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San

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Die Fahrt nach San dauerte fast vier Stunden und war für alle sehr anstrengend. Als sie endlich in der Missionsstation in San ankamen, war Radulf froh, endlich einen heißen Tee zu bekommen und er war froh, endlich all die Brillen abgeben zu können, die er in Deutschland gesammelt hatte; die Oberschwester der Missionsstation bestätigte, dass sie einen Optiker kenne, der die Dioptrien der Brillen bestimmen könnte. Die Missionsstation war von einer hohen Mauer umgeben und bestand aus mehreren Gebäuden, in denen unter anderem Näherinnen ausgebildet wurden.

In einem der Gebäude befanden sich die Schlafräume für die Gäste; Radulf war froh, dass er ein Zimmer für sich alleine hatte, über seinem Bett befand sich ein Moskitonetz und die Tür des Zimmers ließ sich mehrfach verriegeln. Die Oberschwester hatte ihnen auch empfohlen, diese Tür in der Nacht verriegelt zu halten, da die Station trotz der hohen Mauer nicht sicher war; sie bestätigte also, was man ihnen in der deutschen Botschaft in Bamako gesagt hatte.

Radulf hielt sich zunächst an diese Anweisung, doch da es hier natürlich keine Klimaanlage gab wie in ihrem Hotel in Sikasso, wurde es nach einer Weile unerträglich heiß und stickig in dem Raum, sodass er schließlich doch die Tür öffnete, um frische Luft in das Zimmer zu lassen. Trotz der nun einziehenden frischen Luft blieb Radulf noch lange wach auf seinem Bett liegen. Um Mitternacht drang plötzlich ein höllischer Lärm von der Straße in sein Zimmer und Radulf war überzeugt, dass Terroristen in die Stadt eingedrungen waren, weil sie davon gehört hatten, dass einige Menschen aus Deutschland im Ort waren. Trotz seiner Angst schlief er dann doch irgendwann ein und am nächsten Morgen erfuhr er, dass die Dorfbewohner auf der Straße ein Fest gefeiert hatten.

Nach dem Frühstück fuhren sie zu der Krankenstation Lafiabougou, die von HfM mit medizinischen Geräten und Medikamenten unterstützt wurde. Am Tag zuvor waren gerade zwölf riesige Pakete mit Medikamenten angekommen, die alle noch ungeöffnet im Flur vor dem Büro standen. Außerdem hatte HfM die Ausbildung von zwölf Hebammen bezahlt, was einen enormen Fortschritt bedeutete, denn seitdem hatte es keine einzige Totgeburt mehr gegeben.

Neben der Unterstützung von schwangeren Frauen gehörte es zu den Aufgaben der Hebammen, über die Gefahren der weiblichen Genitalbeschneidung, besser Genitalverstümmelung, aufzuklären und nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr praktiziert wurde. Erstaunlich dabei war, dass die Hauptbefürworter dieser Genitalverstümmelung nicht die Frauen, sondern die Männer waren. Es gab Gegenden, in denen hatte eine Frau, die nicht verstümmelt war, keine Chance, einen Ehemann zu finden.

Alle zwölf Hebammen waren gekommen, um sich bei HfM für ihre Ausbildung zu bedanken. Eine der Hebammen, eine sehr junge wunderschöne Frau, mit einem langen blauen Rock mit gelben, schwarzen und weißen Verzierungen und einer blau-weiß karierten Bluse mit einem tiefen Ausschnitt, hatte selbst ein kleines Kind auf dem Schoß. Als das Kind unruhig wurde, griff die junge Frau in ihren Ausschnitt, holte eine Brust heraus und fing an, das Kind zu stillen. Für Radulf war dies ein so herzergreifendes schönes Bild, dass er es unbedingt fotografieren wollte. Natürlich fragte er die Frau zunächst, ob er sie fotografieren dürfe; sie gab zwar ihr Einverständnis, ließ allerdings ihre Brust wieder in ihrer Bluse verschwinden, sodass diese zauberhafte Symbiose von Mutter und Kind nicht mehr zum Tragen kam. Radulf konnte diese junge Frau ja schlecht darum bitten, ihre Brust wieder herauszuholen.

Anschließend fand eine Führung durch die verschiedenen Gebäude der Krankenstation statt, bei der der Chefarzt die einzelnen Geräte zeigte, die mit der Unterstützung von HfM angeschafft worden waren, natürlich ließ er es sich auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, welche Geräte noch dringend benötigt würden. Die Führung wurde auch von dem katholischen Pfarrer begleitet, der nicht, wie in Deutschland üblich, in tristem Schwarz gekleidet war, sondern er trug ein genauso leuchtend buntes Gewand wie die anderen Männer in Mali auch.

Dieser Pfarrer überreichte ihnen eine Einladung zum Haus des Bischofs, die sie selbstverständlich wahrnehmen wollten, da noch genug Zeit war. Der Bischof war allerdings nicht so bunt gekleidet, sondern er trug ein langes weißes Gewand, darüber eine lange silberne Kette mit großem Kreuzanhänger und eine weiße Takke auf dem Kopf. Er wohnte in einem großen Haus eines riesigen Komplexes mit mehreren Häusern und einer kleinen Kirche. Der Bischof gab ihnen einen ausführlichen Bericht über die Situation der Katholiken in einer überwiegend muslimischen Gesellschaft. Am Ende seines Berichtes kam er auf die finanzielle Situation zu sprechen und ließ durchblicken, dass er durchaus finanzielle Unterstützung gebrauchen könnte. Bogdan berichtete anschließend über die Aufgaben der HfM und erklärte, dass die Unterstützung der katholischen Kirche nicht dazu gehöre und dass außerdem auch ihre finanziellen Mittel sehr begrenzt seien.

Radulf war am Abend dieses Tages mal wieder sehr erschöpft, zumal sich die Strapazen natürlich langsam summierten, da immer nur sehr wenige Stunden für die Nachtruhe blieben. So war er schließlich doch ganz froh, dass es am nächsten Morgen zurück nach Bamako ging. Allerdings handelte es sich um eine fast achtstündige Autofahrt, die erneut sehr ermüdend war, obwohl man den ganzen Tag ja nur im Auto saß.

Sie verbrachten noch einige Stunden in einem Hotel, bis sie am Abend von einem Taxi zum Flughafen gebracht wurden. Dies war für Radulf das letzte Abenteuer in Mali: dass sich die Fenster in dem Taxi nicht schließen ließen, war bei diesen Temperaturen noch eher angenehm, da der Fahrtwind eine angenehme Abkühlung brachte. Weniger schön fand Radulf, dass sein Sitz nicht befestigt war und ständig hin und her rutschte, Das Ganze wurde jedoch noch übertroffen von der Tatsache, dass die Beifahrertür sich nicht richtig schließen ließ, sodass der Taxifahrer ihn bat, die Tür während der Fahrt zuzuhalten. Radulf war auf jeden Fall froh, als sie endlich den Flughafen von Bamako erreicht hatten.

Nachdem ihr Gepäck durchleuchtet worden war, wurde Radulf von einem Beamten in einen anderen Raum gebeten. War dies nun ein Déjà-vu oder hatte er das tatsächlich schon einmal erlebt, jedenfalls waren die Brillen ja nicht mehr da und außer ein paar bunten Stoffen hatte Radulf ja nichts in Mali gekauft.

Sie haben eine Schere dabei.

Nein, ich habe keine Schere dabei.

Auspacken!

Der Beamte klang nicht sehr freundlich und Radulf musste seinen gesamten Rucksack auspacken. Als ein Erste-Hilfe-Set auftauchte, forderte der Beamte, dass Radulf es öffnen solle. Zum Vorschein kam unter anderem eine etwa fünf Zentimeter lange biegsame Plastikschere, die der Beamte konfiszierte, sodass Radulf keine Möglichkeit mehr hatte, das Flugzeug zu entführen.

Endlich ging es zurück nach Paris, wo sie zu allem Überfluss noch ihren Anschlussflug verpassten, sodass sie fünf Stunden lang auf dem Flugplatz herumlaufen mussten, bis sie endlich nach Frankfurt zurück fliegen konnten.


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