Читать книгу 2999 - DAS DRITTE MILLENNIUM - Peter Schmidt - Страница 7
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Оглавление„Sehen Sie, was das ist, Dupin?“, fragte ich. „Ein Befehl der Regierung, Sie zur Überprüfung in ein nahegelegenes Labor zu bringen.“
„Unsinn – ich bekomme meine Order nur von Raoul Weber persönlich.“
„Ihre verehrte Präsidentin hat heute morgen bei einer Pressekonferenz zur angestrebten Allianz zwischen den beiden Machtblöcken Europa und Amerika einen Schlaganfall erlitten. Sie ist auf dem Wege der Besserung, aber sie kann noch nicht reden. Ihre Amtsgeschäfte werden von der Außenministerin Annette Drob wahrgenommen.“
Ich gab Rita ein Zeichen, die fingierte Nachrichtensendung über den Unfall der Präsidentin auf den Bildschirm zu holen. Dupin sah sich schweigend die dreist gefälschte Reportage an – die Schultern leicht nach vorn gebeugt und ab und zu hüstelnd. Seine Rechte Hand steckte in der Jackentasche des dunkelgrauen Nadelstreifen-Sakkos – vielleicht, weil sich darin ein Speicherchip befand, um unser Gespräch mitzuschneiden. Seinem skeptischen Gesicht war anzusehen, dass er uns nicht traute.
„Möchten Sie mit der Außenministerin persönlich darüber reden?“, fragte ich und zeigte zum Telefon.
Ich wusste, dass es Annette Drob gewesen war, die ihn seinen lukrativen Job als Staatssekretär im Unterausschuss des Außenministeriums gekostet hatte. Er mochte sie ungefähr so gern, wie Säuglinge Spinat essen.
„Annette Drob wurde nicht in meine Mission eingeweiht“, sagte Dupin. Er warf uns einen stirnrunzelnden Blick zu und fummelte nervös mit seinen dicken Fingern am Goldchip seiner Zentraleinheit. „Aber wieso wissen Sie eigentlich davon?“
„Wissen – wovon?“, fragte ich.
„Von meiner Mission.“
„Ehrlich gesagt weiß ich so gut wie gar nicht darüber. Ich habe lediglich den Auftrag, Sie in ein Regierungslabor zu bringen. Mein Kollegin Rita Wang wird sich dort um Sie kümmern. Was ist das für eine Mission?“, erkundigte ich mich vorgebeugt.
„Eine geheime Mission, verdammt noch mal …“
„Oh, bitte verzeihen Sie. Darüber war ich nicht informiert. Rita – übernehmen Sie das?“ Ich zeigte auf den Überführungsbefehl.
„Die Überführung ins Labor ist Ihr Job“, wehrte Rita mit gespielter Entrüstung ab. „Ich werde mir keine Flöhe in den Pelz setzen und meine Befugnisse überschreiten. Ich bin nur für den technischen Ablauf zuständig. Sie passen auf, dass unserem schwarzen Chorknaben da drüben von keinen weißen Knabenhänden belästigt wird.“
Also bitte, ich weiß nicht recht …“, sagte ich und zog eine uralte Lesebrille mit kreisrunden Gläsern aus der Hemdtasche, als seien meine Augen noch nicht durch Laserkorrektur auf Höchstleistung getrimmt. Ich begann umständlich den kleingedruckten Text auf dem Blatt zu studieren.
„Werden Sie sich denn beide heute noch einig?“, fragte Dupin unwillig. „Meine Maschine nach UA geht um dreizehn Uhr.“
„Dieser Flug wurde annulliert. Ich hob das Blatt und schlug mit dem Handrücken darauf. „Sie fliegen ein oder zwei Maschinen später. Hängt ganz davon ab, welchen Datenschrott Rita Ihnen abzapft.“ Ich grinste, als sei das ein gelungener Scherz.
„Sehr komisch“, sagte Dupin. „Wenn überhaupt irgend jemand an meine Daten gelangt, dann sind es die persönlichen Mitarbeiter der Präsidentin. Ich bin nicht befugt, jemandem Zutritt zu meinen Informationen zu verschaffen. Es handelt sich um die höchste Geheimhaltungsstufe.“
„Steht alles hier in Ihrem verdammten Einweisungsbescheid“, bestätigte ich. „Wenn Sie nicht mit uns kooperieren, bin ich befugt, Sie mit Gewalt in ein Regierungslabor zu überführen.“
„Das ist nicht Ihr Ernst?“
„Es ist sogar meine verdammte Pflicht.“
Dupins Blick wanderte unsicher durch den Raum und über die billigen Kunststoffmöbel und den abgeschalteten Bildschirm, um irgendein Indiz dafür zu finden, dass wir ihn verarschten – aber es gab kein solches Indiz.
Rita spielte ihre Rolle, wie es sich für ein gerissenes Weibsbild ihrer Fasson gehörte. Ihre Auftraggeber konnten zufrieden mit ihr sein. Uns falls sie uns jetzt auf irgendeine Weise abhorchten, dann waren sie es auch mit mir.
Ich lehnte mich zufrieden zurück und deutete auf die Handschellen vor mir auf dem Tisch.
„Unterstehen Sie sich …“ warnte Dupin.
„Möchten Sie vorher mit der Flughafenpolizei reden?“
„Nein, wozu? Entweder stecken Sie alle unter einer Decke oder dies ist ein echter Notfall …“ sagte er unschlüssig. „Von wem wurde der Überprüfungsbefehl unterzeichnet?“
„Raoul Weber.“
„Sagten Sie nicht, die Präsidentin habe heute morgen auf der Pressekonferenz einen Schlaganfall erlitten?“
„Sie hat’s noch im Krankenwagen unterzeichnet“, sagte ich. „Sehen Sie, wie holprig ihre Unterschrift ist …?“
Er nahm das Blatt und betrachtete es.
„Es ist zweifellos auf ihrem persönlichen Briefpapier geschrieben“, stellte er fest. „Und dort oben neben ihrem Briefkopf ist auch die Signatur ihres Sekretärs.“
„Die Datenexperten der Präsidentin hatten ihr kurz vor der Pressekonferenz mitgeteilt, dass sich bei der Übertragung ein Fehler eingeschlichen hat – irgend etwas mit dem Zugangscode für EPOS-X“, erklärte Rita.
„Sie wissen von Epos-X?“, fragte Dupin überrascht. Er fummelte wieder mit seinen dicken Fingern an seiner Zentraleinheit.
„Ich habe in der Expertenkommission zur Herstellung des neuen Datensicherungssystems mitgearbeitet.“
„Und weiter?“
„Sie sind mit EPOS-X auf dem Wege nach UA, Dupin. Sie haben den Auftrag, unser neues, streng geheimes Informationsübermittlungssystem mit dem Sicherungscode in die dortige Regierungszentrale zu bringen. Es darf auf keinen Fall in die Hände der Gegenseite gelangen. Obwohl EPOS-X in Ihr Nervensystem gespeichert ist, könnte es doch mit speziellen Techniken analysiert werden. Reicht das?“
„Hm, ja, vielleicht. Jedenfalls sind Sie überraschend gut informiert – ganz anders als Ihr Kollege da.“ Er warf mir einen abschätzigen Blick zu und kratze sich kopfschüttelnd am Kinn. „Sagen Sie mir auch, was der Grund für die Übermittlung des neuen Datensicherungssystems in die Regierungszentrale von UA ist?“
„Gern, wenn es Sie glücklich macht?“, sagte Rita lächelnd. Ich hielt den Atem an, denn was jetzt kam, war auch für mich Neuland.
„Das neue Informationsübermittlungssystem soll einer Allianz zwischen den beiden Machtblöcken Europa und Amerika dienen, die gegen die übrige Welt gerichtet ist. Angeblich gibt es Angriffsabsichten der Dritte-Welt-Staaten. Unsere Nachrichtendienste sprechen von dem bisher größten Bündnis der Geschichte gegen die beiden Supermächte. Demokratischer Grüner Bund und United America wollen sich zusammenschließen, um der drohenden Gefahr begegnen zu können. EPOS-X soll unter anderem dazu dienen, die Abwehrmaßnahmen der beiden Supermächte gegen die Dritte Welt zu koordinieren.“
„Donnerwetter“, sagte Dupin beeindruckt. „Das sind in der Tat streng geheime Informationen. Also gut, ich vertraue Ihnen. Mag sein, dass es ein Fehler ist, aber wir haben schließlich die Unterschrift der Präsidentin, oder? Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir ihre Handschrift kurz von der Einwohnerdatenbank überprüfen lassen?“
„Kein Einwand“, sagte Rita. „Aber vergessen Sie bitte nicht, dass Raoul Weber gerade einen Schlaganfall erlitten hat. Das elektronische Abtastsystem analysiert Druckstärke, Geschwindigkeit und andere Faktoren der Schrift. Möglich, dass es durch ihre Erkrankung zu Veränderungen gekommen ist.“
Dupin nickte unmerklich, wohl immer noch unschlüssig, was er von unserem kleinen Theaterstück halten sollte.
Rita legte das Blatt auf den Kopierer, gab die Daten der Präsidentin ein und schaltete den Bildschirm auf Ausschnittvergrößerung.
ÜBEREINSTIMMUNG 99,2 PROZENT. UNTERSCHRIFT AUTHENTISCH, meldete das System einen Augenblick später.
„Na, was sagen Sie jetzt?“, fragte sie. „Das liegt noch über den geforderten achtundneunzig Prozent.
Beeindruckend, dachte ich. Die Technologie, den Regierungscomputer für die eigenen Zwecke einzusetzen, konnte nur aus dem engeren Bereich der Präsidenten stammen – oder aber, die UA-Geheimdienste mit ihrer überlegenen Technik hatten da wieder einmal ihre Finger im Spiel.
Aber warum hätten die sich zu einem solchen falschen Spiel hinreißen lassen sollen, wenn sie gerade in geheimen Verhandlungen mit dem Demokratischen Grünen Bund standen?