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2.2.2 Netzwerke: Starke Verflechtung mit der Gesellschaft

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Das frühmittelalterliche Irland war relativ dünn besiedelt. Hunderte von Königreichen mit einer Bevölkerung von jeweils 500 bis 12 000 Personen überzogen die Insel (Bitel 1990:2). Aus dieser Zahl kann man schon sehen, dass ein König eher ein Stammesfürst war. Die Lebensbedingungen waren hart: Fruchtbarer Boden musste dem stetig nachwuchernden Wald abgekämpft werden, das unberechenbare Wetter verdarb Ernten, und so war der Hunger eine ständige Bedrohung. Um überleben zu können, war der Einzelne auf die Unterstützung der Gruppe angewiesen, und nicht selten überfiel ein Stamm den anderen in einem der berüchtigten Rinderraubzüge. Seit dem siebten Jahrhundert unterwarfen einzelne Könige andere, um sie tributpflichtig zu machen. Eine die ganze Insel überspannende Herrschaft gab es allerdings nie.

Eine Stammeskultur funktioniert nach ganz anderen Prinzipien als unsere moderne pluralistische Gesellschaft. Die Sicherheit kommt aus der Gemeinschaft, die den Einzelnen unterstützt, etwa bei Krankheit oder dem Aufbringen des Brautpreises. Umgekehrt stellt die Gruppe Forderungen an den Einzelnen (Hiebert 1992:C29). Entscheidungen werden als Gruppe getroffen und Verwandtschaft ist die Basis für soziale Beziehungen. Die Ordnung baut dabei nicht auf Gesetzen auf, sondern auf der gegenseitigen Verantwortung und Haftung von Mitgliedern einer Gruppe, die auch von außen als Gruppe gesehen wird (Aschoff 2006:45).

Die Iren lebten in einer solchen Stammeskultur, bevor das Evangelium sie erreichte, und auch viele Jahrhunderte danach. Der Gemeinschaftsgedanke war ihnen so tief verwurzelt, dass auch Mönche und Nonnen entgegen der formellen Rhetorik des „Vater und Mutter verlassen um Christi Willen“ und des Ideals der Abgeschiedenheit faktisch fast ausnahmslos in starken Netzwerken über die Klostermauern hinaus eingebunden waren (Bitel 1990:89). Anders ließen sich auch die Gefahren des Lebens nicht meistern. Jedes Kloster errichtete um sich herum ein Netzwerk zum Schutz und zur Versorgung.

Zölibatäres Leben als (offizielle) Voraussetzung für ein Mönchsdasein setzte sich erst im elften Jahrhundert allmählich durch (Bitel 1990:236). Mönche hatten Familien, Ämter wurden mit Verwandten besetzt (Bitel 1990:105). Die Gründerfamilien, die oft aus dem irischen Adel stammten, besaßen ein Quasi-Erbrecht auf die Besetzung geistlicher Ämter (Angenendt 1990:205). Das Kloster war also „Klan“, gleichzeitig aber auch – wie jeder Klan – in ein enges Netzwerk mit anderen Klans eingebunden. Diese Verbindungen konnten durch Verwandtschaft begründet sein oder durch politisches Taktieren. Wie fest diese Netzwerke zwischen Kloster und Politik waren, lässt sich etwa daran erkennen, dass Klöster öfter überfallen und niedergebrannt wurden – und zwar nicht nur von Stammesfürsten, sondern auch von anderen Klöstern. Beinahe jeder Grund schien dafür gut genug: der Reichtum eines Klosters, sein Bündnis mit dem falschen König oder Rivalitäten zwischen Klöstern. Das Kloster Armagh etwa wurde zwischen 800 und 1 200 mindestens 50 Mal überfallen (Bitel 1990:148 f.).

Um das Zentrum des Abtes bzw. der Oberin und seiner/ihrer Mönche und Nonnen gab es Landpächter und Handwerker – die Manaig –, die im Austausch für ihre Dienste geistliche Dienstleistungen erhielten (Bitel 1990:127 f.). Mit lokalen Fürsten wurden Bündnisse geschlossen; dem militärischen Schutz und Geldzahlungen standen praktische Dienste wie die Ausbildung der Kinder der Oberschicht (Olsen 2003:92) und das Sicherstellen des Segens Gottes gegenüber (Bitel 1990:191 ff.). In einer so unberechenbaren Welt war der Schutz Gottes etwas, für das die Menschen bereit waren, einen hohen Preis zu zahlen. Klöster wurden gestiftet, Ländereien geschenkt – manchmal auch gleich mit den Menschen, die darauf lebten (Bitel 1990:121).

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