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1.3Vom Kinderspiel zu Schweiß und Blut
ОглавлениеIn Lisses und Évry regierten in den 1980er-Jahren die Gangkulturen und der praktisch orientierte Baustil. Kulturelle Diversität wurde in Sport und Religion kaum zugelassen und die Jugendlichen auf den Straßen beschäftigten sich in Zeiten ohne Internet vor allem mit sich selbst.
Auch der Freundeskreis um David, besonders Yann Hnautra, sein Cousin Châu Belle, Laurent Piemontesi oder Sébastien Foucan. Sie trainierten Kampfkünste, waren Turner oder Leichtathleten. Alle teilten jedoch das Gefühl, dass ihrem Training etwas fehlen würde.
Die Methoden, die sie von Raymond kennengelernt hatten, übertrugen sie anfangs nur auf einige Mutproben oder Spiele, die dem Spiel „Der Boden ist Lava“ ähneln1. Mit der Zeit jedoch wurde aus den Spielen mehr und mehr ein ernst zu nehmendes Training. Angetrieben von Yann Hnautra, einem von Davids engsten Kameraden, begannen sie, die örtlichen Strukturen zu beklettern, sich immer neue Routen zu erarbeiten und Bewegungsmuster zu erfinden und auszutauschen. Allen voran an der Dame du Lac.
© Martin Wille
Abb. 2: Die Dame du Lac in Lisses
Jeder für sich begann, eigene Trainingsschwerpunkte zu finden: Ob inspiriert von den klassischen Fluchttechniken Raymonds, angelehnt an turnerische Fertigkeiten oder als Selbstausdruck. Für alle ging es jedoch letztlich um Herausforderung, Stärke, Mut und Willenskraft.
Sie testeten ihre Grenzen aus, nur um zu sehen, wie weit sie gehen konnten: Sie joggten nach Paris und zurück (ca. 30 km pro Weg), liefen kilometerweise auf allen vieren oder sprangen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf einem Bein, hingen an immer dünneren und höheren Kanten – nur um zu sehen, ob sie es schaffen würden. Sie bluteten, schwitzten und kämpften zusammen.
David selbst sagte später, dass das „parcours“-Training damals ein Training für Kämpfer war; dass man weinen würde. Seinen Wehrdienst im Militär verglich er im Gegensatz zum eigenen „parcours“ mit einem „Freizeitpark“ (Angel, 2011, S. 17).
Sie hatten das Ziel, Lösungen für die härtesten Probleme zu finden: einerlei, ob physisch oder psychisch. Entgegen dem Zeitgeist wandten sie sich dafür nicht Drogen oder Gewalt zu, sondern versuchten, sich durch eisernes Leiden selbst zu stählen – um Superhelden zu werden.