Читать книгу Demenz - Wenn das Leben entgleitet - Prof. Dr. Gabriela Stoppe - Страница 9
ANGST VOR ALTERSARMUT UND PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT
ОглавлениеDOCH ZURÜCK ZU DEN ÄNGSTEN RUND UM DIE DEMENZ. Eine wesentliche Angst liegt wohl in dem Wunsch nach Sicherheit bwz. darin, dass sie nicht mehr gegeben ist. Gerade in Mitteleuropa haben wir aktuell eine Situation, in der viele Menschen befürchten, dass ihre Rente im Alter nicht reicht. Altersarmut und auch Pflegenotstand sind Begriffe, die überall zu hören und zu lesen sind. In dieser generellen Verunsicherung in Bezug auf das Leben im Alter und vor allen Dingen auf das gute Leben im Alter ist die mögliche Perspektive, auch noch dement zu werden, beängstigend. Dabei könnte man doch auch sagen, dass die Demenzkrankheiten dazu führen, dass man schlimme Situationen oder die Armut vielleicht gar nicht mehr so spürt. Solange man gesund ist und die Demenz fürchtet, hat man natürlich Angst davor – zum Beispiel die Angst, schlecht gepflegt zu werden oder von niemandem mehr gepflegt werden zu können. Aber dies sind Ängste bezüglich der Versorgung und nicht vor der Krankheit selbst. Diese Ängste sind verständlich.
Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass wir die Gestaltung unserer Gesellschaft selbst in der Hand haben. Wir können durch unser politisches Engagement oder unser Wahlverhalten durchaus beeinflussen und mit darüber entscheiden, auf welche Weise man sich um die älteren Menschen kümmert. Man muss nur anfangen, etwas zu tun. Wie viele Möglichkeiten sich dafür bieten, für sich selbst, aber auch für andere etwas zu tun, will ich im folgenden Buch aufzeigen. Ich will damit Mut machen, uns für die Kranken, aber auch für den damit einhergehenden nötigen gesellschaftlichen Wandel einzusetzen.
Es ist schon verrückt, dass die größere Beachtung der Demenzkrankheiten zusammenfällt mit einer derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung, in der die Selbstbestimmung immer wichtiger wird. Könnte es sein, dass beide Dingen zusammenhängen? Könnte es nicht sein, dass eine Gesellschaft, die das selbstbestimmte Leben bis zuletzt für die einzig würdevolle Variante unserer menschlichen Existenz hält, gerade das Leben am meisten fürchten muss, das sie eben nicht mehr selbst bestimmen kann?