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Wie ist das Leben entstanden?

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Paläontologen sind Forscher, die sich mit der Entstehung und Entwicklung von Lebewesen der Vorzeit befassen.

Diese Frage ist die schwierigste, die man einem 22 Paläontologen überhaupt stellen kann. Statt eine Antwort darauf zu geben, könnte der sagen, dass ihn das nichts anginge; darüber sollten sich die Biologen ihre Gedanken machen, er habe schließlich mit den Fossilien, die ja schon das Vorhandensein von früherem Leben belegten, gerade genug zu tun. Wenn man die Zeit von heute aus bis zum Anfang der Erde zurückverfolgt und in immer älteren Schichten nach Fossilien sucht, wird man irgendwann gar keine mehr finden. Auf diesem Weg zurück kann man feststellen, dass sich die Fossilien in unterschiedlich alten Schichten voneinander unterscheiden: Ihre Baupläne haben sich im Lauf der Zeit verändert, wovon im Kapitel über die Fossilien noch ausführlich berichtet wird.

Reduzierende Verhältnisse bedeuten, dass es in den Ablagerungen keinen Sauerstoff gibt.

Hier geht es zunächst einmal um den Anfang, um die ersten Hinweise auf Leben überhaupt, und es geht um dessen Entstehung. Wir wissen noch nicht einmal, ob es auf der Erde selbst begonnen hat, denn man hat schon vor über 100 Jahren organische Substanzen in Meteoriten gefunden und inzwischen auch Aminosäuren im Weltraum entdeckt, die wesentliche Bausteine für Eiweiß sind. Erst vor kurzem hat man wieder deutliche Hinweise auf Biomoleküle im Weltraum gefunden. Zu deren Entstehung hat man auch Experimente gemacht, darunter eines, bei dem aus ganz einfachen Stoffen unter bestimmten Bedingungen schon recht komplizierte organische Substanzen entstanden sind; es stammt von einem US-amerikanischen Studenten, Stanley Miller, der elektrische Entladungen auf ein Gasgemisch aus Ammoniak, Methan und Wasserdampf einwirken ließ, auf ein Gasgemisch mit Wasser also, das auch noch unter 23 reduzierenden Verhältnissen stand, wie es für die frühe Erde angenommen werden muss (es gab damals noch keinen Sauerstoff).


1.9 Stanley Miller vor seiner Versuchsapparatur im Labor, wo er als Doktorand des Nobelpreisträgers Harold Urey Experimente zur Entstehung des Lebens in einer „Ursuppe“ durchführte; dabei gelang ihm die Synthese von Aminosäuren, Bausteinen des Lebens.

Image AKG

Die elektrischen Entladungen sollten Blitze nachahmen, denn Gewitter gab es auch damals schon. Tatsächlich waren bei diesem Experiment sogar Aminosäuren entstanden und seitdem spricht man bei einem solchen wässerigen Gemisch mit organischen Substanzen von der „Ursuppe“. Dabei waren zwar Bausteine für Leben entstanden, aber noch kein Leben an sich, das ja imstande sein muss, sich selbst zu vervielfältigen. Leben setzt in bestimmter Weise geordnete Stoffsysteme voraus, die durch Vererbung auf andere, nämlich jüngere, übertragen werden. Das ist eine Art Kopier-Prozess und so etwas kennt man auch aus dem anorganischen Bereich der Kristalle: Diese wachsen, indem sie z.B. aus Lösungen kristallisieren wie das Kochsalz, in dem Natrium- und Chlor-Atome immer zu einem identischen Kristallgitter zusammengefügt werden. Man kann ein Bruchstück eines solchen Kristalls wieder einer entsprechenden Lösung aussetzen und daraus wächst dann ein neuer, vollständiger Kristall. Dieses Prinzip der Selbstorganisation von Materie kann man nun auch auf kompliziertere organische Stoffe übertragen. Vielleicht haben also die organischen Substanzen, die zum Leben geführt haben, von den anorganischen Organisationsprinzipien gelernt.

Doppelhelix ist die Struktur, mit der man anschaulich den Aufbau der DNS beschreibt.

Der Kopiervorgang von Leben ist vor über 50 Jahren schon von den berühmten Forschern Crick und Watson in einem eleganten Modell beschrieben worden, in dem bestimmte Bauteile in Form einer 23 „Doppelhelix“ angeordnet sind. Halten wir fest, dass sich alles Leben auf diese Weise kopieren lässt.

Ein Freund von mir hat den Aufsatz von Crick und Watson in seiner Papierform viele Male kopiert und an seine Studenten verteilt. In der Kopie von der Kopie von der Kopie hatten sich allmählich minimale Veränderungen gezeigt, die Buchstaben waren nicht in allen Fällen mehr gut lesbar. Damit wollte er zeigen, dass sich auch in den Substanzen, die für das Leben notwendig sind, allmählich Veränderungen einstellen, wenn man sie nur oft genug kopiert (vererbt). So wandeln sich die Formen und wenn man, wie in der Erdgeschichte, Hunderte von Millionen Jahren zur Verfügung hat, dann ist es eigentlich verwunderlich, dass manche Organismen ihre Form bis heute kaum verändert haben; das sind allerdings eher Ausnahmen, denn die meisten haben sich ganz wesentlich gewandelt. Zum Glück für die 14 Geologen, die mit den unterschiedlichen Formen ihre Schichten datieren können (vgl. Kap. 2).

Damit sind wir aber in unserer Frage nach der Entstehung des Lebens noch immer nicht viel weiter gekommen.

Wieder können uns dabei aber Experimente helfen und neuere Beobachtungen an heißen Quellen in der Tiefsee, wo man inzwischen ganz besonders primitive Bakterien entdeckt hat, die bei den dort herrschenden sehr hohen Temperaturen sogar ohne Sauerstoff leben können. Solche Verhältnisse sind auch für die Frühzeit der Erde anzunehmen. Aber selbst diese einfachen Organismen sind schon recht kompliziert aufgebaute Lebewesen. Man hat nach ihrer Entdeckung ein entsprechendes Milieu im Labor hergestellt und dabei herausgefunden, dass sich selbst aus sehr einfachen Substanzen, zu denen Schwefel und Eisen gehören (die zusammen das Mineral Pyrit aufbauen, das wir auch als sog. Katzengold kennen), zusammen mit Wasserstoff und CO2 organische Substanzen bilden können, die sofort an der Oberfläche der entstehenden Pyritkristalle angeheftet werden. Pyrit dient dabei als Katalysator, d.h., er ist stofflich am Aufbau der komplizierteren Substanzen selbst nicht beteiligt. Die anfangs sehr einfachen Stoffe können sich dort zu immer komplexeren Substanzen weiterentwickeln, zu denen auch Fette gehören, die Bläschen bilden; wenn diese sich von ihrer Unterlage ablösten und im freien Wasser herumschwammen, dann waren das möglicherweise die ersten selbstständigen Zellen. Die Zusammenballung solcher einzelnen Fettbläschen zu Kolonien entspricht einem Modell für die Entwicklung mehrzelliger Organismen, in denen sich dann auch eine Arbeitsteilung zwischen den Einzelzellen entwickeln konnte.


1.10 Tonmineralblättchen mit unterschiedlichen elektrischen Ladungen auf der Fläche und an den Kanten.

Quelle: Verändert nach Rothe 2002


1.11 „Black Smoker“, schematisch.


1.12 Die Grand Prismatic Spring ist eine Thermalquelle im westlichen Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming.

Quelle: gottsfam – Fotolia.com.

Zu den wichtigen chemischen Substanzen des Lebens gehören auch Phosphor und Stickstoff (den Blitze aus der Atmosphäre freisetzen oder die Vulkane liefern). Phosphor wird benötigt, um den Energiespeicherstoff in den Zellen aufzubauen, und ist ein Bestandteil von Apatit, einem im Basalt vorkommenden Mineral (vgl. Kap. 4).

Die Spur zum Anfang des Lebens kann also an gegenwärtig in der Natur stattfindenden Prozessen studiert werden und es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade an den heißen Quellen am Meeresboden auch heute noch die primitivsten Lebewesen existieren.

Archaea sind die primitivsten bakterienähnlichen Organismen, die man jetzt einem eigenen Reich zuordnet.

Zu diesen gehören die Bakterien-ähnlichen 25 Archaea, die man nach näherer Untersuchung heute einem selbstständigen Reich zuordnet, das neben den eigentlichen Bakterien und den höher entwickelten Organismen mit Zellkern existiert. Sie können unter extremen Bedingungen leben, ohne Sauerstoff und bei Temperaturen weit oberhalb von kochendem Wasser; diese Eigenschaften machen sie auch zu geeigneten Kandidaten für die Besiedlung der noch primitiven Ur-Erde.


1.12a Präkambrische Kalksteine mit stromatolithischen Strukturen, die früher als Collenia beschrieben wurden. Zgounder-Tal, Anti-Atlas, Marokko.

Foto: Verfasser

Stromatolithen sind feinstschichtig aufgebaute Kalksteine, die unter der Mitwirkung von Cyanobakterien entstanden sind.


1.12b 26 Stromatolithen, i. W. durch Bakterien 146 gefällte Kalke, die schon im Präkambrium mächtige Gesteinskomplexe aufgebaut hatten. Stromatolithen sind noch heute wichtige Kalkbildner, z.B. an der Westküste Australiens.

Quelle: Verändert nach Füchtbauer 1988

Man hat auch überlegt, ob nicht Tonminerale bei der Entwicklung des Lebens eine Rolle gespielt haben könnten. Wir werden sie bei der Besprechung der Minerale noch vorstellen und dabei sehen, dass diese besonderen Minerale eher Blättchen als normale Kristalle sind, die an den Kanten und auf den Flächen unterschiedliche elektrische Ladungen haben; insofern ähneln sie eher Membranen als Kristallen (Abb. 1.10).

Bei ihrer Bildung können sie wahrscheinlich kleine Baufehler in ihren Strukturen auf die weiter wachsenden Membranen übertragen, d.h. „vererben“, und damit bilden sie praktisch anorganische Vervielfältigungssysteme. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, auf den elektrisch geladenen Oberflächen solcher Tonminerale einfache organische Moleküle anzubinden und dadurch Ton-organische Komplexverbindungen herzustellen. Solche Prozesse könnten in den flachen Meeren der noch jungen Erde, also vor einigen Milliarden Jahren, stattgefunden haben und damit wird auch vorstellbar, dass die an den heißen Quellen entstandenen organischen Stoffe hier erstmals in solche Vervielfältigungssysteme eingebaut wurden

Pigmente sind farbgebende Substanzen.

Die zunächst chemisch gebildeten organischen Substanzen mussten sich aber zu besser wirksamen Systemen weiterentwickeln; dazu brauchten sie 26 Pigmente, von denen das Chlorophyll, der grüne Pflanzenfarbstoff, das bedeutendste ist. Mit Hilfe von Chlorophyll machen schon die primitivsten Pflanzen aus ganz einfachen Ausgangsstoffen wie CO2 und Wasser organische Substanzen, z.B. Zucker. Das hatten, wie erwähnt, auch schon Bakterien fertiggebracht, die im 33 Präkambrium Kalk aus dem Meerwasser abgeschieden hatten, wobei gleichzeitig noch Sauerstoff für die frühe Atmosphäre freigesetzt wurde.

Die Experimente, die zur Entschlüsselung der Entstehung des Lebens beitragen könnten, haben bisher im Prinzip nur die dafür erforderlichen Ausgangsstoffe geliefert, deren selbständige Replikation aber nicht erklären können. Trotz aller Erklärungsversuche bleibt die Entstehung des Lebens noch immer das größte ungelöste Rätsel der Biologie.

Vieles, das wir uns in diesem Zusammenhang ausdenken, ist Spekulation, aber die ist auch wichtig, um neue Experimente zu erfinden. Es verdichten sich jedenfalls die Hinweise darauf, dass das Leben auf der Erde schon sehr früh, wahrscheinlich seit es Wasser in flüssigem Zustand gegeben hat, begonnen hat. Das Problem für die Forschung ist aber, dass die ganz frühen Gesteine durch viele nachfolgende 53 Metamorphosen so umgebildet wurden, dass man den eigentlichen Ursprung allenfalls noch mit chemischen Methoden rekonstruieren kann. Schon der berühmte schottische Geologe James Hutton hatte am Ende des 18. Jahrhunderts bedauernd feststellen müssen, dass wir keine Zeugen des Anfangs mehr finden können.

Literatur

Harjes, H.-P. & Walter, R.: Die Erde im Visier. Die Geowissenschaften an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Springer Verlag, -Berlin, Heidelberg 1999, 287 S.

Murawski, H. & Meyer, W.: Geologisches Wörterbuch. Spektrum Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford 2004 (11. Aufl.), 262 S.

Oparin, A. I.: Die Entstehung des Lebens auf der Erde. Volk und Wissen Verlags GmbH, Berlin/Leipzig. 1947, 256 S.

Grotzinger, J, Jordan, T., Press, F., Siever, R. (2008): Press/Siver – Allgemeine Geologie. 736 S. 5. Aufl. Springer/Spektrum, Heidelberg.

Rothe, P.: Erdgeschichte – Spurensuche im Gestein. WBG, Darmstadt, 2. Aufl. 2009, 248 S.

Rothe, P.: Geschichte der Erde. Primus Verlag, Darmstadt 2010, 96 S.

Wefer, G. (Hrsg.): Expedition Erde. Wissenswertes und Spannendes aus den Geowissenschaften. Bremen 2006 (2. Aufl.), 335 S.

Windley, B.F.: The Evolving Continents. John Wiley & Sons, Chichester etc. 1995 (3. Ed.), 526 S.

Zubay, G.: Origins of Life on the Earth and in the Cosmos. Academic Press, San Diego etc. 2000 (2. Ed.), 564 S.

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