Читать книгу Reise Know-How Praxis: Sicherheit in Bärengebieten: Mit vielen praxisnahen Tipps und Informationen - Rainer Höh - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеSind Bären gefährlich? –
Sicherheit vor Bären ist Sicherheit für Bären!
Niemand wäre so verrückt, freiwillig durch ein Bärengehege zu spazieren oder gar darin zu picknicken und sein Zelt aufzuschlagen. Und doch tun jährlich Tausende genau das im Revier wilder Bären – denn viele der beliebtesten Wanderregionen in Skandinavien und Nordamerika sind zugleich Bärengebiete. Ist das überhaupt zu verantworten? Wie gefährlich sind Bären wirklich? Manche behaupten, sie seien scheu wie die Hasen und würden Hals über Kopf durch die Büsche flüchten, sobald sie einen Menschen bemerken. Aber dann liest man ein- oder zweimal im Jahr, dass Wanderer, Jogger oder Angler von Bären angegriffen und verletzt oder gar getötet wurden – einer in einem Park direkt am Stadtrand von Anchorage, ein Radfahrer auf dem Alaska Highway oder ein Camper, der mitten in der Nacht aus seinem Zelt gezerrt wurde.
Jedenfalls kreist die Phantasie vieler Nordland-Reisenden so unvermeidlich um die Bären wie Fliegen um den Misthaufen. Wer kann behaupten, dass er nie abends im Zelt gelegen und mit beschleunigtem Puls an die Bären „da draußen“ gedacht hätte?! Mir geht es selbst nicht anders, seit mir ein Grizzly in meine Blockhütte eingestiegen ist und ich wochenlang aus Dosen gelebt habe, die erschreckende Bisslöcher abbekommen hatten. Da wird man doch schlagartig etwas argwöhnischer – obwohl ich selbstverständlich weiß, dass Bären statistisch gesehen weniger gefährlich sind als Hunde, Blitze und erst recht Autos. Aber was hilft alle Statistik, wenn ich nachts im Zelt liege und es draußen so verdächtig in den Büschen knackt?! Falls mir je ein Grizzly durch die Leinwand gucken sollte, kann ich ihm doch nicht mit der Statistik kommen!
Was denn nun?! Werden die Bären verteufelt oder verharmlost?! Wohl beides zugleich. Denn der Mensch ist in der Tat ein sehr unberechenbares Tier und neigt zu extremen Verhaltensweisen – zwischen Panik und Plüschtier-Mentalität. Die einen schildern die Gefahren in den blutigsten Farben und spielen das Thema so hoch, dass sie sich selbst nicht mehr aus dem Auto trauen, nur weil in hundert Meilen Umkreis irgendwo eins dieser Tiere sein Wesen treibt. Die anderen sind verrückt genug, Grizzlys wie Plüschtiere aus dem Disneyland zu behandeln.
Panik ist genauso fehl am Platze wie mangelnder Respekt, den offenbar vor allem Amerikaner gelegentlich an den Tag legen. In Alaska hat mir ein Ranger erzählt, dass dort Eltern allen Ernstes schon versucht haben, ihre kleinen Kinder auf einen (lebenden!) Grizzlybären zu setzen, um sie für das Familienalbum zu fotografieren. Und wenn dann ein dermaßen belästigtes Tier ausrastet und diesen lästigen Fotografen mit Bärenkräften „eine scheuert“, dann schreit man: „Gefährliche Bestien!“ – So nicht!
Wer seine natürlichen Instinkte nicht verloren hat, der verhält sich in Bärengebieten angstfrei, aber respektvoll. Und wenn er zusätzlich noch einige grundlegende Dinge über das Verhalten dieser Tiere weiß und beachtet, dann ist dies die beste Lebensversicherung. Besser als Feuerwaffen. Zugegeben: Absolute Sicherheit kann es nie geben (und vielleicht wollen wir das ja auch gar nicht wirklich) – aber bei richtigem Verhalten ist jede Anreise zum Wandergebiet hundertmal gefährlicher als alle dortigen Bären – und selbst das Risiko, von einem Meteoriten getroffen zu werden, dürfte noch höher sein als das eines Bärenunfalls.
Rainer Höh