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Thermodynamische Kriterien für die Stabilität von Phasen

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Die Grundlage unserer Diskussion bildet die Freie Enthalpie einer Substanz – genauer gesagt die molare Freie Enthalpie Gm, die sich im Laufe dieses und der folgenden Kapitel als so wichtig erweisen wird, dass wir ihr einen besonderen Namen geben: das chemische Potenzial μ. Für reine Stoffe ist μ = Gm, d. h. „molare Freie Enthalpie“ und „chemisches Potenzial“ sind Synonyme. In Kapitel 5 werden wir jedoch eine allgemeinere Definition von μ kennen lernen und die weiter reichende Bedeutung dieser Größe besprechen. Die Bezeichnung „chemisches Potenzial“ lässt uns bereits erahnen, dass μ als Maß für die Möglichkeit einer Zustandsänderung der betreffenden Substanz in einem System gelten kann. In diesem Kapitel konzentrieren wir uns dabei zunächst auf das Potenzial eines Stoffs, seinen physikalischen Zustand zu ändern. Die Rolle von μ bei chemischen Umwandlungen wird uns in Kapitel 6 beschäftigen.

Unser Ausgangspunkt in dieser Diskussion ist eine Schlussfolgerung aus dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (Abb. 4-3):

Im Gleichgewicht ist das chemische Potenzial eines Stoffs überall in der Probe gleich groß, unabhängig davon, wie viele Phasen koexistieren.

Um uns von der Richtigkeit dieser Aussage zu überzeugen, betrachten wir ein System, bei dem das chemische Potenzial an einem Ort μ1 und an einem anderen Ort μ2 beträgt; beide Positionen können in der gleichen oder in zwei verschiedenen Phasen liegen. Wird nun eine Stoffmenge dn vom ersten zum zweiten Ort transportiert, verringert sich die Freie Enthalpie des System um μ1 dn (wenn die Stoffmenge von Ort 1 entnommen wird) und nimmt um μ2 dn zu (wenn der Stoff an Ort 2 wieder zugeführt wird). Die Gesamtänderung der Freien Enthalpie ist damit dG = (μ2μ1)dn. Wenn nun das chemische Potenzial am Ort 1 höher ist als an Ort 2, so nimmt G während des Gesamtprozesses ab; der Prozess verliefe also freiwillig. Ein Gleichgewicht liegt nur vor, wenn sich G bei einem derartigen Prozess nicht ändert, wenn also μ1 = μ2 ist.

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