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Vorwort

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Was das Verhältnis zur Sprache angeht, sind die Menschen sehr verschieden. Dem Linguisten ist sie eine Wissenschaft, die er beherrscht, aber Laien einfach nicht verständlich zu machen vermag. Dem Schriftsteller und dem Mimen erscheint sie als künstlerische Knetmasse, deren starre Regeln es zu überwinden gilt, wenn man wahrhaft Großes schaffen will. Dem Lyriker klingt sie, richtig gehandhabt, am Ende wie eine zauberhafte Melodie. Dem Journalisten und dem Politiker dient sie als manipulierbares Kommunikationsmittel, als Handwerkszeug. Dem Legastheniker bedeutet sie tägliche Höllenqual.

Mir hat sie immer nur Spaß gemacht. Selbst das Grübeln um die beste Formulierung, das Suchen nach einem fehlenden Wort war mir keine Last, sondern spannend wie ein gutes Kreuzworträtsel. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, in – wie ich hoffe – unterhaltsamer Form noch einmal Erlebnisse und Erfahrungen mit verschiedenen Aspekten der Sprache zu Papier zu bringen. Ein solcher Rückblick auf das Beinahe-Jahrhundert meines Lebens konnte keine unpolitische Sprachplauderei bleiben. Leser meiner journalistischen Bilanz »Ich habe alles doppelt gesehen« wird nicht weiter überraschen, dass sich auch hier in allen Kapiteln ein wenig die historische Dramatik dieser meiner Zeit spiegelt – ob es um mein Leben, mein Schreiben, mein Singen, meine sehr säkulare Jüdischkeit, mein Beten und Zweifeln oder meine Begegnungen mit Exil-Literatur und Exil-Literaten geht. Das letzte Kapitel habe ich einem ungeliebten, aber wichtigen Bestandteil unseres Seins, dem Tod, gewidmet. Eigentlich wollte ich den letzten Federstrich dieses Kapitels zum Schlussakkord meines Lebensweges werden lassen. Das ist Gott sei Dank etwas anders gelaufen als gedacht. Ich habe zu schnell geschrieben.

Das Verfassen eines Buches ist am Ende eine einsame Angelegenheit. Man sitzt Auge in Auge mit dem Computer, der sich selten dialogbereit zeigt und niemals geistvoll widerspricht. »Dichter gleichen Bären, die immer an eigenen Pfoten zehren«, scherzt Goethe als höchste Instanz in dieser Sache. Er hat damit Recht und Unrecht. Manche zehren an jeder Pfote, die ihnen begegnet, wem immer sie gehört. Aber in der Tat ist nicht nur Dichten, sondern schöpferisches Schreiben aller Art, vom Brief über den Bericht bis zum Roman oder Vers, ein eigenartiger Umwandlungsprozess, an dem Kopf und Herz, nicht selten schmerzhaft zweifelnd, beteiligt sind. Alle Autoren stehen vor dem Problem, Gesehenes, Empfundenes und Erdachtes in verständliche, sinnvolle und möglichst gut klingende Wörter und Sentenzen umzusetzen. Ist der Schreibende ernsthaft und ehrlich, bringt er so allemal ein Stück von sich selbst auf den Lesemarkt.

Das gilt auch für dieses Buch. Es behandelt das Thema Sprache aus der ganz individuellen Sicht eines Menschen, dem Schreiben zum zweiten Ich geworden ist. Ich habe versucht, mich zu erinnern, wie ich als Sachse dazu kam, wie lustig mein sprachlicher Weg vom Crimmitschauer Straßenjargon zu einem mehr oder minder korrekten Hochdeutsch war, wie mir dieser und jener handwerkliche Trick dabei half. Gleichzeitig wollte ich meine Meinung zu mancher hitzigen Diskussion unserer Tage über vermeintliche und tatsächliche Gefahren für unsere schöne Muttersprache durch das »aggressive Eindringen« von Fremdwörtern, namentlich von jenseits des Ozeans, sagen. In diesem Kontext geht es auch um Fremdenfeindlichkeit und Provinzialismus, um die Nutzlosigkeit des Rufes nach gesetzlichem Sprachschutz und die Notwendigkeit des eigenen täglichen Mühens um ein besseres Deutsch.

Kritischen Lesern könnten zwei »Bruchstellen« auffallen. In den ersten fünf Kapiteln werden zwanglos plaudernd, aber stellenweise durchaus ernsthaft und gründlich bestimmte Themen ausgelotet. Das folgende »German for Sie« ist im Grunde eine Glossensammlung zu Sprachsünden des Alltags, vor allem in den Medien. Hier ließ schon die damals von der Redaktion vorgegebene Kürze keinen Tiefgang zu, dafür konnte man umso eher zuspitzen und dem Affen Zucker geben. Das Echo zeigte: Manche mögen’s am liebsten so. Einen anderen Charakter versuchte ich dem siebenten Kapitel zu geben. Da ist der Humor mit Bitternis gemischt. Über Exilliteratur ist schon viel geschrieben worden, meist ging es um die Brüder Mann, um Feuchtwanger, Brecht und andere Größen der Literaturgeschichte. Ich wollte vier mir besonders vertrauten Autoren ein ganz persönliches Dankeschön dafür sagen, wie sie, verfemt und verbannt, unserer Sprache Treue hielten und in ihr und mit ihr Lebensmut und Lebensfreude gaben.

So viel zum Inhalt. Aber das meiste ist nicht so ernst geschrieben und gemeint. Wenn der Leser am Ende lächelnd nickt und ein paar unterhaltsame Stunden hatte, bin ich schon zufrieden.

Ralf Bachmann

Sprachbilder und Sprechblasen

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