Читать книгу Das Elefantengrab - Peter Höner - Страница 8

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Im Rafiki Beach Hotel gibt es kurz vor der Regenzeit nicht viel zu tun. Die Gäste, Stammgäste, die wissen, wie ruhig und erholsam die letzten Tage der Saison sind, sorgen mehr oder weniger für sich selbst. Freunde des Hauses, für die Alice und Mettler sowieso nur die gegenwärtigen Besitzer sind, während sie seit Jahren zum Inventar des Hotels zählen.

Alice schlüpft durch einen Hintereingang in die Küche des Hotels, schleicht durchs Treppenhaus und erreicht ungesehen, ohne ‹Hallo, und hatte Mettler einen guten Start?› ihr Büro im ersten Stock. Sie schaltet den Deckenventilator ein, dessen schlappe Drehungen ein mildes Lüftchen durch das Zimmer scheuchen, zieht ihre Kanga aus und läßt sich in einen pompösen Ledersessel fallen. Sie legt die Beine auf Mettlers Schreibtisch, schöne Beine, wie sie ja überhaupt eine schöne Frau ist. Eine selbstbewußte Afrikanerin. Ihre Haltung, ihre Bewegungen verraten eine stolze Sinnlichkeit, die sich in ihren Zügen widerspiegelt, den dunklen, lebhaften Augen, dem weichen Mund und den Grübchen in den Wangen.

Arbeiten mag sie heute nicht mehr, der Tag ist längst verdorben. Es ist zwar nicht das erste Mal, daß sie für ein paar Tage allein ist, Mettler flog schon früher ab und zu in den Mulika Range Nationalpark, mit Touristen, denen er, selbstverständlich gegen Bezahlung, eine Art Privatsafari anbot, aber noch nie verließ er sie, weil ihn eine Arbeit lockte und er einen Fall klären wollte. Warum soll eine Vermißtmeldung ein Fall sein? Aber weil sie insgeheim schon immer, und in letzter Zeit immer häufiger, befürchtete, Mettler könnte sich in Lamu langweilen, macht ihr die überstürzte Reise Angst.

Auf Mettlers Schreibtisch stapeln sich die Zeitungen der letzten Tage. Alles, was über Jill Parkers Verschwinden berichtet wird.

Dabei war sie es, die als erste eine Nachricht darüber entdeckte. In der ‹Daily Nation›. Sie zeigte Mettler die kleine Notiz, und er erschrak, was er aber sofort zu verstecken suchte. Natürlich war es auch ihr nicht gleichgültig, was die Zeitungen über die Forscherin berichteten. Sie kannte Jill ebensolang wie Mettler. Aber seine täglich aufgewühltere Nervosität, mit der er die neusten Berichte der Zeitungen verschlang, verstand sie nicht.

Sich den Stoß alter Zeitungen vom Pult greifend, beginnt sie in den Papieren zu blättern, überfliegt die Titel, deren dicke Lettern und Fettbalken verraten, daß es den Schreibern nicht um Klarheit oder Information geht, sondern um das Aufbauschen einer Geschichte. Sie füllen damit ihre Zeitung, füttern ihre Leser, als wäre eine Vermißtmeldung ein Fortsetzungsroman, ve0rstricken sich in wilde Spekulationen, Behauptungen, an die ernsthaft weder sie noch sonst jemand glaubt. Nur Mettler benimmt sich wie ein aufgescheuchtes Huhn.

Was sollen Schlagzeilen wie: ‹Vermißt im schwarzen Sumpf›? Oder: ‹Rätsel über Rätsel. Die Parkverwaltung gesteht Bankrott. Jill Parker, ein Opfer der Wilderer. Jill Parker tot, ein Parkwächter verhaftet›? -- Ein Quatsch. In der ‹Kenia Times› schreibt ein Joseph Kamau gar unter dem Titel: ‹Die Rache der Elefanten› Fettblock: ‹Die letzten Tage Hannibals. Wurde die Elefantenforscherin Jill Parker Zeuge und Opfer seines Niedergangs?›: «Obwohl Elefanten bislang als äußerst langmütige und friedliebende Tiere galten, ist denkbar, daß diese intelligenten Tiere ihre Strategie geändert haben. Sie sind zu aggressiven und gefährlichen Bestien geworden.

Es liegen zahlreiche Beobachtungen vor, die beweisen, daß Elefanten die Scheu vor dem Menschen in seinem Auto verloren haben. Bekannt geworden ist, daß Elefantenherden Zeltplätze plünderten. Sie zerstörten Feldküchen und warfen Autos um. Der Chef der Parkwächter im Mulika Range Nationalpark, Denis M. Mwilitsa bestätigt uns: ‹... gerade zu einer Zeit, da wieder vermehrt gewildert wird, muß damit gerechnet werden, daß die Elefanten mittlerweile ihre Feinde kennen und diese angreifen ...› Im Mulika Range Park lebt der älteste und größte Elefantenbulle Kenias. Wurde der weise Einzelgänger Hannibal zum brutalen Killer? Wurde Jill Parker mitsamt ihrem Wagen von Hannibal in den Sumpf gestampft? -- Ist der Mulika Range Nationalpark noch sicher?»

Alice weiß nicht, was sie von dieser und anderen ähnlich bizarren Meldungen halten soll.

Mettler allerdings sammelte sie, ordnete sie nach Themen und Motiven und notierte sich Einzelheiten -- Daten, Namen, Widersprüche -- in ein Notizbuch. Und gestern, nachdem Tetu ihn gebeten hatte, mit ihm zusammen nach Embu zu fliegen, packte er seine Notizen und einzelne Zeitungsberichte, die er ausgeschnitten und auf ein Blatt Papier geklebt hatte, in seine Mappe, die ihn offensichtlich überallhin begleitet, wenn er arbeitet, und die sie schon vor zwei Jahren, als er hinter Gertrud Hornacker herschnüffelte, für ein recht überflüssiges Requisit gehalten hat. Das abgewetzte Mäppchen eines Dorfschullehrers.

Das Elefantengrab

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