Читать книгу Im Licht der Horen - Petra E. Jörns - Страница 7

4. Kapitel

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Jameson McAllister. Dee ließ das Prüfgerät sinken. Irgendwann hatte sie den Namen bereits gehört. Es war kein angenehmer Zusammenhang gewesen. Wenn sie sich doch nur erinnern könnte! Sie rieb sich die Nase, aber das brachte sie auch nicht weiter.

Riley und Peres hatten die Routineüberprüfung murrend geschluckt. Dee hatte die beiden zu den Konvektionstriebwerken geschickt. Die waren wenig anfällig für Störungen und taugten nicht für Attentate. Eigentlich sollte sie währenddessen die Sprungtriebwerke überprüfen, aber ...

Endlich war Dee bis zu den Schaltkreisen für den Hangar vorgedrungen. Sie kauerte hinter der herabgenommenen Verschalung der Überwachungskabine. Wenn sich irgendjemand außer Hawk und ihr an der Fähre zu schaffen gemacht hatte, dann würde sie hier die Antwort finden. Es sei denn, der Betreffende war gut genug gewesen, seine Spuren zu beseitigen.

Dee löste gerade eine Verbindung, als ihr ein Blinken an der Konsole auffiel: Die Anzeige für den Status der Hangartore. Dem Stand der Atemluft nach, die die Kontrolle daneben anzeigte, mussten sie sich gerade geschlossen haben.

Eine Fähre? Natürlich. Der angekündigte neue Pilot.

Ihre Finger lösten eine weitere Verbindung und verbanden die freien Enden mit ihrem Prüfgerät. Im schummrigen Licht waren die Tasten kaum zu erkennen, die sie betätigen musste. Mit gerunzelter Stirn zog sie sich von der Wand zurück, um das Licht des Hangars nutzen zu können.

Sie erkannte drei Autorisierungscodes. Einer davon war der ihre. Während sie die Codes auf ihrem Prüfgerät speicherte, zischte das Schott der Fähre. Die Gegensprechanlage war aktiviert. Dee hörte leichte Schritte aus dem Lautsprecher. Vorsichtig beugte sie sich zur Seite, um von ihrem erhöhten Standort einen Blick auf den Ankömmling zu werfen.

Der Mann, der aus der Fähre kam, trug Turnschuhe, graue ausgebeulte Jogginghosen und ein zerschlissenes ärmelloses Shirt, das den Blick auf athletische Schultern und Arme freigab. Die blonden Haare waren zerzaust und hingen bis auf seine Schultern. Er hatte einen grauen Seesack geschultert, den er nun mit einer geschmeidigen Bewegung zu Boden gleiten ließ.

»Lieutenant Jameson McAllister meldet sich zum Dienst. – Sir.«

Die Stimme war ein rauer Bariton. Dee konnte Zorn und Bitterkeit in ihr hören. Das »Sir« klang durch die kleine Sprechpause nahezu wie eine Beleidigung.

»Lassen Sie das, Jameson.« Coulthard kam langsam auf ihn zu und blieb vor ihm stehen.

McAllisters Haltung lockerte sich. Breitbeinig und mit hoch erhobenem Kopf begegnete er Coulthards Blick.

Die beiden kannten sich.

»Sie wissen, unter welchen Bedingungen Sie hier sind?«

»Aye.«

»Ihnen ist hoffentlich klar, was mich das gekostet hat. Ich musste alle Hebel in Bewegung setzen.«

»Ich weiß es zu schätzen.« Doch seine Haltung wirkte eher provokativ.

»Nutzen Sie Ihre Chance.«

»Mit Verlaub: Welche Chance?« Die Worte klangen hart und anklagend. »Sie haben selbst gesagt, dass ich keine Rehabilitation erwarten darf.«

»Ist fliegen zu können nicht genug?«

Für einen kurzen Augenblick senkte er den Kopf um eine Winzigkeit, bevor er ihn mit einem Ruck wieder hob. »Doch«, antwortete er. »Das ist es. Mehr als genug.«

Eine Pause entstand, die Dee umso schmerzhafter empfand, je länger sie andauerte. Es kam ihr vor, als wolle keiner der beiden das nächste Wort sprechen, als befürchteten beide, zu verlieren. Umso erstaunter war Dee, dass McAllister das Schweigen brach.

»Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Dafür. Und dafür, dass Sie mich da herausgeholt haben. Für alles.« Er bot ihr seine Hand.

Coulthard ignorierte die Geste. »Danken Sie mir nicht zu früh.«

Mit einem sichtbaren Ruck straffte er sich und nahm Haltung an. Die Hände auf seinem Rücken ballten sich zu Fäusten. »Ich hatte nichts damit zu tun. Ich würde niemals ...«

»Ich sagte es bereits: Nutzen Sie Ihre Chance. Ich habe Sie für eine Mission hierher gebracht. Jetzt liegt es an Ihnen! Beweisen Sie mir, dass Sie es wert sind. Dann werde ich mich weiterhin für Sie einsetzen.«

McAllister schwieg. Ganz langsam öffneten sich seine Fäuste, bis er sich plötzlich einen Ruck gab und nach dem Seesack griff. »Ich werde mein Bestes tun. Das verspreche ich Ihnen.«

Coulthard versperrte ihm den Weg. »Oh nein, Jameson. Nicht Ihr Bestes! Das, was erforderlich ist. Ich brauche Sie!«

»Es wird keinen Anlass zur Klage geben. Sie haben mein Wort darauf.« Die Worte klangen, als müsse er sie zwischen seinen Zähnen hervorpressen. Dabei hob er sein Kinn noch ein wenig. Seine Haltung war so aggressiv, dass Dee einen Moment um Coulthards Wohlergehen fürchtete.

Lange standen sich die beiden so gegenüber, bis Coulthard ihm den Weg zur Hangartür freigab. »Ich erwarte Sie in Uniform und mit vorschriftsmäßiger Frisur um neunzehnhundert im Besprechungsraum. Sorgen Sie dafür, dass ich es nicht bereue.«

»Aye – Sir.« Da war sie wieder, diese kleine, kaum wahrnehmbare, provokante Pause vor dem »Sir«. Doch Coulthard schien gewillt, sie zu ignorieren.

Als er sich zur Tür wandte, konnte Dee sein Gesicht sehen. Einen irren Augenblick glaubte sie, er habe sie bemerkt, aber er schritt mit festem Blick an der Kabine vorbei Richtung Schott.

Dees Herz machte einen Satz. Das war der Mann aus ihrem Traum. Und er trug Sträflingskleidung.

Er stand auf Hawks Platz, als Dee den Besprechungsraum betrat. Sein makelloses, frisch rasiertes Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Die dunkelgraue Uniform betonte seine durchtrainierte Figur, als wäre sie für ihn entworfen worden. Die blonden Haare waren nur noch zwei Fingerbreit lang.

Die Verwandlung war perfekt, trotz der kurzen Zeit, die er zur Verfügung gehabt hatte. Hoch aufgerichtet, breitbeinig und mit den Händen auf dem Rücken wirkte er, als wäre er einem Werbefilm der Flotte entsprungen. Nur die widerspenstigen Haare schienen zeigen zu wollen, welcher Geist wirklich in diesem Mann wohnte.

»Darf ich Ihnen Lieutenant Jameson McAllister vorstellen?«, brach Coulthard das Schweigen. »Er wird für die Dauer dieser Mission unser Pilot sein.«

Die anderen Offiziere hatten Platz genommen. Nur McAllister stand noch. Mit regloser Miene fixierte er die Wand ihm gegenüber.

Woher kannte sie nur seinen Namen? Die Frage ließ Dee keine Ruhe.

»Ma’m, ich habe eine Beschwerde vorzubringen«, brach De Suttons näselnde Stimme das Schweigen. »Lieutenant McAllister hat meine ... unsere Kabine verwüstet. Ich bestehe darauf, dass Sie ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.«

McAllister atmete tief ein. Sein Blick suchte Coulthard.

Deren Miene war eisig. »Wir hatten eine Abmachung.«

»Ich war in Eile«, quetschte McAllister hervor. Seine dunkelgrauen Augen fixierten De Sutton. »Ich werde den Schaden selbstverständlich beheben. – Sir.«

De Suttons Stimme wurde ungewöhnlich laut. »Ich weigere mich, mit ihm ein Quartier zu teilen.«

»Sir.« McAllisters Blick wanderte zu Coulthard. »Ich versichere Ihnen, dass es zu keinen weiteren Zwischenfällen kommen wird.«

Coulthard schien befriedigt. »Setzen Sie sich, McAllister.« Zu De Sutton gewandt sagte sie: »Sie haben Lieutenant McAllister gehört, Commander De Sutton. – Zu den Ergebnissen! Watanabe!«

De Suttons Lippen wurden schmal. »Ma’m, mit Verlaub. Sie können mich nicht zwingen ...«

»Commander De Sutton!« Coulthard sprach leise, dennoch hatte jedes ihrer Worte die Schärfe eines Peitschenhiebs. »Die Sache ist geklärt. Sollten Sie weitere Einwände haben, richten Sie diese bitte schriftlich über meine Person an die Admiralität. Ansonsten steht es Ihnen frei, von Ihrem Posten zurückzutreten. Für adäquaten Ersatz zu sorgen, dürfte nicht schwerfallen.«

Das waren klare Worte. McAllisters Anwesenheit war ihr wichtiger als De Suttons. Wobei Coulthard recht haben dürfte: Es würde um einiges leichter sein, einen qualifizierten Ersten Offizier als einen weiteren Piloten für dieses Schiff zu finden. Auch wenn diese Crew noch so handverlesen war.

Während De Sutton nach Luft schnappte, setzte McAllister sich in einer gleitenden Bewegung an den Tisch. Sein Blick traf Dee. Ertappt senkte sie die Lider. Nur um aus den Augenwinkeln zu beobachten, dass er sie weiterhin fixierte. Als suche er nach einer Antwort, die nur sie ihm geben könne.

Natürlich! Er hatte sie gesehen – im Hangar!

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, widmete Dee ihre Aufmerksamkeit dem Captain.

»Die Ergebnisse, Watanabe!«, wiederholte Coulthard ungerührt.

Watanabes Blick wanderte zuerst zu McAllister, bevor er endlich antwortete. Als müsse er sich vergewissern, dass dieser seinen Bericht wirklich hören durfte.

»Alle Crewmitglieder haben die entsprechenden Sicherheitsfreigaben. Wenn auch bei einigen aufgrund ihrer Vorgeschichte Zweifel an ihrer Loyalität aufkommen könnten.«

Coulthard runzelte die Stirn. »Präzisieren Sie das!«

»Nahezu fünfzig Prozent der Crew haben während des Krieges durch Kriegshandlungen Familienmitglieder verloren. CPO Rileys Familie wurde während eines Angriffs auf den Heimatplaneten seiner Eltern vollständig eliminiert. Grund genug für die Hälfte der Crew, um im Untergrund gegen einen Waffenstillstand mit der Erdregierung zu kollaborieren.«

Watanabes Blick ruhte auf McAllister, als gehöre er zu dieser Hälfte.

»Des Weiteren haben wir drei Crewmitglieder an Bord, die als Mutanten klassifiziert wurden.«

Dee vergaß einen Augenblick zu atmen. Ungerührt fuhr Watanabe fort, während er McAllister weiterhin fixierte.

»Zwei Crewmitglieder wurden als Klasse fünf eingestuft, können also als unbedeutend angesehen werden. Ein weiteres Crewmitglied wurde als Klasse zwei klassifiziert, kommt jedoch aufgrund äußerer Umstände nicht für den Sabotageakt in Betracht.«

Watanabe sah Coulthard an und Dee glaubte, Missbilligung in seinen dunklen Augen zu erkennen.

»Da das Waffenstillstandsabkommen aber auch die künftige Stellung der hoch eingestuften Mutanten behandelt, halte ich dieses Crewmitglied für ein Sicherheitsrisiko.«

Er sprach nicht von ihr, zum Glück! Dees Herz schlug laut und hart. Er sprach von ...

McAllister presste die Lippen aufeinander.

Coulthards Stimme klang erstaunlich ruhig. »Wie Sie bereits erwähnten, kommt dieses Crewmitglied nicht für den Anschlag infrage.«

Es ging um McAllister. Coulthard verteidigte ihn. Fühlte sie sich ihm so sehr verbunden?

»Noch etwas?«, fragte Coulthard.

Watanabes Blick richtete sich auf Nayiga. »Junior Lieutenant Nayigas Name fiel in Zusammenhang mit einem Datendiebstahl auf der CFF Bellerophon vor knapp einem Jahr. Der Vorfall konnte bisher nicht geklärt werden. Ein anderes Crewmitglied ist ebenfalls ...«

»Ma’m! Ich schwöre Ihnen, dass ich nichts damit zu tun hatte«, unterbrach Nayiga ihn. Sie sah zu McAllister, der ihrem Blick mit finsterer Miene begegnete.

Bellerophon. Die Testmatrix. Dee horchte auf. Gerade noch rechtzeitig senkte sie den Kopf, statt wie Nayiga McAllister anzustarren.

Daher kannte sie seinen Namen! Er war der Pilot, der vor Hawk die Testmatrix geflogen hatte. Derjenige, der die Forschungsdaten gestohlen hatte. Coulthard musste verrückt sein! Wie konnte sie nur ...

Coulthard hob die Hand. »Beruhigen Sie sich, Nayiga! Wenn ich Grund zu der Annahme hätte, dass irgendjemand hier an diesem Tisch einen Akt des Hochverrats begangen hätte oder ihn unterstützte, dann wäre er nicht hier. Das gilt für jeden. War das alles, Watanabe?«

»Ja, Ma’m.« Zum ersten Mal klang Watanabe zornig, seit Dee ihn kannte.

McAllister musterte den Tisch. Seine Miene war nach wie vor nicht zu deuten. Nayiga starrte ihn unverhohlen an.

Kein Wunder! Immerhin musste Nayiga ebenso wie ihr klar sein, dass dieser Mann verdächtigt wurde, die Forschungsergebnisse über die Gelmatrix gestohlen zu haben. Und trotzdem saß er hier, im Besprechungszimmer der Nyx. In dem Protoserienschiff mit einer Gelmatrix, das den Botschafter der Erde befördern sollte. Das erklärte auch Watanabes offensichtlichen Zorn. Er schien nicht glücklich über Coulthards Wahl zu sein. Verständlicherweise.

»Die Sicherheitsstandards?«, fragte Coulthard.

»Wurden alle weisungsgemäß erhöht«, antwortete Watanabe mit wütendem Blick.

»Nayiga, was konnten Sie über Mister Patrick herausfinden?«

Nayiga zuckte zusammen. »Ma’m! Conner Patrick war seit zwölf Jahren verheiratet mit Sandra Martin. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, ein Mädchen von acht und einen Jungen von fünf Jahren. Patrick arbeitete als Beamter im öffentlichen Dienst beim Finanzamt. Mistress Martin ist Lehrerin. Beide sind bisher nicht straffällig geworden. Patricks Name tauchte in der Liste der Untergrundkämpfer auf, da er Besuch von diesem Mann hatte.«

Das Bild eines kantigen Mittvierzigers erschien auf dem Wandschirm. »Das ist einer der beiden führenden Köpfe der Widerstandsbewegung. John VanAllen. Er wird überwacht, konnte sich jedoch vor ein paar Wochen seinen Bewachern entziehen. Seitdem ist Patricks Name auf der Liste.«

Coulthard studierte das Konterfei des Mannes. »Der VanAllen?«

»Ja, Ma’m. Der jüngere der beiden Brüder.«

»Danke, Nayiga. – Doktor, haben Sie etwas für mich?« Coulthard lächelte.

Tipton zog die Nase hoch. »Ich konnte die Leichenteile drei männlichen Personen zuordnen. Eine davon war laut DNA-Muster eindeutig Lieutenant Hawk. Die zweite Admiral Mason. Die dritte Person war weiß, mittleren Alters, leicht übergewichtig und untrainiert. Und er hatte Diabetes. Könnte unser Mister Patrick sein. Wenn Sie mir sein DNA-Muster geben, kann ich es überprüfen.«

»Captain Coulthard, darf ich darauf hinweisen, dass die DNA-Muster von Zivilpersonen nicht für militärische Zwecke verwendet werden dürfen?« De Suttons Stimme klang unwirsch.

»Sie dürfen, Commander De Sutton«, lächelte Coulthard. »Nayiga, übermitteln Sie dem Doktor das DNA-Muster. Ich erwarte Ihr Ergebnis, Doc.«

»Ist mir ein Vergnügen.« Tipton hustete und feixte in De Suttons Richtung.

De Sutton presste die Lippen aufeinander. »Das ist ...«

»Wie ich bereits sagte, Commander De Sutton: Sollte Ihnen mein Führungsstil missfallen, nehme ich gerne Ihr Versetzungsgesuch an.«

Mit hoch erhobenem Kopf musterte De Sutton Coulthard aus schmalen Augen.

»Wie ist Ihr Stand, MacNiall?«, fuhr Coulthard ungerührt fort.

»Wir kommen gut voran. Bisher konnten wir keine Unregelmäßigkeiten finden. Ich bin sicher, dass wir planmäßig starten können.«

Einen Moment lang war Dee versucht hinzuzusetzen, dass sie die Autorisierungscodes der Personen aus den Überwachungseinheiten des Hangars ausgelesen hatte, die in den letzten vierundzwanzig Stunden dort gearbeitet hatten. Aber das Ergebnis war nichtssagend. Sie hatte Hawks, Rileys und ihren eigenen Code gefunden. Riley hatte Wartungsarbeiten an einem überlasteten Energierelais vorgenommen. Aber Dee schwieg, denn sonst wäre auch herausgekommen, dass sie bei McAllisters Ankunft anwesend war.

»Das wäre dann alles. Weitere Ergebnisse direkt an meine Person. Ich erwarte Sie morgen um null siebenhundert zu einer letzten Einsatzbesprechung.«

Coulthard nickte als Zeichen, dass sie entlassen waren.

»Sir!«

»Einwände, McAllister?«, fragte Coulthard.

»Wenn Sie mir die Aufzeichnung der Flugdaten überlassen, könnte ich die Flugbahn hinsichtlich Anomalien überprüfen.«

»Wie meinen Sie das?« Coulthard runzelte die Stirn. »Welche Anomalien?«

»Eine Extrapolation der Flugbahn könnte Rückschlüsse darauf geben, welches Ziel die Flugobjekte ansteuerten. Sir.«

Coulthard zögerte sichtlich, bevor sie schließlich nickte. »Gut, tun Sie das, McAllister, und übermitteln Sie mir Ihre Ergebnisse.« Mit Blick auf die anderen Offiziere fügte sie hinzu: »Sie können gehen.«

De Sutton war der Erste, der durch das Schott preschte. Aus jeder seiner Bewegungen sprach verhaltener Zorn. Dee folgte ihm hinaus auf den Gang.

Nayiga überholte sie und prallte fast mit ihr zusammen, während sie über ihre Schulter blickte. »Verzeihung.« Bevor Dee antworten konnte, eilte sie davon. Ihre Schritte hallten im Korridor wider, vermischten sich mit denen der anderen Offiziere und verhallten.

Dee blieb stehen. Coulthard sollte ihr Ergebnis erfahren. Auch wenn sie zugeben musste, das Gespräch mit McAllister belauscht zu haben. Mit einem Seufzen kehrte sie wieder um.

Das Schott stand noch offen. Dee sah McAllister, der ihr den Rücken zukehrte und breitbeinig und mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor Coulthard stand.

Seine Stimme war rau. »Ich sehe die Notwendigkeit ein.«

»Dann freut es mich, Sie an Bord begrüßen zu dürfen, Lieutenant McAllister. Es freut mich wirklich.«

Coulthard bot ihm die Hand. Dee konnte ihr Gesicht nicht sehen. Mit leichter Verzögerung ergriff McAllister sie.

»Ich danke Ihnen«, antwortete er leise.

Behutsam zog sich Dee zurück. Sie kam sich mit einem Mal wie ein Voyeur vor. Ihre Meldung konnte sie ebenso gut schriftlich machen.

Dee starrte auf den Monitor. Sie war allein im Maschinenraum. Riley überprüfte die Energieleitungen und Peres hatte sich in den Hypermodulen vergraben.

Es wurde Zeit, dass sie mehr über den feinen Mister McAllister herausfand. Vermutlich war sie der letzte Offizier, der diese Anfrage stellte. Watanabe hatte es getan. Er wusste mehr. Und sie wollte verdammt sein, wenn sie sich nicht wenigstens McAllisters Personalakte ansah. Außerdem war sie der Zweite Offizier an Bord. Es war ihre Pflicht, den Captain auf Gefahren hinzuweisen.

Energisch begann Dee, seinen Namen einzutippen. »Eintrag im Flottenregister«, las sie als Antwort. »Dienstrang Lieutenant, Mutant der Klasse zwei.« Na also!

Befriedigt klickte sie auf den Querverweis zu seiner Personalakte. »Zugriff verweigert«, blinkte auf dem Monitor. Dee blinzelte und versuchte es noch einmal. »Zugriff verweigert.« Die Freigabe war der Admiralität vorbehalten.

Dann eben anders! Dee tippte nur den Namen »McAllister« ein. »Jameson«, wurde aufgelistet – und darüber »Ian, Dienstrang Captain, Schwerer Kreuzer CFF Ulysses«. Nervös biss sie auf ihre Unterlippe und klickte auf den Verweis zu Captain Ian McAllisters Personalakte.

Ein Bild erschien. Ein distinguierter blonder Mann mit energischem Blick. Die Ähnlichkeit mit Jameson McAllister war nicht zu übersehen. Dee überflog die Daten. Er schien ein ziemlich fähiger Offizier zu sein. Persönliche Daten. Aha! Verheiratet mit Hera Donovan, Mutant der Klasse zwei, Regierungsmitarbeiterin. Was war das jetzt schon wieder? Und da, ein Sohn. Jameson McAllister, Alter siebenundzwanzig, Pilot bei der Flotte.

Blinzelnd klickte Dee auf den Namen »Hera Donovan«. »Botschafterin der Vereinten Kolonien«, las sie. »Getötet im Einsatz.« Die Sache war fünf Jahre her. Dee fand noch diverse Verwandte von Jamesons Mutter, aber keine weiteren Angaben zu ihrem Tod.

Nachdenklich starrte sie auf den Monitor mit Mistress Donovans Porträt. Eine wunderschöne, dunkelhaarige Frau mit dunkelgrauen Augen lächelte sie warmherzig an. Er hatte ihre Augen. Himmel, in was verrannte sie sich da? Einmal mehr kam sie sich vor wie ein Voyeur.

Dennoch tippte sie den Namen »Bellerophon« ein. Eine Flut von Daten überschwemmte den Bildschirm. Sie suchte die Crewliste heraus und fand recht schnell Nayigas Namen. Sie hatte das Schiff vor einem Jahr verlassen. Und tatsächlich, auch McAllister war bis zu diesem Zeitpunkt ein Crewmitglied der Bellerophon gewesen.

Jetzt wollte sie es wissen. Was war damals eigentlich passiert? Sie suchte nach dem Logbuch und überflog es rückwirkend ab dem Zeitpunkt, da McAllister das Schiff verlassen hatte.

Sie musste nicht lange suchen. Da stand, dass McAllister aufgrund erdrückender Indizien des Hochverrats angeklagt worden war. Die Daten der Forschungsergebnisse über die Testgelmatrix waren aus dem Hauptcomputer kopiert worden und es war sein Autorisierungscode, der im Terminal gefunden wurde. Er behauptete, zum Zeitpunkt des Diebstahls mit Kayleigh Monahan verabredet gewesen zu sein, seiner Freundin, wie es schien. Die war jedoch nachweislich zum fraglichen Zeitpunkt mit Myriam Nayiga zusammen gewesen.

Nachdenklich starrte Dee auf Nayigas Namen. Grund genug, Nayiga mal auf den Zahn zu fühlen!

Ein Video fiel ihr ins Auge. Sie wählte es an, ohne sich viel davon zu versprechen. McAllister erschien. Zwei Männer der Special Forces hatten ihn an den Oberarmen gepackt. Mit von Hass und Wut verzerrtem Gesicht stemmte er sich gegen ihren Griff. Ein Tritt gegen das Bein des Mannes zu seiner Linken und mit einem Ruck riss McAllister sich los. In einer Drehung rammte er dem anderen seine Faust ins Gesicht. Der dritte Mann erschien wie aus dem Nichts und schickte McAllister mit einem Schlag in den Nacken zu Boden.

Das Video erlosch. Erschüttert von der Wucht der Gefühle in McAllisters Miene starrte Dee auf den Bildschirm.

Ein Geräusch hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Erschrocken drehte sie sich um.

Riley stand hinter ihr und lächelte sie an. »Neuigkeiten?« Sein Blick wanderte zum Monitor.

Verflucht, wie lange stand er schon da?

Mit einem Tastendruck warf Dee die Ergebnisse ihrer letzten Triebwerksanalyse auf den Bildschirm. »Alle Konvektionstriebwerke im Normbereich. Was machen die Energieleitungen?«

»Alles im Normbereich. Was darf ich jetzt für Sie tun, Ma’m?«

»Machen Sie sich an die Funkrelais für den Hyperfunk. Ich werde mich zwei oder drei Stunden schlafen legen und Sie dann ablösen.«

»Gerne, Ma’m.« Riley trat einen Schritt näher und stützte sich mit einer Hand auf die Konsole neben ihr. »Kann ich Ihnen noch anderweitig behilflich sein?«

Dee glaubte, seine andere Hand bereits auf ihrer Schulter zu fühlen. Sie fühlte sich auf dem Stuhl gefangen.

»Darf ich hoffen, dass Sie meine Warnung nicht vergessen haben?«, schnappte sie. »Oder muss ich Sie daran erinnern?«

Riley wich erschrocken zurück. »Ma’m. Verzeihung, Ma’m ...« Ohne ihre Antwort abzuwarten, deutete er einen Gruß an und strebte dem nächsten Schott zu.

Hatte Riley wirklich nicht begriffen, dass sie das nicht leiden konnte? Sie hatte tatsächlich seine Hand auf ihrer Schulter zu spüren geglaubt. Was erlaubte er sich? Oder bildete sie sich das ein?

War sie vielleicht ungerecht ihm gegenüber? Wenn er Paul nur nicht so ähnlich wäre ...

Bilder tauchten vor ihr auf. Bilder, die sie vergessen wollte. Von dieser fremden Frau, die sich wollüstig auf dem gemeinsamen Ehebett rekelte. Pauls Hände auf ihrem nackten Leib. Von den Schlaftabletten, die sie mit zitternden Händen ins Klo geworfen hatte, bevor sie in Versuchung geriet.

Wenn sie ihre Erinnerungen nur genauso fortspülen könnte!

Das Schott schloss sich. Nachdenklich starrte sie auf den Monitor. Sicher war sicher! Mit wenigen Tastendrucken löschte sie ihre Anfragen aus dem Logbuch.

In Gedanken versunken begab sie sich zu ihrem Quartier. Die Erinnerungen drängten immer wieder hervor. Mit aller Kraft versuchte sie, sich auf die Daten aus der Datenbank zu konzentrieren. McAllisters Blick, Hass und Wut in seinen Augen, daran blieben ihre Gedanken hängen. Das Bild jagte ihr immer noch einen Schauer über den Rücken und ganz langsam setzte es ihre Überlegungen in Gang.

Datendiebstahl. Mutant der Klasse zwei. Die Mutter im Einsatz verstorben. Er war anscheinend nach der Anklage aus dem Verkehr gezogen worden. Nein, im Gefängnis. Und nun holte Coulthard ihn an Bord der Nyx, damit ausgerechnet er mit dem Botschafter der Erdregierung an Bord ...

Coulthard war entweder verrückt oder ...

Sie fühlte sich ihm verpflichtet. Sie vertraute ihm. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht auch nur aus den falschen Gründen.

Ein Scheppern ließ Dee zusammenschrecken. Sie war im Korridor der Offiziersquartiere angekommen. Ein Schott stand offen, aus der Kabine dahinter kam das Geräusch. Vorsichtig trat Dee näher und entdeckte McAllister, der sich voll Zorn mit der Schulter gegen die Tür eines Spinds warf.

Sein Blick traf sie. Im gleichen Augenblick klickte es leise und die Spindtür sprang wieder einen Spalt auf. Sie wies bereits eine deutliche Delle auf. Mit einem Fluch ließ McAllister sie los. Prompt rutschten diverse Kleidungsstücke und andere Gegenstände aus dem Spind und verteilten sich auf dem Boden.

Während Dee fasziniert auf das Durcheinander starrte, kam McAllister auf sie zu und schloss mit einem Schlag auf das Bedienpanel das Schott vor ihrer Nase. In seinen dunkelgrauen Augen loderten so viel Zorn und Wut, dass Dee unwillkürlich zurückwich.

Coulthard schien zu glauben, dass er unschuldig war. Was, wenn sie sich irrte?

In Dees Quartier brannte noch Licht. Nayiga lag auf dem oberen Stockbett und schreckte zusammen, als Dee eintrat.

»Störe ich?«, fragte Dee. Sie wunderte sich, wie sanft ihre Stimme klang.

»Nein. Wieso fragen Sie?« Nayiga wischte sich über das Gesicht, bevor sie über den Rand des Bettes lugte. Ihre Augen wirkten verquollen, als habe sie geweint.

Dee wusste nicht, was sie antworten sollte. Langsam zog sie ihre Jacke aus, um sie über einen der beiden Stühle zu hängen. »Es wirkte, als wären Sie verärgert, dass man Sie mit der Sache auf der Bellerophon in Verbindung brachte.«

Nayiga setzte sich auf. »Wären Sie das an meiner Stelle nicht? Nur weil Sie zufällig an Bord des Schiffes waren, auf dem ein Verräter tätig war, werden Sie ihr Leben lang damit in Verbindung gebracht. Ist das fair?«

»Nein. Sie haben recht. Das ist es nicht«, antwortete Dee leise.

Eine Pause entstand.

»Und McAllister?«, fragte Dee. »Glauben Sie, dass ...«

»Er sollte nicht hier sein«, antwortete Nayiga heftig. »Er ...«

»Wie meinen Sie das? Glauben Sie, dass von ihm Gefahr droht?«

Nayiga rieb sich die Stirn. »Nein. Ja. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich ... Ich habe immer geglaubt, dass er unschuldig ist. Vielleicht ... Vielleicht wollte ich es auch einfach nur glauben. Aber ... Aber es passt nicht zu ihm. Verstehen Sie?«

»Nein, tut mir leid. Das verstehe ich nicht. Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, wirkt er auf mich wie ein enormes Sicherheitsrisiko. Ich verstehe nicht im Geringsten, weshalb Coulthard ihn an Bord geholt hat.«

»Sie haben nachgesehen?«

»Was?«

»Die Sache auf der Bellerophon ...«

»Selbstverständlich. Als Zweiter Offizier muss ich wissen, wie ich die anderen Offiziere hinsichtlich ihrer Integrität einzustufen habe.«

Nayigas dunkle Augen fixierten Dee. »Und, Commander? Wie stufen Sie mich ein?«

Dee zögerte. Die Richtung, die das Gespräch einschlug, gefiel ihr nicht. »Aus meiner Sicht haben Sie bisher hervorragende Arbeit geleistet. Ich finde keine Hinweise, dass Sie in irgendeiner Weise nicht vertrauenswürdig sein sollten. Und wenn Coulthard das nicht genauso sehen würde, wären Sie wohl nicht hier.«

»Danke.« Ein winziges Lächeln stahl sich auf Nayigas Gesicht.

»Keine Ursache. Ich will Ihnen damit nicht schmeicheln. Umso mehr wundert es mich, dass Coulthard McAllister an Bord geholt hat.«

Nayiga schwieg. Nach einer Weile sagte sie: »Weil er gut ist. Einer der besten Piloten der Flotte. Wenn nicht sogar der Beste. Und weil er diese Gelmatrix beherrscht.«

»Trauen Sie ihm?«, fragte Dee.

Wieder schwieg Nayiga.

Diesmal hielt die Stille so lange an, dass sie Dee unangenehm wurde. »Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin. Wenn Sie befreundet sind ...«

»Befreundet?« Nayiga schüttelte den Kopf. In ihrer Stimme schwang Bitterkeit. »Bestimmt nicht. McAllister hat keine Freunde.«

»Dann trauen Sie ihm nicht?«

»Trauen? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich ...« Nayiga ballte die Fäuste und rang nach Atem. »Hören Sie! Ich weiß nicht, wer diese Daten damals gestohlen hat. Der Autorisierungscode ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Entweder man ist gut genug, um den eigenen zu löschen, wenn man Daten stehlen will oder man besorgt sich den Code eines anderen. McAllister ist gut. Gut genug, um seinen Autorisierungscode löschen zu können, ohne dass jemand einen Hinweis darauf finden kann. Warum sollte er also seinen Code benutzen, noch dazu ohne ihn zu löschen? Halten Sie ihn für so dumm?«

Die Frage war rhetorisch. Trotzdem antwortete Dee. »Nein. Es sei denn ...«

»Es sei denn?«

»Und wenn er damit rechnet, dass niemand ihn für so dumm hält?«

»Ist das nicht einmal zu viel um die Ecke gedacht? Zudem passt dieser Datendiebstahl nicht zu ihm. Die Flotte ist das Einzige, was er liebt. Er würde sie niemals verraten. Eher würde er mit ihr untergehen oder für sie sterben.« Nayigas Worte klangen bitter.

Liebte Nayiga ihn etwa?

»Aber wenn er es nicht war, wer war es dann? Kayleigh Monahan?«

»Kayleigh.« Nayiga schnaubte und starrte Dee aus zornigen Augen an. »Sie ist ein Miststück. Eine Hure ...«

Aus Nayigas Worten sprach so viel Hass, dass Dee schauderte. Sie räusperte sich. »Heißt das, dass Sie glauben, dass Monahan die Daten gestohlen hat?«

»Ich sagte es bereits: Ich habe keine Ahnung, wer diese verdammten Daten gestohlen hat. Ich weiß nur eins: Dass dieses Miststück ihn verführt hat. Für sie hätte er alles getan. Alles. Sogar seine Seele verkauft.«

Und ob Nayiga in ihn verliebt war!

»Aber Sie sagten doch eben noch, dass er nur die Flotte liebt.«

»Das war, bevor er Kayleigh kennenlernte.«

Nayigas Worte gingen Dee nicht aus dem Kopf. Hatte Monahan McAllister derart den Kopf verdreht, dass er die Daten für sie gestohlen hatte? Und präsentierte ihn danach als Sündenbock, um selbst nicht in Verbindung damit gebracht zu werden? Dann lief eine Verräterin frei auf einem Schiff der Flotte herum. Und ein weiterer Verräter befand sich an Bord der Nyx. McAllister ...

Nein, sie konnte einfach nicht glauben, dass Coulthard sich so in ihm täuschte! Coulthard ließ sich nicht hinters Licht führen. Außerdem wirkte sie, als wüsste sie mehr.

Ein anderer Gedanke driftete an die Oberfläche. Was, wenn sie ihn als Köder auf die Nyx geholt hätte?

Dee wurde kalt. Sie zog die Decke enger um die Schultern und drehte sich auf die andere Seite, um eine bessere Einschlafposition zu finden. Doch McAllisters hasserfülltes Gesicht tauchte immer wieder im Dunkel des Quartiers auf, als würde er sie verfolgen.

Mist! Dann konnte sie genauso gut aufstehen!

Erneut wechselte Dee die Seite und starrte in die Schwärze der Kabine. Ein blauer Schimmer sickerte durch die Dunkelheit. Verdichtete sich. Hätte sie nicht gewusst, wie tödlich die blaue Strahlung war, hätte das Licht fast magisch gewirkt.

Sie befand sich in einem engen Raum. Ein Versorgungsschacht? Träumte sie etwa wieder?

Da entdeckte sie den Körper. Obwohl es ihr widerstrebte, rutschte sie näher. Der Mann versuchte, sich auf dem Ellbogen aufzurichten. Keuchend wandte er den Kopf in ihre Richtung. Es war McAllister.

Sein Gesicht war schweißnass und schmerzverzerrt.

»Sie?« Ungläubig riss er die Augen auf. Als habe das Wort all seine Kräfte gekostet, sank er im nächsten Augenblick stöhnend in sich zusammen.

Aber ... Das war ein Traum! Wie konnte er sie bemerken? Lag es daran, dass er ein Mutant war? Beeinflusste er sie etwa?

Trotz allem war es nur ein Traum. Er konnte ihr nichts tun. Und sie musste wissen, was er hier tat. Damit sie verstehen konnte ...

Vorsichtig robbte Dee näher und beugte sich über ihn.

Er blinzelte. Sein Blick irrte über sie hinweg. Er flüsterte etwas. So leise, dass Dee es nicht verstehen konnte.

Erschrocken wich sie zurück. Ihr Herz hämmerte.

Zitternd streckte er die Hand nach ihr aus, um sie festzuhalten und entblößte dabei seine rechte Seite, die von Blut getränkt war. Ein Stöhnen quoll aus seinem Mund. Zitternd ließ er die blutige Hand sinken, den Blick starr auf Dee gerichtet.

Der Anblick krampfte Dees Eingeweide zusammen. Spontan wollte sie nach seiner Hand fassen. Doch bevor sie ihn berühren konnte, wurden sein Blick glasig. Erstarrt hielt sie mitten in der Bewegung inne und schloss die Augen, um der lähmenden Verwirrung Herr zu werden.

Als sie die Lider wieder öffnete, stand sie in der Kommandozentrale. Dees Blick zuckte zum Hauptmonitor. Sie wusste, was sie dort sehen würde. Ein Fächer aus Geschossen raste auf die Nyx zu. Nichts konnte sie davon abhalten, das Schiff zu zerstören.

Wie festgesaugt hing ihr Blick an dem Bild. Von fern drangen die Schreie der anderen Crewmitglieder an ihre Ohren. Sie fühlte noch, wie sich die Nyx unter den Treffern aufbäumte. Dann füllte ein blendender Feuersturm die Brücke und löschte ihr Denken aus.

Mit einem erstickten Keuchen schreckte sie hoch. Durch die Dunkelheit drang Nayigas gleichmäßiges Atmen an ihre Ohren.

Ein Traum. Nur ein Traum.

»Sie?«, hörte sie McAllisters Stimme in ihrem Kopf. Stöhnend schlug sie die Hände vor ihr Gesicht.

Er wird sterben. Sie wusste es so klar und deutlich, als hätte sie es auf ihrem Konsolenmonitor gesehen. Und wenn er starb, starben sie alle.

Nein! Das war Unfug! Sie war keine Seherin.

Und Hawks Tod? Den hatte sie auch gesehen. Und Vaters Tod auch. Aber man konnte die Zukunft nicht ändern. Hatte sie es versucht? Hatte sie es denn je versucht?

Oh nein, sie wollte nicht sterben! Noch nicht. Sie wollte leben, Karriere machen, unabhängig und erfolgreich sein. Einen Mann finden, der sie liebte, ein Kind bekommen. Glücklich werden.

Dann musste sie ihn retten. So einfach war das.

Aber wenn sie ihren Traum falsch interpretierte? Wenn sie nur überleben konnten, wenn er starb? Oder sein Tod rein gar nichts mit der Zerstörung der Nyx zu tun hatte?

Nein. Sie wusste genau, was ihr Traum bedeutete. Dass die Nyx zerstört werden würde, weil er starb. Warum auch immer. Und das ließ nur einen Schluss zu – dass sie ihn retten musste.

Aber wie?

Coulthard informieren. Gute Idee! Die würde ihr bestimmt glauben.

Und wenn sie sich alles nur einbildete? Wenn er es war, der sie das sehen ließ? Er war ein Mutant der Klasse zwei. Die konnten solche Dinge.

Aber was hätte er davon? Er wurde des Hochverrats angeklagt. Wenn er sich einfach nur rächen wollte? An der Flotte, der Erdregierung oder wem auch immer?

Und sie saß dazwischen und war sein Empfänger, sein Schaf, das er zur Schlachtbank führte, um seine Rache zu vollziehen.

So viel Zorn und Hass. Wenn jemand Grund hatte, sich zu rächen, dann er. Sie durfte ihm nicht trauen.

Coulthard vertraute ihm. Und wenn sie ihn nur benutzte? In einem Spiel, von dem sie nichts wusste. Und auch Coulthard konnte sich irren!

Sie musste aufpassen. Sie musste ihn beobachten, bis sie klarer sah.

Aber wenn es dann zu spät war?

Sie erinnerte sich an den Zorn in seinem Gesicht, als er sich gegen den Spind warf, den Hass in seinen Augen, der De Sutton galt, an den Hass, mit dem er sich gegen seine Verhaftung zur Wehr setzte.

Er war gefährlich. Ihm im Wege zu stehen, konnte genauso tödlich sein wie diese Geschosse, die die Nyx treffen würden. Falls es diese Geschosse wirklich gab.

»Langsam und mit Bedacht«, sagte Siobhan immer. Genauso würde sie es halten.

Im Licht der Horen

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