Читать книгу Das Elefantengrab - Peter Höner - Страница 7

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Mettler und Tetu unterbrechen ihren Flug in Embu, einem kleinen Provinzhauptstädtchen am Fuß des Kiriyagas. Der Mulika Range Nationalpark gehört verwaltungsmäßig zu Embu, der Fall Jill Parker wird von Embus Kriminalpolizei untersucht, und der verdächtige Stanley Muruti, Tetus Schwager, sitzt in Embu im Gefängnis.

Embu ist die Heimat Tetus. Nur ein paar Kilometer höher liegt Kanja, das grüne Dorf zwischen den steilen Hügeln, in dem er geboren wurde, und wo seine Frau und seine Söhne bis heute die Shamba seiner Eltern bestellen. In Embu besuchte er die Polizeischule, hier erlebte er die Feierlichkeiten zu Kenias Unabhängigkeit, Uhuru, und in Embu verliebte er sich in eine Meru, denen man nachsagt, daß sie die schönsten Frauen Kenias sind. Embu, der Nabel der Welt. Für Tetu auf jeden Fall, und vielleicht seine glücklichste Zeit, bevor er dann als junger Polizist nach Narok, schließlich als Kriminalbeamter nach Lamu versetzt wurde, weil die kenianischen Gesetze einem Polizisten verbieten, in seiner Heimatprovinz zu arbeiten. Eine Vorsichtsmaßnahme, die, Tetu weiß es wohl, Vetternwirtschaft und Korruption verhindern soll. Doch seine Frau ließ ihm schreiben, daß die Familie Stanley brauche. Stanley Muruti habe immer alle seine Schulden bezahlt, den Brautpreis für Tetus Schwester, Schulgeld für Jackson, der jetzt eine höhere Schule in Nairobi besuche, selbst Tetus alter Mutter habe Stanley geholfen, als sie nach Embu zum Arzt mußte ... Sie zählte alle Wohltaten auf, die nicht nur Stanley Muruti als Retter der Familie preisen, sondern Tetu daran erinnern sollten, daß er sich, nach der Meinung seiner Frau, zu wenig um seine Familie kümmere.

Der Polizeichef in Embu, ein Luhya aus Kakamega, begrüßt den Kollegen aus Lamu mißtrauisch und unfreundlich. Was will der Mann aus Kanja? Ein Kriminalbeamter aus Lamu hat in Embu nichts zu suchen, und wäre der Kikuyu nicht in Begleitung eines Weißen, und hätte er ihm nicht diskret ein paar Hundertschillingnoten über den Tisch geschoben, der Luhya aus Kakamega hätte den fetten Berufsvetter, höflich aber bestimmt, wieder nach Hause geschickt. Doch die Banknoten, mit einer Büroklammer hinter Tetus Visitenkarte geklemmt, sind ein überzeugenderes Argument als Vorschriften, die niemand überprüft.

Stanley Muruti, ein dürrer Lümmel mit trotzig vorgeschobener Unterlippe -- im Glauben, daß er zu einem weiteren Verhör abgeholt werde -- brüllt schon unter der Türe, daß er nichts zu sagen habe. Er wolle mit einem Anwalt sprechen, er sei unschuldig und werde sich beschweren. Im Übrigen verlange er seine Entlassung, er habe Familie, andernfalls, und dies, obwohl er nur ein kleiner Parkwächter sei, verfüge er über genügend Freunde, die bessere Kontakte hätten, wenn es sein müsse, bis hinauf in allererste Kreise. Ja, sogar höchste Regierungsstellen würden sich für ihn einsetzen, wüßten sie nur, wie schändlich mit ihm verfahren werde. Erst ein Tritt des Beamten, der Muruti aus seiner Zelle holte, bringt seine Klagen zum Verstummen.

Tetu begrüßt Muruti kaum. Ohne Einleitung, die für Afrika üblichen Erkundigungen nach dem Wohlbefinden der Kinder und Eltern, ohne das Palaver um den heißen Brei, eröffnet Tetu das Gespräch: «Stanley. -- Ich habe dich gewarnt, du erinnerst dich. Daß du dich langweilst. An deiner Hochzeit mit meiner Schwester. Ein Parktor, mitten in der Wildnis. Und du schreibst auf, wer aus und ein fährt. Das ist doch keine Arbeit für einen Bauern. Die Langeweile ist ein mieser Begleiter ... Aber gut, deswegen bin ich nicht hier. Deine, meine Familie hat mich gebeten, deine Haftentlassung zu beantragen. Doch so einfach, wie ihr euch das vorstellt, ist das nicht. -- Was ist mit diesen Büchern, diesen Listen? Was wird denn da eingetragen?»

Muruti beißt die Zähne aufeinander. Seine Unterlippe stößt zur Nasenspitze. Der Alte. Ist er vielleicht gekommen, um ihn zu maßregeln? Andrerseits, der Schwager will ihm helfen. Muruti schluckt seinen Zorn herunter und murrt: «Datum, Ankunftszeit, Anzahl der Personen -- Einheimische, in Kenia wohnhafte Ausländer, Touristen -- Art des Reisewagens und sein Kennzeichen, voraussichtliche Dauer des Aufenthalts.»

«Und was hast du verändert?»

«Gar nichts. Die Frau blieb länger als vorgesehen auf dem Zeltplatz, sie kam mit einem Begleiter, ging ohne ihn, das mußte ich doch ändern ...»

«Und unterschreiben mußtest du es auch?»

«Wenn sie abhaut. Die Bücher müssen in Ordnung sein, sonst bin ich meinen Job los.»

«Deinen Job! -- Jill Parker soll den Park nicht durch das Ura Parktor verlassen haben. Sie wollte quer durch den Park zum Hauptausgang. Ich nehme an, dort liegt ein weiteres Buch, in das sie sich hätte eintragen müssen. Ihr seid doch mit Funkanlagen ausgerüstet. Warum hast du deinen Kollegen nicht mitgeteilt, daß dir Jill Parkers Unterschrift fehlt?»

«Wäre die Forscherin nicht verschwunden, würde sich kein Mensch um das Gekritzel in den Listen kümmern.»

«Und daß du mit deiner Fälschung versucht hast, dir ein Alibi zu verschaffen ...»

«Ich wollte, daß meine Bücher in Ordnung sind.»

«Jaja, ich weiß. -- Als du die Unterschrift fälschtest, wußtest du schon, daß Jill Parker vermißt wird.?»

«Ja, natürlich ... Das heißt nein. Ich habe es gemerkt, als sie losgefahren ist. Ich bin ihr nachgerannt ....»

«Um keine Lüge je verlegen, was? Du bist vielleicht ein Dummkopf. -- Wer außer Jill Parker war am betreffenden Tag am Ura Parktor?»

«Niemand.»

«Niemand? Du warst den ganzen Tag allein? Soll ich das überprüfen?»

Muruti starrt Tetu ungläubig an. -- Sein Schwager ist ein Schwein.

«Meinst du, wir schreiben alles in die Listen?»

«Ach so, natürlich. Die Listen sind für die Bücher. -- Wer sonst benutzte deinen Parkeingang?»

«Wer, das weiß ich doch nicht. Einheimische, Kinder, die die Touristen anbetteln. Wipf ... Nein, der, der kommt auch in die Bücher.»

«Wipf? Wer ist denn das?»

«Ein Safariunternehmer. Tierfilmer. Er und seine Touristen benutzen das Ura Parktor regelmäßig. Es ist einsamer, die Landschaft schöner ...»

«Und? War Wipf am Tag, da Jill verschwand, im Park?»

«Jaah, das müßte ich in meinen Büchern nachschauen, das weiß ich nicht.»

Tetu schüttelt den Kopf. Er hat seine über zehn Jahre jüngere Schwester nie verstanden. Daß sie sich für Muruti einsetzt, begreift er nicht. Stanley muß andere Qualitäten haben, die nur seine Schwester kennt.

«Gutgut, Herr Schlaumeier. Dann sage mir doch einmal, woher die Banknoten stammen, die die Polizei in deinem Haus gefunden hat?»

«Banknoten?»

«Jaja, die Banknoten, das viele Geld.»

«Davon weiß ich nichts. Ehrlich. Banknoten? Vielleicht wollte jemand, daß man Geld in meinem Haus entdecken würde ...»

«Du wirst doch bezahlt?»

«Nein! Bestimmt nicht.»

«Von wem?»

Muruti schweigt. Seine Augen flackern, schließlich senkt er den Kopf und beißt sich auf die Lippen. Tetu verzichtet auf weitere Fragen, und ohne Muruti noch einmal anzusehen, sagt er: «Tut mir leid, aber ich glaube nicht, daß ich viel für dich tun kann.»

Und er gibt dem Beamten, der Muruti brachte, ein Zeichen, diesen wieder zurück in seine Zelle zu bringen. Dann holt er Mettler aus einem muffigen und schäbig möblierten Warteraum,

«Los, wir verlieren hier nur Zeit», bedankt sich unfreundlich im Büro seines Kollegen für die gewährte Hilfe, und stapft entschlossen zum Ausgang der Polizeistation.

Mettler wundert sich. Warum kommt Tetu nur wenige Minuten nach der teuer erkauften Unterredung mit Muruti so schnell zurück? Wollte er für seinen Schwager nicht eine Haftentlassung beantragen? Warum verläßt er die Station ohne ihn? Ohne ein Wort, einen Hinweis, was mit seinem Verwandten zu geschehen habe? Und seinerseits beunruhigt, fragt er: «Neuigkeiten?»

«Allerdings. Muruti lügt. Warum, das weiß ich nicht.»

Das Elefantengrab

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