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Paris

Dienstag, 28. September

Der TGV fuhr in den Gare du Nord ein. Der Bahnhof war erstaunlicherweise nicht so überfüllt, wie man es in Paris sonst gewohnt war, aber dennoch tönte eine unangenehme Lautstärke durch die große Bahnhofshalle.

Als einer der ersten Passagiere stieg Agent Andrew Gorham aus Waggon Nummer zehn aus und machte sich sogleich auf seinen Weg zur zuständigen Polizeidienststelle, die für den Mord an Francine Bouvois zuständig war.

Er verließ das Bahnhofsgebäude und blickte sich nach einem Taxi Ausschau haltend um. Der Verkehr, der hier auf der Straße herrschte erinnerte ihn an seine Heimatstadt London. Er wirkte auf ihn daher nicht völlig fremd, aber hier war es für sein Empfinden bedeutend lauter. Dazu kam, dass er so gut wie kein Wort französisch sprach.

Gegenüber gab es ein Starbucks. Vielleicht hatte er ja Glück und dort würde jemand englisch sprechen und ihm sagen können wo er am Ehesten ein Taxi bekommen könnte.

Er versuchte die Straßenseite zu überqueren, was einem Abenteuer gleich kam. Die Ampeln schienen hier niemand wirklich zu interessieren. Die Autos fuhren, wie es ihnen passte. Ob nun grün, oder rot war, ob Fußgänger kamen, oder nicht.

Nach einer gefühlten Unendlichkeit hatte er es aber doch geschafft und war sichtlich erleichtert, heil auf die andere Seite gekommen zu sein.

Gorham betrat das Starbucks. Es war so voll, wie auch die Pendants in London. Er schlängelte sich durch die Menschenmassen bis zu dem Punkt der seiner Meinung nach das Ende der Schlange bildete. Wenn er schon hier war, konnte er auch einen Kaffee für unterwegs mitnehmen.

Die Wartezeit verbrachte er mit dem Versuch die Karte zu lesen. Das Meiste konnte er sich erschließen, da die Beschriftung der Üblichen entsprach. Es gab lediglich vereinzelte Angebote, die er nicht zuordnen konnte, da diese auf französisch auf der Karte standen.

Als er schließlich an der Reihe war hatte er sich für einen Latte Macchiato entschieden und bestellte ihn. Nebenbei fragte er den Keller in seinem deutlichsten englisch, dass er aufbringen konnte, ob dieser denn seine Sprache verstehen würde.

„Non Monsieur. Un instant s´il vous plait.“ Mit diesen Worten ging der Mann zu einem Kollegen, der sich gleich darauf an Gorham wandte. „Isch schpreche ein wenig englisch. Wie kann isch Ihnen elfen?“

„Oh. Ja, ich möchte wissen, wo ich hier am schnellsten ein Taxi bekommen kann.“

„Ah oui. Da ge-en Sie inaus nach links und dann die erstö Schtraßö links rein. Da finden Sie einen Taxischtand.“

„Haben Sie vielen Dank!“ Gorham verließ das Starbucks und ging in die ihm genannte Richtung. Als er um die Ecke bog sah er zwar einen Taxistand, aber kein Taxi. Also wartete er, es würde ja sicherlich bald eines kommen. In der Zwischenzeit schaute er nochmal auf die Adresse der Polizeistation, damit er diese einigermaßen fehlerfrei dem Taxifahrer nennen konnte.

Ein paar Minuten später kam ein Taxi, Gorham nannte dem Fahrer die Adresse und dann fuhren sie durch den dichten Verkehr. Gorham wurde es auf der Fahrt schon manchmal etwas mulmig zumute, wenn er sah, wie hier die Verhältnisse auf den Straßen waren. Hoffe nur, dass ich heil ankomme. Er vermied es nach draußen zu sehen und beschäftigte sich lieber in der Zeit mit seinen Recherchen.

Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch einen Teil von Paris stieg Gorham vor der Polizeidirektion Montmartre aus dem Taxi und ging in das unscheinbare Gebäude, um mit dem zuständigen Beamten zu sprechen. Er hatte sich am Morgen noch vom Hotel in Köln aus angemeldet.

„Guten Tag. Mein Name ist Andrew Gorham, Agent bei der EUSC. Ich müsste erwartet werden von...“ Gorham kramte in seinem Sakko nach dem Zettel auf dem er sich den Namen des Beamten notiert hatte. Darüber, dass der Beamte hinter dem Tresen eventuell kein englisch sprach hatte er sich keine Gedanken gemacht und einfach drauf los geredet.

Gorham fand den Zettel. „...von Monsieur Thierry Herbault“, beendete Gorham seinen Satz.

Der Beamte bedeutete ihm einen Augenblick zu warten und verschwand in einem der hinteren Zimmer. Kurz darauf kam er zurück. Hinter ihm folgte ein stämmiger Mann, in etwa so groß wie Gorham, nur deutlich beleibter. Seine Glatze wurde von einem Kranz grauen Haares eingerahmt. Die Augen saßen tief in den Höhlen.

„Bonjour Monsieur Gor-am.“ Herbault hielt ihm die Hand entgegen, welche Gorham ergriff. „Bittö kommen Sie doch mit in mein Büro. Ier entlang.“ Gorham folgte der beeindruckenden Statur des französischen Kommissars, der ganz offensichtlich schon länger nicht mehr im dauerhaften Außendienst tätig war und wohl kurz vor der Pension stand.

In dem kleinen Büro angekommen nahmen sie gegenüber voneinander Platz. „Nun Monsieur, was kann isch für Sie in der Angelegen-eit von Mademoiselle Bouvois tun? Oder anders gefragt, wie glauben Sie uns elfen zu können?“ Der Kommissar sprach ein überraschend gutes englisch, wie Gorham feststellte.

„Zunächst einmal möchte ich mich bedanken, dass Sie mich so kurzfristig empfangen haben. Ich kann mir denken, dass hier eine Menge los ist in dieser Sache. Ganz besonders, wo es nun auch noch einen dritten ähnlichen Fall gibt.“

„Einen dritten Fall? Wie meinen Sie das, einen dritten Fall?“ Herbault war ehrlich überrascht, lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück, der bedenklich weit nach hinten kippte.

„Sie haben noch nichts von dem Fall aus Hamburg gehört? Dort wurde gestern in den frühen Morgenstunden ebenfalls eine Leiche entdeckt und es gibt ein paar Dinge, die diesen Fall mit dem hier, als auch mit dem in London in Verbindung bringen könnten.“

„Nein, davon abe isch noch nischts ge-ört. Erzählen Sie bittö“, forderte Herbault Gorham auf ihn aufzuklären.

„Nun ja, es wurde im Innenhof einer Kirche ein gepfählter Kopf gefunden. Der Körper des Opfers, als auch die abgetrennten Arme und Beine lagen, sauber in die vier Himmelsrichtungen zeigend, um den Kopf herum. Es handelt sich erneut um eine Verbrechergröße. Es handelt sich wieder um eine Kirche als ausgewählten Ort des Mordes. Und es handelt sich wieder um Tötung durch einen Schnitt durch die Kehle. In den beiden letzteren Fällen wurde der Kopf sogar komplett abgetrennt.“

Herbault lehnte sich wieder vor und schaute nachdenklich sein Gegenüber an. „Und Sie glauben, dass diese drei Mordö in einem gewissen Zusammen-ang ste-en? Mmmm.“ Herbault rieb sich über sein stoppeliges Kinn. „Da könnten Sie rescht aben, Monsieur Agent.“

„Und deshalb bin ich hier. Zudem habe ich Informationen von einer Seite erhalten, die ich nicht benennen darf. Mit meinen Vorgesetzten werde ich später in Kontakt treten, um ganz offiziell die Ermittlungen zu führen. Sie bekommen dann einen entsprechenden Bescheid. Nun möchte ich aber gerne mit dem Herren sprechen, der das Opfer zuletzt gesehen hat. Er sei wohl der Freund gewesen, ist das richtig?“

„Oui, das ischt korrekt. Monsieur Etienne Chavalier. Warten Sie, isch gebe Ihnen die Adresse. In dem Ver-ör konnte er uns allerdings nischt wirklich elfen und wir mussten ihn wieder laufen lassen, aber vielleischt aben Sie mehr Glück.“ Herbault kramte in den Unterlagen auf seinem Tisch, bis er die Akte gefunden hatte. „Ier, er wohnt in Versailles. Wenn Sie wollen rufe isch Ihnen ein Taxi.“ Herbault kritzelte in einer kaum lesbaren Handschrift die Adresse auf einen Notizzettel und reichte ihn Gorham herüber.

„Danke, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das mit dem Taxi übernehmen würden.“

Herbault griff zum Telefonhörer und rief Gorham ein Taxi. Fünf Minuten später war es da und Gorham stieg ein.

„Sie hören von mir, ich melde mich, sobald ich mehr weiß“, verabschiedete Gorham sich von dem Kommissar.

„Au revoir Monsieur Gor-am. Isch warte auf Ihre Meldung.“

Herbault kehrte in das Polizeigebäude zurück, während das Taxi mit Gorham seine Fahrt nach Versailles aufnahm.

Versailles. Der reiche Vorort von Paris, nur wenige Kilometer westlich der französischen Hauptstadt gelegen und bekannt natürlich durch die riesige Schlossanlage, die besonders zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine gewisse Bedeutung erlangte, als hier die Friedensverträge unterzeichnet wurden.

Das Taxi hielt vor einer Villa, die dem Schloss selber in nichts nachstand. Natürlich war sie deutlich kleiner, versprühte aber dennoch den gleichen Charme von Reichtum und Macht. Selbst die Steine, aus denen die Villa gebaut war, schienen aus demselben Material zu sein, wie die des Schlosses.

Drei Geschosse hoch und mit einer Grundfläche von Hundertzwanzig Quadratmetern je Etage bot diese Villa reichlich Platz. Hier wohnte der Pariser Drogenbaron Etienne Chavalier, der offiziell Eigentümer einer Schifffahrtsgesellschaft war, die hauptsächlich mit Ländern aus Südamerika zusammenarbeitete. Eine perfekte Tarnung für sein eigentliches Geschäft, dessen er bis heute nicht ein einziges Mal überführt werden konnte.

Andrew Gorham bezahlte den Fahrer, stieg aus dem Taxi und betrachtete sich das opulente Gebäude voller Staunen. Er bemerkte, dass sämtliche Vorhänge vor den Fenstern geschlossen waren. Schwerer schwarzer Brokatstoff, wie Gorham vermutete, der nicht ein bisschen Helligkeit in die dahinter liegenden Räume ließ.

Gorham schritt zu dem Tor und klingelte. Das Anwesen war gesichert durch eine Videokamera, die sich schräg oberhalb des Tores befand, sowie eine direkt über der Klingel. So konnte man von drinnen über einen Monitor sehen, wer vor dem Tor stand. Doch es regte sich nichts, also versuchte Gorham es erneut.

Kurz bevor sein Finger die Klingel berührte sprach eine weibliche Stimme durch den eingebauten Lautsprecher zu ihm. Es musste sich wohl um die Haushälterin handeln.

„Bonjour. Qui est là, s´il vous plait?“

Gorham antwortete auf englisch in der Hoffnung verstanden zu werden. „Guten Tag. Ich bin Agent Gorham von der EUSC und ermittle im Fall der ermordeten Francine Bouvois. Ich möchte gerne zu Herrn Chavalier. Ist er zu Hause?“

„Je lui demande si je ne peux pas les laisser. Attendre s´il vous plait.“

Gorham blieb vor dem Tor stehen und harrte der Dinge, die nun kommen mögen. Er konnte nur hoffen, dass das was die Haushälterin sagte, etwas positives auf seine Anfrage hin war.

Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit bis erneut eine Stimme aus dem Lautsprecher kam. Diesmal allerdings eine gebrochene männliche Stimme, die in überraschend klarem und deutlichem englisch sprach.

„Agent der EUSC? Ich fürchte meine Haushälterin hat Ihren Namen nicht genau verstanden. Was genau wünschen Sie von mir?“ Offensichtlich handelte es sich um den Hausherren.

„Mein Name ist Gorham, Agent bei der EUSC. Ich ermittle im Mordfall von Madame Bouvois und möchte Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“

„Mademoiselle, nicht Madame. Gorham ist Ihr Name? Hm, wie auch immer. Ich öffne Ihnen das Tor.“ Mit einem Summen schoben sich die beiden Elemente auseinander und Gorham ging über den langen Zuweg auf die Villa zu. Irgendwie kam ihm die Stimme entfernt bekannt vor, er konnte es nur nicht einordnen.

Um zum Eingang zu gelangen musste man über eine fast drei Meter breite und sechs Stufen nach oben führende Treppe gehen. Die Villa hatte den Ansatz einer Südstaatenvilla mit den Säulen an der Eingangsseite.

Als Gorham die letzte Stufe erklomm öffnete sich bereits die Tür und dahinter kam ein Mann, so groß wie ein Bär zum Vorschein. Nur das sein Gesicht keine Spur von Gefährlichkeit ausstrahlte, sondern von tiefer Trauer durchzogen war. Er musste Francine sehr geliebt haben. Das war etwas, was man sich bei Verbrechern seiner Größenordnung nie vorstellen konnte, dass so jemand in der Lage war, wahre Gefühle zu zeigen.

Er bat Gorham hinein und runzelte dabei leicht die Stirn, als Gorham an ihm vorbei in die Villa ging.

„Kommen Sie, gleich hier links durch die erste Tür. Da können wir uns setzen.“ Etienne Chavalier deutete in einen kleinen Salon mit Bartresen und einer gemütlichen Sitzecke bestehend aus einem runden Tisch, zwei Sesseln aus Leder und dahinter einem Kamin. Gorham setzte sich in einen der beiden Sessel.

Chavalier schlurfte zur Bar. „Was möchten Sie trinken Monsieur.... Gorham? Hab ich den Namen richtig behalten?“

„Ja, Gorham ist richtig. Nur ein Glas Wasser für mich bitte.“

Chavalier schenkte Gorham ein Wasser ein und für sich selbst einen großen Cognac. Dann setzte er sich zu Gorham an den Kamin.

„Kann es sein, dass wir uns kennen?“, fragte Chavalier den Agent völlig unvermittelt. „Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.“

Gorham musterte sein Gegenüber. „Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Ich hätte auch keine Idee woher.“

„Egal. Sie wollten mit mir sprechen?“

„Ja. Es geht um Ihre Freundin, Mademoiselle Bouvois und die Umstände ihres Todes und was Sie eventuell dazu sagen können.“

„Was könnte ich Ihnen sagen, was ich nicht auch schon der Polizei gesagt habe? Ich habe denen alles gesagt, was ich weiß. Warum fragen Sie nicht die? Warum müssen Sie mich damit belästigen? Es ist für mich schon schwer genug mit dem Verlust.“

Chavalier fiel in sich zusammen. Es war ein groteskes Bild diesen eindrucksvollen Mann so in seine Trauer verfallen zu sehen. Gorham war es in diesem Moment schon ein wenig unangenehm, aber es musste sein. Er sah halt die Dinge aus der Sicht eines Agent anders, als es ein einfacher Polizist tun würde und konnte durchaus ganz andere Schlüsse ziehen. Er ließ Chavalier Zeit sich zu sammeln.

Nach ein paar Minuten und einem zweiten, mittlerweile ebenfalls leeren Glas Cognac schien Chavalier bereit zu sein.

„Also gut. Ich weiß zwar nicht was es bringen soll, aber bitte. Stellen Sie Ihre Fragen.“ Er stand auf und goss sich das dritte Glas Cognac ein. Zumindest war es das Dritte, seitdem Gorham da war. Wie viele er womöglich vorher schon getrunken hatte konnte man nicht einschätzen.

„In Ordnung. Zunächst würde mich interessieren wann, wo und unter welchen Umständen Sie Mademoiselle Bouvois zuletzt gesehen haben.“

„Das war an dem Abend, so gegen dreiundzwanzig Uhr muss es gewesen sein. Am Osttor zum Bois de Boulogne. Da habe ich so eine Art Stammplatz. Auf dem Rest meines Weges hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden, aber dann entpuppte sich das als Francine. Sie wollte dann nach Hause. Wir waren für den Sonntag darauf verabredet, doch sie kam nicht, ging auch nicht ans Telefon. Da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es konnte alle möglichen Gründe dafür gegeben haben und kam auch vorher schon häufiger mal vor, dass sie nicht erreichbar war.“

Chavalier verfiel in eine Lethargie bei den Erinnerungen an das letzte Treffen mit seiner Freundin. Doch Gorham war dabei etwas aufgefallen.

„Sind Sie sich denn sicher, dass da nicht doch niemand Anderes war? Vielleicht doch jemand, der Sie verfolgt und sich dann versteckt hat, nachdem Mademoiselle Bouvois auftauchte?“

Chavalier hob den Kopf mit einem Ausdruck im Gesicht, der wirkte, als wenn er intensiv über etwas nachdachte. „Ich weiß nicht. Jetzt wo Sie das sagen... Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Die Polizei hat auch nichts in der Hinsicht gesagt. Aber vielleicht haben Sie recht. Das könnte sein.“

„Und wenn das sein kann, dann kann diese Person doch auch der mutmaßliche Mörder gewesen sein, meinen Sie nicht? Hatten Sie, oder Mademoiselle Bouvois Feinde?“

„Sie machen mir Spaß! Natürlich hatten wir die. Jeder, der in den Kreisen arbeitet wie wir hat Feinde. Das ist doch ganz normal. Sollten Sie als Agent aber auch wissen.“ Da klang tatsächlich so etwas wie ein Vorwurf in der Stimme mit, als Chavalier dies sagte.

„In was für Kreisen meinen Sie denn? Ich weiß nur, dass Sie in der Schifffahrtsbranche tätig sind“, tat Gorham unwissend, um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.

„Wollen Sie mich veralbern? Hat Ihnen Kommissar Herbault denn nichts weiter gesagt? Also gut. Mein Schifffahrtsunternehmen ist nur ein Deckmantel für den Drogenhandel, den ich betreibe. Das ist mein Hauptgeschäft. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Aber das Francine ebenfalls in dem Bereich tätig war brauche ich wahrscheinlich nicht extra zu erwähnen. Und da hat man Feinde, ohne Frage.“

„Und können Sie sich jemand von denen vorstellen, der, aus welchen Gründen auch immer, Ihnen, oder Mademoiselle Bouvois so etwas antun wollte?“

Chavalier überlegte kurz. „Nein. Ehrlich gesagt wüsste ich da niemand.“

Er wusste nichts. Da war sich Gorham sicher. Chavalier wirkte sehr glaubwürdig auf ihn. So kam Gorham zu dem Schluss, dass er hier nichts Nennenswertes mehr erfahren würde. „Ich danke Ihnen für Ihre Zeit Monsieur Chavalier. Sie haben mir durchaus helfen können, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht bewusst war.“ Gorham erhob sich, um die Villa zu verlassen. Chavalier geleitete ihn zur Tür.

„Eine Frage hätte ich aber noch Monsieur Chavalier. Sie scheinen auf mich durch und durch französisch, dennoch sprechen Sie ein hervorragendes englisch und haben den Raum auch durchaus in einem typischen englischen Stil eingerichtet. Da frage ich mich woher das kommt und ob das nicht doch in irgendeiner Weise mit dem Fall zu tun haben kann. Schließlich erfolgte der zweite Mord in London.“

Chavalier wirkte verwirrt. Was hatte er gesagt, dass dem Agent hätte weiterhelfen können? Und was sollte seine Einrichtung seines Kaminzimmers damit zu tun haben?

„Naja, es ist so, dass ich ursprünglich Student der Kriminalistik war. Und dadurch war ich ein halbes Jahr in London als Austauschstudent. Da konnte ich meine Englischkenntnisse vertiefen. Und außerdem hatte ich an der dortigen Uni einen Mentor... warten Sie, ich glaube das war der Professor Billingham. Ja Billingham, so hieß er. Und der hatte auch so ein Kaminzimmer in seinem Haus in das er häufiger Studenten eingeladen hatte und das hat mir sehr gefallen. Daher habe ich mir auch so eines eingerichtet.“

Gorham starrte Chavalier überrascht an. „Sie kannten Professor Billingham? Einen Moment, kann es sein, dass Sie zu der Zeit einen Spitznamen bei den Briten hatten?“

„Das stimmt. Die hatten irgendwie Schwierigkeiten mit meinem Vornamen und da gaben sie mir einen, der irgendwie dazu passte. Ich glaube das war...“

„...Tinnie!“, beendet Gorham für Chavalier den Satz. „Das waren Sie? Sie sind Tinnie?“

„Genau das war mein Spitzname. Aber woher kennen Sie den?“

Gorham grinste leicht verlegen ehe er antwortete. „Ich bin Andrew, oder damals besser als Drewie bekannt gewesen. Tinnie! Ich fasse es nicht!“

Die beiden Männer standen sich unentschlossen gegenüber. Sie wussten beide nicht, wie sie sich verhalten sollten. Damals in London waren sie in dem halben Jahr, das Chavalier dort verbracht hatte sehr gute Freunde geworden. Doch diese Freundschaft wurde immer weniger nachdem Chavalier wieder in Paris war. Schließlich brach der Kontakt dann irgendwann komplett ab.

Zudem kam die Situation, in der sie steckten. Gorham ermittelte in dem Mordfall der Freundin von Chavalier und dieser stand durchaus im Verdacht damit etwas zu tun zu haben, zumindest für die französischen Behörden. Gorham selbst war eigentlich von seiner Unschuld überzeugt. Dennoch gab es da noch den Drogenhandel.

Chavalier brach den Bann. „Nach so langer Zeit und dann zu solch getrübten Umständen. Aber vielleicht nennt man so etwas Schicksal. Pass auf, ich werde dir helfen, wo ich kann. Du wirst dir denken können, dass ich Verbindungen habe, die uns helfen können dieses Schwein zu kriegen.“

„Das kann ich mir denken, da hast du recht. Aber vorerst möchte ich alleine ermitteln. Verstehe mich nicht falsch, aber es sähe doch schon merkwürdig aus, wenn ich sofort mit einem Verdächtigen in dem Fall ermittele. Ich werde aber gerne auf dein Angebot zurückkommen. Doch was hältst du jetzt von einem Bier? Um die alten Zeiten Willen.“

„Sehr gerne. Komm, hier in der Nähe gibt es eine Bar, die haben sogar englisches Bier.“ Chavalier holte sich eine leichte Sommerjacke und gemeinsam gingen sie in die Bar. Gorham hatte trotzdem ein komisches Gefühl bei der Sache sich mit einem bekannten Drogenboss in der Öffentlichkeit zu zeigen, aber es interessierte ihn, wie aus diesem viel versprechenden französischen Studenten so jemand werden konnte. Er würde ihn danach fragen. Und dann mal weiter sehen.

KLOSTER DER FINSTERNIS

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