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Petra Dais und Robby Höschele

Editorial

Liebe Leser_innen,

damals, kurz nach Ostern: die Jünger_innen waren im Haus versammelt, die Türen waren verschlossen, Jesus kam und trat in ihre Mitte – durch die Wand?

Leben zwischen Ostern und Pfingsten bedeutet, Wände werden durchlässig, mitten im Wirklichen gewinnt das Mögliche Raum. Jesus und die Propheten haben in Wort und Tat Alternativen entworfen zu scheinbar festgefügten Ordnungen. Das ist auch eine Aufgabe von Kirche und damit auch von Kirchenräumen. Jene, die Kirchen bauten wussten das und viele vermochten es, mit ihrer Architektursprache Räume zu entwerfen, die für Menschen neue Einblicke und Sichtweisen ermöglichen, die neue Möglichkeitsräume fürs Leben eröffnen.

Wie solche Möglichkeitsräume in einer Jugendkirche frei werden können, möchte dieses Magazin zeigen. Wir sind davon überzeugt, dass Kirchenräume das Potential dazu haben. Reale Möglichkeitsräume werden in unserer Zeit so dringend gebraucht. Die Erfahrung zeigt, wie lustvoll und herausfordernd es sein kann, eine Kirche zu „bespielen“ und wie ansteckend das wirken kann.

Dieses Magazin für mehr Jugendkirche in Kirchenräumen erscheint in einer Zeit, in der es vereinzelt schon Pläne gibt, Kirchen dauerhaft abzureißen oder durch multifunktionale Gebäude zu ersetzen. Verschiedentlich hört oder liest man auch davon, dass es nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre zu aufwendig wäre, Jugendkirchen zu betreiben, zumal in kostspieligen Kirchengebäuden. Ebenfalls gibt es Meldungen, dass nach zum Teil langjährigen Überlegungen, eine Jugendkirche einzurichten, aus finanziellen Gründen die Pläne völlig aufgegeben wurde.

Aber fast jede Kirchengemeinde verfügt über einen mehr oder weniger starken Kirchenraum, über eine mehr oder weniger attraktive (im Sinne von „anziehende“) Kirche.

Ist es die falsche Zeit, um noch stärker über Kirchenraumkonzepte, über Formen nachzudenken, Kirchen auch in ungewohnter Weise zur Verkündigung des Evangeliums und zur Feier des Lebens mit all seinen Licht- und Schattenseiten zu bespielen?

Es ist nicht die falsche Zeit!

Kirchenräume sind oft starke Räume, aber sollen sie, dürfen sie so einfach in Experimentierräume, in Atelierräume, in Spielräume verwandelt werden – speziell (wenn auch nicht ausschließlich) für jungen Menschen? Wer will das? Wer findet das gut?

Wir haben den Auftrag der Landessynode und des Oberkirchenrats der Evang. Landeskirche in Württemberg übernommen, die Erfahrungen mit dem Stuttgarter Jugendkirchenfestival zu übersetzen und verfügbar zu machen für Jugendkirchen-Projekte in mittelgroßen Städten. Tatsächlich sind in diesem Magazin sehr viele Erfahrungen aus den letzten sieben Jahren versammelt, die wir in der temporären Jugendkirche in der evangelischen Martinskirche der Stuttgarter Nordgemeinde sammeln konnten. „Temporär“ heißt hier: Jugendkirche in der Zeit von Palmsonntag bis Pfingsten.

Magazin nennen wir dieses Anregungsmaterial – wir hoffen auf anregende Wirkung – weil vielleicht in ein paar Jahren die Erfahrungen aus anderen Städten in einer weiteren Ausgabe veröffentlicht werden. Bei einem „Magazin“ wird erwartet, dass einmal wieder eine Ausgabe erscheint. Erheiternd und doch passend ist dabei, dass ein „Magazin“ auch als „Speicherraum“, als „Schatzkammer“, gar als Ort „zur Lagerung von Explosivstoffen“ verstanden werden kann. Wir verstehen dieses Buch auch so.

In diesem Magazin wird vor allem beschrieben und reflektiert, was auch in mittleren Städten funktionieren kann. Die zahlreichen Fotos gehören zum Inhalt, zum „Text“ des Magazins. Sie erzählen in ihrer Sprache von den raumgreifenden Aktivitäten, von der Farbigkeit und von der Lust an Lebendigkeit und Bewegung, die diese Kirchen ermöglichen. Wenn die Fotos auch von Aufwand (an Ideen, an Material und Vorbereitung) erzählen, dann trifft das zu. Kirchenräume in Spielräume zu verwandeln ist manchmal schon deshalb aufwendig, weil man sie bis auf das Wesentliche leer räumen muss, bevor man etwas einträgt. Leidenschaft und Verausgabung sind dabei häufig anzutreffen, manchmal auch eine frei machende Art der Verschwendung.

Wenn dabei gängige und oft enge Vorstellungen davon aufgebrochen werden, was in einer Kirche möglich ist, kommt es auch zu Konflikten und zu Empörung. Aber nicht selten kommt es zu Kettenreaktionen der Lebendigkeit.

Jugendkirchen können einen Imagewandel unterstützen: Kirche ist nicht nur verstaubt, langweilig, starr und altmodisch. Aus diesem Bruch mit dem Kirchenklischee entstehen Irritationen und Differenz-Erfahrungen, die eine kreative Kraft entfalten (Experimentierlust und Entwicklungsneugier): Auseinandersetzung mit religiösen Traditionen und die Frage nach deren Relevanz für die Lebensthemen der jungen Menschen. Der Imagewandel findet in den ästhetischen Dimensionen statt (Zustände des Raumes, Formen des Feierns, Gestalt der Bildungsaktivitäten) und ebenso in den Inhalten und den zu diskutierenden Themen.

Wir wünschen uns, dass die Texte und die Fotos anregend wirken, dass sie die Phantasie beflügeln und einen Geschmack davon geben, wie Kirche auch sein kann. Es braucht nicht darum zu gehen, die Erfahrungen des Stuttgarter Jugendkirchenfestivals zu kopieren (obwohl respektvolle Imitation auch eine wertvolle Entwicklungsstufe sein kann). Es geht mehr darum, die eigenen regionalen Verhältnisse und Bedingungen als den Möglichkeitsraum zu begreifen oder in einen Möglichkeitsraum zu entwickeln, zu verwandeln. Die drei Beispiele Junge Kirche LUX in Nürnberg, ChurchNight als eine Art temporärer Jugendkirche von ganz kurzer Dauer und das Jukival in Ulm zeigen das.

Am Ende eines jeden Kapitels gibt es eine „Denkraum“-Doppelseite. Nicht mehr als ein Notizblatt will das sein, auf dem jemand vorher schon etwas skizziert, gekritzelt oder notiert hat. Vielleicht ergeben sich daraus Fragen, Anregungen oder Impulse für eigene Gedanken. Und vielleicht braucht es fünf weitere große Notizblätter, um den eigenen Denkraum zu erweitern oder vielleicht speichern andere ihre Ideen, ihre Skizzen und Notizen lieber digital in virtuellen Clouds. Wie auch immer: es geht darum, „chemische Reaktionen“ zu riskieren in einer Kirche, die sich kontinuierlich verändern will und die vielleicht mehr denn je herausgefordert ist, am Brückenbau mitzuwirken, weil unnötige Barrieren so verbreitet sind.

Etwas über ein Jahr hat es nun gedauert, bis diese Magazin-Ausgabe erscheint. Ganz herzlich bedanken wir uns bei allen, die dazu beigetragen haben. Besonders bedanken wir uns bei allen Autorinnen und Autoren und bei allen Fotografinnen und Fotografen und vor allem bedanken wir uns bei Alexandra Schlierf für ihr pfiffiges und ansprechendes Layout und bei Annette Plaz für ihre Ausdauer und ihren zuverlässigen Überblick während der gesamten Redaktionsarbeit.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

Jugend - Kirchen - Räume

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