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Kapitel 8 Und England steht wieder alleine

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Ende September 1806 kehrte eine fröhliche und bereits ausgesprochen runde Kitty von ihren langen Ferien in Brighton zurück nach London. Arthur war froh, dass sie weder den Aufruhr um seinen Bruder Richard, noch seine langen, durcharbeiteten Nächte im War Office mitbekommen hatte. Die neuste Idee der Politiker war es, Napoleon Bonaparte durch eine zweite Front in Mexiko in die Enge zu treiben. Arthur empfand die Idee als haarsträubend und kaum umsetzbar. Trotzdem arbeitete er gehorsam alternative Operationspläne aus… und er hielt fleißig Kriegsrat mit mexikanischen Generälen, die die Engländer um Militärhilfe ersuchten.

Als seine Frau zurückkehrte, überraschte er Kitty außerdem mit Familienzuwachs. Sie freuten sich, dass Arthurs Freunde aus indischen Tagen, Oberst John William Freese von der Madras-Artillerie und seine Frau Henrietta beschlossen hatten, ihren kleinen Jungen nach England zu schicken. Arthurs vierjähriges Patenkind sollte unter seiner und Kittys Obhut aufwachsen. Der Blondschopf war zwei Wochen zuvor angekommen und John Dunn hatte ihn in Portsmouth vom Schiff abgeholt. Arthur Freese war von der langen Reise natürlich sichtlich erschöpft gewesen. Doch die Fürsorge im Haus von General Wellesley verwandelte ihn rasch. Der alte John amüsierte ihn mit Ballspielen im Garten, die regelmäßig die Rosen in Mitleidenschaft zogen und zu Wutausbrüchen der Haushälterin führten. Arthur selbst, der Kinder über alles liebte, erzählte seinem Patensohn Geschichten oder ritt mit ihm im Park spazieren. Kitty ersetzte dem Kleinen bald schon die Mutter. Ihr eigener Zustand wurde von Dr.Lennox als ausgezeichnet beurteilt. Wellesleys Frau war im sechsten Monat schwanger, ausgeruht und wohlgenährt. Ihre Wangen waren rosig. Die Sonne und die gesunde Seeluft hatten ihr zu einem schönen, braunen Teint verholfen. Die dunkelbraunen Haare glänzten seidig. Auf den ersten Blick ähnelte sie wieder der alten Kitty aus Arthurs Jugendtagen am See von Coolure. Und die langen Gespräche mit Frederick Ponsonbys Schwester schienen ihr endlich auch die Angst vor der Geburt genommen zu haben.

"Machen Sie sich keine Sorgen, Katherine. Ich kann schon fühlen wie das Baby sich bewegt." Sarah nahm Arthurs Hand und legte sie auf den Bauch seiner Frau: "Spürst Du, wie das kleine Wesen strampelt und tritt? Ich habe mit dem Stethoskop seine Herztöne hören können. Als alter, erfahrener Arzt prophezeie ich Euch beiden einen gesunden, kräftigen Sohn." Wellesley lächelte seine Frau an. Sarah hatte festgestellt, dass seine Augen nicht mehr ganz so kalt waren, wie damals im Hafen von Plymouth. Auch der kleine Arthur Freese bettelte jetzt, dass man ihn das Baby fühlen ließ. Sarah hob ihn auf ihr Knie. "Und wo ist der Storch?" erkundigte sich der Blondschopf neugierig. "Wer hat Dir denn diesen Unsinn erzählt, Junge?" Wellesley schüttelte ungläubig den Kopf. Doch Kitty legte den Finger auf die Lippen: "Arthur, er ist vielleicht noch ein bisschen zu jung um solche Dinge zu verstehen!" Sie nahm den kleinen Burschen in die Arme und trug ihn aus dem Zimmer um ihn ins Bett zu bringen. "Deine Frau hat Recht, mein Freund! Lasse Klein-Arthur noch ein paar Jahre seinen Glauben an den Storch, bevor Du ihm die ganze Wahrheit erzählst!"

"Möchtest Du mit uns zu Abend essen, Sarah? Wir haben uns schon lange keine Zeit mehr genommen, in aller Ruhe miteinander zu plaudern." Dr.Lennox legte ihre Hände auf Arthurs Schultern, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen leichten Abschiedskuss auf die Wange. "Ich möchte Euch beide nicht stören. Katherine war sechs Wochen lang in Brighton. Sie ist sicher viel lieber mit Dir alleine. Ich bin wirklich froh, dass Ihr beide Euch trotz allem und entgegen Deiner eigenen Unkenrufe so gut versteht und ich freue mich schon auf den Augenblick, wenn ich Euren Kleinen entbinden darf. Das ist der befriedigendste Teil meiner Arbeit als Arzt. Deine Frau macht einen zarten und kränklichen Eindruck, aber eigentlich ist sie stark, wie ein Pferd. Das Baby wird einfach nur so heraus kullern." Sarah schmunzelte zufrieden und fügte hinzu." Wenn Ihr Euch ein bisschen anstrengt, werde ich in diesem Haus noch einigen kleinen Wellesleys auf die Welt helfen. Zumindest wünsche ich mir und Dir das von ganzem Herzen!" Sie rief Kitty einen Gruß in den ersten Stock hinauf zu. Dann verschwand Sarah in der Nacht. In den weniger vornehmen Vierteln Londons warteten noch viele, andere Patienten auf sie.


Die Herbsttage verflossen angenehm. Arthur war inzwischen mit den Bräuchen und Traditionen des Unterhauses vertraut. Er und Henry Paget sprachen sich ab. Wenn militärische Fragen diskutiert wurden, vermittelten die beiden Soldaten der gesamten Kammer den Eindruck, dass es wenigstens in diesem Bereich zwischen Konservativen und Liberalen keine Zwistigkeiten gab. Henry Paget war der bessere Redner. Ihm fiel die Aufgabe zu Cobetts Radikale und andere widerspenstige Whigs mundtot zu machen. Arthur Wellesley leistete hinter den Kulissen die notwendige, beschwichtigende Überzeugungsarbeit bei allen Gruppierungen. Wenn im Parlament Fragen behandelt wurden, die weder mit der Außenpolitik noch mit militärischen Problemen zu tun hatten, ritt Arthur nach Hastings zu seiner Brigade. Anfangs begleitete Kitty ihn ab und an. Doch als ihr Bauch immer größer und runder wurde, verließ sie kaum noch Haus und Garten. Im Gedanken beschäftigte sie sich fast ausschließlich mit dem Kind, das in ihr heranwuchs. Ihre wenigen Hausangestellten umsorgten Kitty liebevoll. Und wenn der kleine Arthur Freese zu munter und zu umtriebig für sie wurde, kümmerte John Dunn sich um den Jungen und spielte mit ihm, bis er müde und brav war. “Wenn man ein Kind bekommt”, dachte Kitty, “dann hat man das Gefühl, der Mittelpunkt der Welt zu sein.” Arthur brachte ihr das Frühstück ans Bett, Sarah Lennox kam täglich vorbei, um nach ihr zu sehen und die Freunde der Wellesleys waren fast ständig um sie. Charlotte de Villiers und ihr Mann Henry Paget, Frederick Ponsonby und Rowland Hill vertrieben ihr die Zeit und erzählten ihr, was in London und in England vor sich ging. Nur manchmal spürte Kitty unbegründet Angst in sich aufsteigen. Sie erinnerte sich an ihre eigene Mutter, die Jahr für Jahr ein Kind geboren hatte. In Pakenham Hall hatte ihr damals nur die alte Dorfhebamme beigestanden. Sie hatten Kitty zwar aus dem Zimmer geschickt, aber immer noch klang ihr das Schreien und Wimmern ihrer Mutter in den Ohren. " Ich habe Angst.“ Sagte sie eines Tages zu Sarah, als die beiden im Salon Tee tranken. "Ich habe schreckliche Angst."

"Unsinn, Katherine." Erwiderte Dr.Lennox energisch und stand auf um Kitty ein dickes Daunenpolster hinter den Rücken zu stopfen. Sie legte prüfend die Hand auf den hochgewölbten Bauch. Das Kind war sehr lebhaft und machte mit seinen Füßen einen seltsamen Buckel. "Das Kleine liegt richtig. Sie sind gesundheitlich in bester Verfassung und ich sehe keine Anzeichen für eine schwere Geburt!"

"Oh Sarah! Ich erinnere mich mit Schrecken an jede Geburt, die meine Mutter in Irland durchmachen musste. Und bei der letzten Niederkunft wäre sie beinahe gestorben. Es war grauenvoll."

"Das ist lange her, Katherine. Die Medizin hat große Fortschritte gemacht. Sie werden nicht einmal Schmerzen empfinden: Wir haben Laudanum, Instrumente für die Geburtshilfe und in kritischen Fällen machen wir heute einfach einen Kaiserschnitt. Sie sind nicht in den Händen einer einfachen Hebamme auf dem Lande. Bitte, meine Liebe, sorgen Sie sich nicht. Alles wird gut gehen. In zwei, drei Wochen ist der kleine Wellesley auf der Welt und Ihre Rückenschmerzen werden ein Ende nehmen." Kitty rekelte sich wohlig in ihrem Sessel. "Das wäre wunderbar. Er ist so schwer und tritt den ganzen Tag nach mir. Ich bin schon so neugierig, wie das Baby aussehen wird. Ich habe meine Mutter gebeten, nach London zu kommen. Schließlich hat sie ja kaum noch daran geglaubt, je Großmutter zu werden." Sarah schenkte Tee nach. "Eine gute Idee, Katherine. Je weniger Sie sich bekümmern und umso mehr Sie sich ablenken, umso besser wird alles verlaufen. Ich schaue morgen Nachmittag wieder vorbei, meine Liebe. Aber wenn Sie sich trotzdem irgendwelche Sorgen machen, oder das Gefühl haben, dass der Moment gekommen sein könnte...schicken Sie John Dunn los. Er weiß immer, wo er mich finden kann. Auch wenn es vielleicht nur ein falscher Alarm ist..." Sarah umarmte Wellesleys Frau und verabschiedete sich. " Ich muss zu meinen Studenten an die Universität zurück. Die Anatomievorlesung. Sagen Sie Arthur einen schönen Gruß. Er soll sich anständig benehmen."

Der Weihnachtsabend 1806 war für Arthur ein ganz besonderes Ereignis. Es war das erste Mal seit fünfzehn Jahren, dass er das Fest nicht mit seinen Soldaten in einer Kaserne oder im Felde verbrachte. Er hatte eine eigene Familie, die sich auf diese Tage freute. Obwohl Kitty in Kürze ihr Kind zur Welt bringen würde, ließen die Wellesleys es sich nicht nehmen, von Hausball zu Hausball durch London zu ziehen und in der Harley Street ein Essen für ihre Freunde zu geben. Um den kleinen Arthur Freese zu amüsieren, hatte John Dunn einen Tannenbaum besorgt. Der alte Soldat hatte dem Kind beigebracht, Strohsterne und Strohengel zu basteln. Dann hatten sie den Baum gemeinsam in der Tradition seiner schottischen Heimat, mit den Engeln und Sternen und kleinen roten Äpfeln geschmückt. Wegen des freudigen Ereignisses hatte sich außerdem noch Wellesleys Schwiegermutter in der Harley Street einquartiert. Arthur mochte die hochnäsige Frau, die ihn seinerzeit gemeinsam mit Kittys Vater aus dem Haus gejagt hatte genauso wenig, wie die vergrämte, unfreundliche Tante aus Dublin. Er misstraute dem ganzen Longford-Pakenham-Clan, von Kittys Bruder Ned einmal abgesehen. Doch da der Besuch ihrer Mutter seine Frau so glücklich machte, akzeptierte er die Situation gutmütig. Lady Dorothea Longford mochte ihren Schwiegersohn genauso wenig leiden, wie er sie. Doch sie ließ es Arthur deutlich spüren, sobald Kitty aus dem Blickfeld verschwand. Mit jedem Wort und jeder Geste zeigte sie dem General, dass er in ihren Augen nur ein Emporkömmling war, der sich Titel und Vermögen, wie im finsteren Mittelalter, mit dem Schwert in der Hand erkämpft hatte. In Kittys Beisein setzte sie dann eine süße Unschuldsmiene auf und spielte die freundliche Schwiegermutter. Arthur sehnte den Tag herbei, an dem Dorothea Longford endlich wieder nach Irland verschwinden würde. Um der unangenehmen Situation in seinem eigenen Haus zu entkommen - zumal die Gespräche der beiden Frauen sich sowieso nur noch um den Nachwuchs drehten - verschwand Wellesley mit dem kleinen Arthur Freese meist in den nahe gelegenen Hyde Park. Während der Junge zufrieden mit dem kleinen Hundchen Jackie herumtollte, dass Rowland Hill ihm zu seinem fünften Geburtstag geschenkt hatte, hatte der General Zeit in Ruhe nachzudenken. Er suchte sich eine freie Bank, von der aus er den kleinen Burschen und seinen vierbeinigen Spielgefährten im Auge behalten konnte und setzte sich. 1806 war ein sonderbares Jahr gewesen. Trotz aller Versuche Napoleon Bonapartes, eine vierte Koalition gegen Frankreich zu unterwandern, hatte England es doch noch irgendwie fertiggebracht, Russland, Preußen, die skandinavischen Länder, Portugal, Spanien und viele deutsche Kleinstaaten um sich zu scharen. Im Geheimen hatte Charles Fox, unterstützt von Robert Castlereagh sogar mit dem österreichischen Kaiser paktiert, der sich seinen unliebsamen Schwiegersohn gerne vom Leib schaffen wollte und die Donaumonarchie ebenfalls zum Eintritt in das Bündnis bewegen können. Charles Fox hatte von seinem Erfolg nicht lange profitiert. Im September 1806 erlag er einem Herzanfall. Dieser Verlust schwächte die Regierung Grenville erheblich. Der Preußen-König Friedrich Wilhelm III. hatte dann gemeinsam mit Sachsen den Krieg gegen den Kaiser der Franzosen vorbereitet. Auch Russland hatte ein großes Feldheer aufgestellt und befand sich auf dem Weg nach Westeuropa. Im Gegenzug hatte Napoleon die ‘Grande Armée’ in Bayern konzentriert und zog sein furchteinflößendes Invasionsheer gegen England aus Boulogne an der Kanalküste ab. Die Inseln konnten aufatmen. Und dann folgte eine Katastrophe der anderen. Napoleon suchte den schnellen Sieg über Friedrich Wilhelm III. Den Korsen stand zwar ein beeindruckendes Heer gegenüber, doch der preußische König hatte das Oberkommando dem falschen Mann anvertraut. Der Herzog von Braunschweig handelte ohne Nachzudenken und der greise Marschall von Mollendorf hatte schon im Siebenjährigen Krieg gedient. Am 8.Oktober 1806 überraschte Frankreich die Deutschen. In nur vier Tagen hatte Bonaparte die linke Flanke General von Mollendorfs umgangen und bedrohte Berlin. Gleichzeitig hatte Marschall Lannes, sein brillanter Untergebener eine zweite preußische Armee unter dem Herzog von Braunschweig bei Saalfeld geschlagen. Der preußische Thronfolger, Prinz Louis Ferdinand war an diesem Tag gefallen. Davout und Bernadotte unterbrachen mit ihren Teilarmeen die Kommunikationslinien von König Friedrich Wilhelm. Am 14.Oktober 1806 kam es zur großen Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt. Es war ein glorreicher Sieg für die französische Armee. Sowohl der greise Feldmarschall von Mollendorff als auch der Herzog von Braunschweig fielen. Die Blitzaktion des Korsen hatte das stolze, deutsche Königreich kampfunfähig gemacht. Während Friedrich Wilhelm III noch den Tod seines ältesten Sohnes beweinte, besetzte Napoleon bereits seine Hauptstadt Berlin. Als Letzter ergab sich am 24.November Preussens alter Held Blücher bei Lübeck. König Friedrich Wilhelm floh zu seinem Verbündeten, dem russischen Zaren. Umgehend marschierte Napoleon nach Polen und besetzte das Land. Nach der kompletten Zerstörung der preußischen Armee, wollte der Kaiser nun auch die russische Armee und den General des Zaren Levin Benningsen vernichten. Napoleon wollte Herr über ganz Europa sein. Und England stand wieder alleine da. Der Soldat in Arthur Wellesley spürte die Last der Untätigkeit. Während auf den blutigen Feldern Europas seine preußischen, russischen, österreichischen und skandinavischen Kameraden um ihre Freiheit und ihr Überleben kämpften, saß er gemütlich in London und vergnügte sich. Wann endlich würde Großbritannien ein Expeditionskorps aufstellen und auf den Kontinent übersetzen? Nur wenn irgendjemand Bonaparte und den Franzosen Einhalt geboten, würden alle europäischen Nationen wieder aufatmen können. Keine Intervention in Mexiko oder Venezuela würde dies je bewerkstelligen. England durfte nicht weiter Koalitionen gegen Frankreich ins Leben rufen und dann tatenlos zusehen, wie ihre Verbündeten den Blutzoll entrichteten.

Am 3.Januar 1807 brachte Kitty, Arthurs kleinen Sohn zur Welt. Wie Sarah Lennox es prophezeit hatte, verlief die Geburt schnell und unkompliziert. Doch vor der Haustür der Familie war die Welt im Aufruhr: Der Winter war hart und durch die Kontinentalsperre gegen England waren die Preise für die Grundnahrungsmittel steil nach oben geschnellt. Da fast alle Häfen des Kontinents für die Schiffe seiner Majestät gesperrt worden waren, hatten die englischen Industriellen viele ihrer Arbeiter entlassen müssen. Die Kartoffelernte in Irland war verheerend schlecht ausgefallen und die Armen des Landes befanden sich in einem Zustand tiefster Verzweiflung. Der König hatte zum Jahresende 1806 ein rebellisches Unterhaus aufgelöst, um der angeschlagenen Regierung Grenville eine Verschnaufpause zu gewähren. Am 26.Dezember 1806 hatten die Franzosen und die Russen sich bei Pulutsk und Golymin in Polen blutig beschlagen. Nun lagen beide Armeen im Winterlager und spähten argwöhnisch über die Palisadenzäune. Mit dem Frühling würde auch die Entscheidungsschlacht kommen und alle politischen Kräfte Englands befürchteten den Sieg Napoleons und den Zusammenbruch der vierten Koalition gegen Frankreich. Die rebellischen, jungen Männer beider Parteien stritten sich nach der Auflösung des Unterhauses in den Klubs weiter: Welchen Ausweg gab es noch für England? Intervention oder Friedensschluss mit Frankreich? Teile der Armee waren fast im Aufruhr. Viele jüngere Offiziere konnten die Drückebergerei ihrer Regierung nicht mehr ertragen. Die Radikalen predigten den Friedensschluss mit Frankreich. Ihr Anführer Cobbett pries lautstark die Ideale der Französischen Revolution und die Notwendigkeit, um des Handels und der Wirtschaft willen, die Oberherrschaft des französischen Kaisers über den Kontinent zu akzeptieren. Arthur hatte im allgemeinen Aufruhr, irgendwann Ende Februar 1807, in der heißesten Phase des Wahlkampfes für ein neues Unterhaus, eine fürchterliche Auseinandersetzung mit Cobbett. Er sprach für die Intervention, für die Freiheit aller Nationen und für den Kampf bis aufs Messer gegen den Tyrannen Bonaparte. Cobbett warf ihm vor, dass er, der Sieger von Assaye, lediglich aus persönlichem Ehrgeiz heraus neues Blutvergießen anstacheln wollte. Nur das Eingreifen des alten Herzogs von Buckingham verhinderte, dass beide Männer bereits im White’s Club handgreiflich wurden. Arthur forderte den radikalen Politiker zynisch und kalt auf, er möge ihm seine Sekundanten nennen und die Waffen wählen. Cobbett verlies wütend den Klub und schwor, die irische Wellesley-Brut eines Tages zu Fall bringen. Bereits am nächsten Morgen standen sich die beiden Hitzköpfe um fünf Uhr morgens auf dem Battersea Commons gegenüber. Cobbetts eigentliche Waffe war die Feder. Zitternd vor Angst nahm er eine der beiden Pistolen von Lord Cheltenham entgegen, der als Schiedsrichter fungierte. Der Journalist hatte noch nie in seinem Leben von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht. Cheltenham wollte eine Münze werfen, um zu entscheiden, welcher der beiden Kontrahenten den ersten Schuss abfeuern durfte. Arthur betrachtete den radikalen Politiker, der seine Angst nicht mehr verbergen konnte, voller Verachtung. Dann wandte der Soldat sich dem Schiedsrichter zu: "Lassen Sie gut sein, Cheltenham! Der Schmierenjournalist kann meinetwegen den ersten Schuss abgeben. Falls er sich jedoch jetzt in aller Form bei mir entschuldigt, dann bin ich bereit, auf Genugtuung zu verzichten." Cheltenham stellte Cobbett die Frage. Die beiden Sekundanten des Journalisten flehten ihn an, sich bei Arthur zu entschuldigen. Doch trotz seiner Angst schüttelte der Redakteur des Political Register nur bestimmt den Kopf: "Niemals werde ich mich vor diesem überheblichen, irischen Berufsmörder entschuldigen." Arthur zuckte mit den Schultern und nahm seine Pistole:" Zeigen Sie Cobbett wo der Abzug ist“, bat er Cheltenham, „ denn der krakeelende Schreiberling scheint es nicht zu wissen."

Der Schiedsrichter schritt die Distanz zwischen den Kontrahenten ab und wies Cobbett und Arthur ihre Plätze zu. Cobbett fingerte nervös an seiner Waffe herum. Er wusste immer noch nicht so genau, wie man das verflixte Ding spannte. Schließlich half ihm einer seiner Sekundanten. Arthur stand ruhig auf seinem Platz. Ein Duell war nichts Ungewöhnliches für ihn. Viele britische Offiziere hatten diese verhängnisvolle Angewohnheit, Meinungsverschiedenheiten mit der Waffe in der Hand zu regeln. Auch Arthur war kein Engel. Außerdem hatte er für Cobbett nach dessen erneuten, heimtückischen Angriff auf seinen guten Ruf nur Verachtung übrig. Zitternd hob der Journalist die Pistole mit beiden Händen. Sein Gegenüber bewegte sich nicht und blickte ihn aus eiskalten, blaugrauen Augen hochmütig an. Cobbett drückte ab. Der Schuss ging ins Leere. Der Journalist hatte seinen Gegner verfehlt. Nun hob Arthur seine Waffe und fluchte für alle gut hörbar:“ Das war es dann wohl für heute!“. Cobbett wurde bleich. Doch sein Kontrahent war kein Mörder. Der Soldat schoss in die Luft, drückte die leere Pistole dem Nächststehenden in die Hand und drehte sich verärgert um. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm er seinem Sekundanten Oberst Frederick Ponsonby Elmores Zügel aus der Hand, saß auf und ritt von Battersea Commons fort. Arthur hatte natürlich Kitty nichts von diesem Duell erzählt, um sie nicht unnötig zu beunruhigen. Er hatte ihr lediglich einen kleinen Zettel auf den Nachttisch gelegt, auf dem geschrieben stand, dass er ausgeritten sei und hinterher wohl gleich in den Generalstab gehen würde. In diesem Augenblick war er so wütend auf Cobbett, dass er beschloss, trotz der frühen Stunde nicht wieder in die Harley Street zu reiten, um seine Frau nicht mit seiner schlechten Laune zu belästigen. Er würde irgendwo anders zu frühstücken. Das Stadtpalais der Richmonds lag auf seinem Weg zum Generalstab. Er sah auf die Uhr. Es war gerade kurz vor sechs Uhr morgens und Sarah musste noch zuhause sein. Er stellte sein Pferd im Stall seiner Freunde ab und klopfte an die Hintertür. Sarah öffnete selbst: "Na, hast Du Dein irisches Mütchen gekühlt, Arthur?", strahlte sie ihn an. "Ganz London scheint auf dem Laufenden zu sein.“, knurrte der Soldat, “Ich hätte diesen dusseligen Schmierenjournalisten ins Jenseits befördern sollen."

" Und warum hast Du es nicht getan, mein Lieber?", ärgerte ihn Sarah.

"Cobbett wusste nicht mal, wo der Abzugshahn einer Pistole ist. Ich bin kein skrupelloser Mörder, Sarah. Er hat sich in die Hosen gemacht und ich hoffe, in Zukunft wird er sich zweimal überlegen, bevor er mir Hochmut und Ehrgeiz vorwirft und behauptet, ich wollte eine britische Intervention auf dem Kontinent lediglich, um meinen ganz persönlichen, militärischen Spieltrieb zu befriedigen." Arthur ließ sich auf die Eckbank in der Küche fallen:" Bietest Du mir einen Kaffee an?" Sarah füllte ihm eine große Tasse mit dem heißen, schwarzen Getränk: "Die Armee fehlt Dir?" Arthur nickte traurig: "Mein Leben ist ziemlich ruhig geworden, seit ich nach England zurückgekommen bin. Und diese verdammten Parlamentsintrigen gehen mir auf die Nerven."

"Hast Du Probleme mit Deiner Frau?"

"Nein Sarah. Trotz meiner anfänglichen Bedenken und Eurer Unkenrufe …sie ist eigentlich ein nettes Mädchen, unser kleiner Sohn ist wunderbar und Arthur Freese ist ein reizender Bengel. Mein Privatleben ist in Ordnung. Ich bin bloß diese Ruhe und diesen Frieden nicht gewöhnt. Meine Soldaten fehlen mir, meine jungen Offiziere fehlen mir und die mangelnde, körperliche Anstrengung und fehlende Bewegung macht mich irgendwie nervös."

"Also hat Cobbett doch ein bisschen Recht?"

"Oh Sarah, ärgere mich doch nicht so! Du weißt schon was ich meine."


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