Читать книгу Tod einer Kassenpatientin - Rainer Bartelt - Страница 6

Zwischen Wischmopp und Handfeger

Оглавление

Viel Zeit zum Überlegen hatte ich ohnehin nicht, denn nun kamen vollkommen neue Aufgaben auf mich zu. Ich, der jetzt den Lebensmittelhändler ersetzen und für Gerda ab sofort auch alle anderen Dinge des täglichen Lebens besorgen musste, bekam plötzlich E-Mails folgender Art:

Hallo Frau Bartelt, nachfolgend wie besprochen die ‚Idealliste‘ unserer Hauswirtschaftskraft.

  Schrubber und Bodentuch + Eimer oder alternativ Wischmopp und Eimer

  Besen, Handfeger & Kehrblech, Staubsauger (+ vorrätige Wechselbeutel)

  2-fach Ausführung (wegen Waschwechsel) Mikrofasertücher in vier Farben (Küche, Möbel, Bad, Toilette)

  Kleiner Putzeimer und Abzieher f. Fenster

  Reiniger f. die verschiedenen Bereiche

  Müllbeutel und gelbe Säcke

  Leiter oder Tritt

Mit freundlichen Grüßen…“

Nun, diese „Frau Bartelt“, die alle nötigen Sachen für den zum Heim gehörenden Reinigungsservice besorgen musste, war ich selbst. Denn in erster Linie fühlte ich mich persönlich für meine Mutter verantwortlich, Petra, deren langer Arbeitstag oft bis 19 Uhr dauert, wollte ich mit Muttis Pflege nicht mehr als nötig belasten. Ich fand mich also an einem Samstagmorgen in der Putzmittel-Abteilung des nächstgelegenen Supermarktes wieder, unmittelbar nachdem ich Petra zur Arbeit gefahren hatte. „So muss sich eine Frau im Baumarkt fühlen!“, dachte ich. Ziemlich hilflos taperte ich von Regal zu Regal, bis ich endlich alles beisammen hatte, was auf der Einkaufsliste stand.

Am Ende kam ein schöner Geldbetrag zusammen, der in keinem gesunden Verhältnis zum Materialwert der im Einkaufswagen liegenden Putzwaren stand. Aber was zählte schon der schnöde Mammon, wenn es um nichts weniger als Mutters Zukunft ging? Und die 'fremde Macht' – der Pflegedienst – zufrieden gestellt werden musste? Also hieß es, nicht zu kleinlich zu sein. Gab es doch eine große Aufgabe zu bewältigen: Eine große und ziemlich zugestellte Wohnung musste wieder auf Vordermann gebracht werden, die seit Jahren in den Ecken nicht mehr richtig gefegt worden war. Zwar hatte Petra meiner Mutter immer wieder ihre Dienste angeboten, Mutti hatte aber stets mit dem Hinweis entrüstet abgelehnt, sie habe selbst gerade „gründlich“ sauber gemacht. Petra schaute einigermaßen ungläubig in die Ecken, aber Widerspruch wurde nicht geduldet. Ende der Diskussion.

Und so waren es keine „Wollmäuse“ mehr, die in den Zimmerecken ihre Jugend verbrachten, um anschließend unter und hinter den Schränken still und von Gerda unbemerkt umher zu wandern, sondern es waren „Wollkatzen“ oder in einzelnen Fällen sogar eher „Wollelefanten“, die einen traurigen Beleg für eine zunehmend verminderte Sehkraft meiner Mutter darstellten. Was mich aber am meisten verblüffte: Die vom Pflegeheim gestellte ambulante Reinigungsfachkraft fasste die in der Wohnung in reichlicher Anzahl vorhandenen Schmutznester keinesfalls als Ansporn auf, das Problem mit professioneller Energie anzugehen. Stattdessen beschwerte sie sich das eine über das andere Mal bei meiner Frau, wie dreckig doch die Wohnung sei, die sie sauber machen sollte. Das war eine Logik, die nicht so ganz in mein bisheriges intellektuelles Regelwerk passen wollte.

Noch ein weiterer Grund führte dazu, dass der externe Reinigungsservice nicht sofort die gewünschte Wirkung entfaltete: Gerda fand es nämlich höchst spannend, was jetzt in ihrer Wohnung abging. Sie platzierte sich mit ihrem mit Rollen ausgestatteten Serviertischchen, das ihr als provisorische Gehhilfe diente, mitten am Ort des Geschehens und versuchte, den Arbeitseifer der vom Heim geschickten Reinigungskraft zu dirigieren und anzuspornen. Was auch umgehend Wirkung zeigte, wenn auch nicht die gewünschte: Sehr schnell wurden aus einer Reinigungskraft viele verschiedene Reinigungskräfte! Mit einem Mal kamen jede Woche immer wieder andere Frauen, die sich anschickten, die Wohnungsreinigung voranzutreiben. Bis schließlich eine gefunden wurde, deren Fell anscheinend dick genug war, um a) meine Mutter und b) die ganze Aufgabe nicht allzu ernst zu nehmen, dauerte es einige Zeit. Zu guter Letzt wurde en détail dann aber doch noch einiges auf den Pfad der Sauberkeit gebracht. Für mich, der später Gerdas leere Wohnung besenrein an den Nachmieter übergeben musste, blieb trotz alledem noch genug zu wischen übrig.

Tod einer Kassenpatientin

Подняться наверх