Schauspielerin.

Die beiden Kommissare erhoben sich, Degenhart sagte: „Wir kommen in den nächsten Tagen sicher noch einmal bei Ihnen vorbei, Frau Ringer. Legen Sie sich jetzt hin und versuchen Sie zu schlafen, und – es wäre für Sie vielleicht besser, nicht mehr zum Alkohol zu greifen, wenn Sie die Trauer um Ihre Mutter übermannt. Alkohol ist nämlich kein adäquates Mittel, um Probleme zu lösen.“

„Normalerweise trinke ich nicht ...“

Als Degenhart und Kutzer auf der Straße standen, knurrte der Oberkommissar: „Wer‘s glaubt, wird selig.“

„Wovon redest du?“

„Von ihrer Behauptung, dass sie normalerweise nicht trinkt.“

„Ich nehme ihr das auch nicht ab. Etwas übertrieben kam mir auch ihre Aussage vor, dass ihre Mutter eine Seele von Mensch gewesen sei. Ich glaube nicht, dass ihr Charakter von den Mitmenschen ausgesprochen negativ eingestuft wird, nur weil man ihr aus nicht nachvollziehbaren Gründen irgendetwas neidet oder weil man ihr gegenüber missgünstig eingestellt ist.“

Scholz Wilhelm, der jüngste Sohn der getöteten Anna Scholz, wohnte auch nicht weit entfernt, nämlich in der Kantstraße, ebenfalls im Ortsteil Hammerweg. Als Bäcker begann sein Tag ausgesprochen früh, dafür aber war er jetzt, es war noch nicht einmal ein Uhr, schon zu Hause. „Mein Mann schläft“, sagte seine Gattin, die die Korridortür gerade so weit geöffnet hatte, dass von ihrem Gesicht lediglich ein drei Zentimeter breiter, senkrechter Ausschnitt zu sehen war. „Er war seit halb 3 Uhr auf den Beinen ...“

„Darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen, Frau Scholz“, versetzte Hauptkommissar Degenhart. „Ihnen ist sicher bekannt, dass Ihre Schwiegermutter gewaltsam zu Tode kam. Unsere Aufgabe ist es, denjenigen, der sie tötete, zu entlarven. Den Täter zu überführen dürfte auch im Interesse Ihres Mannes, der ja ein Sohn der Getöteten ist, liegen.“

Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, dass die Frau von Wilhelm Scholz aggressiv reagieren wollte. Doch dann seufzte sie nur ergeben, zog die Tür auf und trat zur Seite. „Kommen Sie herein, ich wecke Wilhelm auf. Erfreut wird er nicht gerade sein. Aber er wird es wohl akzeptieren müssen.“

Sie geleitete die beiden Beamten ins Wohnzimmer und bot ihnen Plätze zum Sitzen an. Ehe sie sich abwandte, um ihren Mann zu holen, fragte sie: „Waren Sie denn schon bei Bruno und bei Carmen? Falls nicht, sollten Sie ...“

Degenhart unterbrach sie, indem er hervorstieß: „Wir waren sowohl beim Bruder als auch bei der Schwester Ihres Mannes. Und jetzt sind wir hier, weil wir auch Ihrem Gatten ein paar Fragen zu stellen haben. Also bitte ...“

Es hatte ziemlich ungeduldig geklungen. Mit zwingendem Blick musterte er die etwa fünfunddreißigjährige Frau, die das blonde Haar kurz geschnitten trug und mit einer engen Jeans bekleidet war, die ihre ziemlich üppigen Proportionen von der Hüfte abwärts betonte. Auch die enge, weiße Bluse spannte sich bedenklich über ihrer Brust und hätte nach Meinung des Hauptkommissars leicht ein oder zwei Nummern größer ausfallen sollen.

Ihr ganzes Verhalten mutete trotzig und in gewisser Weise respektlos an und war nicht dazu angetan, die Stimmung des Hauptkommissars zu heben. Da er das Gefühl hatte, in der Sache Anna Scholz auf der Stelle zu treten, tendierte diese nämlich gegen Null, und ein derartiges emotionales Tief machte Degenhart leicht reizbar.

„Schon gut, schon gut!“, entfuhr es der Frau, sie schwang auf dem Absatz herum und verließ das Wohnzimmer. Es dauerte keine zwei Minuten, dann erschien Wilhelm Scholz. Hauptkommissar Degenhart registrierte, dass er weder seinem Bruder Bruno noch seiner Schwester Carmen in irgendeiner Weise ähnlich sah. Wilhelm Scholz war eher klein, dafür aber ziemlich übergewichtig. Obwohl er noch keine vierzig war, verfügte er nur noch über einen dunklen Haarkranz, und selbst der präsentierte sich schon ausgesprochen licht. Sein rundliches Gesicht wies eine gesunde Färbung auf. Er hatte sich einen etwas mitgenommen wirkenden Trainingsanzug angezogen.

Fast feindselig fixierte er abwechselnd die Polizisten. „Ich wüsste nicht, was ich Ihnen zum Tod meiner Mutter sagen könnte. Ich hatte mir an diesem Tag freigeben lassen, weil wir am Nachmittag zu ihr zum Kaffeetrinken eingeladen waren, feierte sie doch am Montag ihren 75. Geburtstag. Meine Frau und ich schliefen an diesem Tag etwas länger, doch dann, irgendwann zwischen neun und halb zehn rief mich mein Bruder an und eröffnete mir, dass meine Mutter tot in einer Blutlache in ihrer Wohnung gelegen hat. Ich hab nicht den geringsten Schimmer, wer ihr das angetan haben könnte. Darum kann ich mir auch nicht vorstellen, was Sie von mir wollen.“

„Setzen Sie sich, Herr Scholz“, gebot Hauptkommissar Degenhart, und nachdem sich Wilhelm Scholz etwas zögerlich niedergelassen hatte, fuhr er fort: „Wir haben einige Nachbarn Ihrer Mutter befragt und darüber hinaus mit Ihrem Bruder Bruno sowie Ihrer Schwester Carmen gesprochen.“

„Ja und? Wissen‘s denn schon, wer meine Mutter umg‘bracht hat? Sind’s gekommen, um mir den Namen ihres Mörders zu nennen? Soll ich raten, wer‘s getan hat?“

„Sagten Sie nicht eben, Sie hätten nicht den geringsten Schimmer, wer sie getötet haben könnte?“, fragte Oberkommissar Kutzer.

„Das hindert mich doch nicht, zu raten!“

„Na, dann sagen Sie uns doch, wen Sie raten würden“, sagte Degenhart.

„Das ist nicht so einfach, aber auf Anhieb würde ich sagen, dass es der Martin war. Er war stinksauer auf meine Mutter und hat ihr gedroht, dass er ihr Dampf unter dem Hintern macht, wenn sie nicht aufhört, ihn überall schlecht zu machen.“

Oberkommissar Kutzers linke Braue zuckte in die Höhe. „Schätzungsweise ist die Rede von Doktor Martin Matheis, nicht wahr?“

„Wenn Sie seinen Namen kennen, dann unterstelle ich, dass Sie Bescheid wissen.“

„Wir haben bereits mit Herrn Doktor Matheis gesprochen“, erklärte der Oberkommissar. „Ihre Mutter war ja nicht gerade gut auf ihn zu sprechen. Dass es Doktor Matheis nicht gefiel, dass sie ihm Geldgier und Charakterlosigkeit nachsagte, ist nachvollziehbar, und dass er dem entgegentrat und sich weitere Verleumdungen und üble Nachreden verbat, ebenso.“

„Sei‘s wie‘s mag“, murmelte Wilhelm Scholz und zuckte mit den Schultern, „meine Mutter ist tot und Tatsache ist, dass sie irgendjemand erdrosselt hat. Ich kann‘s nimmer lebendig mach‘n. Was meint denn mein Bruder? Und was hat Ihnen meine Schwester erzählt?“

„Nicht allzu viel“, versetzte Hauptkommissar Degenhart, beugte sich etwas vor und musterte Wilhelm Scholz mit durchdringendem Blick. „Sagen Sie mal, Herr Scholz, hat Ihre Schwester ein Alkoholproblem?“

In diesem Moment betrat auch wieder die Gattin von Wilhelm Scholz das Wohnzimmer. Sie schien die letzte Frage gehört zu haben, denn sie antwortete anstelle ihres Mannes: „Ein immenses, würde ich sagen. Die ist ja mittags schon angesäuselt und einmal mussten sie sie sogar nach Wöllershof bringen, weil sie im Suff total ausgerastet ist und randaliert hat. Der Franz versucht das natürlich geheim zu halten, und auch meine Schwiegermutter hat darüber tunlichst Stillschweigen bewahrt. In ihren Augen wäre es ja eine Schande gewesen, wenn sich das herumgesprochen hätte.“

„Interessant“, murmelte Degenhart. „Sie war also in der Psychiatrie. Wie lange war sie denn dort zur Behandlung?“

„Nicht lange. Man hat ihr eine Entziehungsmaßnahme vorgeschlagen, aber sie verwahrte sich dagegen, wie eine Alkoholabhängige behandelt zu werden. Also hat man sie noch ungefähr zwei Wochen wieder nach Hause geschickt.“

„Können Sie uns etwas zum Verhältnis Ihrer Schwester zu Ihrer Mutter sagen?“, fragte Degenhardt an Wilhelm Scholz gewandt.

„Sie haben sich verhältnismäßig gut verstanden. Meine Schwester hat zweimal in der Woche bei meiner Mutter geputzt und für sie die eine oder andere Besorgung erledigt. Wenn wir alle bei meiner Mutter versammelt waren, zum Beispiel an ihrem Geburtstag oder zu Weihnachten, habe ich nie feststellen können, dass das Verhältnis zwischen ihr und Carmen irgendwie gestört wäre.“

„Können Sie das auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Ihrer Schwägerin und Ihrer Mutter behaupten?“, mischte sich Oberkommissar Kutzer ein.

„Wenn Sie von der Waltraud sprechen – nein. Als mein Bruder sie geheiratet hat, stand meine Mutter kurz vor einem Kollaps. Was hat sie den Bruno regelrecht bekniet, die Finger von Waltraud zu lassen. Ihr erster Mann war kriminell, schließlich und endlich ist er sogar im Gefängnis gestorben. Nein, das Verhältnis zwischen Waltraud und meiner Mutter war nicht gut, ich möchte sagen, es gab überhaupt kein Verhältnis zwischen den beiden. Bei Familienfeierlichkeiten hat meine Mutter die Waltraud stets ausgeschlossen, und wenn sich Bruno beschwert hat, erklärte sie im klipp und klar, dass auch er wegbleiben könne, wenn es ihm nicht passe.“

„Sie nannten vorhin den Namen Franz“, ergriff nun wieder Hauptkommissar Degenhart das Wort. „Ich vermute, die Rede ist von Franz Ringer, Ihrem Schwager.“

„Richtig. Der versucht natürlich zu vertuschen, dass seine Frau schluckt. Ich persönlich mag ihn nicht besonders, er ist ein Duckmäuser und sagt zu allem, was von meiner Schwester kommt, ja und amen.“

„Die beiden haben zwei Kinder, nicht wahr?“

Wilhelm Scholz nickte. „Den Sebastian und die Angelika. Sebastian ist einundzwanzig Jahre alt, und er lebt noch bei seinen Eltern. Angelika ist neunzehn und vor einem halben Jahr von zu Hause ausgezogen. Sie lebt mit einem Kerl zusammen, den ich persönlich nicht kenne.“

„Aber Jakob Trummer, den ehemaligen Major, kennen Sie sicherlich“, konstatierte Degenhart.

„Ja, natürlich. Der ist ja ständig bei meiner Mutter herumgesessen, hat sie mit seinem Auto spazieren gefahren und das eine oder andere für sie erledigt. So richtig bin ich nie schlau geworden aus dem Verhältnis. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass bei den beiden im Bett etwas gelaufen sein könnte.“

„Zu der Stunde am Montagmorgen, als Ihre Mutter starb, haben Sie also in Ihrem Bett gelegen und geschlafen“, fasste Degenhart das Ergebnis dieses Besuchs zusammen. Er heftete den Blick auf die Gattin des Wilhelm Scholz. „Können Sie das bestätigen, Frau Scholz?“

Sie nickte wiederholt. „Das könnte ich notfalls sogar unter Eid aussagen.“

Das große Buch der Berg-Krimis Dezember 2019

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