Читать книгу Das Elefantengrab - Peter Höner - Страница 6

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Verletzt und wütend stapft Alice Maiwa den Strand entlang. Nachdem sie am neuen Spital Lamus vorbeimarschiert ist, verläßt sie den Uferweg, zieht ihre Schuhe aus und platscht durchs Wasser der ausrollenden Wellen. Ein Vergnügen, das ihr als Kind gefiel, jetzt aber keine Freude macht, auch ihre Wut nicht besänftigt, im Gegenteil, und voll Zorn hackt sie ihre Fersen ins Wasser, den Sand.

Sie hat es nicht eilig, zurück ins Hotel zu kommen. Nein, wenn Mettler glaubt, er müßte so kurz vor der Regenzeit noch in den Mulika Range Nationalpark fliegen, dann braucht sie sich auch nicht um seine Gäste zu kümmern, nicht vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, tagaus, tagein.

Er und Tetu müßten die verschwundene Forscherin finden, hat er gesagt. Es sei wichtig, auch für sie, sie beide. Warum? Das hat er nicht gesagt. Und warum er und Tetu? Mettler ist kein Polizist mehr, und Tetu hat dort oben ohnehin nichts zu suchen. Tetu ist Chef der Kriminalpolizei von Lamu. In den Bergen bei den Elefanten gilt er nichts.

Bis zuletzt hatte sie gehofft, Mettler ließe sich von seinem verrückten Vorhaben abbringen. Sie begleitete ihn zum Flughafen Lamus, einer Staubpiste, die ihren Namen nicht verdient, sie warnte vor der Regenzeit, behauptete, eine Piper Cup sei nicht wasserdicht. Mettler lachte und hörte gar nicht zu, tänzelte nur um seinen orangegelben Vogel, ohne zu merken, wie lächerlich er sich machte. Minutenlang kroch er im Stauraum des kleinen Flugzeugs umher und verteilte die wenigen Gepäckstücke, rückte und schob die Piper auf der Piste bald hier, bald dorthin und änderte alte Positionen um wenige Zentimeter. Selbst Tetu amüsierte sich.

Ihr Abschied war denn auch kurz und kühl. Was sie an Mettler liebt, ist seine Ruhe. Seine Gelassenheit. Sein bübischer Eifer ärgert sie, einen Mann mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen findet sie häßlich und dumm.

Als sich die Piperkiste im Dunst des Horizonts verloren hatte, fuhr Alice auf einer Dieseldau, einem motorisierten Segelboot, nach Lamu Stadt. Sie plante, ein paar Freunde zu besuchen, Freunde von früher, ihre Ratgeberin Gertrud Hornacker, die sie aber dann doch nicht sehen mochte, weil sie mit ihrer Enttäuschung allein sein wollte. Wenigstens die halbe Stunde, die sie brauchte, um zu Fuß von Lamu nach Shela zu gelangen, zurück ins Rafiki Beach Hotel.

Natürlich kann Alice verstehen, daß Mettler sich Sorgen macht. Er kennt die Forscherin, ist mit ihr befreundet. Wie gut, das weiß sie nicht. Es interessiert sie auch nicht. Mein Gott, sie kann es sich nicht leisten, jedes Mal eifersüchtig zu werden, wenn Mettler mit einem ihrer Gäste ein paar freundliche Worte wechselt. Mettlers Flirt stört sie nicht, auf jeden Fall weniger als seine Unruhe, seine Sorge um Jill. Bei allem Verständnis. Aber seit er die Vermißtmeldungen in den Zeitungen gelesen hat, führt er sich wie ein verängstigter Affe auf. Er ist nervös, streitsüchtig und, ja, in gewisser Weise geschmacklos. Unanständig und verletzend.

Warum überläßt Mettler die Suche nach Jill Parker nicht ihren Freunden, zum Beispiel Teddy Huber, dem Surflehrer aus Mombasa? Schließlich war Jill mit Huber im Mulika Range Nationalpark. Nur weil sie eine Autopanne hatten, flog Huber nach Nairobi, um dort die notwendigen Ersatzteile zu suchen, die er Jill in den Park schicken ließ. Warum sucht Huber nicht nach Jill?

Oder Wipf, Jills früherer Freund. Fredi Wipf, der Elefantenfilmer und Abenteurer, der bis heute behauptet, Jill finde wieder zu ihm zurück.

Warum Mettler? Ihr Mettler, der ihr versprochen hatte, nie wieder, und ganz bestimmt nicht in Afrika, auch nicht zusammen mit Tetu, in anderer Leute Schicksal herumzuschnüffeln. Nein, er verstößt gegen ihre Abmachungen, verletzt die Spielregeln. Lamu, das Rafiki Beach Hotel, sollten ihre Heimat werden. Und weiße Frauen, ob blond oder rothaarig, hat Mettler zum Tabu erklärt. Vor allem wenn sie ihre Gäste sind.

Das Elefantengrab

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