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Nebelschwaden in den Tälern des Voralpenlandes.

Quelle: Bürgel & Gutekunst – Fotolia.com.

Vorwort

„Wer fragt sich nicht beim Anblick der Ereignisse und Wunder einer Berglandschaft, woher diese Schlünde und Höhlen der Abgründe kommen? Wie konnten diese Gipfel sich bis zu den Himmeln erheben? Woher diese sanften Abhänge und die trotzigen Felsen? Woher kommen die Granitkolosse, die schwer auf der Ebene lasten? Woher die aus dem Meer stammende Beute, die wir in den Bergen vergraben finden?“

Rodolphe Töpffer (1799–1846): „Genfer Novellen“

Fragen an die Erde sollten eigentlich alle interessieren, die auf diesem Planeten leben. Als 10 Geologe werde ich immer dann gefragt, wenn sich wieder ein schweres Erdbeben, ein Tsunami oder ein spektakulärer Vulkanausbruch ereignet hat. Wenn ich den Fragenden dann erkläre, dass das „ganz normale“ Ereignisse sind, die sich schon seit Menschengedenken und weit darüber hinaus oftmals wiederholt haben, dann erregt das zumindest Erstaunen. Die Schule vermittelt dieses Wissen zunehmend weniger, weil es im Erdkundeunterricht heute eher um Bevölkerungsstatistik geht als um die physischen Grundlagen unseres Daseins. Die Zeiten, als man Geologie sogar als eigenes Schulfach unterrichtet hatte, sind lange vorbei. Es könnte aber von Nutzen sein, wie das Beispiel einer englischen Schülerin gezeigt hat, die bei der Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004 vielen das Leben gerettet hatte, weil sie die Vorzeichen richtig zu deuten wusste; das hatte sie im Geographie-Unterricht gelernt. Bei aller Theorie ist mein Fach auch ziemlich handfest: Man muss wetterfest sein, man macht sich dreckig, man muss viel laufen, und zum Steineklopfen braucht man manchmal auch Kraft; das sind alles Gegebenheiten, die an der Natur interessierte Menschen gerne auf sich nehmen, und für sie habe ich dieses Buch geschrieben – als Anleitung zum Beobachten, um schon Gewusstes zu vertiefen, oder um ganz andere Denkweisen kennenzulernen. Es ist aber kein Lehrbuch, das systematisch die Zusammenhänge vermittelt, sondern soll an ausgewählten Beispielen Beobachtungen erklären, die man selbst in der Natur machen kann. Manches davon erscheint ganz einfach wie die Randsteine aus Granit, die manchmal unsere Bürgersteige begrenzen; daran kann man geologisches Geschehen deutlich machen und an diesem Beispiel erklären, dass viele solche Gesteine aus heißen Schmelzen entstanden sind und warum sie sich zu so länglichen Bordsteinen spalten lassen. Jemand könnte sagen, dass meine Auswahl an Themen willkürlich ist, ich habe mich aber bemüht, ein paar wichtige Fragen an die Erde zu stellen, und wenigstens einen Überblick über das Ganze zu versuchen. Das Buch soll auch zeigen, wie vielfältig geologische Vorgänge und geologisch entstandene Stoffe unser Leben bestimmen. Das reicht von den Naturbausteinen über die Böden bis hin zu den Brennstoffen Kohlen und Erdöl, und es hört bei der Diskussion um Klimaveränderungen noch lange nicht auf. Beim Schreiben habe ich mich immer wieder gefragt: Was soll, was muss man unbedingt erwähnen? Der umfangreiche Stoff, der sich aus diesen Überlegungen ergab, musste stark verdichtet werden; dabei sagt man meist, dass nur wichtige Dinge erwähnt werden. Aber was ist wichtig? Um ehrlich zu sein, bestimmt das der Autor, das heißt, er schreibt nur das auf, was ihm selbst als wichtig erscheint. Dennoch muss er versuchen, alle Dinge in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen, der auch die vielen Forschungsergebnisse der anderen Wissenschaftler mit berücksichtigt. In jeder Zeit gibt es Gebiete, denen die Forschung besondere Aufmerksamkeit zuwendet, z.B. weil man gerade neue Untersuchungsmethoden erfunden hat oder sensationelle Fundstücke ausgegraben wurden. Die seit über 40 Jahren ständig weiterentwickelte Plattentektonik liefert uns heute ein weitgehend verständliches Bild über die Entwicklung der Erde, mit dem die Entstehung von Kontinenten und Ozeanen, Gebirgsbildung, Erdbeben und Vulkanismus in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden kann. Auch die Entstehung, Zerstörung und Umbildung von Gesteinen ist heute weitgehend entschlüsselt, und wir wissen aus Experimenten, die in Labors unter hohem Druck und hohen Temperaturen durchgeführt werden, auch mehr darüber, was sich in den enormen Tiefen des Erdinneren ereignet.

Alle Forscher fangen mit Beobachtungen an, Geologen gehen am liebsten in Steinbrüche oder bohren Löcher in die Erde, um herauszufinden, wie es „da unten“ aussieht. Um Steine zu studieren, muss man aber nicht unbedingt in Steinbrüche gehen. Sie liegen ja auch sonst überall herum, werden als Natursteine vor allem in Burgen, Schlössern, Kirchen, Brücken und großen Häusern verbaut, oder die Straßen sind damit gepflastert. Man muss nur aufmerksam hingucken, und dann wird man schnell sehen, wie viele verschiedene Steine es gibt. Und dann kann man anfangen mit den Fragen, wie sie entstanden sind. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass manche aus heißen Schmelzen gebildet wurden, aber wenn man einmal einen Vulkan mit fließender Lava gesehen hat, wird das eher verständlich. Es gibt ja heute noch viele aktive Vulkane auf der Erde, an denen man sehen kann, wie die Lava ziemlich schnell zu festem Gestein erstarrt. Wenn man das einmal gesehen hat, wird man auch viele der älteren Vulkangesteine, die sich im Laufe der langen Erdgeschichte gebildet haben, richtig beurteilen können. Was heute passiert, ist ähnlich auch schon vor Jahrmillionen geschehen, das ist überhaupt einer der wichtigsten Denkansätze der Geologen: Die Gegenwart liefert uns den Schlüssel für die Vergangenheit.

In vielen Steinen kann man auch Fossilien finden, Muscheln und Schnecken z.B. oft in Kalksteinen, aber auch 70 Ammoniten, 188 Belemniten oder Korallen. Um Fossilien zu verstehen, muss man die heutige Tierund Pflanzenwelt studieren und die lebenden mit den ausgestorbenen Organismen vergleichen. Dann lernt man auch, dass sich viele von ihnen im Laufe der ungeheuer langen Erdgeschichte verändert haben. Diese Evolution hat fast immer von einfachen zu komplizierteren Formen geführt. Um das zu zeigen, muss ich dann doch etwas systematischer vorgehen und die wichtigen Gruppen wenigstens kurz vorstellen. In vielen Museen und manchen öffentlich zugänglichen Geologischen Universitätsinstituten kann man die ganze Vielfalt bewundern.

Diese Geschichte des Lebens auf der Erde war nicht immer geradlinig, sie wurde zu manchen Zeiten sogar von regelrechten Katastrophen unterbrochen, über deren Ursachen sich die Forscher noch immer streiten: In diesem Zusammenhang muss auch etwas über die Lebensbedingungen und die Umwelt von Tieren und Pflanzen gesagt werden.

Seit Urzeiten sind Erdteile auf Wanderschaft, und wir wissen noch nicht sehr lange, wie und warum sie das tun. Das erklärt uns inzwischen die Plattentektonik und davon wird auch die Rede sein. Die wandernden Kontinente führen auch zu der Überlegung, dass sich die Lebensbereiche für Tiere und Pflanzen immer wieder verändert haben müssen: Wo es heute kalt und trocken ist, wuchsen früher, d.h. vor Jahrmillionen, vielleicht einmal Tropenwälder. Das alles kann man, wenn man es richtig gelernt hat, aus den Gesteinen und den in ihnen vorkommenden Fossilien ableiten. Und man wird dann auch verstehen lernen, dass Erdbeben, Vulkanausbrüche und viele andere Naturkatastrophen ganz normale Ereignisse sind, die es gegeben hat, solange die Erde besteht.

Wer das Buch durchgelesen hat, der wird vielleicht da, wo ihm Steine begegnen, etwas länger stehen bleiben und sagen: Hab ich doch schon mal was von gehört! Vielleicht sieht er auch gleich: Aha, Granit, und kann dann seinen Begleitern erklären: Ist aber nicht das Urgestein! Oder: Guck mal, eine versteinerte Seelilie, heißt zwar Lilie, ist aber ein Tier.

Ein Buch kann zwar das Interesse wecken, aber richtig verstehen kann man Geologie eigentlich nur draußen, im Gelände, am besten natürlich mit einem kundigen Begleiter. Es gibt viele solcher Leute, und die meisten von ihnen sind keine studierten Fachleute, sondern Menschen, die sich für die Erde und ihre Baumaterialien besonders interessieren. Oftmals haben gerade Hobby-Geologen oder 22 Paläontologen bedeutende Funde gemacht und sie dann auch der wissenschaftlichen Bearbeitung überlassen, und manche sind später sogar als Ehrendoktoren zu akademischen Würden gekommen. Man muss sich nur mal in seiner Umgebung erkundigen, dann findet man meistens recht bald einen geeigneten Begleiter – der theoretische könnte dieses Buch sein.

Peter Rothe,

Mannheim, im Januar 2008

Vorwort zur 3. Auflage

„Dieses Buch darf in keinem Jugendzimmer fehlen“, schrieb ein Blogger auf seiner Webseite zur ersten Auflage dieses Buches.

Das war die schönste Rezension, die ich je für eins meiner Bücher bekommen hatte. Dass „Die Erde“ nun mit der dritten Auflage zugleich einen erweiterten Neudruck erfährt, ist für mich auch ein Geschenk von Seiten der WBG. Der einzige Nachteil dürfte sein, dass die Käufer dafür nun tiefer in die Tasche greifen müssen; aber sie bekommen mit dem größeren Format und der Erweiterung vor allem durch zusätzliche Bilder auch einen angemessenen Gegenwert.

Mit Herrn Dr. Jens Seeling war hier nun auch ein neuer Lektor tätig, dem ich, ebenso wie seiner Mitarbeiterin Melanie Krach, für die gute Zusammenarbeit auch an diesem Buch danken möchte. Peter Will von den Reiss-Engelhorn-Museen hat auch hier wieder geholfen, Bilder zu gewinnen und zu speichern, und Carolin Breckle, die neue „Hoffotografin“ der rem, hat gekonnt ein paar wichtige Steine abgelichtet. Besonders dankbar bin ich, dass auch für diese Auflage Joachim Schreiber (schreiberVIS), zusammen mit Elke Göpfert, die Gestaltung übernehmen konnte. Danken möchte ich außerdem Peter Tschierschke für das aufmerksame Korrektorat. Möge das Ergebnis unseren Lesern ebenso viel Freude machen wie dem Autor!

Peter Rothe,

Mannheim, im Sommer 2015

Die Erde

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