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Zweiter Teil 1. Cojones
ОглавлениеDas Telefon klingelte, als ich gerade in meinen Boxershorts im Wohnraum stand. Ich hatte mir was Kaltes eingeschenkt und war erst mal auf die Dachterrasse gegangen, aber diesmal stellte sich das Gefühl nicht ein, das Gefühl, das die Stadt bei Nacht mit ihren Lichtern auslöste.
Ich ging also zurück. Das Telefon klingelte.
»Thomas Herbst, sind Sie es?«
Es war Paolas Stimme.
Ja.
»Hier ist …«
»Ich wollte nur sagen …« Sie sprach leise.
Erst jetzt wurde mir bewußt, welcher Charme auch in dem Akzent lag, mit dem sie sprach.
»Paola, kann ich Sie sehen? Irgendwann? Morgen?«
Es war Ruhe in der Leitung. Nur entfernt ein Atemgeräusch. Ich konnte es nicht sein, denn ich hielt ihn an.
»Paola, ich möchte Sie wiedersehen …«
»Wir haben uns an diesem Abend gesehen, Thomas. Wollen wir es nicht so in Erinnerung behalten …«
»Warum?«
»Vielleicht, weil es so besser ist.«
»Haben Sie Angst, Paola?«
»Wovor sollte ich Angst haben?«
»Ich kann nicht begreifen, was Sie sagen. Es kommt mir so widersinnig vor. Ich meine, wir können uns doch sehen, wir können miteinander sprechen. Wir sind uns sympathisch. Ich meine, da ist doch keine Gefahr, es ist doch kein Verbrechen, wenn wir uns sehen.«
»Es ist immer gefährlich, wenn ein Mann und eine Frau sich begegnen.«
»Paola …«
»Thomas, you’ve entered my dreams. Adieu, und passen Sie auf sich auf, ich wünsche Ihnen Glück. Adieu, Thomas.«
»Bei Gott, Paola …«
»Gott ist schon lange aus dem Spiel«, sagte sie und hängte ein.
Ich stand in der Mitte des Raumes und betrachtete die gelackten Wände meiner Wohnung. Sie kamen mir zu gelackt vor. Alles kam mir auf einmal furchtbar gelackt vor. Ich versuchte zu lachen, aber das Lachen mißlang. Überhaupt wußte ich in dem Moment nicht, was ich tun sollte. Ich stand in der Mitte des Raumes und war bewegungsunfähig. Für einen Moment dachte ich, ich hätte einen Riß in der Schüssel; dann fand ich, daß Paola nicht normal war; schließlich war ich davon überzeugt, daß die ganze Welt verrückt war, bis auf mich.
Das Telefon läutete, und wieder nahm ich ab.
»Guten Abend mein Herr«, sagte eine kühle, gepflegte Männerstimme, »hier spricht Alejandro Rocca, und ich hoffe sehr, daß ich nur dieses eine Mal mit Ihnen sprechen muß …«
»Ich …«, sagte ich.
»Ich untersage Ihnen, weiter meiner Frau nachzustellen …«
»Sie …«, sagte ich.
»Nehmen Sie das bitte als einen Befehl, falls Sie sich widersetzen, sollten Sie auch wissen, daß ihre cojones verloren sind.«
»Geht es Paola gut?« rief ich in den Hörer.
»Warum sollte es meiner Frau schlechtgehen?« sagte er und legte auf.