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Aus dem Privatleben König Ludwigs II. und die finanziellen Schwierigkeiten.

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Die Schulden König Ludwigs waren bis zum Frühjahr 1886 lawinenartig angewachsen. Schon im Jahre 1884 hatte der Finanzminister von Riedel, einer der klügsten Männer, die Bayern hervorgebracht hat, eine Anleihe von 7½ Millionen für die kgl. Kabinettskasse zustande gebracht, allein schon am 29. August 1885 beauftragte ihn wieder der König, eine neue Anleihe von 6½ Millionen herbeizuführen. Die Vorstellung des Ministers, in welcher er die bedrängte Lage der Kabinettskasse darstellte, zog ihm einen Verweis darüber zu, daß er es gewagt habe, sich in dieser Frage direkt "an die Majestät" zu wenden. Dieser Verweis aber wurde ihm durch einen Stalldiener überbracht.

Herr von Riedel antwortete mit seinem Entlassungsgesuch, dem sich, im Fall der Gewährung, die anderen Minister anschließen wollten – aber in einem gnädigen Schreiben bat der König Herrn von Riedel, in seinem Amte zu bleiben.

So war die Krise der Kabinettskasse immer schärfer geworden, und es standen bereits gerichtliche Klagen gegen sie in Aussicht.

Unter diesem Eindruck versuchte der König, sich auf Privatwegen Geld zur Deckung seiner Schulden zu verschaffen. Sein langjähriger intimer Vertrauter, der Marstall-Fourier Hesselschwert , mußte nach Regensburg fahren, um bei dem Fürsten Thurn und Taxis ein Anlehen von 20 Millionen aufzunehmen; dann kamen die Kaiser von Österreich und Brasilien, die Könige von Belgien und Schweden, selbst der Sultan und der Schah von Persien, diese letzteren wenigstens in Gedanken und Plan, an die Reihe. Und würden solche Anleihe-Versuche fehlschlagen, so war Befehl gegeben, Leute zu werben, die bei den Banken in Stuttgart, Frankfurt, Berlin und Paris einbrechen sollten.

Ein anderer Sendbote, aus dem kgl. Stall, war beauftragt, nach Indien zu einem gewissen Nabob zu gehen, zog es aber vor, die Reisediäten in München beim Biere zu verzehren und schließlich zu erklären, der Nabob sei vor seiner Ankunft in Indien an der Cholera gestorben.

Bei dieser öffentlich allenthalben besprochenen Kalamität gingen die Bestellungen und Aufträge des Königs ihren gewohnten Gang. Namhafte Künstler, wie Hermann Kaulbach u.a. erhielten Aufträge, Skizzen für die Ausschmückung des Schlosses Falkenstein, das auf einem fast unzugänglichen Berggipfel in Tirol gebaut werden sollte, zu liefern. Außerdem lagen Baupläne für ein chinesisches Schloß vor, die der Kgl. Baumeister Prantl entworfen hatte.

Dieser spielte in den letzten Lebensjahren des Königs eine sehr verderbliche Rolle. Er war das billige Werkzeug bei der Ausführung aller Bauten, die die wahnsinnige Phantasie des unglücklichen Monarchen ersann und wußte sich dabei geschickt in der Gunst des Königs zu erhalten, indem er diesem Vorschüsse aus seinen riesigen Einkünften bei der Leitung der Schloßbauten machte. Er bot mehrfach sogar dem König einen Kredit von 1–2 Millionen an – während er doch vor der Übernahme der Kgl. Bauten nicht das geringste Vermögen besaß. Durch diese Art, seine "Treue" zu zeigen, war es ihm geglückt, sich bis zum Lebensende des Königs dessen Vertrauen zu bewahren. Denn noch als der König in den Tagen der Junikrise in Schwanstein über seinen Tod brütete, telegraphierte er an Prantl, ihm zu Hilfe zu kommen. Aber er ließ seinen Herrn im Stich, weil das "Geschäft" zu Ende war.

Der König beschäftigte sich nicht nur mit seinen Bauplänen, sondern besonders auch mit den Details der Ausschmückung seiner Schlösser . Das erweckte lange Zeit den Eindruck, als befasse er sich ausschließlich mit der Kunst. So entwarf er selbst den Plan für den großen Pfau in Edelsteinen, der als Mosaik den Fußboden des Prunksaales von Falkenstein schmücken und aus Diamanten, Rubinen und Smaragden bestehen sollte, während sein Wert auf mehr als 250 000 M. bemessen war. Es erregte solcher Luxus wohl Kopfschütteln; aber es war sein völlig abgeschlossenes Leben, dazu sein ausschließlicher Verkehr mit Menschen, die tief in ihrer Bildung und sozialen Stellung unter ihm standen, worüber die Bevölkerung allmählich in Unruhe geriet, ohne doch in ihrer großen Loyalität darüber laut zu werden.

Noch im Jahre 1884 hatte der König die Vorträge des Kabinettssekretärs von Ziegler ziemlich regelmäßig persönlich entgegengenommen. Dieser war ein liebenswürdiger Mann, mit dem ich häufig verkehrte. Sehr diskret. Doch hatte er nicht sein volles Vertrauen. Die Vorträge mußte er während der letzten Lebensjahre des Königs hinter einem Schirm halten, da der König ihn nicht zu sehen wünschte. Seine Adjutanten sah König Ludwig jedoch damals schon nicht mehr. Aber auch den Verkehr mit dem einzigen, ihm an Bildung näherstehenden Menschen hatte er aufgegeben, als Herr von Ziegler entlassen wurde und Ministerialrat Schneider an dessen Stelle trat.

Dieser spielte nur die Rolle eines Schreibers, während der Verkehr zwischen dem König und seinen Ministern sowie höchsten Hofchargen durch die Hand des Kammerlakaien Meier, des Marstall-Fouriers Hesselschwert und der Brüder Sedlmeier schriftlich, auch wohl mündlich vermittelt wurde. (Reitknechte und Fouriere.)

Kurz vor der Juni-Krise 1886 waren es der zu ihm kommandierte Cheveauxleger Weber und der Hoffriseur Hoppe, die als Vermittler bei den ernstesten Staatsgeschäften benutzt wurden.

Die Zuteilung von Soldaten zu dem Dienst des Königs war zunächst infolge der Mißhandlungen des Dienstpersonals durch den König vorübergehend eingetreten, denn die entstandenen Lücken in den Rechen der Lakaien waren nicht anders auszufüllen.

Der vertraute Verkehr, der sich nun aber mit ihnen entwickelte, wenn sie ihren schweren Dienst als Lakaien und selbst als Kammerdiener unter den schwierigen Formen "chinesischer Hofetikette" (zu der z. B. das Präsentieren der Gerichte mit abgewandtem Gesicht, das "Auf-dem-Boden-Kriechen" usw. gehörte) nach Wunsch versahen – war es hauptsächlich, was das Publikum verletzte und was auch schließlich den Rücktritt des Kriegsministers von Maillinger veranlaßte, der sich der "Herabwürdigung" von Soldaten zu widersetzen versuchte.

König Ludwig hatte den fortgesetzten Soldaten-Kommandierungen zugestimmt, nachdem Hesselschwert sie ihm vorgeschlagen hatte und ein Cheveauxleger seinen Vorschlag unterstützte. Das war ein Soldat, der im Frühjahr 1885 seinen im Stall des Königs dienenden Bruder besuchte und den der König bei dieser Gelegenheit sprach. Er nahm ihn, zum höchsten Erstaunen der mitwirkenden Schauspieler, in eine seiner Separatvorstellungen im Opernhause mit und entließ ihn sodann mit einer goldenen Uhrkette und einem 1000-Mark- Schein.

Dieser Chevauxleger war damals als Bursche zu dem mir näher bekannten Rittmeister Baron Falkenhausen kommandiert, und die Baronin erzählte mir, daß er seit jenem Theaterbesuch die Pferde mit Handschuhen geputzt habe, weil der König ihm gesagt hatte, daß er seine Finger besser pflegen möge.

Der Verkehr des Königs mit den zu ihm kommandierten Chevauxlegers und Stalleuten trug einen theatralischen, phantastischen, oft aber kindischen Charakter, denn zu den Belustigungen des Königs gehörten auch die Trinkgelage in der Hundingshütte im Walde bei Linderhof, wo im orientalischen Pavillon des Linderhofs oder an anderen Orten, wo man auf Fellen oder Teppichen verkleidet gelagert, rauchte und aus großen Schalen und Humpen trank, wo auch die Soldaten und Stallbuben "Ringelstechen", "Blindekuh" und andere kindliche Spiele spielten. Zur Feier des Geburtstages des Chevauxlegers Weber, der ein sehr gewandter und dabei heiterer Mensch war, legte bei einer solchen Belustigung der König sogar die Chevauxleger-Uniform des Regiments an, zu dem Weber gehörte.

Ich schalte hier eine Aufzeichnung ein, die ich mir nach einem Gespräch mit Hoffriseur Hoppe machte, dem ich bei einer Fahrt auf dem Dampfboot bei Starnberg ein Jahr nach dem Tod des unglücklichen Königs begegnete. Die Mitteilung Hoppes wirft speziell ein Licht auf den Einfluß jenes Weber, der in den letzten Lebensjahren König Ludwigs fast maßgebend für die Entschlüsse des kranken Monarchen war. Hoppe aber, "nachdem alles vorüber war", glaubte nun auch ohne Scheu über die "Hof-Angelegenheiten" mit mir sprechen zu können.

Starnberg, den 19. Juli 1887.

Ich sprach auf dem Dampfboot den Friseur Hoppe, der seit 1881 auch mich bediente. Er erzählte voller Anhänglichkeit von König Ludwig und behauptete, daß ihn nur die unseligen Geldkalamitäten in das Verderben geführt hätten. Auch sei er nur mißgeleitet und nicht wahnsinnig gewesen. "Man hatte dem König eingeredet", fuhr er fort, "daß man ihn auspfänden würde, und davor hatte er diese Todesangst. Das waren immer die Kanaillen Hesselschwert, Maier und die Kammerdiener, die ihn ängstigten. Ich riet öfters dem König, er möge doch irgendeinen Mann, einen Adjutanten, oder etwas ähnliches wie einen Minister, zu sich nehmen, aber dann sagte er nur: "Hoppe, Sie sind immer sentimental." Die Ausdrücke, die er überhaupt hatte – auch wenn er von den Ministern sprach – sind in keinem Lexikon zu finden, die kann man gar nicht wiederholen."

Als ich Hoppe fragte, ob die zum König kommandierten Chevauxleger ihren Einfluß sehr mißbraucht hätten, sagte er. "Nein, nicht so sehr. Als Soldaten mußten sie ihrem obersten Kriegsherrn gehorchen und konnten nicht was Besonderes verlangen – auch nicht drohen, wie die anderen, die immer sagten, sie würden allerhand Verrücktes vom König erzählen, wenn sie nicht Geld bekämen. Der Chevauxleger Weber, der wußte nun allerdings darauf zu laufen – aber er war doch kein schlechter Kerl.

Ich habe niemals vom König ein Geschenk bekommen. Zuletzt hat er mir 10 000 Mark versprochen, die habe ich aber nicht erhalten als es aus war. Bei Weber ging es mit den Geschenken gar nicht zu Ende. Er war Schriftsetzer von Beruf und konnte auch stenographieren – auch ein bißchen Französisch wußte er –, er war der geborene Kammerdiener. Zuerst tat er den zweiten Dienst, nachher den ersten, und da wollte der König keinen anderen mehr. Einmal hatte er drei Monate hintereinander Dienst gehabt, Tag und Nacht; da kam er mit seiner Gesundheit ganz herunter und erklärte, er macht nun nicht mehr mit. Deswegen sperrte der König ihn 14 Tage ins Gefängnis, natürlich wurde dem König "was vorgemacht". Während dieser Zeit ließ ihm der König Wein und Bier bringen, und das sollten wieder die Gefängniswärter nicht wissen. So ging es immer. Nachher ging die Sache wieder eine Zeitlang, dann aber machte Weber einen Fehler beim Servieren, und da klemmte ihm, während er aus Angst vor Schlägen hinaussprang, der König drei Finger in der Türe fast ab. Nun war Weber krank, und der König erkundigte sich, wie es ihm ginge. Als er wieder gesund war, wollte er nicht mehr bleiben, aber da kam sein Geburtstag, an einem Tag mit der Königin-Mutter, und da schenkte ihm der König Manschettenknöpfe mit den königlichen Insignien: ein "L" in Diamanten mit s.l.A. – seinem lieben Alfons. Nun ging es wieder bis zu der Zeit, wo Weber vom Militär frei wurde. Da hatte der König nichts mehr zu befehlen, und Weber ging deshalb nach München. Aber der König hatte keine Ruhe. 40 Chevauxlegers wurden nacheinander kommandiert, aber mit dieser Bedienung ging es nicht. Weber mußte wieder kommen. Er bekam gleich als Anfang 2000 Mark bar und eine große goldene Uhr mit goldener Kette – dick wie eine Pferde-Kinn-Kette. Hesselschwert hatte dem König vorgeredet, er solle nur immer geben – später könnte man alles wieder einziehen.

Zum Schluß verschrieb der König Weber 25 000 Mark und schenkte ihm den großen goldenen Gralsbecher und den goldenen kleinen Hausaltar aus Schwanstein. Auch die Agraffe Edelweiß mit dem großen Diamanten, die der König immer am Hut trug, verschrieb er ihm. Nach dem Tode des Königs wollte man Weber nichts geben – mir auch nicht. Aber Weber gab alle Scheine vom König über alle seine Geschenke an den Rechtsanwalt. Außerdem hatte er von allen königlichen Befehlen stenographische Notizen zurückbehalten, und in den Notizbüchern des Königs hatte er viele Versprechen mit den großen königlichen Siegeln – da hat man ihm denn alles gelassen. Er hat sich jetzt eine Buchdruckerei gekauft."

Soweit die Mitteilungen des "Hoffriseurs".

Hoppe hat seiner Frau in Starnberg eine Sommerwohnung genommen, wo sie ihr rekonvaleszentes Söhnchen pflegt. Dieser Luxus eines bisher recht bescheidenen Friseurs dürfte wohl auf einige königliche Geschenke zurückzuführen sein.

Ich hatte von den mir durch Hoppe mitgeteilten Vorgängen, über die bis zum Tod des Königs tiefes Schweigen bewahrt wurde, wenig gehört. Auch hatte Hoppe mir gegenüber im allgemeinen diskret geschwiegen, so wie ich nicht in der Lage war, dem Hoffriseur indiskrete Fragen zu stellen. Erst ein Jahr nach dem Tode des unglücklichen Königs, bei jener Dampfschifffahrt, wurde er zum ersten Male "vertraulich".

Ich muß hier ausdrücklich feststellen, daß ich die Loyalität – und auch die Diskretion – des bayerischen Volkes in jenen Jahren, da der Wahnsinn des Königs immer unverhüllter hervortrat, bewundert habe.

Daß ich in verhältnismäßig breiter Form die vorstehenden Tatsachen wiedergab, hielt ich für erforderlich zum Verständnis der sich zu einer grauenvollen Katastrophe entwickelnden Ereignisse, die ganz Europa in Aufregung versetzten.

II.

Höfische Erlebnisse

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