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Versailles

Dienstag, 28. September

Gorham und Chavalier saßen in der Bar und unterhielten sich über die alten Zeiten auf der Uni in London und die unzähligen Abende, die sie bei Professor Billingham verbracht hatten. Auch wenn Chavalier damals lediglich nur ein halbes Jahr in London gewesen war, so hatten die beiden sich damals doch sehr gut angefreundet und viel unternommen.

Sie waren bereits beide bei ihrem jeweils dritten Bier angekommen und Gorham musste feststellen, dass Chavalier recht hatte mit der Qualität dessen. Es schmeckte wirklich sehr gut und stand den englischen in nichts nach. Aber auf der anderen Seite hatte er ein schlechtes Gewissen, da er sich in den Fall vertiefen wollte und nun die Zeit vergessen hatte. Es war mittlerweile früher Abend geworden. Heute würde er nichts mehr machen.

„Aber nun erzähl doch mal Tinnie, wie du als Student der Kriminalistik auf die, wie sagt man so schön, schiefe Bahn geraten bist.“ Gorham lallte bereits bedenklich. Er war es einfach nicht mehr gewohnt so viel Alkohol zu trinken.

„Ach das ist eigentlich kurz erzählt. Auf der Uni hier in Paris habe ich mich mit anderen Studenten angefreundet und die wiederum hatten so ihre Stammkneipen. In denen wurde viel gekokst, also habe ich es auch mal ausprobiert. Darüber hat man halt gewisse Leute aus gewissen Kreisen kennengelernt. Tja, was soll ich sagen. Da führte dann schließlich eines zum anderen.“ Chavalier zuckte bloß mit den Schultern. „Es ist ja nicht so, dass ich bewusst jemanden umbringe. Ich habe einfach für mich meinen Job gefunden, könnte man sagen.“

„Hm. Aber hattest du nicht noch ein anderes Fach nebenher gehabt?“

„Ja, das stimmt. Theologie. Ich weiß, das passt noch viel weniger zu meinem Lebenswandel. Aber das habe ich auch nur mit angestrebt, weil meine Eltern, besonders meine Mutter, sich das gewünscht haben. Sie stammt aus einer tief gläubigen Familie, musst du wissen. Und da war es ihr sehr wichtig, das ich etwas in der Richtung mache. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass ich später mal irgendeinen hohen Posten in der Kirche bekleiden würde. Aber so ist das Leben, unberechenbar.“

Gorham versank in seine Gedanken. Er ließ sein eigenes Leben vor seinem inneren Auge vorbeiziehen. Wenn er nach den Wünschen seiner Eltern gehandelt hätte, würde er jetzt auf irgendeinem Managerstuhl in einer Bank, oder einem anderen Wirtschaftsunternehmen sitzen und wahrscheinlich den ganzen Tag mit langweiliger Büroarbeit verbringen.

Er hatte sich dem widersetzt und sein eigenes Ding durchgezogen. So wie Chavalier auch, auf seine Art.

„Wo wohnst du? Hast du ein Hotel?“, fragte Chavalier unvermittelt.

„Nein. Ich wollte ja eigentlich heute noch weiter nach London. Das wird jetzt wohl nichts mehr.“, antwortete Gorham mit einem Blick auf die Uhrzeit.

„Dann bleib doch bei mir. Ein wenig Gesellschaft könnte mir in der momentanen Situation glaube ich ganz gut tun. Was meinst du? Und morgen früh bringe ich dich zum Flughafen.“

Gorham überlegte nicht lange und willigte ein.

Sie verließen die Bar und schlenderten durch die prachtvollen Straßen von Versailles zurück zur Villa. Chavalier bat seine Haushälterin das Gästezimmer für Gorham herzurichten, zu lüften und frische Bettwäsche aufzuziehen. Sie bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. Sie konnte sich nicht erklären wieso ein Agent irgendeiner europäischen Polizei bei Chavalier übernachten sollte. Aber sie hatte ihre Arbeit zu tun und keine Fragen zu stellen.

Gorham und Chavalier nahmen wieder im Kaminzimmer Platz und gönnten sich beide diesmal einen Cognac. Es war zwar nicht wirklich das Getränk, welches Gorham bevorzugte, aber um ihn nicht zu beleidigen nahm er das Glas entgegen. Es schmeckte erstaunlich gut. Vielleicht lag es aber auch an seinem durch die Biere hervorgerufenen Zustand.

„So, und du ermittelst nun in der Sache von Francine?“ fragte Chavalier und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas.

„Das tue ich. Aber auch nur, weil ich von einem guten Bekannten darum gebeten wurde. Naja, wenn ich ehrlich sein soll, hätte mich spätestens nach dem Fall in Hamburg die ganze Sache so oder so interessiert.“

„Kann ich dir dabei nicht doch irgendwie helfen? Ich würde das Schwein gerne selber zur Strecke bringen, das mir meine Francine genommen hat. Da habe ich endlich eine Frau gefunden und dann wird sie mir auf so eine brutale Weise wieder genommen. Wer immer das war muss dafür büßen!“ Chavalier wurde bei seinen Worten immer lauter. Ein Ausdruck einer wahren und echten Trauer, wie Gorham bemerkte.

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich meine, nichts gegen dich als Person. Aber wie sähe das denn aus? Ich, als Agent und du, bei dem einschlägige Leute wissen womit du dein Geld verdienst. Mal sehen, vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, aber für den Moment muss ich dir absagen, auch wenn ich deine Beweggründe absolut nachvollziehen kann, keine Frage.“

Chavalier machte den Eindruck zutiefst beleidigt zu sein. Aber Gorham hatte recht, wenn er länger darüber nachdachte. Sein alter Studienfreund stand auf der anderen Seite des Gesetztes. Das konnte weitreichende Folgen für ihn haben, wenn das bekannt werden würde.

Gorham riss ihn aus seinen Gedanken. „Tue mir bitte bloß den Gefallen und fange nicht an auf eigene Faust an, den Täter zu suchen. Das würde unter den Fall der Selbstjustiz fallen und über die Folgen brauche ich dich wohl nicht aufzuklären. Lass dir versichert sein, dass ich alles in meiner Macht stehende unternehmen werde. Und sollte ich deine Hilfe benötigen, dann melde ich mich.“ Gorham erhob sein Glas in der Hoffnung, dass Chavalier die Geste verstand.

„Hätte mich jemand anderes um diesen Gefallen gebeten, ich würde nicht zustimmen. Aber okay. Da du es bist, der mich darum bittet will ich mich daran halten, auch wenn es schwer fallen wird“, antwortete Chavalier und prostete Gorham zu.

Den restlichen Abend verbrachten die beiden mit Unterhaltungen über nichts bestimmtes. Gorham war froh, dass er Chavalier etwas ablenken konnte, zumindest machte es den Anschein, denn er wurde im Verlaufe des Abends immer ruhiger. Allerdings konnte es auch am Alkohol liegen.

Als Gorham schließlich in seinem hergerichteten Zimmer im Bett lag überlegte er, was dieser Tag in Paris ihm tatsächlich gebracht hatte. Er hatte von Kommissar Herbault die gesamte Akte in Kopie bekommen, aber noch nicht weiter reingeschaut. Da kam ihn das unverhoffte Wiedersehen mit Tinnie dazwischen. Und ansonsten? Eigentlich nichts. Es war unter dem Strich ein ergebnisloser Tag gewesen. Aber wer weiß, ob denn nicht Chavalier doch noch hilfreich sein konnte.

Gorham nahm sich vor morgen auf dem Flug nach London die Akte Bouvois so intensiv wie möglich zu studieren, um vorbereitet zu sein auf die Dinge, die ihn im Fall des Roberto Borno erwarten würden.

KLOSTER DER FINSTERNIS

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