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2.1Die Werte im Parkour
ОглавлениеGrundsätzlich entstehen die Werte einer Sportart aus den übergeordneten Überzeugungen ihrer Ausübenden. Sie dienen dabei als Ideale und Leitideen, die beschreiben, wie die Sportler handeln, denken und miteinander umgehen bzw. kommunizieren möchten.
Im Parkour haben sich die Traceure dabei viel von den asiatischen Kampfkünsten abgeschaut sowie die damaligen Strömungen von Gesellschaft und Politik mitadressiert. Entgegen der vorherrschenden Spaltung von Religion, Nationalitäten und Gesellschaftsklassen stellten die Jugendlichen Offenheit, Selbstbestimmung und Gemeinschaft in den Fokus ihres Umgangs. Sie wollten gegen Regeln, Rangordnungen und das reine Leistungsprinzip rebellieren.
Dabei dienten ihnen die Philosophien von Hébert und Raymond Belle als Ausgangspunkt, welche die körperliche Herausforderung als Mittel zur Persönlichkeitsschulung und Stärkung der eigenen Fähigkeiten betrachten. In diesem Kontext hielten sie Wettkämpfe, Vergleiche und die generelle Selbstdarstellung folglich für obsolet. Gegenseitige Hilfe, Bescheidenheit und das Vertrauen in sich und seine Trainingspartner rückten in ihren Fokus.
Tatsächlich lässt sich beobachten, dass das Befolgen und Einstehen für gewisse Werte auch die Kompetenzen von Anhängern des Parkour-Sports beeinflusst. So werden beispielsweise besonders kreative, in ihren Bewegungen sichere und generell offene und hilfsbereite Persönlichkeiten wertgeschätzt. Da auf diese Art und Weise eine Subkultur entsteht, in welcher gewisse Handlungsweisen und Ideale bestärkt oder auch kritisiert werden, streben viele der Anhänger folglich nach den in ihrem Umfeld akzeptierten Idealen.
Besonders eindrucksvoll zeigen das Beispiele aus Krisengebieten oder aus sozial angespannten Regionen. Hier begannen Menschen, die sich für Parkour begeistern konnten, ihre zerstörte Umgebung plötzlich nicht mehr nur als Trümmer zu betrachten, sondern interpretierten diese als Trainingsorte und Stätten der Selbstentfaltung und Möglichkeiten.
Die gemeinsame kreative Interpretation erlaubt es, politische Differenzen weichen zu lassen und so vereinte Ziele zu verfolgen und die Ideale des Parkour-Trainings zu stärken. Dabei fördert vor allem die Wettkampflosigkeit der Disziplin ein kooperatives Verhalten.
© Minh Vu Ngoc
Abb. 5: Helfen, statt gewinnen; wie hier bei einem Training von ParkourONE
Dennoch fungieren Werte nicht einfach so als Friedensboten oder Heilsbringer. Sie können nicht wahllos über jeden Menschen oder jedes Angebot übergestülpt oder erzwungen werden, sondern müssen organisch entstehen sowie praktisch ge- und erlebt werden können. Das Verfolgen eines Wertideals kann also erst dann einsetzen, wenn sein Sinn verstanden und als persönlich wünschenswert empfunden worden ist. Folglich stehen sie in einer ständigen Wechselwirkung mit der gelebten Praxis.
Demzufolge ist es unabdingbar, dass die Parkour-Sportler sich selbst, ihre Motivationen und Handlungen jederzeit hinterfragen, sowie, dass sie das Verhalten der anderen Sportler um sie herum ständig beobachten und diskutieren. Missstände, wie Rassismus oder Sexismus, müssen daher auch innerhalb der Parkour-Szene immer wieder aufgedeckt und thematisiert werden.
Ob in den Kommentaren unüberlegter Social-Media-Posts, in gemeinsamen Trainingssessions oder auf größeren Veranstaltungen – die Sportler und Sportlerinnen müssen gemeinsam für die gleichen Ideale einstehen und diese kommunizieren. Nur so bleiben Werte bestehen und nur so können sie sich zeitgemäß mit den Strömungen der Gesellschaft auseinandersetzen und daran wachsen.