Читать книгу Die Hochzeitskapelle - Rachel Hauck, Rachel Hauck - Страница 17

Kapitel Sieben

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JACK

In der Wohnung war es still und dunkel, als Jack eintrat, der sich nicht darum bemühte, leise zu sein. Aus Gewohnheit und mit einer geübten Handbewegung warf er seine Schlüssel auf den Tisch neben der Wohnungstür. Klappernd landeten sie auf dem alten, abgenutzten Holz.

Taylor hatte das Ding aus einem Sperrmüllhaufen an der Straße gerettet. Sie hatte vorgehabt, ihn „upzucyceln“. Sie sagte, er hätte Charakter, und wenn sie ihn erst bearbeitet hätte, würde der Tisch das Markenzeichen ihrer Wohnung werden.

Dennoch blieb der Tisch ramponiert und abgewetzt. Nicht einmal die Nachmittagssonne konnte das durstige Holz zum Schimmern bringen.

Jack ließ sich in den Clubsessel fallen, der dem offenen Kamin gegenüberstand. Der gedämpfte Lichterschein der Stadt reichte ihm als Beleuchtung.

Er fühlte sich unwohl. Nein, krank. Todkrank. Er streifte die Schuhe ab, lockerte die Krawatte und ließ sie zu Boden fallen. Dann schlüpfte er mit einem Schulterzucken aus der Jacke, knüllte sie zusammen und warf sie gegen den weißen gemauerten Kamin.

War er wirklich so naiv? Wie hatte er das denn nicht kommen sehen können? Er hatte nie auch nur eine Vermutung gehabt. Nie. Wie konnte sie nur?

Er stand auf und tigerte zur Balkontür. Er öffnete sie und trat auf den weiten, gekachelten Anbau hinaus. Die milde Nachtluft hauchte seinen kalten Knochen und seinen steinernen Gefühlen etwas Leben ein.

Betrogen. Er hasste es. Es gab nichts Schlimmeres. Nichts. Und dieser besondere Betrug schnitt ihm tief ins Mark.

Jack schlug mit der flachen Hand auf das glatte, kalte Geländer. Vor dem Hintergrund des Straßenlärms hörte man das leise Geräusch kaum. Irgendwo auf dem Fluss stöhnte das Horn eines Schleppdampfers. Und die Melodie der Lichter, die von der Skyline Manhattans aus Richtung Brooklyn strömte, verursachte lange, geschwungene Wellen auf der Wasseroberfläche.

Er hob die Hand und griff nach der Stadt – nach den Gebäuden, den Lichtern, der Brücke, den wimmelnden Straßen, dem Erfolgsversprechen. Es sollte doch alles so einfach sein. Streck die Hand aus, nimm, was du willst, und halt es fest.

Aber nein, er war doch Jack Forester. Wie konnte er das nur vergessen? Das Leben weigerte sich, ihn ganz einzulassen. Alles, was er wollte, wurde ihm weggerissen. Weg. Gerissen. Mit der Zeit. Keine Übertreibung. Er könnte ein verfluchtes Buch darüber schreiben.

Heute hatte er nicht nur einen Stammkunden von 105 verloren, Hops bedrängte ihn nach wie vor wegen London.

„Was machst du denn hier draußen?“ Taylors Stimme unterbrach ihn, ein weicher Meißel gegen den harten Fels seiner Gedanken.

Er sah hin, als sie durch die Tür auf den Balkon trat. Der Saum ihres Nachthemds streifte kaum ihren Beinansatz. Mann, sah sie gut aus mit ihrem wirren Haar, das ihr unordentlich über die Schultern fiel. Das geisterhafte Licht der Straßenlaternen berührte ihr Gesicht.

„Es ist spät. Du solltest schlafen.“

„Es ist nicht spät.“ Sie kam an seine Seite, stützte die Arme auf dem Geländer ab und hielt das Gesicht in die Nachtluft. „Es ist früh. Ein Uhr morgens. Wo warst du denn?“

„Arbeiten.“

An jenem Nachmittag, als er auf dem Weg zurück zu seiner Agentur auf der Straße in sie hineingerannt war, war er besorgt und abwesend gewesen, nachdem er mit einem Kunden gestritten hatte. Die Kälte und die wechselhaften Januarwinde stachelten seine Irritation nur weiter an.

„Hey, pass doch auf.“ Er versuchte, dem menschlichen Hindernis auszuweichen, das da um die Ecke der 67. bog, aber sie bewegte sich in dieselbe Richtung.

„Entschuldigung, ich habe nicht aufgepasst … Jack? Jack Gillingham?“

Als er in ihre königsblauen Augen sah, ließ seine Anspannung etwas nach. „Taylor Branson?“ Er umarmte sie, und als ihr Lachen sein Ohr küsste, verstummte das Grollen in seiner Brust. „Was machst du hier in New York City? Und es ist Forester. Gillingham war der Name meiner Pflegeeltern.“ Er trat zurück und ließ sie los, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte, weil die Kälte sofort die Stelle an seiner Brust beanspruchte, wo er gerade noch ihre Wärme gespürt hatte.

„Ich wohne jetzt hier.“ Sie klopfte auf ihre Fototasche. „Ich bin im Juni von L.A. hierhergezogen.“

„Warum? Ist dir der Sonnenschein auf die Nerven gegangen?“

Wieder lachte sie, und sein Werbegehirn sagte ihm, er könnte Milliardär werden, wenn er nur den Klang ihres Lachens in Flaschen abfüllen könnte. „Ich habe einen Tapetenwechsel gebraucht. Ein Freund hat eine Reihe Aufträge klargemacht, und da habe ich mir das Auto gepackt und bin einmal durch das ganze Land gefahren.“

„Wie steht es im alten Heart’s Bend? Warst du mal da?“

„Zu Weihnachten. Und ja, ist schon okay da. Meiner Granny geht es nicht so gut, aber es war …“ Sie zuckte mit den Schultern. Ein Hauch Traurigkeit lag in ihrer Stimme. „Du? Warst du in letzter Zeit mal da?“

„Nein, meine Arbeit hält mich auf Trab. Ich bin Seniorberater bei 105.“ Der Schnee fiel dichter, und er entdeckte einen bläulichen Schimmer auf ihren Lippen.

„105? Sehr schick. Für die würde ich auch gerne einmal arbeiten. Aber wie ich höre, ist Hops Williams nicht gerade einfach.“

„Das stimmt schon, aber wenn man ein paar Tricks kennt …“ Er zwinkerte und freute sich über das Lächeln, das sie ihm zur Antwort schenkte. „Sag mal, ich erfriere gleich. Kann ich dich auf eine Tasse Kaffee einladen? Oder Tee oder so?“

„Na ja …“ Sie schaute himmelwärts, betrachtete prüfend die Schneewolken. „Mein Auftrag wurde gerade abgesagt. Aber was genau meinst du eigentlich mit ‚oder so‘?“

Sie hatte ihn. Genau da und dort. „Mittagessen?“

„Perfekt. Ich bin verhungere.“

Aus dem Mittagessen wurden ein Schaufensterbummel, eine Pause in einem Café, dann ein Abendessen. Danach ein Treffen auf einen Kaffee am Morgen. Wieder ein Abendessen. Genauer gesagt, jeden Abend ein Abendessen, bis zu ihrer spontanen Hochzeit.

„Jack?“ Taylors Berührung holte ihn aus seiner Erinnerung. „Du warst arbeiten?“

„Ja, tut mir leid, ich wollte eigentlich anrufen. Wie war dein Tag?“ Hatte sie nicht einen Fototermin oder etwas in der Art gehabt? Stimmt, für Morgen ist ein neuer Tag. Vermittelt durch den arroganten Doug Voss.

„Gut.“ Ihre Antwort unterstrich sie mit schnellen Gesten. „Der Shoot mit dem Ensemble von Morgen ist ein neuer Tag ist gut gelaufen. Ich habe Colette gesehen.“

„Ja, was hat sie denn gesagt?“

„Gar nichts eigentlich. Ich meine, wir sind wie Fremde. Wir haben das gleiche Blut in den Adern, aber das war’s auch schon. Obwohl Addison fand, wir sähen uns ähnlich.“

„Die Macht der Suggestion. Das beste Werkzeug in der Werbebranche.“

„Und der Grund dafür, dass wir glauben, eine Pille könnte uns schlank machen.“

Sie beugte sich zu ihm, und er atmete einen Teil seiner Wut aus, aber nicht genug, um ihn von der Kante wegzuholen. Dort fühlte er sich wohl. Da hatte er den größten Teil seines Lebens verbracht. „Hat sie etwas über den Tod deiner Granny gesagt?“

„Nein. Sie hat mich einem ihrer Co-Stars als ihre Nichte vorgestellt, aber sonst hätte man auch nicht gemerkt, dass wir zur selben Familie gehören. Oh Jack, sie ist hinreißend. Sie sieht aus, als wäre sie siebzig.“

„Wie alt ist sie denn?“

„Ein Jahr jünger als Granny. Also zweiundachtzig?“

„Hmmm. Hat vielleicht eine Pille genommen, damit sie jung bleibt?“

Taylor schubste ihn mit der Hüfte. „Sehr witzig.“

„Wie hast du dich wegen Voss entschieden?“ Der Unterton lag wieder in seiner Stimme. Er hörte es. Er fühlte es.

Sie wich zurück. „Was meinst du, wie ich mich entschieden habe?“

„Wirst du die Emmys fotografieren?“

„Echt jetzt, Jack? Willst du, dass ich mit Doug nach L.A. fahre?“

„Es ist ein Auftrag.“ Er konnte sich selbst hören. Und er klang dumm. Aber er wollte selbstbewusst sein. Sie wissen lassen, dass er mit allem umgehen konnte, was da auf ihn zukommen mochte. „Ich muss mir doch um nichts Sorgen machen, oder?“ Wenn sie immer noch Gefühle für Voss hatte, dann ab an die Oberfläche damit.

„Das kann nicht dein Ernst sein.“ Er fühlte die Wärme ihres Seufzers. „Warum sagst du mir nicht, was nicht stimmt?“

„Nichts.“

Sie rutschte nach rechts, weg von ihm. „Übrigens haben die Leute vom Architecture Quarterly angerufen. Danke für den Auftrag. Sie haben gesagt, sie bräuchten mich nächstes Wochenende. Rate mal, wo.“

„L.A.?“ Sarkasmus war seine Grundeinstellung.

„Okay, Jack, fein.“ Taylor wandte sich zur Tür. „Dann sei halt hier draußen und schmolle. Ich habe keine Zeit für so was.“

„Warte.“ Er streckte die Hand nach ihr aus. Seine Fingerspitzen berührten die weiche Unterseite ihres Unterarms. „Schlechter Tag. Also, wo ist denn der AQ-Termin?“

„Es ist schon okay. Das braucht dich nicht zu interessieren.“

„Es interessiert mich aber. Schau, ich … Bei der Arbeit ist es nicht so gut gelaufen heute.“

„Was meinst du mit ,es ist nicht gut gelaufen‘?“, erschrak sich Taylor. „Ist Hops wütend, weil du mir den AQ-Job zugeschanzt hast?“

Er lachte. Ihre Aufrichtigkeit berührte ihn. „Nein, er ist nicht wütend geworden.“

Hops war das Gegenteil von wütend. Er wollte, dass Jack ins Londoner Büro wechselte. Und ehrlich gesagt sollte Jack das Taylor besser früher als später sagen. Aber die Angst vor der Ablehnung führte zu allerhand Verzögerungsstrategien. Wenn Taylor sich weigerte, mitzukommen, was dann? Würde er ohne sie gehen?

Wie sehr hingen sie eigentlich an ihrer sechs Monate alten Ehe? Einer Ehe, aus Leidenschaft und Spontaneität an einem Strand von Martha’s Vineyard geschlossen.

Als er ihr den Antrag gemacht hatte, hatten sie noch nicht einmal über Dinge wie Finanzen oder Kinder gesprochen. Oder wie es ihr damit gehen würde, ans andere Ende des Ozeans zu ziehen. Aber jetzt gerade musste sich Jack unmittelbar darauf konzentrieren, einen wichtigen Kunden zurückzugewinnen.

„Wir haben ein Problem mit dem FRESH Water-Geschäft. Also, wo ist denn nun der AQ-Termin?“

„Welche Sorte Problem?“

„Der Fototermin, Taylor. Wo soll’s hingehen?“

„Heart’s Bend.“

„Heart’s Bend?“ Jack sah überrascht zu ihr hinunter. „Das gute alte Heart’s Bend? Um was geht es denn? Um Fotos von heruntergekommenen Häusern an der Hauptstraße?“

„Um eine Hochzeitskapelle, wenn du es unbedingt wissen willst.“

„Eine was? Es gibt doch gar keine Hochzeitskapelle in Heart’s Bend.“

„Anscheinend doch. Abseits der River Road. Jimmy Westbrook hat sie gebaut.“

„Coach Westbrook?“

„Glaub schon …“

„Der hat eine Hochzeitskapelle gebaut? Abseits der River Road?“ Jack tauchte in die dunklen Gassen seiner Erinnerungen ein. Er war früher immer durch die Wiesen gestrolcht, hatte sich von der einen oder anderen Pflegefamilie weggeschlichen.

Bis Sam und Sarah ihn aufgenommen hatten. Dann hatte er mit ihnen und ihrer erweiterten Familie dort gepicknickt. Alle hundert Leute saßen zusammen und aßen Brathähnchen und Kohl. Aber eine Kapelle hatte er nie gesehen.

„Also fährst du nach Hause?“

„Sieht so aus. Ich nehme an, das ist eine glückliche Fügung, weil ich sowieso geplant hatte, runterzufahren und mich um Grannys Haus zu kümmern.“

Taylor hatte Grannys Haus geerbt, aber sie war in den letzten vier Monaten nur einmal zu Hause gewesen, um sich mit ihrem Erbe zu beschäftigen. Ihre Schwester brachte sie immer wieder auf den neuesten Stand, wenn sie Dinge nahm oder weggab, trotzdem war es an Taylor, die Sache zu einem Abschluss zu bringen. Doch wie Jack schien sie glücklicher damit zu sein, ihre Heimatstadt zu meiden. Erinnerungen aus dem Weg zu gehen. Für Taylor waren das ihre Eltern. Vor allem ihr Vater.

„Ich dachte, ich bleibe eine Woche unten und kümmere mich um das Haus. Bisher habe ich die ganze Arbeit Emma überlassen.“

„Klingt gut.“

„Willst du mitkommen?“ Ihre Frage kam leise, vorsichtig.

„Nach Heart’s Bend?“ Jack schüttelte den Kopf. Nachdem er erst einmal dort weggegangen war, hatte er nie wieder zurückgeblickt. „Nein, ich muss hier arbeiten. Wir haben FRESH als Kunden verloren.“

„Oh, das tut mir leid, Jack.“ Sie strich ihm sanft über den Arm, und er akzeptierte ihren Trost, obwohl er ansonsten immer noch angefressen war. „Wie kam es denn, dass ihr einen Kunden verloren habt, mit dem ihr so lange zusammengearbeitet habt? Hat ihnen deine Präsentation nicht gefallen?“

„Oh, die haben sie geliebt. Die hat ihnen wirklich super gut gefallen, als Alpine & Schmidt sie ihnen gezeigt hat.“

„Wie? Die haben deine Kampagne präsentiert?“

„Die haben sie gestohlen.“

Taylor lachte, doch sein scharfer Blick ließ sie abrupt verstummen. „Was? Du meinst das ernst? Jemand hat deine Kampagne gestohlen? Sind die in der dritten Klasse, oder was?“

„Offenbar wird Carmen gesprächig, wenn sie ein bisschen was getrunken hat. Sie hat das Ganze ihrem Freund neulich beim Abendessen erzählt.“ Jack ließ das Geländer los und setzte sich an den Balkontisch, den sie in der Woche gleich nach ihrem Einzug gekauft hatten. Damals hatten sie sich vorgestellt, unter den Sternen zu Abend zu essen, aber bislang hatten ihn nur die Vögel als Zielscheibe für ihre Exkremente benutzt.

„Carmen?“ Taylor setzte sich neben ihn. „Eure Cheftexterin?“

„Ja, und ihr Freund ist der Cheftexter bei Alpine & Schmidt.“

„Nein. Die muss das doch besser wissen.“

„Das sollte man meinen. FRESH Water ist seit drei Jahren mein Kunde. Hops hat die Geschäftsbeziehung vor zehn Jahren etabliert. Dank Carmen wusste Alpine davon, dass die FRESH-Leute in die Stadt kommen wollten, um sich mit uns wegen einer brandneuen Anzeigenkampagne zu treffen. Da haben sie sie für gestern zu einem Meeting in ihr Büro eingeladen.“

„Und ihnen deine Präsentation vorgestellt.“ Ihr mitleidiger Ton irritierte ihn. Mitgefühl war er nicht gewohnt. Oder Solidarität.

„Eine Version davon. Nah genug dran, dass der Kunde heute bei der Hälfte meiner Präsentation lachen musste. ,Was soll das, Jack? Soll das ein Witz sein?‘“ Er ahmte Lennon McArthurs Tennessee-Akzent mit jeder Silbe nach. „‚Wir haben gestern Abend eine ganz ähnliche Präsentation von Rob Schmidt gehört. Haben Sie von ihm abgeschrieben?‘ Ha, ha, ha.“ Allein Lennons Spott zu wiederholen brachte Jack wieder in Wallung. „Hops und ich haben versucht, das Ganze wiedergutzumachen. Wir haben den ganzen Tag damit zugebracht, herauszufinden, was eigentlich passiert ist. Und heute Abend hat es sich dann zugespitzt.“

„Es tut mir so leid für dich.“ Der Nachtwind pustete Taylors Haar über die Schultern und legte die hohen, gottgemachten Flächen ihres Gesichts und die lange, schlanke Wölbung ihres Halses frei. Sie war so entzückend, so unglaublich reizend. Das hatte er schon immer gefunden. Aber als sie sich damals in der Rock Mill High über den Weg gelaufen waren, war er arrogant und aufgeblasen gewesen, hatte sein Innerstes abgeschirmt wie einen Kriegsschauplatz. Er hatte sie gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wollte, einfach weil er wusste, dass sie Ja sagen würde. Danach ignorierte er sie, schüttelte sie ab wie Hundedreck von seinem Schuh.

Wie hatte er nur so ein Glück haben können? Herr im Himmel, wie kam es nur, dass er so ein Glück hatte, jetzt mit ihr zusammen zu sein?

„Was ist passiert?“

„Carmen kam so gegen sieben in mein Büro. Ich habe gerade zusammengepackt, weil ich nach Hause wollte. Sie war völlig verheult, rotznasig, plärrte herum und beichtete das Ganze. Das war, nachdem sie den ganzen Tag angewidert und empört getan hatte wegen der Neuigkeiten von Alpine. Sie hat ganz schockiert getan, als sie hörte, dass die unsere Präsentation gehalten haben.“

„Die muss völlig fertig sein.“

„Sie hat sich aus ihrer eigenen Dummheit eine Schlinge geknotet. Wenn man nichts verträgt, sollte man auch nichts trinken. Sie ist vierzig. Seit fünfzehn Jahren im Geschäft. Sie ist nicht irgendeine unschuldige Schulabgängerin, die die Fallstricke nicht kennt.“

„Vielleicht konnte sie sich nicht vorstellen, dass ihr Freund sie bestehlen würde.“

„Genau genommen hat er das ja nicht. Sie hat mit ihm ein Brainstorming gemacht und dabei eben unsere Idee ins Spiel gebracht.“ Er sah Taylor forschend an.

„Und was jetzt?“

„Ich habe sie gefeuert.“ Sein Bekenntnis hallte in seiner Brust wider und vibrierte in der Frequenz einer Autohupe, die in der Ferne zu hören war.

„Aua. Ist das nicht zu hart? Ich meine, sie hat ja nicht absichtlich …“

„Wenn sie es einmal gemacht hat, wird sie es auch wieder tun. Loyalität und Vertraulichkeit sind in diesem Geschäft alles. Wenn du mir gegenüber nicht loyal bist, sei es der Firma gegenüber. Wenn du der Firma gegenüber nicht loyal bist, sei es dem Kunden gegenüber, und wenn aus irgendeinem abscheulichen Grund nichts davon möglich ist, dann sei wenigstens dir selbst gegenüber loyal. Sonst bist du käuflich.“

Taylor lehnte sich kopfschüttelnd zurück. Er konnte spüren, wie sie dichtmachte. An diesem Punkt kamen sie einfach nicht zusammen. Er war zu direkt. Grob. Eine Verhaltensweise, die er vor langer Zeit gelernt hatte. So überlebte er.

Wenn er irgendwas wusste vom Leben, dann, dass man Verräter absägen musste. Er hatte keine Zeit übrig für Leute, die nicht loyal waren, für die Betrüger. Sein Herz war bereits voller Narben, die ihm von Leuten wie ihnen zugefügt worden waren.

Also wenn sie irgendwie wieder zu Voss neigen sollte …

„Du hast mir mal gesagt, du könntest deine Arbeit ohne Carmen gar nicht machen. Dass sie eine Lebensretterin sei.“

„Bis sie sich als Diebin herausgestellt hat.“

„Jetzt komm aber, Jack. Echt jetzt? Bist du so perfekt, dass dir nie jemand vergeben muss?“

„Ich versuche, keine Fehler zu machen.“

„Ich dachte, du hättest Perfektion erst im Kalender stehen, wenn du fünfundvierzig bist. Oder so.“

Er bedachte sie mit einem harten Blick. „Sie hat einen Kunden verloren.“

„Ja, na gut …“ Sie wandte sich ab und starrte aufs Wasser.

Jack fühlte die Macht seines Tonfalls, es war, als hätte er sie abgeschmettert. Taylor … Anders als er war sie weich, eine Wohltat für die Augen und das Herz. Sie vertraute zu viel – Voss war das beste Beispiel dafür –, aber sie hielt an Dingen fest. Sie ergriff das Wort für die Außenseiter.

„Mach dir keine Sorgen um Carmen. Sie könnte für Alpine arbeiten, aber sie hat eine Klausel im Vertrag, die ihr zwei Jahre lang verbietet, für einen Mitbewerber zu arbeiten. Sie kennt die Regeln, Taylor. Hey, ich habe ihr vergeben. Wir haben uns in den Arm genommen. Ich habe ihr mein Taschentuch gegeben, damit sie sich die Tränen trocknen und die Nase putzen konnte. Danach habe ich sie gefeuert. Wenn ich es nicht getan hätte, hätte Hops es gemacht.“

Taylor zog die Knie zum Kinn und verankerte ihre Fersen an der Stuhlkante. „Erinnere mich dran, dass ich keine Fehler machen darf.“

„Arbeite einfach nie für mich.“ Er lachte, es sollte ein Versuch sein, sie an seine hellere Seite zu erinnern. Aber dem Wutleuchten nach, das in ihren Augen aufblitzte, bewirkte seine Antwort eher das Gegenteil.

„Willst du den AQ-Job zurück?“

„Nein, der gehört dir. Betrachte dich als Auftragnehmer.“ Er beugte sich zu ihr. „Ich habe eine Frage. Warum latscht Voss hier rein und fragt dich, ob du mit ihm nach Los Angeles gehst, während ich mit im Raum bin?“

„Das habe ich dir schon gesagt. Er ist unglaublich arrogant.“ Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich, während sie ihn eine lange Weile musterte. „Aber wäre es dir denn lieber gewesen, wenn er mich gefragt hätte, wenn du nicht mit im Raum gewesen wärst?“

„Ich kann nicht glauben, dass er dich nur für einen Auftrag will. Ich vertraue ihm nicht. Er liebt dich immer noch.“

„Was?“ Sie klang ungläubig. „Er hat nie gesagt, dass er mich liebt. Du hörst, was du hören willst. Was spielt das außerdem für eine Rolle? Ich stehe nicht auf ihn. Ich bin mit dir verheiratet.“ Sie stand auf und ging Richtung Wohnung. „Ich gehe ins Bett.“ Als sie vorbeiging, erwischte der Wind den losen Saum ihres Kragens und legte die runde Wölbung ihrer Brust bloß.

„Taylor …“ Entschuldige dich, und geh mit ihr rein. Dennoch konnte er sich nicht dazu bringen, sich zu bewegen oder sich ihren Reizen hinzugeben, seinem eigenen Verlangen, sie auf seinen Schoß zu ziehen und ihre verführerische Haut zu küssen. Sag ihr, dass du dankbar für sie bist. Liebe sie. Sein früherer Zorn verblasste zu einem Schmerz. Er liebte sie, aber er schaffte es nicht, seinen Gefühlen durch Taten Ausdruck zu verleihen.

„Früher oder später wirst du dich der Sache stellen müssen“, sagte sie und hielt im Türrahmen inne.

„Welcher Sache?“

„Diesem Geist, den du in deiner Seele mit dir herumträgst.“

Schon wieder? Sie bestand darauf, dass sein Vater ihn heimsuche. „Rise Forester lebt. Es gibt keinen Geist.“

„Es gibt den Geist dessen, was er dir angetan hat. Jeden Tag lebe ich mit seinem Schatten.“

Sie schlüpfte durch die Tür, und Jack stützte seinen Kopf in die Hände. Sein ganzer Körper schmerzte von dem Verlangen, ihr nach drinnen zu folgen.

Sie hatte recht, sein biologischer Vater verfolgte ihn. Aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er ihn vertreiben sollte.

Taylor Branson war das Beste, das ihm je passiert war. Besser als die zehn Millionen Dollar, die er 105 letztes Jahr eingebracht hatte, und besser als der Bonus, den er dafür bekommen hatte.

Wenn er die Energie, die er für die Werbung aufbrachte, in seine Ehe investieren könnte, hätte er die glücklichste Ehefrau der Welt. Aber er wusste nicht, wie er ein Ehemann, wie er offen und echt sein sollte, wie er ihr sagen sollte, dass er ohne sie nicht würde atmen können, falls sie je aus seinem Leben verschwinden sollte.


TAYLOR

Taylor lag im Bett und lauschte auf die Bewegungen ihres Mannes in der Wohnung. Das rote Glimmen des digitalen Weckers auf der Eckkommode zeigte 2 Uhr morgens an.

Nachdem sie ins Bett gekrabbelt war, hatte sie sich überlegt, ob sie noch einmal auf seine Frage nach Doug eingehen sollte, aber beschlossen, es sein zu lassen. Sie wieder anzusprechen würde vielleicht wirken, als würde sie sich verteidigen. Oder es könnte ihn misstrauisch machen, als ob sie etwas vor ihm verbergen würde.

Die Wahrheit war, dass sie ihre Zeit mit Doug hasste. Bedauern lag über ihren Erinnerungen.

Sie setzte sich auf und betrachtete die Tür, während sie nach den Geräuschen horchte, die Jack in der Küche verursachte – wie er ein Sandwich machte, ein Glas Milch einschenkte, zum Sofa ging, von wo das blaue Leuchten des Fernsehers durch den Türspalt schimmerte.

Heute war sie einkaufen gewesen, hatte Schränke und den Kühlschrank gefüllt und gedacht, sie würden vielleicht zusammen essen können. Immerhin hatte er ihr gesagt, er wolle, dass sie sich um das Essen kümmerte. Aber als er nicht nach Hause gekommen war und auch ihren Anruf nicht erwidert hatte, hatte sie sich eine Schale Müsli gemacht und gearbeitet.

Das Licht des Fernsehers flackerte, als Jack die Sender wechselte. Bestimmt würde er beim Sportsender zögern und dann bei irgendeinem Heimwerkerkanal landen. Da. Sie lächelte, als sie den gedämpften Klang einer Kreissäge hörte.

Sollte sie rausgehen und mit ihm fernsehen? Ein Salamibrot klang gut. Aber wollte er vielleicht allein sein?

Eins war klar, er wollte nicht bei ihr hier im Bett sein.

Seit sechs Monaten waren sie verheiratet, waren sie da nicht noch in den verlängerten Flitterwochen? Sollten sie nicht jeden Abend nach Hause eilen, um zusammen zu sein, um sich zu lieben, sollten sie nicht Wochenendausflüge ins Hinterland oder nach New England unternehmen?

Sie ließ sich auf ihr Kissen fallen und rollte sich auf die Seite, vergrub sich unter dem dünnen Laken und Jacks Ohio-State-Kuscheldecke. Ein Roadtrip war ja der Grund, warum sie überhaupt geheiratet hatten.

Wenn ihr vor sechs Monaten jemand erzählt hätte, dass sie eines Tages mit Jack Gillingham, oder besser gesagt: Forester, Hand in Hand über einen Strand in Martha’s Vineyard spazieren würde, hätte sie …

Gelacht. Ja, gelacht. Laut.

Aber das Gefühl, wie seine Hand in ihrer lag, wie sie da an der Küste von Edgartown entlanggingen, wie sie lachend den eisigen Wellen des Atlantiks auswichen, war perfekt gewesen. Echt. Wahr. Stark.

„Was meinst du?“ Jack legte ihr den Arm um die Taille und zog sie näher. Ihre Schritte erklangen wie aufeinander abgestimmt. „Gefällt dir der Vineyard?“

„Sehr.“ Er hatte sie morgens um fünf geweckt, indem er an die Tür ihres Appartments geklopft und sie mit einem Frühstückskorb mit Gebäck und Kaffee überrascht hatte. Dann entführte er sie zu einer fünfstündigen Autofahrt durch New England an die Küste von Massachusetts, wo sie die Fähre nahmen.

„Ich mag es, wenn du glücklich bist. Du bekommst dann so ein Leuchten in den Augen.“

Taylor drehte sich um und ging rückwärts. Immer noch hielt sie seine Hände und sah ihm forschend in die Augen. „Was siehst du?“ Sie riss die Augen weit auf.

„Jemanden, der bereit ist, etwas zu riskieren.“

„Ja? Was denn riskieren?“

„Mich.“

Sein Tonfall bewegte etwas in ihr. Sie scherzten nicht mehr. „Und was, wenn es so ist?“

„Dann heirate mich.“

Sie hörte auf, rückwärtszugehen, und er lief in sie hinein, umklammerte sie in seiner Umarmung. Sein Seufzen schickte seinen süßen Atem über ihr Gesicht. „Heirate mich.“

„Was? Jack …“

„Ich weiß, es sind erst ein paar Wochen.“

„Acht.“

„Ich weiß, aber …“ Er wich ihrem Blick nicht aus. „Ich will mit dir zusammen sein.“

Sie waren seit ihrem ersten Date verrückt nacheinander. Sie gingen ins Kino, sahen sich Spiele an, sprachen über das Heute und das Morgen, aber niemals über die Vergangenheit, was sie an ihm liebte. Bei ihm ging es immer um den aktuellen Moment, ums Jetzt und um die Zukunft. Jeden Abend, wenn es für ihn an der Zeit war, nach Hause zu gehen und ihre vollgestopfte Wohnung zu verlassen, knutschten sie herum wie Teenager und zerdrückten die Kissen auf dem extragroßen Sofa. Dann zog sich Jack zurück und ging zur Tür. Er hatte nie weitergedrängt. Und Taylor war erleichtert gewesen.

Das war der Punkt, an dem die Sache mit Doug schiefgelaufen war. Also blieb sie bei ihm, weil sie mit ihm „zusammen gewesen“ war. War das nicht das Richtige, das, was man tun sollte?

Aber Jack? Der rüttelte nie an den Grenzen, und Taylor verfiel seiner Ritterlichkeit. Dann überraschte er sie mit dieser spontanen Flucht nach Martha’s Vineyard, wo er zwei Zimmer im Leuchtturmwärtergästehaus gebucht hatte.

Er war ein Gentleman. Und sie brauchte so sehr einen Gentleman. Aber Heirat?

„Ich weiß nicht … Jack. Ich meine … das kannst du doch nicht ernst meinen.“

„Todernst. Genau hier, genau heute. Warum nicht? Wir sind super zusammen.“

„Ich verehre dich. Ich kann mir jetzt gerade nicht vorstellen, je mit jemand anderem außer dir zusammen zu sein. Aber ich bin mir einfach nicht sicher …“

„Bist du es nicht leid, auf Nummer sicher zu gehen? Es gibt massenhaft Geschichten von Paaren, die sich nach ein oder zwei Dates verlobt haben. Eine Woche später haben sie geheiratet, und dann waren sie fünfzig, sechzig, siebzig Jahre lang verheiratet.“

„Es ist kein Wettbewerb, Jack.“

„Nein, das ist es nicht.“ Er ließ seine Hand in ihren Nacken gleiten und streichelte ihre Wange mit seinem Daumen. „Habe ich dir je gesagt, wie schön du bist? Und dass ich noch nie für jemanden so empfunden habe wie für dich? Noch nie?“

„Was ist mit Abby Conrad? Bei unserem Abschlussball hast du wie eine Klette an ihr gehangen.“

„Nicht einmal Abby Conrad.“

„Was ist mit damals, als du mich in der elften Klasse hast fallenlassen? Ein Date, und danach hast du nie wieder mit mir gesprochen. Tut mir leid, aber ich muss das ansprechen. Das hat wehgetan wie verrückt.“

„Ich weiß. Es tut mir leid.“

„Also, was ist das hier alles? Eine Wiedergutmachung? Du brauchst mich nicht zu heiraten, um mir zu beweisen, dass du dich geändert hast.“

Sein Kuss lachte auf ihren Lippen. „Taylor, ich war ein Holzkopf. Ein Vollidiot.“

„Du warst klug, witzig, Kapitän des Footballteams und hast nach deiner eigenen Pfeife getanzt. Alle Mädchen mochten dich.“

„Aber ich habe nur dich gemocht.“

„Und deswegen hast du mich sitzenlassen?“ Sie entzog sich ihm und ging mit einem neckischen Wurf ihrer Haare weiter.

„Ich weiß. Ich weiß.“ Er schob die Hand in ihre Taille, hob sie hoch und wirbelte sie herum. „Ich bin gescheut und durchgegangen. Aber jetzt habe ich die Chance, das zu tun, was ich vor zwölf Jahren wollte. Ich will mit dir zusammen sein.“ Er stellte sie auf den Sand. „In diesem Moment gibt es nur dich und mich.“

Sie sah ihm in die Augen. Suchte, forschte. Dies war jenseits dessen, was zu ihrer Persönlichkeit passte. Ja sagen zu einem spontanen Heiratsantrag, wo sie doch noch nicht einmal wusste, ob sie überhaupt etwas von „Ehe“ und „glücklich bis ans Lebensende“ hielt. Aber in seinem blauen Blick lag eine eifrige Aufrichtigkeit. Das war Liebe.

„Wag den Sprung mit mir.“ Er drückte ihre Hände und sank langsam auf ein Knie. „Taylor … Branson, willst du …“

„Du kennst nicht einmal meinen Zweitnamen.“

„Alice?“

„Nein.“

„Jean?“

„Nein.“

„Drusilla?“

„Nein.“ Mit einem Lachen und einem sanften Klaps auf den Kopf sagte sie ihm: „Jo.“

„Taylor Jo Branson, willst du mich heiraten?“

„Okay, Jack … wie auch immer … Forester …“

„Spratt.“

Sie schnitt eine Grimasse. „Du heißt Jack Spratt Forester?“

„Andrew. Jack Andrew Forester. Aber als ich Gillingham als Nachnamen benutzte, ergaben meine Initialen JAG, daher …“

„Dein Spitzname auf der Highschool.“ Endlich verstand sie. Er stand auf und barg sie in seinen Armen. „Was sagst du? Heiratest du mich?“

„Ja, Jack Andrew Forester, ich wage den Sprung. Ich heirate dich.“

Seine Lippen auf ihren waren dick und hungrig und verlangten nach ihrem Herzen. Und sie reagierte darauf, lehnte sich an ihn und ließ sich wegtreiben von den Zweifeln, die sich in ihrer Seele regten und die ihr sagten, dass Liebe niemals hielt.

Taylor stand auf, zog die Kuscheldecke vom Bett und ging auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. „Jack?“

Aber er schlief. Sein Kopf ruhte auf der Sofalehne, und sein Atem ging schwer und gleichmäßig. Der Sandwichteller lag wackelig in seiner schlaffen Hand.

Taylor stellte ihn auf den Couchtisch, stieg über Jacks ausgestreckte Beine und ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder. Die Luft im Raum war frisch, das Fenster zum Balkon stand offen.

Als sie Mama damals anrief, um ihr zu erzählen, dass sie Jack Forester geheiratet hatte, war die überhaupt nicht begeistert gewesen. Und ihre Schwester Emma auch nicht.

„Was um alles in der Welt …? Bist du bescheuert?“

„Deine Schwester lässt sich scheiden, und du heiratest heimlich?“

Taylor musste eine einstündige Befragung durchstehen, bei der sich ihre seit langem geschiedene Mutter und ihre frischgeschiedene Schwester abwechselten. Sie reichten den Telefonhörer hin und her und fassten all ihr neunmalkluges Wissen in dem Satz „Lass dir bloß nichts gefallen!“ zusammen.

Jack wurde wach, als Taylor die Decke über sie beide breitete. Er öffnete ein Auge: „Hey, Babe …“

Babe. Der sanfte Kosename fiel in ihr Herz wie eine Münze in eine Jukebox und ließ eine romantische Melodie erklingen. „Psst, schlaf weiter.“

„Taylor?“

„Ja, Jack?“

„Du bist heiß.“

„Ja? Du auch.“ Jack war schon in der Highschool zum bestaussehenden Jungen gewählt worden und mit den Jahren nur noch ansehnlicher geworden.

Aber ihre idyllischen Ansichten, was Romantik anging, waren durch ihren Vater und die Scheidung ihrer Eltern jäh zerstört worden, als sie fünfzehn war. Deshalb träumte sie nicht von Märchen und von weißen Brautkleidern.

Taylor griff nach der Fernbedienung und wollte gerade den Fernseher ausschalten, als eine jüngere Ausgabe von Tante Colette über den Bildschirm marschierte.

„Weißt du eigentlich, dass du auf dem Seifenopernkanal gelandet bist? Schau, da ist Colette in einer alten Folge von Morgen ist ein neuer Tag.“

Er spähte zum Fernseher. „Sieht aus wie du.“

„Also bitte, sie sieht so atemberaubend aus.“ Taylor hatte Granny Pegs kantige Gesichtszüge und ihre pralle Erscheinung. Wie Katherine Hepburn. Colette Greer war eine elegante Schönheit mit einem Gesicht wie das Mädchen-von-nebenan. Man hatte sie als die nächste Loretta Young bezeichnet.

Taylor drückte auf die Infotaste der Fernbedienung, um die Beschreibung der Folge zu lesen. „Vivica Spenser sagt wegen Unterschlagungen ihres Finanzchefs als Zeugin vor Gericht aus. Ausgestrahlt 1985.“

Colette saß mit einer typisch großen Achtziger-Jahre-Frisur und reichlich Make-up im Zeugenstand. Die Schultern hinten, das Kinn erhoben, verlieh sie Vivica Leben. Sie beantwortete die Fragen, ohne zu zögern. Als sie aus dem Zeugenstand entlassen wurde, stand sie auf, ging zum Tisch der Verteidigung, nahm ein Glas Wasser und spritzte es dem Angeklagten ins Gesicht.

„Ha, ha, ha, weiter so, Victoria.“ Taylor stupste Jack mit ihrer Hüfte an und versuchte ihn zu wecken. „Schau mal, Jack. Colette, oder eher Vivica, hat einem Mann Wasser ins Gesicht geschleudert. Dafür ist sie doch berühmt. Vielleicht könntest du sie für die FRESH-Kampagne gewinnen. Sie könnte so tun, als wäre sie kurz davor, jemandem Wasser von FRESH ins Gesicht zu schütten, und es dann doch nicht tun und sagen: ,Nein, warte mal, diese Flasche FRESH ist zu gut für dich.‘ Dann nimmt sie ein Glas mit irgendetwas, das nicht FRESH ist, und schüttet das dem anderen ins Gesicht. Verstehst du? Brillant.“ Taylor kuschelte sich in die Kissen. „Mal ehrlich, so schwierig ist das mit der Werbung doch auch wieder nicht.“

Jack antwortete darauf mit einem tiefen, ausgedehnten Schnarcher.

Sie starrte ihn an, wie er so schlief, seine Haare standen ab, seine Lippen waren rosig und süß. „Es gibt keinen Doug Voss, Jack. Es gibt nur dich.“

Aber ihm ihr Herz vor seinem wachen Gesicht auszuschütten schien ihr unmöglich. Selbst, als er ihr den Heiratsantrag machte, und dann später, als sie bei Sonnenuntergang am Strand standen und ihre Eheversprechen und zwei Platinringe tauschten, wurden die Worte „Ich liebe dich“ seltsamerweise nicht ausgesprochen. Als fürchteten sich beide davor, ihre Liebe zu erklären. Oder eine Liebeserklärung einzufordern. Aber als sie sich das erste Mal liebten und dann ein zweites und ein drittes Mal, wusste sie, dass sie ihn liebte.

Dann kamen sie nach Hause, und die Wellen des Lebens spülten über die flache Küste ihrer Beziehung – und darüber, wie sie sie sich gegenseitig bekundeten.

„Herr, wenn du mich hören kannst, hilf uns.“

Sie glaubte, dass Gott Menschen wichtig waren, dass sie Gott wichtig waren. Sonst würde das ganze Ding mit Jesus am Kreuz keinen Sinn ergeben. Aber alles, was sie hatte, war ihr Sonntagsschulglaube.

Und der Herzschlag. Den Herzschlag, den sie als Kind gehört hatte, wenn sie abends ins Bett gekrabbelt war und ihre Gebete aufgesagt hatte.

Das war der Grund, warum sie Doug verlassen hatte. Als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte sie den Herzschlag nie gehört, wie sehr sie sich auch anstrengte. Sie hatte gewusst, dass das Licht, das in ihr brannte, im Ausgehen begriffen war.

Aber den Sprung zu wagen und mit Jack durchzubrennen – war das nicht das Gleiche in Grün?

Taylor stand vorsichtig auf und schob Jack so zurecht, dass er seine langen Beine auf der ganzen Länge des Sofas ausstrecken konnte. „Gute Nacht, Jack.“

„Tay?“

„Ja?“

„Die Salami war lecker.“

„Freut mich. Schlaf weiter.“

Zurück in ihrem Schlafzimmer, nahm sie sich eine andere Decke aus dem Wäscheschrank und rollte sich in ihrem Bett zusammen. Als sie einschlief, zeigte der Wecker 2 : 30 Uhr. Ein Gebet aus ihrer Kindheit stahl sich in ihre Träume.

… Lieber Jesus mein,

lass mich dir empfohlen sein …

Die Hochzeitskapelle

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