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2. Deutscher Bund

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Als Ergebnis des Wiener Kongresses (1814/15), der nach Napoleons (erstem) Thronverlust zusammentrat, entstand durch die Deutsche Bundesakte (DBA) im Jahr 1815 der Deutsche Bund aus 41 souveränen deutschen Staaten mit dem Bundestag als Gesandtenkongress (Art. 4 DBA). Der Bundestag knüpfte äußerlich an den Reichstag des Alten Reiches an. Für die Entwicklung des Parlamentarismus war Art. 13 DBA (konkretisiert durch Art. 57 ff. der Wiener Schlussakte von 1820) bedeutsam: „In allen Staaten sollen landständische Verfassungen stattfinden.“ Begriff und Reichweite der „landständischen Verfassung“ waren umstritten. Unbestritten war, dass der Monarch bzw. das Patriziat in den Stadtstaaten sich künftig durch eine Verfassung binden sollte und diese Verfassung auch eine mindestens beratende Versammlung vorzusehen hatte. Dieses System der durch eine Verfassung gebundenen Monarchie wird als Konstitutionalismus bezeichnet. Die ersten Verfassungen erließen („gaben“) die Monarchen der süddeutschen Staaten Nassau, Baden, Bayern, Württemberg und des Großherzogtums Hessen in den Jahren 1814-24 (süddeutscher Frühkonstitutionalismus). In einer zweiten, nach der Julirevolution in Frankreich im Jahr 1830 einsetzenden „Welle“ erließen dann weitere, in der Mitte und im Norden des Deutschen Bundes herrschende Monarchen Verfassungen (mitteldeutscher Konstitutionalismus). Beispiele sind Kurhessen, das Königreich Sachsen und das Königreich Hannover (1833). Bis 1848 besaßen die meisten der 39 Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes eine Verfassung. Eine gewichtige Ausnahme stellten Preußen und Österreich sowie einige norddeutsche Staaten dar. Preußen erhielt 1848 eine oktroyierte Verfassung. Sie wurde 1850 modifiziert und war bis 1918 in Kraft. Das (aus zwei Teilen bestehende) Großherzogtum Mecklenburg hatte bis 1918 sogar nur eine landständische Ordnung von 1755 auf frühneuzeitlichem Stand. In der Regel war das Staats- und Verfassungsrecht in den süd- und mitteldeutschen Staaten fortschrittlicher als in den übrigen deutschen Staaten. Als das fortschrittlichste Staatsgrundgesetz vor 1848 gilt die kurhessische Verfassung vom 5. Januar 1831.[10] In der zweiten Hälfte des 19. Jh. war die Preußische Verfassung von 1850 maßgebend.

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In den meisten Staaten des Deutschen Bundes wurden – mit Ausnahme der größten Staaten Preußen und Österreich sowie einiger kleinerer Staaten – bis 1848 sog. Kammern als Vorstufe der Volksvertretung eingerichtet. In der Regel bestanden zwei Kammern. Die erste Kammer setzte sich aus „geborenen“ bzw. ernannten Mitgliedern des Adels, des Klerus, der Universitäten, ggf. der Städte zusammen (Privilegiertenkammer). Die zweite Kammer bestand aus gewählten Mitgliedern (Wahlkammer). Das aktive und das passive Wahlrecht waren statt an hergebrachte Standesrechte an das Vermögen gekoppelt (Zensuswahlrecht). Üblicherweise regelten die Verfassungen, dass der Monarch in sich alle Staatsgewalt vereinte, sich aber bei deren Ausübung an die Kammer(n) band (sog. monarchisches Prinzip). Insb. für das Zustandekommen von Gesetzen und für die Verabschiedung des Staatshaushalts mussten Monarch und Kammern zusammenwirken. Anders als in den westlichen Verfassungsstaaten, v.a. in den USA wurde durch die Verfassungen die Staatsgewalt nicht konstituiert, sondern bloß modifiziert (sog. herrschaftsmodifizierendes im Gegensatz zum herrschaftskonstituierenden Verfassungsmodell[11]). Ein parlamentarisches Regierungssystem existierte nicht, da die Regierung weiterhin allein vom Monarchen abhing.

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Die Kammern wurden – im Rückgriff auf die Ständeversammlungen – als „Landstände“, „Stände“ oder „Landtage“ bezeichnet. Sie wurden durch den Monarchen einberufen und aufgelöst. Der Kammerpräsident und seine Stellvertreter wurden in der Regel durch den Monarchen ernannt. Die Versammlung hatte allenfalls das Recht zur Präsentation eines Kandidaten. Das Geschäftsordnungsrecht regelten Verfassungsvorschriften oder Edikte, die vom Monarchen gesetzt oder jedenfalls beeinflusst wurden. Ansätze zur Geschäftsordnungsautonomie, freilich mit fortbestehendem Einfluss des Monarchen, gab es allein in Baden und Württemberg. Die Kompetenzen der Kammern waren beschränkt.[12] Vor 1848 besaßen sie das Gesetzesinitiativrecht in der Regel nicht (mit Ausnahmen nur in sehr kleinen Staaten). Sie hatten allenfalls die Möglichkeit einer „Gesetzespetition“, also eines Gesetzgebungswunsches. Die Gesetzgebung war regelmäßig dem Monarchen und den Kammern gemeinsam zugewiesen. Der Monarch besaß dadurch ein absolutes Vetorecht. Er galt als der eigentliche Gesetzgeber.

Beispiel:

Preußische Gesetze wurden etwa mit den Worten eingeleitet: „Wir, Wilhelm (…), König von… [geben folgendes Gesetz]…“).

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Eine Rechtsgrundlage in Gesetzesform war in der Regel allein für Eingriffe in Freiheit und Eigentum nötig, d.h. der Inhalt der Regelung bestimmte darüber, ob ein Gesetz und damit, ob die Zustimmung der Kammern notwendig waren. Nur vereinzelt, z.B. in Baden und Hessen-Darmstadt, wurde den Abgeordneten Immunität garantiert. Sie sollte die Kammern vor unsachlichem Einfluss der monarchischen Exekutive auf die Zusammensetzung und die Arbeitsfähigkeit schützen. Die Kammern hatten teilweise zunächst nur ein eingeschränktes Budgetrecht und durften den Haushalt in manchen Staaten lediglich mitberaten. Das Interpellationsrecht, also das Recht, Anfragen an die Regierung zu stellen, stand den meisten Kammern zu. Vertreter der Landesregierung waren nicht in allen Staaten zu den Beratungen der Kammern zugelassen; zum Teil wurde zwischen Parlament und Regierung nur schriftlich korrespondiert.[13] In den Parlamenten entstanden die Vorläufer von Parlamentsverwaltungen („Bureaus“). Ihre Mitarbeiter wurden von der monarchischen Exekutive gestellt.

Einige Zweite Kammern – namentlich die in Baden, Bayern, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel, Hannover, Sachsen und Württemberg – nahmen eine Vorreiterrolle in der Entwicklung des Parlamentsrechts im Vormärz (1830-1848) ein.[14]

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