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6. Der Krimiautor
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Als Richter Dr. Prell pensioniert wurde, beschloss er, Krimiautor zu werden. Er dachte sich, dass das Bücherschreiben eine nette Freizeitbeschäftigung wäre, bei der man mit etwas Glück noch Geld verdienen könnte. Die Abendprogramme der Fernsehsender waren ja voll von Kriminalfilmen, so dass offensichtlich ein großer Bedarf an geeigneten Romanvorlagen bestand. Außerdem meinte Dr. Prell, von seiner jahrzehntelangen beruflichen Erfahrung profitieren zu können: Schließlich war er Staatsanwalt und Schwurgerichtsvorsitzender gewesen.
Er ging im Geist seine bekannten Mordfälle durch, die seinerzeit Schlagzeilen in der Presse gemacht hatten: „Der Mondscheinmörder“, „Die Bestie von Unterrohrbach“, „Der Jack the Ripper von Urselburg“ und wie sie alle genannt wurden. Nur eigneten sich diese Fälle auch für einen Krimi? Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr kam er zu der Überzeugung, dass die Wirklichkeit und die Welt der Kriminalromane überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Eigentlich waren seine Mordfälle schrecklich primitiv gewesen. Damit konnte man bei keinem Leser Spannung oder gar eine Gänsehaut erzeugen.
Bei diesen Morden gab es nie die Raffinesse, mit denen die Täter in den Kriminalromanen zu Werke gingen. Er dachte an zwei Romanfiguren, welche die Schüsse auf ihr Opfer durch einen Stolperdraht bzw. ein Brennglas ausgelöst hatten, mit der Folge, dass ihnen, nachdem sie diese komplizierten Apparaturen wieder abgebaut und beseitigt hatten, kaum etwas nachzuweisen war, da sie dafür gesorgt hatten, für die Tatzeit ein perfektes Alibi zu haben. Dennoch war ein Meisterdetektiv ihnen auf die Spur gekommen. Es waren eigentlich lauter konstruierte, völlig lebensfremde Geschichten.
Und so überlegte Dr. Prell, welche Art von Mord es wohl noch geben könnte, die zum einen noch nicht beschrieben worden war und zum anderen spannend genug war, um die Leser zu fesseln. Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr kam er zu der Überzeugung, dass der perfekte Mord ganz einfach war. Er stellte sich als Aufgabe, den perfekten Mord an seiner Frau zu begehen – rein theoretisch natürlich. Nichts leichter als das, befand er, denn ganz spontan war ihm schon eine absolut spurenfreie Mordmethode eingefallen:
Er brauchte nur zu warten, bis seine Frau in die Badewanne gestiegen war. Dann würde er den Föhn seiner Frau mit einem Handtuch packen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und einschalten. Ein kurzer Plumps – und seine Frau hätte das Zeitliche gesegnet. Es würde ihm wohl nicht schwer fallen, den trauernden Witwer zu spielen. Er würde, falls Ermittlungen angestellt würden, erklären, er habe seine Frau schon oft davor gewarnt, den Föhn in der Badewanne zu benutzen, und sogar schon den Strom abgeschaltet, um dieses gefährliche Treiben abzustellen. Leider habe er am Unglückstag nichts davon mitbekommen, dass seine Frau sich trotzdem wieder geföhnt habe.
Dasselbe ließe sich natürlich auch mit einem Radio machen, dachte Dr. Prell mit einigem Stolz darüber, nun schon die zweite todsichere Mordmethode gefunden zu haben.
Dann allerdings fuhr ihm jäh der Schreck in die Glieder. Beinahe hätte er übersehen, dass sein Haus über speziellen Sicherungsschalter verfügte, der solche Unfälle gerade verhindern würde. Er überlegte, was er wohl getan hätte, wenn seine Frau den Föhn in der Badewanne überlebt hätte. Er hätte vielleicht sagen können: „Kleiner Scherz, um dir die Sicherheit unseres Hauses zu demonstrieren.“
Da fiel ihm eine andere ganz einfache und absolut sichere Mordmethode ein, die auf keinen Fall einen Nachweis der Täterschaft ermöglichen würde: Er würde mit seiner Frau Pilze suchen und daraus ein Gericht kochen. Heimlich würde er ein paar giftige Knollenblätterpilze darunter mischen – absolut tödlich. Hinterher würde er sagen können, seine Frau habe die Pilze allein gesucht und gegessen, da er sich zum einen nichts aus Pilzen mache und den einschlägigen Kenntnissen seiner Frau immer misstraut habe.
Ja, das war wirklich der perfekte Mord, doch wäre eine solche Story viel zu unergiebig für ein ganzes Buch. Außerdem widersprach es seinem Ethos als ehemaliger Richter, eine solche Anleitung zu veröffentlichen. Und so gab Dr. Prell seine Absicht, ein Krimiautor zu werden, wieder auf. Er zerknüllte ostentativ ein Stück Papier, das er in seiner Schreibmaschine eingespannt hatte.
Seine Frau bekam dies im Vorübergehen mit und fragte: „Na, wird das nichts mit deinem Krimi ?“
„Mir will einfach kein vernünftiger Mord einfallen.“
„Da kann ich dir helfen mit einem perfekten Mord: Eine Frau ist ihres Mannes überdrüssig und tut ihm einen Knollenblätterpilz ins Essen.“
„Also ich würde sagen, da kommt die Kripo drauf.“
„Wenn ich die Frau wäre, könnte man mir bestimmt nichts nachweisen.“
„Also ich schon, wenn ich der Kriminalbeamte wäre.“
„Du sicherlich nicht, denn du wärst dann ja tot!“
Und da mussten beide doch so richtig lachen, wie sie schon länger nicht mehr gelacht hatten.
Aber Frau Prell hatte noch eine Idee: „Wenn du einen Bestseller schreiben willst, brauchst du nur schauen, was im Fernsehen läuft und was bei den Filmfestspielen preisgekrönt wird: Schwule und Lesben müssen drin vorkommen, alleinerziehende Männer und Frauen, möglichst noch ein Jude, der aber auf keinen Fall schwul sein darf, damit du nicht gleich wegen Volksverhetzung angezeigt wirst...“
„Jetzt halt mal die Luft an! Wie wäre es denn, wenn du mit deinem unerschöpflichen Ideenreichtum ein solches Buch schreiben würdest?“
„Ich werd’ mal drüber nachdenken...“