Читать книгу Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch - Страница 8

4. NOVEMBER

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Drei Wochen später …

Das Klingeln an der Wohnungstür holte mich in die Realität zurück. Sachte tastete ich zaghaft an meiner Stirn herum und fühlte auf einmal eine riesige Beule. Meine Finger drückten behutsam darauf herum. Blitzartig verkrampfte mein ganzer Körper, als ich merkte, wie einige Blutstropfen hervorquollen. War einfach typisch für mich, als ich mich langsam an das gerade Passierte erinnerte und dabei zur Wohnungstür schlich.

Meine vorläufig letzte Handlung zur Vollendung meiner Höhle sollte das Anbringen eines alten Wäschetrockners sein, damit ich in Ermangelung eines Kleiderschrankes meine Klamotten endlich etwas besser verstauen konnte. Dieses fast schon historische Teil hatte ich gestern auf einem Flohmarkt auf der Karli erstanden. Damit er bestens in meine schräge Höhle passte, hatte ich ihn noch mit Goldlack verschönert. Es war so ein Modell, das an die Wand geschraubt wird. Danach zieht man die untere Wäscheleinenhalterung heraus und hängt sie an der gegenüberliegenden Wand in zwei Haken ein. Mit meinen relativ schwach ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten hatte ich es nach endlosen Bohrungen in dem morschen, alten Gemäuer meiner Höhle nach Stunden endlich geschafft, vier Dübel darin zu verewigen. Zwei Dübel auf der einen Seite, zwei Dübel mit Haken auf der anderen Seite des Zimmers.

›So, das wäre auch geschafft‹, waren meine Gedanken, als ich den Wäschetrockner an der Wand festgeschraubt hatte und die unter Spannung stehenden Leinen herauszog, um sie an der gegenüberliegenden Wand einzuhängen. Kurz bevor ich die Wand erreicht hatte, lösten sich die Dübel mit einem Unheil schwanenden Geräusch in der anderen Wand und der Wäschetrockner schoss zielgerichtet an meinen Kopf. Da ich mich gut kannte, wäre es auch sehr verwunderlich gewesen, wenn das Teil etwas anderes als meinen Kopf getroffen hätte.

»Eh, wie siehst du denn aus«, grinste Stefan und starrte auf meine Stirn. »Sollten besser schnell eine kalte Messerklinge auf deine Vorzeigebeule drücken! Hat meine Oma bei mir auch immer so gemacht und wie du siehst, habe ich keine bleibenden Schäden zurückbehalten«, grinste er mich etwas schadenfroh an.

Stefan schnappte mich und zog mich in meine Wohnung Richtung Küche. Von meinem, wie immer nicht abgeräumten Frühstückstisch, griff er sich das erstbeste Messer und drückte es, ohne dabei noch auf die an der Klinge klebenden Reste von Butter und Marmelade zu achten, fest gegen meine Beule. Es tat höllisch weh, ich wollte aber wenigstens bei dieser liebevollen Behandlung ein richtiger Mann sein und verzog deshalb keine Miene. Da an der nun mit Blut, Butter und Marmelade verschmierten Beule kein Pflaster halten wollte, knotete mir Stefan kurzerhand mein einziges Geschirrtuch um den Kopf.

»Ja Paul, bin wieder zurück und gerade rechtzeitig, wie ich sehe. Nach dem Drama mit den Jüttes brauchte ich erst einmal eine Auszeit von ein paar Wochen. Danke übrigens für deine spontane Bereitschaft, meine Pflanzen zu pflegen, hast ja einige über die Zeit gerettet. Du warst mir irgendwie vom ersten Moment an sympathisch, deshalb hatte ich dir auch einfach so meinen Wohnungsschlüssel anvertraut. Wollte ja keine Kannabisplantage in meiner Wohnung vorfinden beim Heimkommen. Hätte ich einem anderen Typen aus dem Haus hier meine Schlüssel anvertraut, wäre das leicht möglich gewesen«, lachte Stefan.

Stefan hatte mir nach dem Tod von Jüttes Mutter am nächsten Morgen einfach seinen Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, mit der Bitte, mich um seine Post und Pflanzen zu kümmern, war er mit einem großen Rucksack verschwunden. Ich hatte mich sehr darüber gewundert, da wir uns gar nicht richtig kannten.

»Hab damals noch die ganze Nacht bei dem Typ verbracht, der heißt übrigens Franz, wie ich mühsam rausbekam. Abwechselnd presste der sich heulend an mich, um sich dann fast im gleichen Moment wieder an irgendein Bild von seiner Mutter zu klammern und dieses, fast schon tierisch, abzuküssen. Irgendwie krankhaft ist dieser Typ. Konnte zwar seine Trauer verstehen, aber was der da abzog, war einfach zu übertrieben. Ich war vollkommen verstört am nächsten Morgen!«

Das konnte ich nur bestätigen, als mir Stefans bleicher Anblick von diesem erwähnten Morgen und seine fast fluchtartige Abreise in den Sinn kamen.

»Was ist denn hier passiert?«, kam es fast erschrocken aus Stefans Mund. Mit ungläubigen Blicken streiften seine Augen durch meine Küche. »Warst ja echt fleißig während meines Urlaubs, kann man ja fast als Wohnung bezeichnen, was ich hier so erblicke.«

»Komm mit Stefan, willste mal meine Ausbauhöhle begutachten?« und ich schob Stefan Richtung mittleres Zimmer, welches ich mir als Wohnzimmer auserkoren hatte.

»Ungewohnt, aber einfach cool«, lachte Stefan, als er die mitten im Zimmer stehende gläserne Duschkabine sah, welche ich mit großen Ficus Bäumen ringsherum dekoriert hatte.

»Das hast du allein hingekriegt? Glaub ich nicht!« grinste Stefan, als er meinen verbundenen Kopf und die schon leicht verschmutzten massenhaften Pflaster auf meinen Händen ansah.

»Nein, mit meinem Kumpel Fred, kennste doch, der mir beim Einzug mit geholfen hat. Der kann so etwas besser als ich. War die ganze Zeit nur der Handlanger. Ist eigentlich auch besser so für mich …« und lächelnd präsentierte ich Stefan meine ziemlich demolierten Hände.

»So eine Dusche mit Ficus Bäumen ringsherum, mitten im Zimmer stehend, habe ich bei meiner neuen Bekannten Claudia gesehen.« ›Dass es keine Duschkabine, sondern ein riesiger Whirlpool war, braucht ja Stefan nicht zu wissen … und auch alles andere nicht‹, grinste ich vor mich hin.

»Kann mich nur wiederholen, einfach sau cool, habt ihr wirklich toll hingekriegt« und seine Blicke schweiften weiter im Zimmer umher. An den Wänden hatten wir nur teilweise die alten Tapeten entfernt, einfach abgerissen, was lose war und so waren jetzt die verschiedenen Stilepochen bunt nebeneinander zu sehen.

»Hier, schau mal!« und ich wies auf die Stelle über meinem alten Sofa. »Das gefällt mir besonders gut« und ich zeigte Stefan stolz das Wandstück, wo man noch den Inhalt von alten angeklebten Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert richtig gut lesen konnte.

»Könnte mir auch gefallen«, kam es bewundernd von ihm. »Ich liebe auch so verrückte Dinge. Passt aber auch sehr gut zu dir. Als ich dich zu ersten Mal gesehen hatte, dachte ich mir gleich, du bist ein schräger Typ.«

»Aber komm, darf ich dir mein Spielzimmer zeigen, hoffe ja, dass irgendwann mal wieder ein weibliches Wesen bei mir auftaucht« und ich ging mit Stefan in das Nachbarzimmer. Hier begrüßten ihn helle, lindgrüne Wände. Das ganze Zimmer war komplett mit einem dicken, weißen und sehr flauschigen Teppich ausgelegt. Wahllos lagen kuschelige Kissen herum, in der hinteren Ecke stand ein sehr preiswert erworbener Fernseher. Da sein schwarzes Plastikgehäuse mich irgendwie störte, hatte ich ihn spontan mit Goldlack gestrichen, mit dessen Resten ich heute noch den alten Wäschetrockner verschönert hatte.

»Echt abgefahren, aber wenn ich ehrlich sein soll«, lachte Stefan, »irgendwie ‘n bissel komisch, fast schon ein wenig schwuchtelig.«

Da konnte ich ihm hundertprozentig Recht geben. Stefan brauchte nicht zu wissen, dass Claudi – wir verstanden uns mittlerweile toll, waren auch ohne Sex richtige Freunde geworden – mich bei der Einrichtung dieses Zimmers beraten hatte. Ich wusste einfach nicht so recht, was ich mit diesem dritten Zimmer anfangen sollte. Meine Beziehungsüberreste aus der Zeit mit Anja waren schon äußerst sparsam in den anderen beiden Zimmern von mir verteilt worden und ich war vollkommen ratlos, was ich hier reinstellen sollte.

»Und hier schlafe ich!« und ich ging Stefan voraus in mein Schlafzimmer. Der Erb-Oma-Spiegel, natürlich gewissenhaft von Anjas Lippenstiftmalereien und den sonstigen Flecken meiner spontanen Lust vom ersten Abend gesäubert, hatte bereits einen Ehrenplatz erhalten. Er stand genau gegenüber von meinem provisorischen Bett, einer großen, quadratischen, preiswerten Matratze. In der Ecke hatte ich meinen Sand neu aufgehäuft und mit einer Bananenpflanze gekrönt. Die erträumte Palme war mir derzeit einfach zu teuer.

Als Stefan den am Boden liegenden, verknäulten Wäschetrockner sah, zeigte er höhnisch fragend auf meinen Kopf.

»Ja, es tut richtig weh …«

»Komm, den bauen wir noch schnell richtig an, aber dann muss ich meine Bude etwas entkeimen. Habe auf meiner Urlaubstour eine echt heiße Braut kennengelernt. Mit einem kleinen spanischen Einschlag, auf so etwas stehe ich einfach … Wenn ich großes Glück hab, bringt sie auch noch ihre Schwester mit, die machen vieles gemeinsam, hat sie so gemurmelt. Bin schon ganz verrückt bei der Vorstellung, dass sie mit gemeinsam das meint, was ich mir darunter vorstelle …«

Nach nicht mal zehn Minuten war mein Wäschetrockner so angeschraubt, dass er sogar immer noch fest in der Wand verankert, den Abriss dieses Hauses überleben würde. Ich staune immer wieder, wie so was eigentlich geht.

»Paul, Kompliment, kann ich da nur sagen, würde hier sofort selbst einziehen. Dein Schwuchtelzimmer würde ich einfach ‘n bissel anders anmalen, dann wäre es auch für mich perfekt. Macht einfach was her! Deine Damen, die du hier bestimmt mal verwöhnen wirst …«, grinste Stefan, »… werden Augen machen. Also Atzsche Paul, bis bald!« und er ging, immer noch staunend um sich blickend, in seine Wohnung zurück.

›Atzsche Paul?‹, klang irgendwie komisch, aber es passte zu Stefan, der gebrauchte manchmal andere Worte, als die, die gerade so angesagt waren, bekam ich langsam mit.

Mein Frühstück vor einigen Stunden, ein halbes hartes Brötchen und zwei sich schon rollende Scheiben vertrockneten Käses, war recht spärlich ausgefallen. Schon rein aus Bestandsgründen meiner Höhle konnte ich nie viel einkaufen, so ein bissel Vorrat, ein Kühlschrankkauf musste einfach warten, bis wieder mal mehr Geld mein Konto begrüßen durfte. Hatte bei Anja in einem goldenen Käfig gelebt, fast bis zum Schluss hatte sie viele Kosten für mich mit übernommen, immer in der Hoffnung, dass sich doch irgendwann mein musikalischer Erfolg einstellte. Von den anderen sehr erfolgreichen Fähigkeiten aus meinem früheren Leben wollte ich aber einfach nichts mehr wissen. Anja hatte immer wieder versucht, da es mit der Musik nicht so richtig klappen wollte, mich zu überreden, einen Neustart zu wagen, da ich auf diesem Gebiet wirklich sehr gut war. Aber es war damals einfach zu blöd für mich gelaufen, es brauchte noch einige Zeit, alles zu verarbeiten …

Vor fast zehn Jahren hatte ich mich versucht, mit einer Werbeagentur selbstständig zu machen. Da ich aber nichts mit dem ganzen Schriftkram und üblen Notwendigkeiten wie Finanzamt und anderen nervtötenden Einrichtungen am Hut haben wollte, suchte ich mir dazu einen Geschäftspartner. Ich wollte einfach nur kreativ und in der großen weiten Welt der Werbung unterwegs sein. In meiner Zeit als freier Grafiker hatte ich öfter Kontakt mit einem Manager, den ich mir in dieser Funktion und als Geschäftspartner gut vorstellen konnte. Er sagte damals sofort zu, da auch er sich gerade verändern wollte.

Nach anfänglich harten Monaten gewannen wir in einem Pitch, als Newcomer gegen viele große renommierte Agenturen, den Etat einer riesigen überregionalen Marke. Ich fühlte mich damals wie im Zauberwald. Nach diesem Etatgewinn ging es Schlag auf Schlag weiter und wir wurden zu einer der gefragtesten und kreativsten Werbeagenturen im Land. Ich, der immer so lebenslustige Paul, der nie jemandem so richtig böse sein konnte, musste auf einmal Chef spielen lernen, denn wir hatten mittlerweile mehr als zwanzig Mitarbeiter. Das gelang mir mehr oder weniger gut. Ich war einfach nicht zu einem Chef geboren, aber vielleicht gab es gerade deshalb so einen großen Zusammenhalt in unserer Agentur und die kreativen Ergebnisse und Erfolge bestätigten es täglich, dass ein Chef auch ein ganz normaler Mensch bleiben kann. Ich tauchte ein in die Scheinwelt der nachgebesserten Schönen und angeblich Reichen. Das Geld floss in Strömen.

Bis die Traumwelt wie eine Seifenblase platzte. Diese geile Welt der Werbung hatte mich vollkommen verzaubert. Ich wollte mich an meinen originellen Einfällen erfreuen und an dem Entstandenen in den Hochglanzillustrierten berauschen. Alles andere war mir egal. Wie von einer Keule getroffen wurde ich in das Leben zurückgeholt. Mein Partner hatte sich heimlich Geld, fast schon mit kriminellen Machenschaften, aus der Agentur gezogen und sich nicht nur ein Haus gekauft. Da ich ihm in den finanziellen Dingen bisher blind vertraut hatte, stand ich, mit meinen zarten Künstlernerven vollkommen am Ende, urplötzlich vor einem immensen Berg von Schulden. Aus einzelnen Mahnungen wurden in kürzester Zeit Berge von Mahnungen, Vollstreckungsbescheiden und all den lustigen Dingen, die unser Rechtssystem zu bieten hat. Die Agentur war bankrott.

Mit guten Freunden, bunten Glückspillen der Pharmaindustrie und meinem gesamten Ersparten kam ich gerade noch so mit einem blauen Auge davon.

Für einen Neuanfang fehlte mir einfach die Kraft. Damals begann ich als Musiker mein neues Glück zu versuchen. Zum Ersten hatte ich eine gute musikalische Bildung schon in meiner Kindheit genießen können und zum Zweiten hatte ich in diesen schweren Wochen wirklich gute alte Freunde wieder neu gefunden, die gern mit mir Musik machen würden. Die Scheinwelt der Werbung, wie ich unsanft erkennen musste, wollte ich einfach nicht mehr.

Noch heute tat mir nicht nur der Mund weh, wenn ich daran dachte, wie man auf den, fast täglich stattfindenden, abendlichen Events stundenlang dämlich grinsen und mit Menschen, die sich für Götter hielten und denen man im normalen Leben eigentlich liebend gern gesagt hätte, wie arrogant und blöd sie sind, Smalltalken musste. Oft war ich damals nach solchen Abenden kaputter, als hätte ich einen Tag lang körperlich hart gearbeitet. Dies alles tat ich mir an, um immer up to date und bei einer möglichen Auftragsvergabe mit im Boot zu sein. Einfach grausam und nicht gut für eine empfindsame Seele wie die meine. Dieser tägliche Maskenball, und Freunde oder was man in diesen Kreisen dafür hält, gibt es in dieser Welt einfach nicht, wie ich bei meiner damaligen Suche nach Hilfe immer wieder feststellen durfte …

Vollkommen weggetreten saß ich auf meinem neuen Lieblingsplatz, meinem Sandhaufen und starrte ins Leere. Immer wieder befiel mich, auch heute noch, eine innere Eiseskälte, wenn ich an die Zeit rings um den Agenturbankrott dachte. Zum Glück konnte mein leerer Magen sehr fordernd sein und holte mich mit seinem Knurren in die Wirklichkeit meiner Höhle, nein … meine superschicke Höhle zurück.

Was hatte doch Stefan beim Gehen gesagt? Damen würde ich hier bald verwöhnen können? Aber wenn Damen verwöhnt werden sollen, müssen diese hier auftauchen und dafür musste ich etwas tun. Doch zuerst einmal was zur Hungerbekämpfung veranlassen und so begab ich mich in mein, inzwischen wieder sehr geliebtes Café an der Ecke, unweit meiner Höhle.

Es war in den letzten Wochen während der Zeit der Renovierung zu meinem Ersatzwohnzimmer geworden. ›So soll es auch bleiben!‹, dachte ich gerade, als mich eine inzwischen wohlvertraute Stimme aus meinen Träumen riss.

»Hi Paul, kommst awer früh heute«, begrüßte mich Claus mit seinem, nicht zu überhörenden, leicht schwul klingenden Tonfall.

»Hab’s geschafft, ich bin einfach so froh darüber, dass meine Höhle aus dem Gröbsten raus ist und jetzt habe ich Hunger!«

»Wie immer, eine Quietsche und einen Schoppen trockenen Rotwein?«

»Ja, wie immer, Quietsche und einen Schoppen Rotwein.« Beim ersten Abend hatte ich ihn blöd angeschaut und Bahnhof verstanden, als er meine Bestellung mit seiner sächsischen Bezeichnung für Quiche Lorraine wiederholte. War meine Lieblingsspeise hier geworden und mittlerweile wusste ich auch, was er mit Quietsche meinte. Als Stammgast in diesem Café, wurde mir von einigen Tischen lächelnd zugewunken. Heute wollte ich aber erst einmal alleine sein und meine Freude über meine schicke Höhle genießen.

Claus stellte mir schon nach wenigen Minuten die leckere goldgelbe Quietsche und den Schoppen Rotwein vor die Nase.

»Lass dir’s schmeggen und verbrenn dir nisch de Gusche, ist wahnsinnig hees!« kam es von ihm betont sächsisch und er verschwand in der Küche. Das Café war heute wieder sehr gut besucht, wie immer eigentlich. ›Eine Goldgrube für den Besitzer‹, dachte ich ein wenig wehmütig, meine finanziellen Reserven vor Augen und fiel heißhungrig über die Quietsche her. Den Hinweis auf ›hees‹ hatte ich natürlich längst vergessen … Nun, notgedrungen langsamer, mit schmerzendem Gaumen, genoss ich mein Lieblingsgericht und die Welt fühlte sich mal wieder besser an.

Mein Lieblingscafé füllte sich immer mehr und auch heute erschien die, für mich so eigenartige Frau, die so um die dreißig war. Ihr Gesicht, aber wirklich nur ihr Gesicht, hatte sich im Gestaltungszyklus der Formung nicht viel Mühe gegeben. Schmal und blass, mit einer viel zu langen und spitzen Nase, wurde es von karminrotem, knapp schulterlangem, glatten Haar umrandet. Kleine und dunkle, mit einem leicht stechenden Blick versehene Augen verfeinerten diesen etwas gewöhnungsbedürftigen Anblick. Der restliche Körper war, was unter den leider auch nicht so tollen Klamotten nur zu vermuten war, deutlich besser. Eigentlich musste dieser Körper ein Traum für jeden sein. Für mich hieß diese Unbekannte, nach dem ich sie an vielen Abenden hier gesehen und natürlich heimlich gemustert hatte, Frau Müller. Genussvoll verzehrte ich die Reste meiner Quietsche. In meinen Gedanken gehörte zu einer Frau mit so einem gewöhnungsbedürftigen Gesicht einfach der langweilige Name ›Müller‹. Dass ab Hals abwärts alles ganz anders, ganz aufregend aussah, passte für mich nicht zu dem Namen ›Müller‹. Aber sollte ich ihr zwei Namen geben, wo ich doch schon immer mit dem Namenmerken große Probleme hatte?

Nein, für mich blieb sie auch heute einfach Frau Müller.

Am Anfang hatte ich mir noch Gedanken darüber gemacht, dass ich so abfällig über ihr Gesicht sinnierte, aber mir fiel zum Glück ein Mädchenabend bei Anja ein. Ich war früher als erwartet nach Hause gekommen und lauschte neugierig den Gesprächsfetzen, die aus der Küche kamen. Wie da über Männer und ihr Äußeres hergezogen wurde, machte mich fast sprachlos. Jeder noch so winzige Makel der jeweiligen Partner wurde bis aufs Kleinste analysiert und herzhaft darüber gelacht.

Ich lästere zwar auch gern, aber dagegen war ich ein Waisenknabe.

»Grüß Gott, ist hier noch frei?«, wehten leise, zarte Worte, die ihren bayrischen Einschlag schwer verleugnen konnten, an mein Ohr. Aus meinen Gedanken über Frau Müller gerissen, schaute ich auf und vor mir stand sie, Frau Müller.

»Ja bitte«, sagte ich nur kurz und schnappte mir wieder mein Hochglanzheft mit den vielen bunten Anzeigen und träumte von vergangenen Zeiten.

»Hab dich hier schon oft gesehen«, kam es leicht bayerisch über den Hochglanzrand geschwappt.

»Wohne hier um die Ecke. Ist bequem für mich und hier schmeckt es einfach lecker. Besonders für jemanden, der selbst keine funktionierende Küche hat, ist es sehr verlockend«, antwortete ich höflich und riss mein Hochglanzheft noch höher als vorher, als wollte ich einen Schutzwall aufbauen. ›Alles, aber keine Frau Müller heute Abend, ich will einfach meine Ruhe haben!‹

»Du fällst hier sehr auf, mit deiner Größe und dieser lustigen Frisur.«

›Nerv!!!‹ Frau Müller gab einfach keine Ruhe und gleich im zweiten Satz mit meiner Frisur anzufangen, verschob ihre Minuspunkte noch weiter Richtung ihres Busenansatzes, der mir einladend aus ihrem Dekolleté entgegengrinste.

»Biste auch Künstler?«, ging es locker weiter, »War nicht ernst gemeint mit deiner Frisur. Sieht einfach lustig aus, fällt sogar hier, in dieser Ansammlung von Künstlern und solchen, die es sein wollen, auf.«

Frau Müller konnte sogar etwas charmant sein und besser gestimmt legte ich meinen Schutzwall zur Seite. Na gut, sie würde ja sowieso keine Ruhe geben, und wenn man mal wieder ein weibliches Wesen kennenlernen wollte, musste man auch etwas dafür tun. Aber ich wollte doch keine flüchtigen Bekanntschaften mehr. Vor Anja war das laufend so gewesen, immer wieder Neue, immer wieder Schönere. Aber selbst das wurde im Lauf der Zeit irgendwie langweilig. Langsam hatte damals sogar ich begriffen, dass es noch etwas anderes geben musste. Man las viel davon, in fast jedem Song wurde davon erzählt, ich wollte die große Liebe auch endlich einmal erleben. Mein Inneres sehnte sich immer mehr danach, auch wenn es oben bei mir noch nicht so richtig ankam. Aber ein wenig romantisch war ich ja schon immer veranlagt und romantisch sollte sie ja sein, die Liebe. Jedenfalls was ich davon so hörte und sah.

»Versuche mich schon seit Längerem als Musiker, mal mehr oder weniger erfolgreich und vorher war ich Grafiker, stapelte ich etwas tief.«

»Habe ich mir schon manchmal gedacht, als ich dich hier so allein oder mit so einem komischen dicken Typen sitzen sah. Bist also nicht nur vom Äußeren ein richtig cooler Typ.«

›Wow, die geht aber ran!‹ »War mein Kumpel Fred, den du manchmal mit mir hier gesehen hast. Hat mir bei der Renovierung die letzten Wochen geholfen. Ganz lieber Kerl«, gab ich etwas ausweichend zurück, musste erst mal klare Gedanken fassen, wie das hier weitergehen sollte.

Von unten, Richtung Klein-Paul kam es fast verzweifelnd, ›Wieso überlegst du noch, wie es hier weitergehen soll? Wirst du alt, mach das doch nicht soooo kompliziert!!! Denk dir einfach den Kopf weg oder stell ihn dir so toll vor wie den restlichen Körper. Dürfte für dich als Grafiker ja kein Problem sein!‹

Und wie zur Bestätigung zuckte Klein-Paul mehrmals, als meine Augen sich, ganz unbemerkt von mir, an dem einladenden Dekolleté mit dem riesigen Inhalt festgefressen hatten.

›Mein lieber kleiner Paul‹, schoss es wütend nach unten zurück, ›hatten wir uns nicht schon so oft vorgenommen und an einem Tag, der noch nicht mal so lange zurückliegt, eigentlich fest geschworen, nicht immer alles mitzunehmen, was sich uns förmlich aufdrängt, besonders nach Muggen? Die ganzen Probleme hinterher, wenn bei dir die Luft raus war und du wieder normal denken konntest! Ich will das einfach nicht mehr, unsere gemeinsame Lust genießen und dann oft in enttäuschte Augen zu blicken, wenn man danach sagte, es war toll aber ich bin doch leider schon vergeben, frei erfundene Handynummern weitergab oder sich andere Lügen zum schnellen Absprung von der jeweiligen Geliebten ausdenken musste.‹

›Jaaaa …, war schon manchmal ganz schön gemein …‹

›Dieser bewusste Tag, an dem wir uns ganz fest versprochen hatten, mein Lieber, anders zu leben. Hatten wir damals auch lange gehalten, unser Versprechen. Besonders als dann Anja in unserem Leben auftauchte und wir fast zum ersten Mal glaubten, angekommen zu sein.‹

›Hab ich nicht‹, kam es kleinlaut von unten zurück.

›Denk einfach noch einmal schnell an diesen Auslöser unseres Versprechens zurück und dann gib endlich Ruhe! Für heute zumindest.‹

›… ich riss an diesem bewussten Tag, nach einer Mugge in einem fremden Bett, blind vor Lust, Pommel die Sachen vom Leib. Und da Pommel - so wollte sie genannt werden - noch schneller war als ich bei ihr, waren wir beide, mein Lieber, nicht mehr zu bremsen.‹ Auch hatte ich damals noch keine Ahnung, was zwar erotische, aber mit verstecktem XXL-Stretch versehene Bodys alles kaschieren können.

Als ich nach einiger Zeit endlich wieder normal denken konnte und auch mein Blick nicht mehr vor Lust verschleiert war, lag Pommel mit gespreizten und angezogenen Beinen vor mir. Busen und Bauchspeck ergaben fast gleichmäßig große, dicke, wellenförmige Erhebungen körperabwärts. Pommels Mund öffnete sich mit einem zärtlichen Lächeln und im tiefsten sächsisch hauchte sie mir entgegen: »… war das scheen mei guder … kommsde morschen wieder zu mir...? … wäre so scheen …!«

›… und die Barbiepuppen und Berge von Plüschtieren im Bett dieser mehr als dreißig Jahre zählenden Pommel, die ich erst jetzt richtig wahrnahm, lachten uns beide, mein lieber kleiner Paul, förmlich aus … Also halt dich bitte zurück, mein Lieber!‹

›Hast ja Recht …‹, kam es fast entschuldigend von unten.

»Was ist denn mit deiner Küche los, ist da was kaputt gegangen oder kannst du nicht kochen?«, holte mich Frau Müller, spöttisch grinsend, in das hier und heute zurück.

»Bin übrigens die Lotte« und blitzartig streckte sie ihre Hand über den Tisch. Ich konnte gerade noch meinen Schoppen Rotwein vor ihrer spontanen Vorstellung retten. Leicht irritiert ergriff ich diese … ›Frau Müller hat ja einen sehr kräftigen Händedruck!‹, stellte ich erschrocken fest und war sehr froh, als dieses Händchendrücken, was viel länger dauerte als notwendig, von ihr beendet wurde.

»In meiner Küche ist nichts kaputt, ist nur nicht so komplett eingerichtet«, versuchte ich es zu erklären. »Vor allem ohne Kühlschrank ist es sehr schwer.«

»Wieso hast du keinen Kühlschrank?«

Die wollte wirklich alles wissen.

»Bin erst vor drei Wochen hier auf der Karli in ein neues Leben gestartet. Hab vieles bei meiner Ex gelassen«, log ich spontan, konnte bei Frau Müller ja trotzdem ein paar Pluspunkte sammeln, auch wenn sie mir ab Hals aufwärts gar nicht zusagte. Sie war einfach nicht mein Beuteschema. Und dazu noch aus Bayern …!

»Du bist ja ein ganz Lieber«, kam es ebenso spontan aber äußerst liebevoll aus diesem schmalen, knochigen Gesicht mit der viel zu spitzen Nase zurück.

Die Frisur ging ja gerade noch, obwohl mir Frauen mit kürzerem Haar noch nie so gefallen haben. Zumindest die Farbe stimmte. Karminrot, meine Vorzugshaarfarbe, genau wie bei Anja.

»Na ja …, manchmal zumindest.«

»Ach so …, ist übrigens mein Lieblingscafé hier auf der Karli.«

»Meins ist es auch, oder besser erneut geworden, seitdem ich hier wieder wohne. War früher auch fast jeden Tag hier. Alleine essen macht mir einfach keinen Spaß.«

»Bist wohl Leipziger?«

»Ja, schon immer gewesen. Wie lange bist du denn schon hier? Kommst doch aus Bayern, wie ich so hören kann?«

»Ich bin meinem Mann beruflich nach Leipzig gefolgt. Ist so eine schöne, lebendige Stadt, mit so freundlichen und offenen Menschen, ich würde gern ewig hier bleiben.«

»Aber?«

»Aber? Ja, es gibt ein Aber! Der Mann, also mein Mann, mit dem ich hierher bin, leitet nicht nur die Großbaustelle für eure neue Unikirche auf dem Augustusplatz, sondern auch seit längerer Zeit seine Tippse zu mehr als nur zum Tippen an.« Ganz traurig schaute sie mich auf einmal an.

Jetzt hatte sogar ich mit einer Frau Müller Mitleid.

»Da sind wir ja richtige Seelenverwandte, du beim Neuanfang und ich knapp davor.« Frau Müller drückte auf einmal zärtlich meine Hand.

›Jetzt fängt sie auch noch mit diesem Esoterikkram an. Na ja Bayern …, Berge, Kühe, Kühe und nochmals Kühe und Bilderbuchwiesen, da muss man ja esoterisch werden.‹ Immer noch hielt Frau Müller zärtlich, sie hatte wohl vorhin mein verkrampftes Gesicht bemerkt, meine Hand fest.

›Bremsen, jetzt und sofort!‹, schrie es in meinem Kopf. Das kann echt gefährlich werden mit Frau Müller.

»Bin hundemüde«, versuchte ich meinen Abgang vorzubereiten. »Habe innerhalb von knapp drei Wochen aus einer Höhle, zusammen mit meinem Kumpel Fred, eine super kreative Vorzeigehöhle gezaubert.«

»Höhle, wieso Höhle?«

Und so erzählte ich Frau Müller, wie ich meine Höhle vorgefunden hatte und wie diese jetzt aussah.

»… und im großen Zimmer steht mitten im Raum eine Duschkabine umgeben von großen Ficus Bäumen, fast wie eine kleine Oase …«, versuchte ich die Beschreibung zu beenden und mich von ihr zu verabschieden.

»… das glaube ich dir nicht, wirklich …???«, Frau Müller kriegte sich fast nicht mehr ein. »Das würde ich gerne einmal mit eigenen Augen bewundern.«

›Manche sollten meine Dusche sehen und vielleicht auch mit mir gemeinsam genießen …, mmhhh …, aber nicht Frau Müller‹, schoss es mir spontan durch den Kopf. Aber vielleicht sollte ich für ganz, ganz schlechte Zeiten, die eventuell kommen könnten, etwas vorbauen? »Na, vielleicht zeige ich sie dir mal. Bin aber heute wirklich echt kaputt«, log ich ein wenig.

Während meiner Höhlenbeschreibung war immer mal wieder Frau Müllers Hand auf meiner gelandet, zweimal rieb sie sogar wie zufällig für einen kurzen Moment ihr Knie an meinem. Es wurde mir hier einfach zu heiß, wollte nicht schon heute gleich wieder meine Vorsätze kippen. Nicht schon wieder in das alte Muster verfallen, alles zu nehmen, was sich fast von alleine ins Bett, oder wo auch sonst immer, hinlegte. Wollte sie endlich finden, die eine Liebe, die so schön und romantisch sein sollte.

Also dann, »Tschüß Lotte!«

»Servus Paul, war echt schön, dich etwas näher kennenzulernen, bis bald in diesem Theater hoffe ich!«

Zum Zahlen ging ich schnell zu Claus, damit ich hier schleunigst wegkam.

»Hasde ja ne dolle Dande heut an deinem Disch gehabt!«

›Tolle Tante? Vielleicht an deinem Ufer, an meinem Ufer sehen tolle Tanten um einiges anders aus!‹, dachte ich lieber nur, ohne es auszusprechen. Entschuldigte mich aber gleich wieder innerlich für diesen Gedanken, denn ich mochte Claus wirklich sehr. Er hatte mir mal gebeichtet, wie lange er mit seinen sehr speziellen Neigungen nach einem Partner suchen musste. Jetzt war Claus verheiratet mit ihm und fast immer sehr glücklich, sogar nach zehn Jahren Partnerschaft. Ich freute mich immer wieder für ihn.

»Bis bald, Claus!« und ich ging die wenigen Schritte bis zu meiner Kreativhöhle.

›Soll es etwa schon wieder so weitergehen?‹, dachte ich, als ich wenige Minuten später auf meinem Lieblingsplatz saß, mich die zahlreich sprießenden Bananenblätter umhüllten und ich über mein weiteres Leben sinnierte. Mal schnell ‘n bissel vögeln, Frau Müller hatte sich ja geradezu aufgedrängt. Wäre bestimmt ein Einfaches gewesen, mit ihr einen entspannten und genussvollen Abend zu verbringen.

Was danach kam, hatte ich schon zu oft erlebt, kannte ich einfach zu gut. Bissel vögeln, manchmal sogar für mehr als eine Nacht. Und bei der Vögelei, die länger andauerte, bauten sich bei mir und meinen jeweiligen Partnerinnen Hoffnungen auf, die leider sehr oft grundverschieden waren. Aber irgendwann, manchmal früher, manchmal später, merkte dann einer von uns beiden, das Gefühl, es könnte etwas Längeres werden, verflüchtigte sich schneller, immer schneller. Manchmal gleichzeitig, dann war der Schlussstrich zum Glück ziemlich einfach. Komplizierter wurde es nur, wenn diese Ernüchterung bloß bei mir oder bei ihr eintrat. Nach der anfänglichen Gier nacheinander kamen dann ganz langsam oder auch schnell die störenden Eigenschaften des anderen wieder zum Tragen, welche in den ersten heißen Aufeinandertreffen vollkommen ausgeblendet waren.

›Unsere Körper sind schon ganz schön kompliziert, der damalige Programmierer hätte jedem von uns lieber mal eine Gebrauchsanweisung mitgeben sollen, dann würde vieles einfacher laufen‹, grübelte ich vor mich hin.

So richtig klar war ich mir hinterher nie, was wieder mal zum Schluss der Bekanntschaft geführt hatte. Es machte einfach nicht Peng und aus war der Traum! Oft waren es die Ansichten vom Leben oder die Einstellungen zu den Dingen, die so auf dieser runden Kugel passieren. Von meiner Seite aus führte aber oft die geistige Programmierung der jeweiligen Bekannten zum Abflachen meiner Begeisterung. Es ging mit mir einfach nicht, schon nach kurzer Zeit, wenn Tante X glaubte, Paul ist ihr sicher, auf den Alltag umzuschalten. Und dieser sah oft sehr gruselig für mich aus, da war das tägliche Betrachten und womöglich noch danach Diskutieren von flachen Fernsehserien das Geringste.

Schon in meiner Zeit als Werber hatte ich etwas oft traurig feststellen müssen: Schön, klug und selbstbewusst sind Eigenschaften, die ich eigentlich noch nie zusammenhängend gefunden hatte.

Musste an Claudi denken, mit meinen Anforderungen an die Traumfrau hatte ich bestimmt genau so wenig Chancen, wie sie mit ihren Vorlieben und den vorhandenen begrenzten Möglichkeiten, diese jemals zu finden.

›Deine Wünsche klingen ganz schön arrogant‹, kam es von unten.

›So bin ich nun mal, mein Lieber, ist denn das so schlimm, was ich mir vorstelle?‹

›Nein, hast schon recht Paul, bleib einfach ehrlich, bleib wie du bist, nur zusammen können wir richtig glücklich werden.‹

Mir gingen Bilder aus der damaligen Zeit durch den Kopf. ›Bei den vielen Fotoshootings für die jeweilige Werbekampagne traf ich mit extravaganten Models zusammen, wo du, mein Lieber, schon nach den ersten Probeshootings Hurra geschrien hast. Aber als dann einige von diesen Supermodels den Mund aufmachten, hast du dich verräterisch verkrochen und dich reumütig bei mir entschuldigt.‹

›War aber nicht immer ganz so schlimm‹, kam es leise zurück. ›Manchmal hatten wir auch unseren Spaß‹, und wie zur Bestätigung spürte ich ein leises Zucken in der Hose.

Wieder einmal war mein Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Wieder einmal ging alles von vorn los. Gedankenverloren starrte ich vor mich hin.

Es musste doch auch etwas Anderes geben. Etwas, was man in Filmen sieht. Schon oft hatte ich mir bei manchen Streifen verstohlen eine kleine Träne aus den Augen gewischt und verschämt darauf geachtet, obwohl es ja meistens sehr dunkel ist im Kino, dass es ja niemand sieht. Oft hatte ich es in letzter Zeit auch bei meiner Nahrungstankstation auf der Karli neidisch bewundert: Pärchen, die sich bei der Begrüßung umarmten, als wenn sie sich schon Jahrzehnte lang nicht mehr gesehen hätten und sich dann den ganzen Abend bei endlosen Gesprächen ab und zu liebevoll berührten.

Warum kann ich nicht endlich mal so leben? So wie die anderen, oder einige, oder einige der Einigen zumindest. Einfach miteinander glücklich sein, einander vertrauen, einander helfen und natürlich, wenn man dies gefunden hatte, endlos langen und wunderbaren Sex miteinander genießen können. Auch noch nach vielen Jahren so richtig scharf aufeinander sein.

›… träum weiter …‹ machte sich mal wieder jemand bemerkbar. ›Ist doch langweilig, du isst doch auch nicht Jahrzehnte lang nur Döner, willst doch auch eine abwechslungsreiche Kost.‹

›Aber die so leben, leben doch einfach viel ruhiger, viel einfacher, sind glücklich. Die sitzen jetzt nicht einsam auf einem Sandhaufen und starren mit großem Weltschmerz die Wände an …‹

… mein Opa hatte mir mal, vor langer Zeit, in einer von geistigen Getränken gelockerten Stimmung etwas gestanden. ›Paul, wenn der Sex und die Politik stimmen, kannst du zusammen alt werden.‹ Eine recht einfache Weisheit, aber meine Großeltern lebten mir den Beweis dieser Aussage seit Jahrzehnten vor. Für mich wollte ich den Ausspruch meines Opas leicht korrigieren. Wenn Intellekt, Sex und Aussehen stimmen, denn an der Politik hatte ich durch viele Ereignisse längst das Interesse verloren. Das Aussehen musste für mich einfach stimmen, dazu war ich von den Damen, die mich meistens ausgesucht hatten und nicht umgekehrt, in meinem bisherigen Leben zu sehr verwöhnt worden. Und dass das Aussehen dann auf einmal zweitrangig sein sollte, wenn die große Liebe mit ins Spiel kommt, konnte ich für mich einfach nicht glauben. In der freien Natur kreuzen sich ja Huflattich und Lilie auch nicht freiwillig. ›Sorry für diese Einstellung‹, ging es mir durch den Kopf, ›damit sammelst du bestimmt Minuspunkte, aber lieber ehrlich bleiben, ist einfach besser so.‹

Vielleicht lag meine romantische Stimmung auch an dem derzeitigen Buch, das ich mir für meine momentan einsamen Abende ausgesucht hatte. Es handelte von einem Pärchen, das sich erst spät gefunden hatte. Sie mussten lange um gegenseitiges Vertrauen kämpfen, da beide so gelebt haben wie ich bisher, und waren dann noch endlose Jahre glücklich, in allen Beziehungen miteinander, bis zum Schluss ihrer beider Leben. Einfach eine wunderbare und gut geschriebene Geschichte, die hoffentlich nicht frei erfunden war.

›… Gähn …, gähn …, wirst du alt, Paul!‹, kam es sofort von unten.

›Ruhe endlich, hier bestimme ich! Außerdem haben wir langsam andere Probleme, einfach existenziellere, mein Lieber, als dir einen bunten Speiseplan zu servieren.‹

Ich musste mir endlich ernsthafte Gedanken machen, wie mein Konto wieder zu etwas größeren regelmäßigen Freudenfesten kommen könnte. Das Geld von den wenigen Muggen war meistens mit einem warmen Essen und zwei bis drei sparsamen Besuchen in meinem zweiten Wohnzimmer oder mit einer Monatskarte der LVB aufgebraucht.

Immer öfter liebäugelte ich mit dem Gedanken, obwohl ich noch immer schwer an dem Erlebten zu arbeiten hatte, es noch einmal in der Werbung zu versuchen. Die äußerst großzügige Anja gab es ja zumindest in dieser Beziehung nicht mehr. Claudi hatte mich ebenfalls bei einem ihrer letzten Besuche bestärkt einen Neuanfang zu wagen, als das Thema meiner Existenzerhaltung zur Sprache kam. Auch hatte sie mir angeboten, mir eines ihrer vielen Zimmer in ihrem ›Himmelreich‹ bei einem Neuanfang kostenlos zur Verfügung zu stellen. Als kleine Gegenleistung dafür sollte ich nur ihr zukünftiger Marketingberater und Grafiker sein. Das war ja nun für mich überhaupt kein Problem. Nahm mir deshalb fest vor, diesen Neuanfang in den nächsten Wochen zu wagen. Simpler konnte ich es zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht bekommen.

›… und wann bin ich mal wieder mit in deinen Plänen?‹, kam es langsam nervend von unten. ›… du spinnst doch mit deinen Vorstellungen für eine langfristige und harmonische Partnerschaft. In deinem Alter sollte man langsam den Glauben daran verloren haben. Du solltest dir schnellstmöglich mal was suchen, sonst vertrocknet deine Lust, genau wie der komische Sandhaufen, auf dem wir nun seit Tagen sitzen.‹

›Nun halt endlich deinen spaßorientierten Mund! Soll ich dir mal beweisen, dass es das, von dem ich träume, gibt, nicht nur in Büchern oder Filmen?‹

›Ein guter Einfall‹, lachte ich innerlich. Erstens wusste ich nichts Rechtes mit dem restlichen Abend anzufangen und zweitens sollte dieser nervende Schwanz, der viel zu oft nur an seine zweite Verwendungsmöglichkeit dachte, endlich Ruhe geben. Hatte schon oft genug schlaflose Nächte wegen ihm verbracht. Die Pflege danach, manchmal notgedrungen, mit einer weißen, dicken Creme zur Regeneration seiner empfindlichsten Stellen, war noch das geringste Problem, in das er mich so oft gestoßen hatte.

›… wer hier wen gestoßen hat sollten wir endlich mal klarstellen, befürchte ich …‹ grinste es hämisch von unten.

›Komm, heute beweise ich es dir. Sollte ich heute erfolgreich sein, werde ich dir in Zukunft nicht mehr so häufig widersprechen.‹

Siegessicher setzte ich mich vor meinen Computer. Vorsorglich hatte ich alle meine Spiele in einer Stunde der Verzweiflung und mit schwerem Herzen schon kurz nach meinem Einzug in die Höhle gelöscht. So etwas wie mit Anja sollte mir nicht so schnell wieder passieren, falls ich doch einmal die Chance bei meiner Traumfrau bekommen sollte. Schnell tippte ich in den Browser die alte Adresse ein, die mir nach längerem Überlegen zum Glück wieder einfiel. In diesem Portal hatte ich mich oft in langen, einsamen Stunden, bevor ich auch Anja hier kennengelernt hatte, herumgetrieben. Es war für mich immer wieder aufregend und sehr spannend, fast eine Herausforderung gewesen, was man nur mit der Kraft von gut gewählten Worten dort erreichen konnte.

Gleichzeitig war es für mich als Werbefuzzi sehr interessant, ob ich auch hier mit Worten verführen konnte, also genau das, was meine damaligen Kunden von mir täglich bei der Präsentation von Anzeigen-, Spot- und Plakattexten erwarteten.

Dieses Portal war eines der unzähligen Netzportale, wo es verschiedene Chatforen gab, in denen über Gott und die Welt philosophiert wurde. Hier konnte man vollkommen anonym, nur mit Nicknamen, der Welt seine Sorgen und Nöte mitteilen. Schon nach den ersten Minuten hatte ich damals Gefallen daran gefunden. Denn, nachdem man einen Nicknamen entdeckt hatte der einem sympathisch vorkam, diesen im Chat verfolgt hatte und was diese Person so von sich gab, hoffend, sie sei tatsächlich weiblich, konnte man diesen Menschen dann im Privatchat ohne andere Mitleser anschreiben. Vorher studierte ich immer ausführlich das dazugehörende Profil. Dort war meistens ersichtlich, ob ›in einer Beziehung lebend‹, ›Verheiratet‹ oder ›Single‹. Hatte mir damals einen Spaß daraus gemacht, mir eine kleine, verführerische Geschichte auszudenken und zu warten, was so passiert. ›Meistens war ich dann innerhalb von Minuten mit mehreren gleichzeitig im Privatchat, was oft nicht so einfach war…‹, lachte ich laut in Erinnerung.

Beim Kennenlernen von Anja hier in diesem Portal hatte ich wohl schon damals etwas zu viel versprochen, das ich dann in der realen Welt nicht halten konnte.

›Also mein Freund, um dir zu beweisen, dass es die wahre Liebe viel öfter gibt, als ich zu träumen wage, werde ich heute versuchen, nur mit verheirateten Frauen zu chatten. Du wirst sehen, wir fliegen schneller raus, als du wachsen kannst. Da ist heute kein Spaß für uns beide angesagt.‹

Eine Weile verfolgte ich die verschiedensten Foren und informierte mich bei interessant klingenden Nicknamen über die – hoffentlich – Userin im dazugehörigen Profil.

Wenn ich so an früher dachte, kribbelte es fast schon in meinen Fingern und noch mehr kribbelte es bei Klein-Paul. So ganz allein in meiner Höhle zu sitzen, auch wenn diese ganz schick aussah, war einfach nicht erfrischend. Aber versprochen ist versprochen.

›Also mein geschätzter kleiner Paul, wenn ich es heute schaffe, eine verheiratete Lady zu verzaubern, sollst du deinen Willen haben und ich werde meinen Traum von unserem zukünftigen Leben langsamer angehen.‹

Schnell holte ich mir noch ein Glas Rotwein, wollte ja einen gemütlichen Abend verbringen. Wie fast schon gewohnt, stolperte ich dabei natürlich über das Netzkabel vom Computer. Alle potentiellen Opfer bekamen so unerwartet noch eine fünfminütige Schonzeit. Meine ständige Ungeschicktheit könnte heute sogar mal etwas Positives bewirken. ›Eine Ehekrise könnte vermieden werden, wenn die auserwählte Userin diese Eigenschaft von mir nutzen würde, in den Minuten bis zum Wiederhochfahren meines Computers aus dem Chat zu verschwinden …‹, grinste ich vor mich hin.

Nach dem Aufleuchten des Monitors und dem Einwählen in mein Lieblingsportal, tippte ich schnell Usernamen und Passwort ein. Da mein Passwort für alle Internetaktivitäten einfach nur ›Paul&Paul‹ war, konnte ich es nie vergessen. Alle Datenschützer bekamen bestimmt immer in diesen Momenten Herzattacken und wussten nicht weswegen.

Es ging endlich los. Auch nach mehreren Jahren Pause wurde ich heute freundlich wie immer begrüßt:

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Willkommen zurück, Prinz-mit-weißem-Pferd.

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Schnell testete ich, ob alles noch so funktionierte wie früher, vor allem das mit dem Direktchat ohne Mitleser, ganz privat. Ich loggte mich in das Forum ›Beziehungserfahrungen‹ ein und suchte mir einen Usernamen, der mich ansprach.

›Schneeglöckchen82‹ sprang mir irgendwie ins Auge und so sollte Schneeglöckchen82 heute leider nur meine Test-Userin werden. Aus meiner früheren Erfahrung wusste ich noch, dass sich in diesem Forum die meisten weiblichen User tummelten, um stolz über ihre Traumbeziehungen zu berichten. Um den Test zu beschleunigen schrieb ich Schneeglöckchen82 sofort eine ganz primitive persönliche Nachricht.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Schneeglöckchen82

… Lust auf einen Fick?

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In Gedanken entschuldige ich mich sofort bei Scheeglöckchen82 für diese blöde Anmache. Prompt kam die von mir erwartete Antwort:

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von: Scheeglöckchen82

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… verpiss dich sofort aus diesem Forum, sonst melde ich dich und lass dich sperren!!!!!!!

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Es klappte also immer noch wunderbar mit dem Privatchat, stellte ich erleichtert fest und freute mich auf den weiteren Abend.

›Nun, mein lieber kleiner Paul, sieh gut zu, es gibt die heile Welt, von der ich träume. Zumindest für einige…‹, fügte ich hoffnungsvoll noch hinzu.

Schnell suchte ich aus den Chat-Usern einige Nicknamen heraus, die mir auf Anhieb gefielen. In den von mir gleich darauf besuchten dazugehörenden Profilen war überall ›verheiratet‹ angeklickt. Meinen damals am erfolgreichsten funktionierenden Startsatz zum Wechsel der Unterhaltung in den Direktchat tippte ich eilig, etwas aufgeregt, in Erinnerung an die vielen schönen Erlebnisse in der Vergangenheit, in die Tastatur.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Ju-im-Glück

an: Streetlady66

an: Tausendschön

an: kleine Maus4711

Hier ist ein schöner Prinz mit einem weißen Pferd auf dem

Weg zu seinem Schloss. Willst Du mich begleiten?

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Schon nach wenigen Sekunden ploppten die einzelnen privaten Chatfenster mit den Antworten der von mir Auserwählten auf.

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von: Tausendschön

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… wo wohnst du???

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… darf ich mit auf dein Pferd, laufe nicht gerne. Aber weiße

Pferde sind doch Schimmel

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›Sogar das mit dem weißen Pferd klappte noch‹, grinste ich vor mich hin. Schon viele hatte ich allein wegen des weißen Pferdes in ein anfänglich harmloses Gespräch verwickeln können.

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von: Ju-im-Glück

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… du störst, mein Prinz. Mein Prinz wäre sauer, wenn ich mitkommen würde. Außerdem ist er viel schöner als Du, vermute ich Lies mal genau meinen Namen …

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Ju-im-Glück schien also wirklich im Glück zu sein. Mit einem erleichterten Klick auf die kleine rote Kugel im oberen linken Chatfenster verabschiedete ich mich von ihr. ›Noch drei Opfer‹, lachte ich. Ich merkte, wie es mich auch heute wieder reizte, einfach mit Worten und Geschichten zu spielen.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Tausendschön

… nicht weit von dir, in der Nähe von dem wunderschönen Leipzig. Soll ich einen kleinen Umweg machen und dich abholen??

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von: Tausendschön

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… so weit weg, das dauert ja ewig bis du dann bei mir

bist!!!

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… warte schon lange auf einen richtigen Prinzen. Mein Prinz, von dem ich vor langer Zeit dachte, es wäre einer, sitzt schon seit Jahren nur noch vor dem Fernseher, wenn er frei hat. Gerade schaut er ein Pokalspiel von seinem, mehr als mich geliebten, Fußballklub …

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Die Privatchatfenster meiner Auserwählten ploppten nun fast gleichzeitig auf. Wie immer war es am Anfang etwas stressig für mich, sie nicht so lange auf eine Antwort warten zu lassen. Auch durfte man die Dialoge nicht verwechseln, ich bin früher deswegen öfter an den schönsten Abschnitten eiskalt verabschiedet worden …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: kleine Maus4711

… ja meine Prinzessin! Warte, ich helfe dir beim Aufsitzen, setz dich hinter mich. So, das wäre geschafft. Halt dich gut fest an mir, wir reiten schnell auf mein Schloss, habe bereits eine große Tafel mit köstlichem Essen und leckeren Getränken vorbereiten lassen!

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Tausendschön

Ich beeil mich! Auf meinem Schloss gibt es königliches Essen und ganz alten, trockenen Rotwein aus Tausend-und-einer-Nacht … und das Feuer im Kamin ist schon entzündet und knistert fröhlich vor sich hin …

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von: Tausendschön

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Mit einem Tigerfell davor … ????

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Tausendschön

Natürlich liebe Prinzessin Tausendschön.

… auf dem Kaminsims stehen duftende und vom Kaminfeuer erwärmte arabische Öle mit denen ich ihre erlauchte Haut, meine Prinzessin, nach dem Essen gerne verwöhnen würde …

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Bei den heute gleich drei chatfreudigen, verheirateten Prinzessinnen konnte ich es ruhig etwas mutiger und schneller als gewohnt angehen … Es war wie immer faszinierend, diese Gespräche zu führen und schnell die jeweilige passende Antwort zu finden. Langsam fühlte ich mich wirklich wie ein Prinz und tauchte voll mit in meine Märchenwelt ein. Mal sehen, wer hier zuerst aussteigt. War ja heute ein Wettbewerb mit Klein-Paul, sozusagen.

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… es ist so schön mit dir zu reiten. Ich klammere mich ganz fest an dich und schmiege mich immer enger an deinen starken, breiten Rücken. Da ist es so schön kuschlig warm … spürst du auch den kalten Wind, der uns entgegen weht? …

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Drei Prinzessinnen, die auf einmal mitspielten. So was kam selten vor und ich tippte schnell weiter in die jeweiligen Fenster die Antworten ein. Konnte ja ein langer Abend werden und sollte Klein-Paul etwa heute gewinnen?

›… Vorfreude, schönste Freude …‹ trällerte es hämisch aus seiner Richtung.

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von: Tausendschön

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… wow, das klingt einfach wunderschön, die Vorfreude kribbelt in mir. Leider ist mein Prinz heute zu Hause, darf ich auch morgen auf dein Schloss mitkommen? Habe doch so trockene Haut und mein zarter Körper freut sich auf dein warmes, duftendes Öl!!!!!!

… vielleicht morgen so gegen 21.00 Uhr, da ist mein Prinz arbeiten. Ich warte auf dich, deine Prinzessin Tausendschön mit ihrer soooo trockenen Haut …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Tausendschön

… selbstverständlich liebe Prinzessin Tausendschön, einen kleinen Kuss zum Abschied von deinem Prinz mit dem weißen Pferd …

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Mit einem kurzen Klick in die linke obere Ecke des Chatfensters war Tausendschön für heute entlassen. Sie wollte mich ja unbedingt wiedersehen, vielleicht nahm ich das Angebot an, mal sehen, was der Abend noch so brachte. Dass ich meine Wette mit Klein-Paul verlieren würde, war zum jetzigen Zeitpunkt schon sehr wahrscheinlich. Jetzt musste ich mich erst einmal schleunigst um meine restlichen zwei Prinzessinnen kümmern, sonst waren die auch noch weg oder ein noch sprachgewandterer Prinz tauchte im Chat auf.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: kleine Maus4711

… du klammerst dich sehr eng an mich, kann schon deine kleinen festen Brüste durch mein dickes Lederwams spüren, das gefällt deinem Prinzen sehr!

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… sind nicht klein

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›Sorry meine noch etwas unbekannte Schöne, das werde ich dann auf meinem Schloss überprüfen…‹, lachte ich voller Vorfreude.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

Möchtest Du nicht mal einen Traumprinzen, dazu noch mit weißem Pferd und Schloss, näher kennenlernen? Auf meinem Schloss wartet das leckerste Essen im Umkreis von tausend Meilen auf dich und der Kamin knistert schon leise vor sich hin. Steig auf, wir reiten schnell hin.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… ja reite schnell, hab großen Hunger, lach …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… dir hat wohl dein halber Prinz heute nichts gekocht?

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… der hat noch nie gekocht, hat es mir aber beim Kennenlernen immer versprochen, um mich auf sein Schloss zu locken … lach … wenn es bei dir nichts gibt und du mich auch nur zu anderen Sachen … grins … auf dein Schloss locken willst, haue ich gleich wieder ab und wenn ich zurück trampen müsste, gibt bestimmt viele weiße Pferde mit Prinzen oben drauf in deiner Gegend, die auch Prinzessinnen suchen, die auf Abwegen sind … grins.

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… bist du immer so schweigsam beim Reiten, möchte auch was von unserem Ritt haben, geht es nicht etwas zügiger, ich liebe es zu reiten

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Mist, hatte mich zu lang bei der Streetlady aufgehalten, konnte früher besser zwei Dialoge gleichzeitig führen, würde schon wieder werden.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

Wir sind fast da, siehst du das große Schloss am Horizont, jenes mit den hell erleuchteten Fenstern? Dort steht unser Essen und der Kamin brennt bereits.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: kleine Maus4711

… hab einen leichten Galopp eingelegt, spürst du es?

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… mmhh, das gefällt mir, warum sind deine Beinkleider so fest geschnürt, meine Hand findet keinen Eingang, würde mich gerne besser festhalten können. Warum hast du nur keine Jeans mit Reißverschluss an?

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… gibt es auch Fasan? Ich stehe auf gebratenen Fasan.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

Alles, was meine Prinzessin wünscht, wird ihr serviert.

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Meine guten Vorsätze gerieten bei diesem leicht zweideutigen Geplänkel immer mehr in den Hintergrund. ›Jetzt ja nicht die Fenster verwechseln, sonst sitzt du auf einmal allein vor dem Bildschirm …‹

›Pass ja auf!‹, schrie Klein-Paul mich förmlich an.

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… mmhh, reite so schnell weiter, mmhh …, richtige Prinzen haben doch ein großes hartes Schwert, möchte mich bei dem Tempo gern daran festhalten …, hilf mir bitte beim Öffnen deiner Beinkleider … mmhh … schnell

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Wow, kleine Maus war ja eine ganz schnelle, brauchte mir ja fast gar nichts mehr auszudenken, sie übernahm das Kommando. Klein-Paul grinste bestimmt schon und sabberte vor Vorfreude, wie ich an dem stärker werdenden Druck in meiner Hose merkte.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

HUNGER!!!!!!!!!

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd an: Streetlady66

… wir sind da, darf ich dir deinen Umhang abnehmen? Nimm einfach Platz und bediene dich …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: kleine Maus4711

… gibt mir deine Hand, ich zeige dir den Weg zu meinem Schwert … Freude!!!

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… cool, hast du ein großes Schwert!!! … ahhh … ich halte mich ganz fest daran und reibe es langsam im Takt unseres Galopps … ahhh … schneller … reite schneller … ahhhh

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Schnell mal der Streetlady antworten, obwohl ich mich lieber gerne voll auf die kleine Maus konzentriert hätte, man wusste den Verlauf ja nie im Voraus … Meine linke Hand hatte von mir ganz unbemerkt angefangen, die immer größer werdende Beule in meiner Hose zu reiben …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: kleine Maus4711

… lass nicht das Schwert los, sonst fällst du bei dem Tempo runter … mmmh … Kuss vom Prinz

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von: kleine Maus4711

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

… aahhhh … ich komm … aaaaahhh …

… Mist, mein Mann kommt, bis bald, Kuss, bin immer mal hier!

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›Hoffentlich konnte kleine Maus noch den Chat löschen, bevor ihr richtiger Prinz in das Zimmer kam, sonst würde es bestimmt für sie kein lustiger Ritt heute Abend werden …‹, dachte ich mitfühlend. Irgendwie wurde man miteinander vertraut, auch wenn man sich nur Märchen erzählte. Aber zwischen den Zeilen erfuhr man eigentlich sehr viel von den jeweiligen Menschen.

Bis jetzt stand es also schon zwei zu eins für Klein-Paul. ›Ju-im-Glück‹ hatte mir ja sofort eine klare Ansage gemacht, Tausendschön und kleine Maus4711 warteten in den nächsten Tagen auf mich im Chat, brauchte mich nur zu melden. Konnte also nur noch ein Unentschieden werden, dachte ich etwas enttäuscht aber gleichzeitig erregt, die letzten Sätze von kleine Maus noch vor Augen.

Vollkommen in den Gedanken versunken, wo die Finger von kleine Maus bei den vielen ›… aahhh‹ waren, riss mich das Kling einer neuen Privatnachricht in das Jetzt zurück.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

War das lecker, wo bist du!?!?!

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… war nur mal schnell im Weinkeller und habe uns einen leckeren Tropfen ausgesucht

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Trocken????

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

Ja, ein ganz alter Jahrgang von meinem letzten Feldzug. Möchtest du solange ein wohliges Bad in warmer Eselsmilch nehmen, während ich mein weißes Pferd versorge?

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Brauchte dringend eine kleine Pause, denn mein Weinglas neigte sich dem Ende entgegen.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Gern sogar, bin etwas staubig vom Ritt, nimm dir Zeit mit deinem weißen Pferd namens Schimmel, grins …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… wo bist du, meine teure Prinzessin, mein weißes Pferd ist glücklich versorgt, ich sehe dich nirgends?

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Siehst du mich nicht? Liege vor deinem schönen Kamin, habe ein paar Kerzen gelöscht, mag es immer etwas romantisch …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

Oh, dein Körper glänzt im Schein der Kerzen, jetzt sehe ich dich. Er würde noch schöner glänzen, wenn ich ihn mit duftendem Öl einreiben dürfte. Darf ich dich aus deinem Handtuch befreien?

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Jaaa, gerne! Reibe mich ganz sanft ein, wir haben ganz viel

Zeit, unten im Wohnzimmer beginnt bei meinem Versuchsprinzen gerade die zweite Halbzeit im Fernsehen! Vergiss keine Stelle …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… gut so? Sag mir, wo noch Öl fehlt, damit ich diese Stellen besonders gut verwöhnen kann … mhhh

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Mein lieber Prinz, du hast mich so scharf gemacht … ich kann aber so etwas nicht per Chat … habe so etwas noch nie gemacht …

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Alles ist irgendwann das erste Mal und ich dachte noch immer verzaubert an die ungewöhnliche, aber sehr aufregende Episode mit Claudi. Jetzt waren Mut machende Worte gefragt, aber das sollte mir nicht schwer fallen. Auch hier hatte ich von Claudi und früheren Chats viel gelernt.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… wir sind ganz allein hier auf dem Schloss, sag mir einfach deine Wünsche, es liest niemand mit und ich verspreche nicht weiter zu erzählen, was du mir gleich befehlen wirst, meine wunderschöne Prinzessin.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Okay, ich versuchs …, du hast mich so ge … gemacht, könnte jetzt sowieso in den nächsten Stunden an nichts anderes denken … außerdem kennen wir uns nicht und werden uns im realen Leben nie begegnen, okay ich bin heute mal ganz mutig, verwöhne mich mein lieber Prinz …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… ich lasse neues warmes Öl in meine Hände tropfen und warte auf deine Befehle meine schöne Prinzessin …

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Fang bei meinen Brüsten nochmal an und vergiss die Stelle zwischen meinen Schenkeln nicht … bin etwas wund vom Reiten …

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… lege meine Hand an die besonders wunde Stelle, wo es lichterloh brennt … grins

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Ahhh, reib meine … ahh …ach, ist mir jetzt egal wer du bist … ahhh …, reib meine vor Lust geschwollenen Lippen ganz sanft

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Klein-Paul brauchte mir nicht zu sagen, dass es drei zu eins für ihn stand und er gewonnen hatte. Ich spürte es deutlich an dem schon fast schmerzhaften Druck in meiner Jeans. Heute soll es uns beiden gut gehen, wir waren uns in diesem Moment mal wieder einig. Ich öffnete den Gürtel meiner Jeans und zog diese schnell herunter. Minutenlang chatteten wir unsere Wünsche und schriftliches Gestöhn durch die virtuelle Welt. Schneller, fester, härter und noch konkretere Wünsche leuchteten, oft voller Fehler und in Bruchstücken, auf meinem Monitor auf. Auch ich hatte große Probleme, halbwegs verständliche Wünsche und Äußerungen nur mit der linken Hand in die Tastatur zu klopfen.

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von: Prinz-mit-weißem-Pferd

an: Streetlady66

… wo … sind jetzt deine Finger im realen Leben grins …

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

ahhh … dreimal darfst du raten mein Prinz … ahhh …

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Das war zu viel für uns beide, gerade noch rechtzeitig konnte ich die Tastatur vor meinen reichlichen Ergüssen schützen. Auch auf dem Monitor war einige Minuten nichts von meiner Prinzessin zu lesen. Endlich kam der vertraute Klang einer neuen Nachricht.

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von: Streetlady66

an: Prinz-mit-weißem-Pferd

Danke mein Lieber Prinz, es war sehr, sehr schön mit dir. So zärtlich und geschickt bin ich noch nie verführt und verwöhnt worden. Und das nur mit Worten im Chat …, mein ganzer Körper kribbelt vor Wonne. Habe noch keine Ahnung, wie ich meinem Fußballfan unten im Wohnzimmer meine Gesichtsröte erklären soll. Bleibe am besten noch für eine Weile hier oben … Habe am Anfang nicht gedacht, das es so schön werden würde, war ja meine erste virtuelle Verführung. Bis bald einmal hier, lieben Kuss, deine Prinzessin

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Nach diesem so einfachen Sieg von Klein-Paul bei lauter als ›verheiratet‹ gelisteten Userinnen geriet mein Weltbild für mein künftiges Leben etwas ins Wanken. ›Na gut‹, versprach ich ihm, ›wir lassen die Suche nach der Liebe etwas langsamer angehen. Den Glauben an eine ideale und glückliche Beziehung gebe ich aber trotzdem nicht auf, kannste glauben mein Lieber!‹

Müde, aber irgendwie glücklich und entspannt verabschiedete ich mich von dem heutigen Tag.


Lust und Liebe dann kam das Leben

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