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Petra Dais

Kirchen sind öffentliche Orte – Jugendkirchen auch

Plädoyer für Jugendkirche im Kirchenraum

„Wir sollten unsere ausdrucksstärksten und zentralsten Kirchen zu Jugendkirchen werden lassen“

Um es vorneweg zu sagen: Es ist nicht so, dass die „Jugendwelt“ auf Jugendkirchen gewartet hat, bereits in den Startlöchern sitzt und sich sofort auf jede entstehende Jugendkirche stürzt, sie in Besitz nimmt, um dort Tag und Nacht ihre Freizeit zu verbringen. Für die meisten Jugendlichen ist es nicht „in“, in eine Kirche zu gehen. Die große Mehrheit von ihnen ist nicht religiös im Sinne einer traditionellen, institutionell organisierten Religion. Gottesdienst gehört für sie nicht zum persönlichen Ritual.4 Auch wenn sich viele noch konfirmieren lassen, beenden die meisten mit der Konfirmation ihren Kontakt zur Kirche. Säkularisierung und individuelle Ausformungen religiösen Lebens sind die aktuellen Trends, das bestätigen sämtliche Studien.

Daneben gibt es aber auch eine andere Realität: Schaut man sich in unseren Städten um, so sind die Stadtbilder deutlich christlich geprägt: Wunderschöne Kirchen aus alter Zeit, klar als Kirche erkennbar, finden sich an zentralen Plätzen der Stadt. Auch in Neubaugebieten aus der Mitte des letzten Jahrhunderts fehlt die Kirche nicht: Sie ist dort meist in Form eines Gemeindezentrums präsent. Interessant ist nun, welche Assoziationen diese „Gotteshäuser“ bei Menschen auslösen, die sie zwar nicht als Teil ihres religiösen Alltagsrituals betreten, jedoch mit ihnen leben und sei es nur dadurch, dass ihr täglicher Weg an ihnen vorbeiführt, dass sie diese von ihrem Fenster aus im Blick haben, oder dass sie die Glocken hören – jeden Tag mehrmals.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Kirchengebäude im Stadtraum eine deutliche „Sprache“ sprechen und ein klares Assoziationsfeld eröffnen, gerade bei Menschen, die selbst nur sehr wenig oder gar nicht religiös sind: Die meisten Menschen verbinden mit einer Kirche Gott – die Anwesenheit Gottes. Sehr viele Menschen erwarten in einem Kirchenraum Hilfe in Krisensituationen, Nächstenliebe, Gebet füreinander, miteinander. Für einen sehr großen Teil unserer Bevölkerung gilt also (egal welche Religion, ob religiös oder nichtreligiös): Kirchen sind Orte, an denen andere Regeln gelten, nicht die Gesetze des Konsums, der Leistungsgesellschaft. Kirchen sind Orte der Unterbrechung, des Heiligen, der Anwesenheit des Göttlichen. Damit können und sollten wir wuchern. Wir sollten unsere ausdrucksstärksten und zentralsten Kirchen – wenigstens ein paar Wochen im Jahr – zu Jugendkirchen werden lassen. In allen Jugendkirchen, die in Kirchenräumen stattfinden, die nach außen und innen klar als Kirche erkennbar sind, werden dieselben Erfahrungen gemacht: Der Raum spricht mit! Es ist, als ob alles unter eine Überschrift gestellt wird und daran gemessen wird: „Wir sind hier im Hause Gottes, im Namen Gottes“ – egal ob wir gerade tanzen, essen, sägen, streiten, Theater spielen, Bier trinken ... . Das verändert Menschen, in dem was sie machen, wie sie es machen, wie sie von Gott reden und über Gott denken. Sehr wichtig ist dabei, dass das Aufeinandertreffen von Jugendkultur und Kirchenraum und die daraus entstehenden religiösen Erfahrungen kompetent und sorgfältig begleitet werden. Was ist möglich im Kirchenraum? Was vielleicht auch nicht, und warum?

In der Stuttgarter Jugendkirche kam es immer wieder zu eindrücklichen Gesprächen mit Menschen, die sich selbst zwar nicht als religiös bezeichnen, aber dadurch, dass sie sich mit ihrer Lebenskultur, mit ihren Alltagshandlungen im Kirchenraum wiedergefunden haben, plötzlich neu über „Gott und die Welt” ins Nachdenken gekommen sind.

Ein weiteres Argument für Jugendkirchen im Kirchenraum ist der öffentliche Charakter, den ein Kirchengebäude im Stadtraum hat. Es ist klar und bei vielen Menschen verinnerlicht, dass eine Kirchentür offen ist, jeder_r hineingehen kann – auch ohne Eintrittskarte, auch ohne Clubkarte. Kirchen sind öffentliche Räume und haben eine Verpflichtung, sich dem öffentlichen Leben zu stellen. Die Volkskirchen sind in dieser Hinsicht auch unterscheidbar von den vielen verschiedenen Freikirchen und „Club”-Kirchen, die überall entstehen. Als Kirche im Stadtteil präsent zu sein heißt auch, die sozialen Themen und Anliegen der Bevölkerung mit dem Blick des Evangeliums zu begleiten und selbst zum Ort zu werden, an dem eine Stadtgesellschaft soziales Miteinander diskutiert und lebt. Für Jugendkirchen ist dieser Anspruch eine verheißungsvolle Aufgabe: Wie öffentlich und niederschwellig sind wir in unserem Programm? Wer hat Zugang? Wie können wir Zugang ermöglichen? Welche Angebote verschaffen wem Zugang? Wie kann unsere Jugendkirche zu einem sozialen Raum der Begegnung werden, zu einem Ort der Hoffnung?5

Als Vision spreche ich gerne von der Jugendkirche als „KONTAKTHOF”

1.Jugendkirche wird zum „Kontakthof“, um mit Kirche in Kontakt zu kommen, um Erfahrungen mit dem Kirchenraum und mit „kirchlichen Menschen” zu machen, um Kirche positiv zu erleben.

2.Jugendkirche wird zum „Kontakthof”, zur Plattform der Begegnung der unterschiedlichen Milieus, der unterschiedlichen Kulturen und hin und wieder der unterschiedlichen Generationen. Jugendliche aus verschiedenen Milieus interessieren sich füreinander, teilen ihre Visionen und arbeiten gemeinsam an Projekten für ein soziales Miteinander.

4: Vgl. z.B. Streib, Heinz/Gennerich, Carsten, Jugend und Religion. Bestandsaufnahmen, Analysen und Fallstudien zur Religiosität Jugendlicher, Juventa Verlag Weinheim und München 2011.

5: Vgl. Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich in seiner Rede vor dem Gesamtkirchengemeinderat Stuttgart 2008: „Mit unseren Glockentürmen bilden wir eine Topografie der Hoffnung für die Stadt“.

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