Читать книгу 2999 - DAS DRITTE MILLENNIUM - Peter Schmidt - Страница 10

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Wir liefen den Flur entlang und dann hinüber in den Wintergarten, von wo aus ein überdachter Weg zum Uferweg und zu den Brücken führte.

Rita hatte richtig vermutet, denn gleich darauf ertönte aus der Straße hinter dem Haus der so charakteristische hohe und mit nichts zu verwechselnde Sirrton, der einen Einsatz der Demokratie-Polizei signalisierte.

„Einsatz“ hieß, dass niemand außer den höchsten Regierungsbeamten Vorrang hatte, nicht einmal der Notdienst der Hospitäler oder die Feuerwehr.

Ich nahm an, dass sie jetzt schon unseren Zapper-Volt unter die Lupe nahmen, und das bedeutete, dass sie über das Identifizierungssystem der Mietwagenfirma unsere falschen Personendaten gefunden hatten.

„Schalten Sie Ihre Zentraleinheit ab, Dupin“, warnte Rita, während wir in Richtung des Flusses liefen. „Damit bieten Sie eine zu gute Zielscheibe.“

Der Sender diente als Peilobjekt, mit dem ihre automatischen Waffen fast todsicher ihr Ziel erreichten. Die neue Mikrocomputer-gesteuerte Munition verfehlte zwar dank ihrer eingebauten Miniaturkameras auch nur selten ihr Objekt, aber ein Leitstrahl war nun einmal wie eine Schiene, die zum Opfer führte.

„Unsere Leute werden doch nicht auf mich schießen!“, sagte Dupin. Er war stehen geblieben und starrte sie ungläubig an.

Rita blieb ebenfalls stehen; sie legte vorgebeugt und außer Atem ihre Hände auf das Geländer des Weges, der hier unter den hohen Brücken zur Straße hinaufführte.

Dann richtete sie sich auf und drehte demonstrativ an dem Goldchip hinter ihrem Ohr.

„Es ist mir nicht erlaubt, mich vom System abzuschalten“, sagte Dupin. „und ich weiß auch überhaupt nicht, warum ich hier wie ein Idiot hinter ihnen herlaufe?“

„Um zu überleben. Ich sag’s nicht noch mal, verdammter Narr!“

„Schalten Sie das blödsinnige Dinge ab“, sagte ich zu Dupin, während ich an ihm vorbeilief. „Sonst schaltet die Demokratie-Polizei Sie ab!“

Wir liefen weiter den steil ansteigenden Weg zu den Brücken und der Durchgangsstraße hinauf, und mir blieb langsam die Luft weg.

Als ich mich umwandte, sah ich, dass Dupin uns im gemütlichen Schlenderschritt folgte.

Dann hörten wir den ersten Polizeihelikopter in der Luft. Die Dinger machen fast keine Geräusche, man erkennt sie nur noch am leichten Gurgeln ihrer Fusionsmotoren. Und vom Haus her sahen wir ein Kommando der Demokratie-Polizei in ihren albernen grün-weiß-gelben Kampfanzügen durch den Wintergarten stürmen. Diese Burschen meinen immer, wenn sie ohne Unionsflagge herumlaufen, würde man sie nicht für voll nehmen.

Es waren ihre Schnellfeuergewehre neuester Bauart, die ihnen genau das Maß an Autorität verliehen, das sie brauchten, um uns abzuschießen wie Kaninchen.

Wir beeilten uns die schützenden Brücken zu erreichen. Aber die erste Salbe aus dem Helikopter deckte uns bereits ein, bevor wir den Betonpfeiler erreicht hatten.

„Bleiben Sie stehen und gehen Sie mit erhobenen Händen ans Geländer!“ tönte ein Lautsprecher über uns.

Wir liefen einfach weiter in Richtung auf den schützenden Pfeiler. Dupin tat genau das Gegenteil: Er wurde plötzlich lebendig! Er rannte wie ein angeschossener Hase im Zickzack zu uns hinauf.

Das Kommando auf dem Uferweg eröffnete das Feuer. Wir hörten die Einschläge vor uns im Beton. Die Querschläger, die von den Eisenträgern abprallten, klangen wie kleine Glockenschläge.

Rita warf sich hinter den Brückenpfeiler. Unter die Brücke würde sich der Helikopter nicht trauen. Zwischen den Verstrebungen war er genauso schwerfällig wie die Lufttaxis. Ich folgte ihr mit einem Sprung in den Wasserablauf am Fuße des Pfeilers.

„Wo ist Dupin?“, fragte sie.

Ich zeigte über den Betonrand.

Es war einer der Scharfschützen im Polizeihelikopter, der ihn erwischte.

Dupin wurde durch den Einschuss einen halben Meter zurückgeworfen. Ich sah, wie sich sein Mund zu einem lautlosen Schrei öffnete. Er streckte die linke Hand aus, als wolle er noch in Fallen das verdammte Ding hinter dem Ohr mit seinem Funkleitstrahl abschalten. Dann rollte er wie ein Teppichbündel den abfallenden Weg hinunter.

„Das wär’s“, sagte Rita, als wir den Treppenaufgang zur Brücke erreicht hatten. Das war das Kapitel Gerald Dupin. Feierabend, hier trennen sich unsere Wege, Frank …“

„Warum führte er keine Daten mit sich?“, fragte ich.

„Weil sie klüger sind, als wir vermutet hatten.“

„Du meinst, Dupin war nur ein Köder?“

„Sie wollten testen, ob er durchkommt.“

„Und jetzt ist er tot.“

„Wir sind auch so gut wie tot, Frank.“

Sie schob vorsichtig ihren Kopf um die Ecke der Treppe und fuhr erschreckt zurück.

„Überall Polizei. Sie haben beide Seiten der Brücke abgesperrt. Sie sind unter uns, sie sind über uns in der Luft, sie sind überall …“

„Sieht nicht gut aus“, bestätigte ich mit einem Blick auf die Straße.

„Sieht aus wie ein großer Haufen Scheiße …“

Wir sahen uns an und warfen wie auf Kommando unsere Pistolen in den Schacht am Treppenrand …

Waffenbesitz wurde seit einigen Jahren besonders hart geahndet. Man wollte nicht, dass Europa die gleichen Verhältnisse einrissen wie in der Dritten Welt. Da ballerte jeder aus der Hüfte, was das Zeug hielt. Es war wie in den alten Western, die manchmal gezeigt wurden.

Momentan war es schwer, überhaupt an brauchbare Waffen zu bekommen. Die neuen Legierungen besaßen fast ausnahmslos Codierungen, mit denen man leicht geortet werden konnte, von einigen schwarz hergestellten Exemplaren abgesehen.

„Sie haben Dupin über seine Zentraleinheit geortet. Sie haben die ganze Zeit über gewusst, wo er war und abgewartet, bis wir ihnen unseren Stützpunkt verraten hatten“, sagte sie.

„Dann gab’s über den angeblichen Code für EPOS-X eine Fangschaltung …“

„Die Eingabe des Codes war das Signal, um einzugreifen“, bestätigte Rita.

„Und der Code war nur fingiert?“

„Natürlich, was sonst?“

Wir gingen mit erhobenen Armen auf den Posten am Ende der Brücke zu. Ein Kamerawagen der Brüsseler View-Televison filmte unsere Verhaftung. Er war mit einem etwa zehn Meter hohen Leiterwagen hinter den Polizeifahrzeugen postiert.

Wahrscheinlich würden wir – wie das heutzutage guter Brauch war – der Öffentlichkeit als gewissenlose Umweltsünder präsentiert: als skrupellose Kriminelle, die es wieder einmal in irgendeiner Weise auf das „Gleichgewicht des Ökologischen System“ abgesehen hatten – so die Standardformulierung! Unsere grüne Superdemokratie hatte sich in den letzten hundert Jahren schleichend und unmerklich zum grünen Terror gewandelt, immer kaschiert durch zahllose reale Wohltaten und Vorzüge und durch eine Glorifizierungspropaganda bisher unbekannten Ausmaßes.

Ich bewegte meine Hände über dem Kopf, um ihnen zu zeigen, dass ich unbewaffnet war.

Die Scharfschützen hatten uns immer noch im Visier. Dass sie uns nicht gleich umlegten, war wahrscheinlich nur der Neugier des Geheimdienstes zu verdanken, die Ritas Hintermänner kennenlernen wollten.

„Leutnant Prosper“, sagte ein etwa vierzigjähriger Mann in schwarzer Uniform; die grün-weiß-gelben Regierungsembleme an seiner Jacke waren wohltuend klein, was immer auf einen hohen Rang hindeutete.

„Bitte legen Sie ihre Waffen vor dem Wagen ab.“

„Wir sind unbewaffnet“, sagte Rita. „Sie wissen doch, wie schwer es heutzutage ist, an Waffen zu kommen.“

Einer der Beamten tastete uns mit einem Detektor ab. Er nickte Prosper zu, als er fertig war.

„Die Daten auf Ihrem Ausweis sind mit einem Chip unbekannter Bauart codiert“, sagte Prosper an Rita gewandt. „Geben Sie mir bitte den Code?“

„Der nützt Ihnen nicht viel. Sie brauchen einen Decodierer. Er hat Schaltungen aus Zerennium, das ist ein erst kürzlich entdecktes Metall auf einem der Jupitermonde.“

„Geben Sie mir trotzdem den Code?“, sagte Prosper. Er reichte Rita Papier und Stift.

„Also bitte, wenn es Sie glücklich macht …?“

2999 - DAS DRITTE MILLENNIUM

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