Читать книгу Im Licht der Horen - Petra E. Jörns - Страница 8

5. Kapitel

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Müde und zerschlagen setzte sich Dee am nächsten Morgen an ihren Platz im Besprechungsraum.

Sie hatten es tatsächlich geschafft. Dee konnte es immer noch nicht glauben. Aber Riley und Peres hatten ihr bewiesen, dass sie sich auf sie verlassen konnte. Dankbarkeit und ein bisschen Stolz erfüllten sie, überlagerten die Angst, die sie in der Nacht erfüllt hatte.

»Guten Morgen!« Coulthards Stimme klang frisch wie immer. Sie wandte sich sofort an Dee. »Statusbericht, MacNiall?«

Dee hob den Kopf. »Alle Teile überprüft, Ma’m. Einige Abweichungen, aber alle im Normbereich und beseitigt.«

»Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«

Coulthards Lächeln ließ Dee im siebten Himmel schweben. Bis sie McAllisters Blick wahrnahm. Starr sah er sie über den Tisch hinweg an. Die Drohung war so deutlich, dass Dee nur ein Rauschen in ihrem Kopf hörte. Bis McAllister ruckartig den Kopf in Coulthards Richtung drehte.

»McAllister, Ihre Ergebnisse!«

»Aye, Sir.« Als habe es den Moment nie gegeben, begann McAllister zu dozieren. »Ich habe Dysons Ähnlichkeitstheorem auf die beiden Kursbahnen angewandt. Gehe ich von zwei unterschiedlichen Kursbahnen aus, von der die eine nichts mit der anderen zu tun hat, ergibt das eine Endlosschleife. Dies weist daraufhin, dass ein Kurs den anderen beeinflusst hat. Mit einer Ähnlichkeitsanalyse dritten Grades kann ich bei Annahme ...«

Aus Dees Unwohlsein wurde Faszination. Er verstand das tatsächlich. So ähnlich hatte nur der Professor für höhere Mathematik an der Akademie geklungen.

Coulthard unterbrach ihn mit einem Räuspern. »Können Sie das so erklären, dass auch ein Laie Sie versteht?«

McAllisters dunkelgraue Augen zeigten eine Spur von Irritation. Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und wirkte mit einem Mal zehn Jahre jünger. Der Eindruck verflog sofort, als er sich straffte und wieder zu sprechen begann.

»Fähre zwei hat sehr offensichtlich einen Verfolgungsalgorithmus benutzt, um die Fähre mit Lieutenant Hawk abzufangen. Ich tippe auf den Standardalgorithmus der Flotte. Hawk hat es bemerkt und versuchte auszuweichen. Leider zu spät.«

Das konnte er berechnen? Unglaublich! Oder hielt er sie gerade zum Narren?

Coulthard rieb sich die Stirn. »Sind Sie sicher?«

»Aye.«

De Suttons Stimme platzte dazwischen. »Ist das eine Theorie oder können Sie Ihre Behauptungen auch beweisen?«

Ein Wink Coulthards genügte, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Genug! Ich denke, wir waren uns einig, Commander De Sutton.«

Mit herablassender Miene erwiderte De Sutton Coulthards Blick. »Es gibt keinen Grund, ein Versetzungsgesuch einzureichen.«

»Es freut mich, das zu hören.« Als wäre nichts geschehen, wandte sich Coulthard noch einmal McAllister zu. »Hätten Sie an Hawks Stelle die Kollision vermeiden können?«

McAllisters Blick wurde nachdenklich. »Möglich«, sagte er endlich. »Mit einer Traversale in scharfem Winkel ... Die meisten Verfolgungsalgorithmen machen da schlapp. Wenn die Triebwerke es mitmachen ... Ja.« Das »Ja« klang sehr bestimmt.

Angeber! Oh nein. Er meinte es genau so, wie er es sagte. Er war tatsächlich fest davon überzeugt, es zu schaffen.

»Danke, McAllister«, lächelte Coulthard. »Ziehen wir alle verfügbaren Daten in Betracht«, fuhr sie an alle gewandt fort, »können wir nur zu einem einzigen Schluss gelangen: Die Kollision war ein gezielter Anschlag auf eine Sternenflottenfähre, möglicherweise sogar auf einen Admiral der Flotte. Wir müssen zudem davon ausgehen, dass sich weitere Attentäter an Bord befinden, die die Funkverbindung unserer Fähre manipuliert haben, damit Hawk keine Verbindung mit uns aufnehmen konnte. Watanabe, Sie wissen, was das bedeutet.«

Watanabe nickte.

»Gut.« Coulthard erhob sich. »Dann werde ich jetzt Botschafterin Hagen hereinbitten, damit sie uns ihre Ratschläge hinsichtlich der diplomatischen Belange unserer Mission geben kann.«

An diesem Tag trug Hagen petrolblauen Chiffon. Ihr Blick wanderte über die versammelten Offiziere und blieb fragend an McAllister hängen.

»Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt, Lieutenant ...«

»Verzeihung«, mischte Coulthard sich ein. »Darf ich Ihnen Lieutenant Jameson McAllister vorstellen? Er wird Lieutenant Hawk für die Dauer unserer Mission ersetzen.«

McAllister war bei Coulthards Worten aufgestanden und ahmte wieder den Protagonisten des Flottenwerbefilms nach. Breitbeinig, hoch aufgerichtet und mit auf dem Rücken verschränkten Händen, fixierte er die Wand hinter der Botschafterin.

Hagen musterte ihn. »Mutant, nicht wahr?« Weder Coulthard noch McAllister antworteten ihr. »Angenehm«, sagte sie nach einer kleinen Pause und bot ihm die Hand.

McAllister deutete ein Nicken an und setzte sich wieder. »Madam!«

Hagens Miene erstarrte. Mit einem Räuspern überging sie den peinlichen Moment und schritt in die Mitte des U-förmigen Besprechungstisches.

»Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie wichtig der Besuch des Botschafters auf Persephone für unsere Zukunft ist.«

Dee hatte den Eindruck, Hagen meinte mit diesen Worten nur McAllister.

»Wie dem auch sei«, fuhr Hagen fort. »Die Vereinten Kolonien sind in einer verzweifelten Lage. Wir brauchen diesen Waffenstillstand, um endlich wieder in Kontakt mit den von uns abgeschnittenen Planeten in der neutralen Zone treten zu können. Rücksicht auf Einzelschicksale können wir uns dabei nicht leisten.«

Wieder schienen Hagens Worte allein McAllister zu gelten. Der schien das nicht zu bemerken oder zu ignorieren. Starr fixierte er die Wand hinter Hagen.

»Ich wünsche daher ...« Hagens Stimme gewann an Schärfe. »... dass jeder auf diesem Schiff sein Bestes gibt. Zwischenfälle jeglicher Art – und seien sie noch so trivial – müssen unterbunden werden. Ich wünsche, dass der Botschafter und sein Leibwächter mit gebührendem Respekt und ausgesuchter Höflichkeit behandelt werden. Auch wenn das Verhalten des Botschafters Ihnen das vielleicht schwer machen sollte. Ich bin persönlich für das Gelingen dieser Mission verantwortlich und ich kann kein Fehlverhalten dulden.«

Dee schluckte. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Coulthard, die der Botschafterin mit regloser Miene zuhörte.

»Über die Sicherheitsvorkehrungen haben wir bereits gesprochen«, fuhr Hagen fort.

Sowohl Coulthard als auch Watanabe nickten bei diesen Worten.

»Ich wünsche, dass alles so abläuft, wie wir es besprochen haben.« Hagen fixierte Coulthard. »Nun ist es an Ihnen, tätig zu werden, Captain.«

Dee stand in der Reihe der im Hangar wartenden Offiziere. Von der Beobachtungskabine aus hatte sie gesehen, wie die Fähre mit dem Botschafter an Bord behutsam aufsetzte. Da sich McAllister nicht im Hangar befand, nahm Dee an, dass er die Fähre gesteuert hatte.

Das Schott öffnete sich. Hagen trat zur Luke. Kurz darauf wurde ein großer, breitschultriger Mann in schwarzem Overall sichtbar.

Dee überlief es bei seinem Anblick eiskalt. Es war das erste Mal, dass sie einem Mitglied der Schwarzen Garde begegnete. Killer, war das Erste, was ihr einfiel. Monster das Zweite.

Als ob die Erdregierung mit der Produktion der Mutanten nicht genug Unheil angerichtet hatte! War es wirklich nötig, diese genverbesserten Soldaten zu züchten?

Der Leibwächter des Botschafters – niemand anders konnte er sein – verließ mit den Bewegungen eines gefährlichen Reptils die Fähre und stellte sich lauernd neben dem Schott auf. Hinter ihm wurde die Gestalt eines zweiten Mannes sichtbar, der die dunkelblaue Uniform der Erdflotte trug. Er war groß und grauhaarig und musterte die Anwesenden wie eine Bulldogge, kurz bevor sie zubeißt.

Hagen lächelte ihn an und trat auf ihn zu. »Es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie an Bord der Nyx begrüßen zu dürfen, Botschafter.«

Erstaunlicherweise erwiderte Duras das Lächeln. Wenn es auch auf Dee wie das Lächeln eines Haifischs wirkte.

»Die Freude ist ganz meinerseits, Mistress Hagen.«

Mit einer eleganten Bewegung drehte sich Duras um, um die wartenden Personen überblicken zu können.

»Darf ich Ihnen Captain Coulthard vorstellen?«, fragte Hagen und wies auf Coulthard, die Duras am nächsten stand.

»Botschafter.« Coulthard grüßte Duras mit einem Nicken.

Duras trat auf sie zu und deutete eine Verbeugung an. »Captain Coulthard! Ich hätte Sie sofort an Ihrer Größe erkennen müssen. Wer könnte besser zu diesem kleinen Schiff passen!«

Coulthards Miene vereiste.

Hagen lächelte verbindlich. »Ich versichere Ihnen noch einmal mein aufrichtiges Bedauern darüber, dass wir kein größeres Schiff für Ihren Transport finden konnten. Aber Sie werden sehen, dass die technischen Spezifikationen der Nyx die mangelnde Bequemlichkeit bei Weitem wettmachen.«

»Darf ich Ihnen meine Offiziere vorstellen?«, mischte sich Coulthard ein.

Duras bedachte sie mit einem Blick, als sei sie ein Insekt. »Ich hoffe doch, dass ich und mein Leibwächter adäquat untergebracht werden!«

»Aber sicher«, erwiderte Coulthard honigsüß. »Mein Erster Offizier Commander De Sutton hat sich höchstpersönlich darum gekümmert. Ich bin sicher, dass alles zu Ihrer vollsten Zufriedenheit sein wird.«

De Sutton trat einen Schritt vor und deutete eine Verbeugung an. »Selbstverständlich«, beeilte er sich, hinzuzufügen. »Wenn ich Ihnen Ihre Kabine zeigen darf?«

In diesem Augenblick verließ McAllister die Fähre und stellte sich auf die andere Seite der offenen Luke. Als sie ihn direkt neben dem Schwarzen Gardisten sah, stellte Dee überrascht fest, wie klein er war. Der Kopf des Leibwächters zuckte in McAllisters Richtung, der völlig unbeeindruckt seinen Standort beibehielt.

Dees Nackenhaare richteten sich auf. Zwei Raubtiere, die sich gegenseitig belauerten.

»Thierry!« Die Stimme des Botschafters brach die Spannung.

Mit ausdrucksloser Miene baute sich der Leibwächter neben Duras auf.

Der Botschafter verzog die Lippen zu einem abschätzigen Grinsen. »Ich hoffe doch auf etwas mehr als nur die Kabine – damit sich der Ausflug wenigstens etwas lohnt.«

Fragend sah De Sutton Coulthard an.

»Sobald wir Kurs aufgenommen haben, wird Captain Coulthard sicherlich gerne Ihrer Bitte nachkommen«, antwortete Hagen an Coulthards Stelle.

Coulthards Augen wurden schmal. »Sicher.«

Mit selbstgefälliger Miene ließ der Botschafter Coulthard stehen und schritt Richtung Hangarausgang. »Ich verlasse mich darauf«, warf er noch hinter sich, während der Leibwächter ihm wie ein gut dressierter Hund auf dem Fuß folgte.

»Was bilden Sie sich ein?«, fauchte Coulthard, kaum dass Duras, Thierry und De Sutton den Hangar verlassen hatten.

Hagen versuchte ein Lächeln. »Beruhigen Sie sich doch bitte!«

»Was soll ich?«, schnappte Coulthard.

»Captain Coulthard, ich versichere Ihnen, dass es nicht meine Absicht war, Sie zu übergehen. Ich versuche nur, den reibungslosen Ablauf dieser Mission zu gewährleisten, deren Ausgang mit unserem Fortbestand eng verkn ...«

»Sparen Sie sich Ihre Floskeln! Ich bin nicht dumm. Wie können Sie diesem ... diesem arroganten Flegel einen Rundgang durch dieses Schiff versprechen? Sind Sie sich eigentlich im Klaren darüber, wo Sie sich befinden?«

»Auf einem Prototyp.« Hagens Stimme war immer noch ausgesucht höflich. »Der genau zu diesem Zweck für diese Mission ausgesucht wurde. Oder irre ich mich da?«

»Zu welchem Zweck?«

»Um den Feind davon zu überzeugen, dass es besser ist, sich zurückzuhalten und das Waffenstillstandsangebot anzunehmen.«

»Ich sagte es bereits: Ich bin nicht dumm. Nichtsdestotrotz bedeutet dies nicht, dass ich gewillt bin, einem Feind die empfindlichen Teile dieses Schiffes zu zeigen.«

Unbehaglich verlagerte Dee ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Es war nicht richtig, dass sie diesen Streit mitbekamen.

»Sir.« Dee drehte sich um und sah McAllister zwei Schritte auf Coulthard zugehen. »Es wird sich sicherlich eine Möglichkeit finden lassen, um beiden Seiten Genüge zu tun.«

Überrascht sah Coulthard ihn an.

Hagen lächelte. »Hören Sie auf den Lieutenant, Captain.«

Coulthards Miene verfinsterte sich. »Niemand bestreitet das, McAllister. Watanabe, machen Sie mit den betroffenen Offizieren einen Plan, was wir wie und wann dem Botschafter zu zeigen gedenken. Bis dieser Plan ausgearbeitet ist, gilt für den Botschafter und seinen Leibwächter ein eingeschränkter Bewegungsspielraum.«

»Captain Coulthard, ich bitte Sie«, versuchte Hagen, sie zu unterbrechen.

Aber Coulthard fuhr mit ihrer Erklärung fort, als habe sie den Protest nicht gehört. »Riegeln Sie mit Ihren Männern alles ab. Bis auf Weiteres werden unsere Gäste nur ihr Quartier, die Messe und die sanitären Anlagen zu Gesicht bekommen.«

Watanabe nickte. »Aye, Sir.«

»Und Sie«, wandte Coulthard sich schließlich doch an Hagen. »Mischen Sie sich nie wieder in meine Angelegenheiten ein! Niemand wagt es, mich auf meinem Schiff zu übergehen. Niemand! Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«

»Ja, Captain. Das haben Sie!« Hagens Miene blieb freundlich. »Und ich versichere Ihnen noch einmal, dass es nicht meine Absicht war, Sie zu übergehen. Aber bitte denken Sie daran, wer bei diesem Auftrag das Sagen hat, wenn Sie ihn schon durch eigenmächtige Personalentscheidungen in Gefahr bringen.«

Das zielte eindeutig in McAllisters Richtung.

»Oh nein, Mistress Hagen!«, fauchte Coulthard. »Sie irren sich. Sie haben vielleicht das Sagen bei dieser Mission, aber nicht auf diesem Schiff.«

Mit diesen Worten ließ Coulthard Hagen stehen und verließ den Hangar.

Verblüfft sah Dee ihr nach. Das versprach ein interessanter Flug zu werden.

»Sir!«

Dee sah von ihrer Kommandokonsole auf. Sie waren mitten in den Startvorbereitungen. Ein Auge nervös auf die Kontrollen gerichtet, linste Dee hinter sich.

Watanabe nahm neben Coulthards Kommandostuhl Haltung an.

Coulthard sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Sagen Sie mir, dass es wichtig ist«, knurrte sie.

»Der Botschafter beschwert sich.«

Ein Wunder! Hatte sie da eben Ironie aus Watanabes Stimme gehört?

Seufzend schüttelte Coulthard den Kopf. »Haben Sie auch ab und an gute Nachrichten für mich, Otho?«

»Ich bemühe mich, Sir.«

Noch zwei, die sich kannten.

»Diese Mission wird mir anscheinend noch jede Menge graue Haare bescheren. Also! Was will er denn, der Herr Botschafter?«, fragte Coulthard.

Watanabe räusperte sich. »Er beklagt sich darüber, dass das Quartier nicht seinen Anforderungen entspricht. Zumal sein Leibwächter zu seinen Füßen schlafen muss.«

»Wie bitte?«

Bei diesen Worten drehten sich auch Nayiga und McAllister zu Coulthard um.

»Der Leibwächter muss auf dem Boden schlafen?«, echote Coulthard. »Das ist nicht Ihr Ernst!«

»Doch, Sir. Lieutenant Commander De Sutton hat dem Leibwächter einen Platz in einem leer geräumten Lagerraum zugewiesen. Äh, eine Art Abstellkammer, wäre der passendere Ausdruck. Thierry hat das kategorisch abgelehnt. Er besteht darauf, in einem Raum mit Mister Duras zu schlafen, um seiner Aufgabe angemessen nachkommen zu können. Und da Ihre Kabine nur mit einem einfachen Bett ausgestattet ist, bedeutet dies, dass Thierry auf dem Boden schlafen muss.«

Wie Watanabe es schaffte, bei diesem Bericht ernst zu bleiben, war Dee ein Rätsel. Trotz des Ernstes der Lage musste sie sich auf die Lippen beißen, um ein Kichern zu unterdrücken.

Coulthard stöhnte und stützte den Kopf in die Hand. Nach einer Weile hob sie ihn wieder. »Und wie schlägt der Herr Botschafter vor, dieses Problem zu lösen?«

»Er wünscht, dass Thierry Ihre Kabine bezieht.«

»Aha!« Stille herrschte, in der Coulthard sich mit einer Hand die Schläfen massierte.

»Sir, es würde mir nichts ausmachen, mit Lieutenant Watanabe besagten Lagerraum zu beziehen«, mischte McAllister sich mit ruhiger Stimme ein.

Überrascht sah Coulthard ihn an, bis plötzlich ein schiefes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. »Immer noch besser als eine Zelle oder mit De Sutton das Quartier zu teilen, oder?«

McAllisters Miene wirkte mit einem Mal trotzig. »Wie Sie meinen, Sir.«

Coulthard seufzte. »Da mir im Moment nichts Besseres einfällt – machen wir es so. Otho, Lieutenant McAllister zieht zu Ihnen in den Lagerraum und ich gehe mit De Sutton in ein Quartier. Teilen Sie dem Leibwächter des Botschafters die Kabine des Zweiten Offiziers zu. War’s das?«

»Ja, Sir. Wird gemacht, Sir.« Watanabe deutete einen Gruß an.

Er wollte schon gehen, als Coulthard ihn mit einem Wink zurückhielt. »Wieso muss ich das eigentlich klären? Das war De Suttons Aufgabe.«

»Ich weiß es nicht, Sir. Commander De Sutton hat mich zu Ihnen geschickt, um eine Entscheidung zu erbitten.«

»So.« Danach machte Coulthard wieder diese Pause, in der Dee jedes Mal eine Gänsehaut bekam. »Schicken Sie De Sutton in den Besprechungsraum – nach dem Sprung. Und nachdem die Quartierfrage geklärt wurde.«

Das versprach ungemütlich für De Sutton zu werden.

»Aye, Sir.«

»Ach, und Otho ...« Coulthard zögerte.

Fragend sah Watanabe sie an. »Sir?«

»Ich bin froh, dass Sie hier sind.«

Watanabe räusperte sich. »Trotz meiner Entscheidung? Sie wissen, dass ich jederzeit wieder so handeln würde.«

»Genau deswegen, Otho.«

Eine Pause entstand.

Worüber redeten die beiden da? Es klang, als habe Watanabe einst Coulthards Entscheidungen angezweifelt. Vielleicht sollte sie etwas für ihre Allgemeinbildung tun und bei Gelegenheit die Vorkommnisse bei der Schlacht um Hekate studieren. Es versprach, eine interessante Lektüre zu sein.

»Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. – Penelope.«

Coulthard lächelte. »Ich danke Ihnen, Otho.«

»Sir!« Ein kaum wahrnehmbares Lächeln geisterte über Watanabes Lippen, bevor er mit einem Nicken die Brücke verließ. Zischend schloss sich das Schott hinter ihm.

Coulthard seufzte. »McAllister, ich danke Ihnen für Ihre Kooperationsbereitschaft. Und jetzt heben Sie meine Laune und zeigen Sie mir, dass Sie Ihre Auszeichnungen zu Recht tragen. Ich will einen sauberen Sprung sehen mit maximaler Reichweite. Was denken Sie, können Sie schaffen? Ich will diese Reise so schnell wie möglich hinter uns bringen.«

»Zehn Stunden bis zum Wiedereintrittspunkt dürften kein Problem sein, Sir«, antwortete McAllister.

Zehn Stunden? Dee glaubte, sich verhört zu haben. Bisher hatte sie keinen Piloten kennengelernt, der mehr als acht Stunden gewagt hätte. Und danach war ihr jedes Mal kotzübel gewesen.

Coulthard pfiff leise durch die Zähne. »Sooo gut also. Nun denn, McAllister, ich nehme Sie beim Wort. Zehn Stunden. Nayiga, warnen Sie die Crew. Sprung in zwei Minuten.«

»Aye, Ma’m«, antwortete Nayiga zackig und wandte sich ihrer Konsole zu. Im nächsten Augenblick hörte Dee ihren samtigen Alt über das Schiffskomm. »Kommandozentrale an alle! Sprungbereit machen. Sprung in einhundertzwanzig Sekunden.«

Ein Schauer lief über Dees Rücken. Zwei Minuten! Sie hasste das! Sie erinnerte sich an Bilder von Mannschaften von Schiffen, deren Hypersprung missglückt war. Zerhacktes Fleisch war alles, was von ihnen übrig blieb. Davon abgesehen, dass ihr bei jedem Ein- und Austritt aus dem Hyperraum speiübel wurde.

»MacNiall, Energie frei!« Coulthards Stimme klang fast heiter.

Mit bebenden Fingern gehorchte Dee. Die Anzeige auf ihrem Monitor zeigte den steigenden Energiefluss. »Jetzt«, sagte sie endlich mit heiserer Stimme. Ihr Blick wanderte wie gebannt zu McAllister.

Dieser hatte bereits die virtuelle 3D-Matrix vor seiner Konsole aufgebaut und die Finger hineingetaucht. Einen Augenblick lang glaubte Dee, er würde sich anders besinnen. Dann griff er langsam tiefer hinein. Ganz sanft zog er eine der Spitzen heraus, zippte sie um die Finger seiner linken Hand, holte weitere hervor, bis er einen Strang aus Fäden in der Linken hielt. Entschlossen nahm er sie in die Rechte und ballte diese zur Faust, während er die Matrix mit der Handfläche der Linken vorsichtig berührte. Er schloss die Augen.

Im Hintergrund zählte Nayiga die letzten Sekunden des Countdowns in das Schiffskomm. »... Fünf ... Vier ... Drei ... Zwei ... Eins ... Sprung.«

Dee hielt den Atem an und wartete auf das Unvermeidliche. Wie gebannt hing ihr Blick an McAllister.

Als Nayiga »Sprung« sagte, glaubte sie zu sehen, wie McAllister tief und langsam Atem holte. Gleichzeitig schob er mit der Linken die Matrix behutsam von sich weg, während er die Fäden fest in der geballten Rechten hielt. Kein Zittern war zu sehen, nicht ein winziges Zeichen von Unsicherheit. Keinerlei hektische Bewegungen, wie Dee sie von anderen Piloten kannte. Er brauchte keine schnellen Finger – wie Paul. McAllister glich einem Dirigenten, nein, einem Bezwinger, der sanft, aber bestimmt das Schiff in die richtige Bahn lenkte.

Ein sanfter Ruck erfasste Dees Magen. Das Universum verschob sich um den Bruchteil einer Millisekunde. Einen Augenblick hatte Dee den Eindruck, sich auf dem Scheitelpunkt einer Achterbahnabfahrt zu befinden. Sie wartete auf das Heben ihres Magens im Augenblick des Sturzes. Doch das Gefühl blieb aus. Mit Staunen starrte sie auf den Hauptmonitor und sah, wie die Sterne verwischten und dem Grau des Hyperraums Platz machten.

Ein selbstvergessenes Lächeln umspielte McAllisters Lippen. Langsam öffnete er die Augen und nahm die Hände aus der Matrix. Sein Blick fiel auf die Konsole. »Zehn Stunden bis zum Wiedereintrittspunkt, Sir.« Das Lächeln war fort, als hätte es nie existiert. Nur seine Finger strichen fast zärtlich über die Konsole.

An seiner Stelle lächelte Coulthard. »Ich danke Ihnen, McAllister. Gute Arbeit! MacNiall, übernehmen Sie die Einteilung der Brückenwache. Nayiga, informieren Sie die Crew.«

»Aye, Ma’m!« Nayiga klang freudig.

»Aye, Ma’m«, antwortete Dee mechanisch. Zehn Stunden Zeit. Das war unglaublich. Ihr Blick wanderte wieder zu McAllister, der seine Konsole völlig unbeeindruckt in Warteposition brachte.

Sie war auf den Wiedereintritt gespannt.

Warum mussten Energieleitungen immer dann herumzicken, wenn ansonsten alles bestens lief?

Mürrisch stapfte Dee durch den Korridor, der zum Maschinenraum führte. Nicht genug, dass sie jetzt zweieinhalb Stunden Brückenwache geschoben hatte, musste Riley sie in ihrer ohnehin schon knappen Freizeit mit dieser idiotischen Fehlfunktion belästigen?

Stimmen drangen an ihre Ohren. Zwei Personen stritten sich. Sie blieb stehen, um besser lauschen zu können. Sie hörte zwei Männerstimmen, die zu weit entfernt und durch das Echo der nackten Stahlgänge so verzerrt waren, dass Dee sie nicht erkennen konnte. Während sie noch überlegte, verstummten sie und Schritte hallten durch den Korridor, die sich von ihrem Standpunkt entfernten. Dann zischte ein Schott.

Dee zuckte mit den Schultern und ging weiter. Ihr Magen knurrte und verlangte nach Zuwendung. Sie wusste, dass sich ihre Laune erst wieder heben würde, wenn sie etwas gegessen hatte. Und Rileys Meldung hielt sie davon ab.

Mürrisch schlug sie mit der Hand auf das Bedienpanel, um das Schott zum Maschinenraum zu öffnen. Sie fand Riley vor einer Wartungskonsole. Als sie hereinkam, drehte er sich auf dem Absatz um, als erwarte er einen Angriff. Bei ihrem Anblick nahm er Haltung an, um dann auf sie zuzutreten. Zu nah. Wieder einmal.

Instinktiv wich Dee zurück. Doch trotz ihrer schlechten Laune beschloss sie, Rileys Verhalten zu ignorieren. Vielleicht tat sie ihm ja tatsächlich unrecht.

»Bericht, Riley. Und machen Sie es kurz. Ich habe Hunger.«

»Sie wollen mit mir essen gehen?« Ein schelmisches Lächeln umspielte Rileys Lippen, während er sich unweigerlich wieder näherte.

Also doch! »Riley, Sie spielen gerade mit einem Verweis. Ich sagte: Bericht!«

Augenblicklich verschwand das Lächeln von Rileys Gesicht. »Verzeihung, Ma’m. Ich ... Tut mir leid.« Er räusperte sich und machte nun seinerseits einen Schritt zurück. »Nun, es geht um die Energieleitung im Hauptkorridor. Der Durchfluss ist schon wieder zu hoch. Er ist zwar nicht im kritischen Bereich. Aber um sicherzugehen, wollte ich einen Bypass legen. Besser ich mach mir ein bisschen unnötige Arbeit, als dass das Mistding irgendwann der Meinung ist, explodieren zu müssen.«

»Seit wann?«

Riley warf einen Blick auf die Konsole und drückte ein paar Knöpfe, die die Anzeige veränderten. »Seit dem Sprung. Ist ja kein Wunder. Seitdem laufen die Sprungtriebwerke auf Volllast. Meiner Meinung nach ist die Leitung schlicht zu klein dimensioniert. Man hätte gleich einen Bypass einbauen sollen. Die meisten Sprungtriebwerke laufen über zwei Energieleitungen.«

Stirnrunzelnd trat Dee neben Riley an den Monitor. Ein kurzer Blick auf die Daten zeigte ihr, dass Riley recht hatte. »Sind wir zu schnell gesprungen?«

Riley schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Das war der sanfteste Hyperraumeintritt, den ich je erlebt habe. Man kann über diesen McAllister sagen, was man will, aber fliegen kann er. Das muss ihm der Neid lassen.«

Dee räusperte sich. »Sie sprechen über einen Offizier, Riley. Vergessen Sie das nicht.«

Unbeeindruckt zuckte Riley mit den Schultern. »Ein Offizier, der des Hochverrats angeklagt wurde und nun wieder Dienst tut. Mit dem Botschafter der Erdregierung an Bord. Verzeihung, Ma’m, aber auf mich wirkt das ziemlich widersprüchlich. Wenn ich auch durchaus verstehe, dass man ihn reaktiviert hat. Piloten, die dieses Geschoss fliegen können, sind rar in der Flotte. Dass man ihn jedoch an Bord frei herumlaufen lässt, in Amt und Würden, als wäre nichts geschehen, finde ich ... Naja, sagen wir mal gewagt.«

Eigentlich sprach Riley aus, was Dee selbst durch den Kopf gegangen war, nachdem sie das Logbuch der Bellerophon gelesen hatte.

»Ich glaube nicht, dass es Ihnen zusteht, sich ein Urteil darüber zu bilden, Riley. Der Captain wird wissen, was sie tut.«

»Oh, dessen bin ich sicher, Ma’m.« Riley deutete auf die Konsole. »Und – was sagen Sie? Bypass oder nicht?«

Die Daten waren zwar nicht allzu kritisch, dennoch. Wie Riley schon sagte, sicher war sicher. Dee nickte. »Tun Sie es und geben Sie mir Bericht, sobald Sie fertig sind.« Dees Magen knurrte.

»Aye, Ma’m.« Dieses Mal war Rileys Gruß einwandfrei.

Dee erwiderte ihn. Sie war schon unterwegs Richtung Schott, als sie stehen blieb. Rileys Tonfall war merkwürdig gewesen. »Eine Frage, Riley.«

Riley hatte sich bereits wieder über den Monitor gebeugt und drehte sich halb zu ihr um. »Ja, Ma’m?«

»Wie meinten Sie das? Sie sind sicher, dass der Captain weiß, was sie tut.«

»Wissen Sie nicht, wer McAllister zum Dienst freigegeben hat, Ma’m?« Riley klang ehrlich verblüfft.

»Sagen Sie es mir!«

»Admiral Nikolajewa. Die direkte Vorgesetzte von Captain Coulthard und Captain Ian McAllister. Muss ich mehr sagen?«

Dee vergaß zu antworten. Wollte Riley damit etwa andeuten, dass Admiral Nikolajewa McAllister aus persönlichen Beweggründen auf die Nyx versetzt hatte?

»Und wie jeder weiß, hat Admiral Nikolajewa Captain Coulthards Eingreifen in der Schlacht um Hekate nachträglich gedeckt. Wenn Sie mich fragen, stinkt das Ganze verdammt nach der Schattenabteilung.«

»Es gibt keine Schattenabteilung«, antwortete Dee, ohne nachzudenken.

Und wenn doch? Die Schlacht um Hekate schien noch interessanter zu sein, als sie gedacht hatte.

»Ja, ja, natürlich. Habe mich mal wieder versprochen. Ich will ja niemanden madig machen, Ma’m, aber denken Sie an meine Worte.«

Dee straffte sich unwillkürlich. »Ich glaube, es ist besser für uns beide, insbesondere für Sie, wenn ich Ihre Worte ganz schnell wieder vergesse, Riley.«

»Aye, Ma’m. Da haben Sie wohl recht.« Riley lächelte und grüßte zackig. »Danke, Ma’m.«

Danke mir nicht zu früh, dachte Dee. Laut sagte sie jedoch: »Weitermachen!«, und ging durch das sich öffnende Schott.

Überlaut hallten ihre Schritte im Korridor wider. Nach einigen Metern blieb Dee stehen.

Riley hatte recht. Wenn das Ganze eine Aktion der Schattenabteilung war, ergab es endlich Sinn. Das würde erklären, wie Coulthard es geschafft hatte, McAllister für diese Mission anzufordern. Bliebe die Frage zu klären wieso. Und eher glaubte sie Pauls Liebesschwüre, als dass McAllisters Flugkünste der einzige Grund dafür waren.

Im Licht der Horen

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