Читать книгу Das Labyrinth erwacht - Rainer Wekwerth - Страница 8

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2.

Sie jagten ihn seit dem Augenblick, als er erwacht war. Verwirrt, in einer fremden Welt, ohne Erinnerung. Nackt. Er schlüpfte gerade in die festen Wanderschuhe, als er die Schreie zum ersten Mal hörte. Sie waren nah. Und es waren mehrere.

Er spürte die Gefahr augenblicklich. Seine Nackenhaare richteten sich auf und ein Zucken durchlief seinen Körper.

Was immer das war, es war gefährlich. Instinktiv wusste er, dass er fliehen musste.

Als er sich aufrichtete, stieß ihn etwas mit unglaublicher Wucht zu Boden. Es war, als wäre er mit voller Kraft gegen eine massive Wand gelaufen, eine Wand aus frostigem Eis. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass dieses Etwas eine menschenähnliche Gestalt hatte. Augenblicklich spürte er die Kälte in seinem linken Arm, dort wo ihn die Gestalt berührt hatte. Er wich auf dem Boden krabbelnd zurück, seinen linken Arm, wo ihn das Wesen gestreift hatte, zog er nutzlos und steif hinter sich her. Es gelang ihm in der kurzen Zeit und in seiner unglücklichen Position nicht, sich ein Bild seines Gegners zu machen. Er wusste nur, dass er so schnell wie möglich verschwinden musste. Er warf sich herum, drückte sich mit seinem gesunden Arm vom Boden hoch. Mit einem Satz war er auf den Beinen. Dann rannte er. Er rannte, so schnell er konnte. In seinem Rücken ertönte aufgeregtes Rufen, lang gezogenes heiseres Heulen, das sich in seinem Kopf festzusetzen schien und dem bald andere Schreie antworteten. Was immer ihn da angegriffen hatte, es war nicht allein. Es gab andere, die jetzt ebenfalls Jagd auf ihn machten. Warum griffen sie ihn an? Die unmenschlichen Laute dröhnten in seinen Ohren. Er erhöhte das Tempo. Sein Atem ging keuchend und er versuchte, den lähmenden Schmerz in seinem linken Arm zu ignorieren. Er sah nicht zurück, wollte gar nicht wissen, wie viele ihn jagten, aus Angst, seine Beine könnten bei ihrem Anblick versagen.

Der Rucksack schlug schmerzhaft gegen seinen Rücken, die Wasserflasche darin drückte durch den Stoff. Aber er war froh, die Sachen noch zu haben. Im Laufen zog er die Riemen straff.

Besser, dachte er. So ist es besser. Bloß nicht stolpern, wenn du stolperst, haben sie dich.

Er glaubte, den Atem seiner Verfolger im Nacken zu spüren, die Kälte in seinem Arm zog bis in die Fingerspitzen. Beinahe konnte er sie nicht mehr spüren, und als er versuchte, sie zu bewegen, krampften seine Finger. Es war, als würde das Blut in seinen Adern gefrieren. Er stöhnte auf, doch er biss die Zähne zusammen und forderte das Letzte aus seinem Körper heraus.

Etwas hinter ihm erschütterte den Boden und raste in einer Druckwelle heran. Was war das? Eine Explosion? In letzter Sekunde warf sich Mischa nach vorn, ein heller Schmerz durchzuckte seinen Nacken, als er auf seine Schulter stürzte. Für einen kurzen Moment war alles um ihn wie im Nebel. Wieder hörte er Rufe und Schreie hinter sich. Sie klangen allerdings weiter entfernt als zuvor. Er hatte sie nicht abgehängt, aber sich einen Vorsprung verschafft.

Mischa rappelte sich mühsam hoch und warf hastige Blicke über seine Schulter zurück.

Im unheimlichen Zwielicht konnte er mehrere dunkle Umrisse ausmachen, die sich schleppend auf ihn zubewegten. Sie waren ungefähr so groß wie er. Einzelne Gesichter schälten sich aus der dunklen Masse heraus, immer wieder blitzten helle Haare daraus hervor. Er kam auf diese Weise nicht schnell genug voran, aber er wollte wissen, was da hinter ihm herjagte. Aber jedes Mal, wenn er eine der Gestalten in den Blick bekommen hatte, verschwamm alles vor seinen Augen, er konnte sie nicht fixieren. Das Bild schien zu flackern. Er gab auf.

Wie weit sind sie weg?

Einige Hundert Meter, mindestens.

Vornübergebeugt, versuchte er, sich zu erholen. Der Brustkorb pumpte hektisch, bei jedem Atemzug stach es in der Lunge. Sein mittlerweile komplett steifer Arm krampfte. Irgendetwas pulsierte schmerzend an der Hüfte, aber er ignorierte es. Er zog die Wasserflasche aus dem Rucksack und trank sie in hastigen Schlucken leer. Über neues Wasser konnte er sich später Gedanken machen.

Jetzt musste er weiter. Er wusste, dass er noch lange nicht in Sicherheit war. Seine Verfolger kamen näher, unerbittlich. Es war sinnlos, einfach weiterzurennen, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach. Er musste es schaffen, seine Spur zu verwischen, ihre Sinne zu täuschen. Aber wie?

Sein Blick schweifte umher. Ein Blitz erhellte den Himmel für einen Sekundenbruchteil.

Da. Gar nicht so weit entfernt, zeichnete sich ein Wald vor dem dunklen Horizont ab. Dort wäre er nicht so leichte Beute. Sie würden ihn nicht so schnell finden können, vielleicht sogar seine Spur verlieren. Er entblößte die Zähne zu einem entschlossenen Grinsen.

Ich werde diese verfluchten Biester abhängen.

Das Labyrinth erwacht

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