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Retrospektiv-empirische Landschaftskonstruktion
ОглавлениеSacred Landscape
Eine weitere Praxis, die häufig mit der Landschaftsarchäologie verbunden wird, ist die retrospektiv-empirische Landschaftskonstruktion. Hierunter sind alle Versuche einzuordnen, landschaftsbezogene Empfindungen vor- und frühgeschichtlicher Menschen zu rekonstruieren, ohne einschlägige Eigenüberlieferung dieser Menschen zu besitzen. Man nutzt dazu Analogien: in prähistorischen Epochen oft aus der Ethnologie, in frühgeschichtlichen Zeiten literarische Quellen (so werden für die Römerzeit nördlich der Alpen gerne zeitgenössische Schriftquellen des mediterranen Raumes herangezogen). Regelhaft spielen jedoch die eigene Sozialisierung und erlernte wissenschaftliche Arbeitsweisen des Archäologen eine große, unkalkulierbare Rolle bei solchen Ansätzen. Als Beispiel wenden wir den Blick auf eine „Sacred Landscape“, die vor- und frühgeschichtlichen Denkmalensembles um Stonehenge in Südengland: Wir wissen praktisch nichts um mögliche Reihenfolge von Ursache und Wirkung – vielleicht war die Landschaft um Stonehenge durch den Bau der bekannten Steinmonumente geheiligt worden, vielleicht war sie aber schon vorher aus heute ganz unbekannten Gründen heilig. Es könnten ja auch ein nur dort vorkommender Vogel oder bestimmte Pflanzengesellschaften dafür ausschlaggebend gewesen sein, die Monumente wären dann die Folge einer Sacred Landscape-Empfindung – nicht die primäre Ursache.
Schließlich können prähistorische Monumente auch andere Empfindungen auslösen, als in den Köpfen rezenter Archäologen, die gerne dem Pathos der Schönen Wilden verfallen (das ist kein Vorwurf; die meisten Biographen neigen eben zu einer wohlwollenden Betrachtung ihres Studienobjekts). Eine Grabhügelnekropole mag wesentlich für das prähistorische Empfinden einer Heiligen Landschaft gewesen sein, vielleicht war sie aber noch vielmehr Aufenthaltsort der verehrten Ahnen oder sogar ein Gegenstück zur sonstigen Landschaft einschließlich derer Heiligtümer. Womöglich prägte die identitätsstiftende, gemeinschaftliche Leistung das Landschaftsempfinden vorrangig, ganz ähnlich wie es die Monumente heute tun: Hier sind die Werke unserer Vorfahren, dies ist unsere Heimat. Oder man sah nach einigen Generationen in alten Grabhügeln und Hengemonumenten nur noch den alten Krempel einer überwundenen Zeit.
Es mag also sicher reizvoll sein, die landschaftswertenden Empfindungen vor Jahrtausenden lebender Menschen zu rekonstruieren – ob daraus ein Erkenntnisgewinn zum Wissen um die damalige Zeit oder nicht doch mehr zu unserem heutigen Denken entsteht, sei dahingestellt.