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Akbash I

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Der nächste Tag sollte für Radulf nicht nur zu einem außerordentlich spannenden und aufregenden, sondern auch zu einem schicksalhaften Tag werden. Bereits um acht Uhr wurden sie von ihrem einheimischen Fahrer mit seinem Allradwagen von ihrem Hotel abgeholt. Nach etwa einer Stunde Fahrt auf einer asphaltierten Straße hielt der Fahrer an, verschwand in einem Haus und kam mit einem anderen Mann wieder heraus, der sich auf sein Moped setzte und vor ihnen herfuhr.

Radulf verstand sehr schnell, warum sie nun einen Führer brauchten, denn nach wenigen Minuten bogen sie von der asphaltierten Straße ab auf einen Feldweg, der sie in den „Busch“, wie Europäer ihn sich vorstellen, führen sollte. Selbst Einheimische würden das Dorf Kotamani, zu dem sie nun hinfuhren, niemals ohne ortskundige Führer finden. Auch das Wort “Feldweg“ vermittelt hier einen falschen Eindruck, denn zeitweise war der Weg so, dass sich alle vier Räder des Wagens auf unterschiedlicher Höhe befanden, sodass sie sich nicht einmal mit Schrittgeschwindigkeit fortbewegen konnten.

Nachdem sie etwa zwei Stunden lang ihre Wirbelsäule auf diese Weise strapaziert hatten, versperrten plötzlich Bäume ihren Weg und es ertönten laute Schüsse aus einigen Vorderladern, sodass Radulf glaubte, nun endgültig Opfer eines Überfalls zu werden. Doch es stellte sich heraus, dass es sich um das Begrüßungskomitee aus Kotamani handelte, durch deren Schüsse den Dorfbewohnern ihr Kommen angekündigt wurde.

Die Jäger, nur besonders ehrwürdige Dorfbewohner konnten Jäger werden, räumten die Bäume beiseite und gingen anschließend vor dem Wagen her bis sie das Dorf erreichten. Alle Dorfbewohner hatten sich in einer langen Reihe aufgestellt und johlten und klatschten, während der Wagen an ihnen vorbei fuhr. Nachdem der Wagen angehalten hatte, wurden sie zu einem Tisch geleitet, der mit einer farbenfrohen Tischdecke bedeckt war.

An diesem Tisch saßen der Dorfälteste, der Bürgermeister, der Vorsitzende der deutschen Hilfsorganisation, Bogdan, sein Stellvertreter, Gunnar, und natürlich Radulf. Alle Dorfbewohner hatten sich in einem großen Kreis um diesen Tische versammelt. Der Bürgermeister trug ein langes hellblaues Gewand und eine blaue Takke; auch der Dorfälteste trug ein langes blaues Gewand, allerdings mit roten Verzierungen und eine Schärpe mit den malischen Nationalfarben rot, gelb, grün und eine grüne Takke mit gelben Verzierungen.

Nach den Festreden begann eine faszinierende Musik- und Tanzveranstaltung wie Radulf sie noch nicht erlebt hatte. Zunächst hörte man den rhythmischen Klang von Djemben, der sich allmählich dem Kreis näherte, bis man die bunt gekleideten Männer sah, die im Rhythmus der Trommeln in den Kreis einzogen; sie wurden gefolgt von ebenso bunt gekleideten Männern, die die Djemben mit ihren Balafonen ergänzten.

Nachdem die Musiker sich im Kreis niedergelassen hatten, erschien eine Gruppe von Tänzern, alle barfuß und mit nacktem Oberkörper; sie trugen lediglich eine knielange Hose und darüber ein Baströckchen, in ihren Händen wedelten sie mit fächerartigen Federn. Diese jungen Männer tanzten im Rhythmus von Djembe und Balafon mit einer solchen Grazie und Anmut, dass man den Eindruck hatte, die Musik setzte sich in ihren Körpern fort, Musik und Tanz verschmolzen hier zu einer Einheit, ihre Körper wurden zu Musik, die schließlich viele der umstehenden Frauen ebenfalls in die Mitte des Kreises zog.

Nun wurden die Männer ergänzt durch bildhübsche junge Frauen in ihren leuchtenden bunten Kleidern, Röcken und T-Shirts. Blau, gelb, grün, braun, rosa, weiß. Dem schlichten hellbraun der Baströckchen der Männer wurde nun die großartige Farbenpracht der Frauen hinzugefügt und als diese das Ganze dann noch durch ihre hellen johlenden Stimmen ergänzten, entstand schließlich das Bild einer einzigartigen Lebensfreude, wie sie dem Europäer vollkommen fremd ist.

Unter den Männern fiel Radulf ein Tänzer ganz besonders auf; während die Frauen alle eine bunte Kopfbedeckung trugen, war er unter den Männern der einzige mit einer Kopfbedeckung und zwar einer sehr merkwürdigen. Er trug eine hellbraune Wollmütze und darüber war eine zweite Kopfbedeckung mit einem Lederriemen um sein Kinn befestigt. Diese zweite „Mütze“ war verziert mit hunderten bunter Punkte, bei denen die Farben gelb, rot und grün dominierten; an beiden Seiten befanden sich rechtwinklige, ohrenähnliche Fortsätze, auf denen jeweils eine kleine Figur stand. Doch das merkwürdigste war die Vorderseite dieser „Mütze“, an der sich ein vogelhausähnliches Häuschen befand, das weit über den Kopf hinaus ragte. Die Öffnungen dieses Häuschens zeigten am oberen und unteren Rand weiße quadratische Gebilde, die den Eindruck machten, als handle es sich um ein Gebiss, sodass man auch meinen konnte, es handle sich tatsächlich um einen überdimensionierten geöffneten Mund, dessen Rachen sich über den Kopf fortsetzte und in einem etwa zwanzig Zentimeter langen schwanzartigem Gebilde endete. Abgesehen von der symbolischen Bedeutung dieses Fortsatzes diente er natürlich auch zur Stabilisierung des ganzen Gebildes.

Neben dieser Besonderheit des jungen Mannes fiel Radulf auch seine außerordentliche Schönheit auf, diese ebenmäßigen Gesichtszüge und der für Afrikaner ungewöhnlich kleinen Nase, auch hatte er ungewöhnlich schmale Lippen, seine Haut war dunkelschwarz und glänzte, als sei sie mit einer speziellen Hautcreme eingerieben worden. Er war offensichtlich der Vortänzer der Gruppe und wie sich später herausstellen sollte, war er auch derjenige, der sich in Kotamani darum kümmerte, dass die Hilfsgelder aus Deutschland in entsprechende Projekte umgesetzt wurden, wozu in diesem Dorf vor allem die Errichtung von sanitären Anlagen und der Bau eines Schulgebäudes mit zwei Räumen gehörte.

Nach der Musik- und Tanzdarbietung erschienen noch einmal die Jäger mit ihren altertümlichen Vorderladern; im Gegensatz zu den meisten anderen Männern waren sie alle einfarbig in dunkelbraune Jacken und Hosen gekleidet.

Anschließend wurde den Gästen die typische afrikanische Mahlzeit gereicht. Dieses Mal hockten sie im Kreis um einen großen Topf Reis mit einem Stück Fleisch in der Mitte, Ziegenfleisch, wie Radulf später erfuhr. Natürlich hockten auch der Dorfälteste und der Bürgermeister mit ihren Gästen in der Runde. Neben Radulf hockte Akbash, der Tänzer mit dem merkwürdigen Gebilde auf dem Kopf, das er natürlich jetzt nicht mehr trug, auch war er jetzt vollständig gekleidet mit einem knielangen Hemd und einer Hose, beides natürlich in hellblau.

Akbash war um Radulf ganz besonders bemüht, indem er immer wieder ein Stück Fleisch in der Mitte des Topfes abrupfte und es an die Stelle warf, von der Radulf mit seiner rechten Hand aß. Anfangs kostete es Radulf schon einiges an Überwindung, dieses dargebotene Fleisch zu essen, doch er wollte auf keinen Fall unhöflich sein und je länger das Essen dauerte, desto normaler erschienen ihm diese Essensgewohnheiten.

Nach dem Essen wollte Radulf noch einige Fotos machen, doch er stellte fest, dass die Batterien in seiner Kamera leer waren, sodass er zum Auto gehen musste, um Ersatzbatterien zu holen. Selbst bei dieser doch recht einfachen Handlung war es für die Gastgeber eine Selbstverständlichkeit, ihn zu begleiten. Nachdem Radulf die Batterien in seinem Gepäck gefunden hatte, blieben sie noch eine ganze Weile neben dem Wagen stehen, weil Akbash ihm sehr viele Fragen stellte, die die Lebensgewohnheiten in Deutschland betrafen. Er erzählte Radulf, dass er seine Heimat sehr liebe, dass er aber sein Dorf unbedingt einmal verlassen wolle, um die Welt kennen zu lernen. Er hatte sich im Selbststudium Lesen und Schreiben beigebracht und er wollte sein Wissen weiter vervollständigen. Er würde so gerne Arzt werden und dann in sein Dorf zurück kehren, um seinen Leuten zu helfen.

Natürlich konnte Radulf ihm jetzt nicht helfen, aber er gab ihm seine Adresse und seine Telefonnummer in Deutschland für den Fall, dass er es jemals schaffen sollte, nach Deutschland zu kommen. Nachdem Radulf noch einige Fotos gemacht hatte, wurde es Zeit zum Aufbruch und zur Rückkehr nach Sikasso. Als Dankeschön schenkte der Bürgermeister seinen Gästen zum Abschied eine Ziege, die sie mit zusammen gebundenen Beinen hinten in den Wagen zu dem Gepäck legten.

Auf ihrem Rückweg hatten sie keinen Führer, was dazu führte, dass nicht einmal ihr einheimischer Fahrer aus diesem „Dschungel“ herausfand. Zum Glück sahen sie einen jungen Mann, der auf einem Feld arbeitete, der ihnen den „Ausweg“ genau beschreiben konnte. Nach einer weiteren halben Stunde blieb der Fahrer plötzlich stehen, sprang aus dem Wagen, öffnete die Heckklappe und zog das gesamte Gepäck heraus. Als Radulf nach hinten kam, konnte er sofort riechen, was passiert war: die Ziege hatte über das gesamte Gepäck uriniert und alles stank ganz fürchterlich. Da sie kein Wasser dabei hatten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als nach kurzem Lüften alles wieder einzuladen und die Fahrt fortzusetzen.

Nach diesen Strapazen waren alle froh, am Abend endlich wieder auf der Terrasse von Dikembes Haus zu sitzen und sich bei einem Tee zu entspannen. Die Ziege wurde neben dem Haus angebunden und man konnte endlich die stinkenden Taschen mit Wasser reinigen. Inzwischen hatte Radulf sich auch daran gewöhnt, dass der jüngste Sohn von Dikembe lauthals schrie, sobald er Radulf erblickte.

Auch an diesem Abend kam Aayana wieder zu Radulf in sein Hotelzimmer, dieses Mal war es Radulf, der sofort einschlief, nachdem sie sich einander hingegeben hatten. Als sie am Morgen vom Muezzin geweckt wurden, entschuldigte er sich dafür, dass er so schnell eingeschlafen war, doch Aayana schaute ihn an und sagte nur: „Ich liebe dich!“

Radulf hatte große Mühe, seinen Schrecken zu verbergen, denn damit hatte er auf gar keinen Fall gerechnet. Er wusste nicht, warum Aayana zu ihm gekommen war, was sie von ihm wollte, wie diese „Beziehung“ weiter gehen sollte. Aber unbewusst war er davon ausgegangen, dass beide eine wunderschöne Zeit miteinander verbringen würden, eine Episode, eine Affäre ohne Zukunft, denn schließlich lebten sie fast fünftausend Kilometer voneinander entfernt. Aber in einer solchen Beziehung durfte dieser Satz auf gar keinen Fall gesagt werden, dieser Satz war in einer solchen Beziehung der absolute Sündenfall.

Radulf war daher froh, als er endlich wieder im Auto saß. An diesem Tag fuhren sie zunächst zu den Dörfern Zanadougou, Zoloko und Fama, wo es hauptsächlich darum ging, die alten Schulgebäude zu besichtigen, da die Bürgermeister dieser Dörfer darum gebeten hatten, sie bei dem Bau neuer Gebäude zu unterstützen.

Tatsächlich waren die alten Gebäude in einem so katastrophalen Zustand, dass es keinem Kind zugemutet werden konnte, dort unterrichtet zu werden und natürlich war es auch für die Lehrer unzumutbar. Selbst das Zimmer des Schulleiters bestand nur aus zusammengebundenen dünnen Baumstämmen, die mit Stroh bedeckt waren.

Anschließend besuchten sie noch zwei Absolventen der Landwirtschaftsschule Zamblara, die inzwischen sehr erfolgreich waren, sodass sie nicht nur auf eigenen Beinen stehen, sondern sogar noch ihre Familien unterstützen konnten. Der eine junge Mann hatte sich eine Hühnerfarm aufgebaut und der andere baute Mais und Baumwolle an.

Danach ging es weiter nach Siramana, wo sie zunächst mit dem Dorfältesten, dem Bürgermeister und den Dorfbewohnern unten einem großen Baum im Schatten saßen. Als der Fahrer ihres Wagens das Auto im Schatten parken wollte, fuhr er einer Ziege, die dort lag, über die Beine. Radulf hörte das Knacken der Knochen und es durchschauerte ihn am ganzen Körper, aber niemand stand auf und kümmerte sich um das schwer verletzte Tier; man ließ es einfach dort liegen.

Nach der Versammlung fuhren sie zu einem großen eingezäunten Areal, das in verschiedene Parzellen unterteilt war, von denen jeweils eine Parzelle einer Frau zugeordnet war. Damit hier überhaupt etwas erfolgreich angebaut werden konnte, hatte HfM den Bau von mehreren Brunnen unter der Bedingung finanziert, dass diese Ackerfläche ausschließlich von Frauen genutzt werden durfte. Die Frauen berichteten, dass die Männer zurzeit versuchten, sie von diesem Projekt zu verdrängen, woraufhin Bogdan dem Bürgermeister mitteilte, dass sie ihre finanzielle Unterstützung einstellen würden, falls dieses Projekt nicht ausschließlich von Frauen genutzt würde.

Nachdem sie nach Sikasso zurückgekehrt waren, besuchten sie noch den Markt, der mitten im Ort stattfand; dicht gedrängt standen die vor allem mit Gemüse voll beladenen Tische nebeneinander, aber es wurde auch Fleisch angeboten, das für Radulf nicht sehr ansprechend aussah, da es über und über mit Fliegen besetzt war. Sie schoben sich mit hunderten anderer Menschen zwischen den Ständen durch, hinter denen ausschließlich junge Frauen standen, die mit ihren farbenprächtigen Kleidern, Röcken, T-Shirts und Kopfbedeckungen den Eindruck einer Traumkulisse vermittelten, die jungen Mädchen mit ihren eng anliegenden meist roten T-Shirts, durch die ihre kleinen Brüste besonders betont wurden, gaben dem Ganzen noch einen Hauch von Erotik.

Anschließend fuhren sie wieder zum Haus von Dikembe, wo es dieses Mal ein festliches Essen gab, Ziege mit Reis. Für Radulf war es schon ein merkwürdiges Gefühle, als er daran dachte, dass diese Ziege am Tag zuvor noch lebendig neben ihm gestanden hatte und dass sie nun in kleinen Stücken vor ihm auf dem Teller lag. Diese Unmittelbarkeit zwischen lebendem und totem Fleisch hatte er bisher noch nicht erlebt.

Am Abend saß Radulf wieder mit Aayana in seinem Zimmer, beide wussten, dass dies ihr letzter gemeinsamer Abend sein würde, da für den nächsten Tag die Fahrt nach San geplant war und von dort wollten sie direkt nach Bamako fahren, um ihren Heimflug anzutreten. Lange saßen sie schweigend nebeneinander auf dem Bett, Radulf wusste, dass Aayana irgendeine Aussage von ihm erwartete. Ihre Liebeserklärung vom Morgen erforderte irgendeine Reaktion, doch Radulf wusste einfach nicht, was er darauf erwidern sollte. Aayana war eine wunderschöne Frau und er mochte sie sehr, ob er sie liebte oder nicht, darüber war Radulf sich einfach nicht im klaren, aber unabhängig davon galt es hier doch auch, die äußeren Umstände zu berücksichtigen, die nach Auffassung von Radulf alle einer dauerhaften Beziehung entgegen sprachen.

Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch, schrieb seine Heimatadresse und Telefonnummer auf einen Zettel und überreichte Aayana diesen Zettel schweigend; das war, so schien es ihm, alles was er in dieser Situation tun konnte. Aayana schaute auf den Zettel, dann blickte sie wieder hoch, lächelte, stand auf und umarmte Radulf. Er war sich nicht sicher, was diese Reaktion zu bedeuten hatte, aber er merkte, dass Aayana für den Moment zufrieden war, sodass er keine weiteren Erklärungen geben musste.

Aayana zog sich aus, legte sich ins Bett und sagte nur: „Komm!“ Es hatte den Anschein, als sei sie einem Rausch verfallen, sie schien Radulf regelrecht in sich aufzusaugen, keine Stelle seines Körpers ließ sie unberücksichtigt. Nachdem sie seinen Körper von oben bis unten mit ihren wunderschönen großen Lippen mit Küssen übersät hatte, bestieg sie Radulf und saugte seinen Schwanz tief in ihre Muschi hinein. Radulf spürte, wie sie am ganzen Körper glühte und er hatte das Gefühl, dass er mit seinem Schwanz in einem Feuer speienden Vulkan stecke, der sich auch nicht beruhigte, nachdem Radulf gekommen war; es pulsierte immer weiter, bis auch Aayana ihren Liebessaft über Radulf ergoss.

Eng umschlungen schliefen sie ein, am Morgen duschten sie gemeinsam, dann gab Aayana Radulf einen langen heißen Kuss und verschwand, ohne ein Wort zu sagen.


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